16.50

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Volks­anwälte! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Rede heute steht unter dem Titel: Denn sie wissen langsam doch, was sie tun, und ziehen es trotz­dem durch. – Da rede ich jetzt nicht von der ÖVP, die meistens am Anfang gleich weiß, was sie tut, sondern von der SPÖ, der FPÖ und insbesondere von den Grünen. (Zwi­schenruf des Abg. Hörl.)

Worum geht es? – Die Volksanwaltschaft hat eine ganz wichtige Aufgabe übernommen, nämlich als nationaler Präventionsmechanismus. Das heißt, dass sie Kommissionen hat, mit denen sie Orte von Freiheitsentziehung kontrolliert: Pflegeheime, Altersheime, Kin­derheime, Einrichtungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen, Gefängnisse, Polizeianhaltezentren.

Bei dem Mandat ist natürlich was sehr wichtig und eine Voraussetzung laut den UNO-Vorgaben? – Unabhängigkeit. Wie steht es mit der Unabhängigkeit in Österreich? Wer sitzt hier heute vor uns? – Vertreter der drei größten Parteien, weil das Gesetz vorsieht, dass die drei mandatsstärksten Parteien das Vorschlagsrecht haben. Das wird irgendwie österreichisch missverstanden, und deswegen überlegen die drei Parteien nicht, von allen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern die Besten, die Experten und die unabhän­gigsten Charaktere zu nominieren, sondern Personen, die bisher in ihrer beruflichen Laufbahn gezeigt haben, dass sie primär einer Partei gegenüber loyal sind.

Aufgrund des parteipolitischen Bestellmodus wurde der Volksanwaltschaft mangelnde Unabhängigkeit attestiert und sie erlangte im Rahmen einer Attestierung nicht den A-Status, sondern den B-Status. Sie ist deswegen auch kein Menschenrechtsinstitut in vollwertiger Manier. Das ist selbstverständlich, insbesondere ab heute.

Warum? Was passiert heute? – Es wird der Volksanwaltschaft die Möglichkeit gegeben, politischen Einfluss auch in den Kommissionen auszuleben; denn unabhängig können Kommissionen nur dann sein, wenn es bei der Abberufung von Kommissionsmitgliedern einen wirksamen Rechtsschutz gibt. Das ist logisch. Das stellte auch der Verwaltungs­gerichtshof in zwei Entscheidungen klar fest. Im Fall einer Abberufung müssen die Mitglieder Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren haben, insbesondere rechtliches Gehör und Rechtsschutz. Und diesen Rechtsschutz gibt es nur, wenn die Volksanwalt­schaft einen Bescheid über die Abberufung erlässt.

Dass das Gericht das so sieht und dass sich geschasste Kommissionsmitglieder dem­nach auch in Zukunft gegen einen sie abberufenden Bescheid wehren können, gefällt anscheinend nicht. Deswegen beantragt heute die ÖVP mit den Grünen – unfassbarer­weise! – etwas, was unschuldig klingt, nämlich dass das Gesetz geändert wird und dann in Zukunft drinnen steht: alle „Akte der Volksanwaltschaft, insbesondere die Bestellung und die Abberufung der Mitglieder der Kommissionen, sind der Gesetzgebung zuzu­rechnen“.

Wenn nun die Volksanwaltschaft zur Gesetzgebung mutiert und sie nicht mehr Ver­wal­tungsorgan ist und nicht mehr Bescheide erlassen muss, wenn sie entscheidet, wie will man sich dann beschweren? Das ist mir und allen Experten und Professoren für öffent­liches Recht und Zivilrecht, die ich gefragt habe, völlig unklar. (Beifall bei den NEOS.)

Weil die Volksanwaltschaft schon an sich nicht die geforderte Unabhängigkeit hat, kommt jetzt zu diesem Übel noch dieses Übel dazu. Genau dieser Konnex hat dazu geführt, wie ich höre, dass die österreichische Vertretung in Genf einen Brief vom SPT, dem UNO-Gremium, bekam, das sehr besorgt ist, dass sich alle NGOs in Österreich, denen dies ein Herzensanliegen ist – Amnesty, Zara, Österreichische Liga der Menschenrechte –, besorgt an alle Abgeordneten gewandt und gemeint haben, diesem Antrag sei bitte nicht zuzustimmen. Der Konnex ist heute auch bewiesen, weil SPÖ und FPÖ mitstimmen – weil sie Volksanwälte stellen.

