19.11

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Werte Frau Bundesmi­