Damit nimmt die Politisierung der Volksanwaltschaft ihren Lauf und daher mein sehr optimistischer Abänderungsantrag zu Antrag 1108/A:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem eingangs bezeichneten Ausschussbericht angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

1. Die Z 1 lautet:

„1. § 12 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

,Die Bestellung und die Abberufung der Mitglieder der Kommissionen sind als Bescheid zu erlassen.‘“

2. Die Z 2 wird zu Z 4. Als neue Z 2 und Z 3 werden eingefügt:

„2. Der erste Satz des § 12 Abs. 2 lautet:

,Die Mitglieder werden mit ihrer Zustimmung nach Anhörung des Menschenrechtsbeirats von der Volksanwaltschaft mit Bescheid bestellt.‘“

„3. Der erste Halbsatz des § 12 Abs. 4 vor der Aufzählung lautet:

,Die Volksanwaltschaft kann ein Mitglied mit Bescheid schriftlich und begründet vorzeitig abberufen,‘“

*****

Der Antrag ist wohl chancenlos, das ist mir klar. Umso mehr werden wir NEOS uns weiterhin mit demselben Antrag, wie schon einmal, dafür einsetzen, dass der Bestell­modus der Volksanwaltschaft in Zukunft anders aussieht, denn wir brauchen in Öster­reich eine unabhängige Folterpräventionskontrollstelle. (Beifall bei den NEOS.)

16.55

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Volksanwaltschaftsausschusses über den Antrag 1108/A der Abge­ord­neten Martina Diesner-Wais, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksanwaltschaftsgesetz 1982 geändert wird (615 d.B.) - TOP 10

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem eingangs bezeichneten Ausschussbericht angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

1. Die Z 1 lautet:

"1. § 12 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

'Die Bestellung und die Abberufung der Mitglieder der Kommissionen sind als Bescheid zu erlassen.'"

2. Die Z 2 wird zu Z 4. Als neue Z 2 und Z 3 werden eingefügt:

"2. Der erste Satz des § 12 Abs. 2 lautet:

'Die Mitglieder werden mit ihrer Zustimmung nach Anhörung des Menschenrechtsbeirats von der Volksanwaltschaft mit Bescheid bestellt.'"

"3. Der erste Halbsatz des § 12 Abs. 4 vor der Aufzählung lautet:

'Die Volksanwaltschaft kann ein Mitglied mit Bescheid schriftlich und begründet vorzeitig abberufen,'"

Begründung

Sicherung des Rechtsschutzes gegen Abberufung als Kommissionsmitglied durch die Volksanwaltschaft

Der vorliegende Gesetzesentwurf der Regierungsfraktionen wird damit begründet, dass man angesichts einer Judikaturdivergenz zwischen dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) und dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) mit der vorgeschlagenen Änderung Klarheit schaffen möchte. Es soll "gesetzlich ausdrücklich klargestellt werden, dass die Einset­zung der Kommissionen sowie alle damit zusammenhängenden Akte der Volksanwalt­schaft, insbesondere die Bestellung und die Abberufung der Mitglieder der Kommis­sio­nen, der Gesetzgebung zuzurechnen sind". Durch diese Regelung wäre jedoch fraglich, ob etwa gegen Beschlüsse der Volksanwaltschaft (VA) Kommissionsmitglieder abzu­berufen effektiver Rechtsschutz gewährleistet ist. Durch eine explizite Zuordnung zur Staatsfunktion Gesetzgebung bestünde jedenfalls gegen die entsprechenden Akte der Volksanwaltschaft kein öffentlich-rechtlicher Rechtsschutz. Inwiefern ein zivilrechtlicher Rechtsschutz gegen solche Akte der Gesetzgebung in Frage kommt, ist auch nicht ersichtlich.

Die Antragsteller_innen schlagen daher vor, die Bestellung und die Abberufung der Mit­glieder der Kommissionen durch die Volksanwaltschaft aus Rechtsschutzgründen ge­setz­lich explizit an die Bescheidform zu knüpfen. Damit wäre klargestellt, dass diese Entscheidungen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegen. Dass der Volks­an­waltschaft in diesem Bereich die Stellung einer Verwaltungsbehörde zukommen soll, ist im Hinblick auf die Eingriffsqualität derartiger Akte gerechtfertigt. So ist die Abberufung von Kommissionsmitgliedern gemäß § 12 Abs 4 VolksanwG nur aus folgenden Gründen zulässig: 1. auf dessen Wunsch, 2. wenn es auf Grund seiner gesundheitlichen Verfas­sung die mit seiner Funktion verbundenen Aufgaben nicht mehr erfüllen kann oder 3. wenn es die mit seiner Funktion verbundenen Pflichten grob verletzt hat oder dauernd vernachlässigt oder eine Tätigkeit ausübt, die Zweifel an der unabhängigen Ausübung seiner Funktion hervorrufen könnte. Auch in Bezug auf die Ausübung der Diensthoheit gegenüber den Bediensteten der VA kommen dem Vorsitzenden der Volksanwaltschaft behördliche Befugnisse zu (Art 148h Abs 1 und Abs 2 B-VG).

In Bezug auf die schon aus dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit sowie geltenden, internationalen Verpflichtungen erfließende Notwendigkeit der Überprüfbarkeit der Ab­berufung von Kommissionsmitgliedern durch die VA wird auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, insbesondere VwGH Ro 2018/03/0009, 26.06.2019, ver­wiesen:

"42 [...] Dieser funktionalen Unabhängigkeit iSd Art. 18 OPCAT dient auch die Beachtung der Abberufungsgründe nach § 12 Abs. 3 VolksanwG durch die Volksanwaltschaft selbst, ohne die ein stabiles Mandat der Kommissionsmitglieder während ihrer Funk­tions­periode sowie deren "echte Unabhängigkeit" nicht garantiert werden kann (vgl. Art. 18 OPCAT sowie die Pariser Regeln in der genannten Resolution der Generalver­sammlung der Vereinten Nationen). Sicherzustellen ist, dass die Mandatsdauer durch eine unzutreffende Handhabung der vorzeitigen Abberufung nicht unterlaufen werden kann. Werden die auf Basis des OPCAT gesetzlich normierten Abberufungsgründe nicht beachtet, wäre nämlich trotz gesetzlicher Festlegung der Amtsperiode kein stabiles Mandat gewährleistet. Den Mitgliedern der Kommissionen werden durch § 12 Abs. 4 VolksanwG subjektiv-öffentliche Rechte eingeräumt, nur unter den in den Z 1 bis Z 3 näher normierten Voraussetzungen vorzeitig abberufen zu werden.

43 Gemessen an den mit dem OPCAT-Durchführungsgesetz verfolgten Absichten des Gesetzgebers treffen für die Abberufungsregelung daher dieselben Wertungen und Gesichtspunkte zu wie für den in Art. 148h Abs. 1 und 2 B-VG geregelten Fall der ande­ren Hilfskräfte der Volksanwaltschaft, nämlich die bei ihr tätigen Beamten. Dies insofern, als den für diese Beamten der Volksanwaltschaft - für diese im Wege der Diensthoheit - eröffnete gerichtliche Rechtsschutz betreffend ihr Arbeitsverhältnis bei der Volksanwalt­schaft auch bezüglich der Kommissionen (samt ihrer Mitglieder) als der zweiten (beson­deren) Art der Hilfskräfte der Volksanwaltschaft zum Tragen kommen muss.

44 Angesichts der Absicht, das OPCAT (wie erwähnt) mit dem genannten Durchfüh­rungsgesetz vollinhaltlich umzusetzen, kann dem Gesetzgeber nämlich nicht unterstellt werden, dass er für einen Fall wie den vorliegenden - nämlich die Handhabung der Abbe­rufungsgründe des § 12 Abs. 3 VolksanwG - keinen der Garantieverpflichtung des Art. 18 OPCAT adäquaten und dem Rechtswegniveau, wie er für die "Beamten der Volks­anwaltschaft" als der anderen Kategorie der Hilfsorgane der Volksanwaltschaft einschlä­gig ist, vergleichbaren Rechtsschutz vorsehen wollte. Angesichts der gesetz­gebe­rischen Absicht und der immanenten Teleologie des genannten Durchführungs­gesetzes würde eine andere Sichtweise das OPCAT als unvollständig umgesetzt erscheinen lassen. Ein solches Verständnis widerspricht auch nicht einer in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich dargestellten Beschränkung. Damit kann aber eine solche Beschränkung im vorliegenden Fall auch nicht als beabsichtigt angesehen werden [...].

45 [...] Der Aspekt eines Rechtsschutzes gegenüber der Volksanwaltschaft wird noch dadurch unterstrichen, dass den Kommissionen bezüglich der Berichte der Volksanwalt­schaft eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber der Volksanwaltschaft zukommt, die in ihrer schon angesprochenen Möglichkeit zum Ausdruck kommt, in den Berichten der Volksanwaltschaft gegenüber dem Nationalrat (unter bestimmten Voraussetzungen) eigene "Bemerkungen" vorzunehmen. [...]

58 Wenn auch die Volksanwaltschaft in ihrem Verfahren zur Abberufung der revisions­werbenden Partei von ihrer Funktion als Kommissionsmitglied nicht die §§ 56 ff AVG betreffend Bescheide und deren Gestaltung anzuwenden hatte (vgl. § 5 VolksanwG), so bedeutet es aber nicht, dass von der Volksanwaltschaft etwa auch jene allgemeinen Grundsätze, die sich schon aus dem Wesen des Rechtsstaates ergeben, nicht zu beach­ten gewesen wären. Zu den allgemeinen, für jedes rechtsstaatliche Verfahren wichtigen Rechtsgrundsätzen zählt insbesondere die Pflicht zur Feststellung des entscheidungs­wesentlichen Sachverhalts in einem Ermittlungsverfahren, die Pflicht zur Entschei­dungs­begründung (vgl. hier § 12 Abs. 4 VolksanwG) sowie die Pflicht zur Gewährung des rechtlichen Gehörs [...].

59 [...] Wie ausgeführt kommen der Volksanwaltschaft als Kollegialorgan im Rahmen der Bestellungs- und Abberufungsbefugnis hinsichtlich der Kommissionsmitglieder gemäß Art. 148h Abs. 3 B-VG iVm § 1 Abs. 2 VolksanwG iVm § 9 Abs. 1 Z 7 der GeO der VA 2012 "angelagerte Verwaltungsfunktionen" zu. Das Kollegium der Volksanwaltschaft wird diesbezüglich als (oberstes) Verwaltungsorgan tätig und hat in Ausübung der Befug­nisse nach Art. 148h Abs. 3 B-VG einen Bescheid über die Abberufung der Revisions­werberin als Kommissionsmitglied zu erlassen. Die Zuständigkeit des Verwaltungs­ge­richtes des Bundes gemäß Art. 131 Abs. 2 erster Satz B-VG knüpft daran an, dass eine Angelegenheit in unmittelbarer Bundesverwaltung (im Sinne des Art. 102 B-VG) besorgt wird; dies unabhängig davon, ob die betreffende Angelegenheit in Art. 102 Abs. 2 B-VG genannt ist oder sich ihre Besorgung in unmittelbarer Bundesverwaltung aus anderen Bestimmungen ergibt (vgl. EBRV 1618 BlgNR XXIV. GP, Seite 15). Da die Volks­anwalt­schaft organisatorisch ein Bundesorgan ist und damit im Rahmen ihrer angelagerten Verwaltungstätigkeit gemäß Art. 148h Abs. 3 B-VG in unmittelbarer Bundesverwaltung tätig wird, fällt die Beschwerde der Revisionswerberin in den Zuständigkeitsbereich des BVwG. [...]"

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Weidinger. – Bitte.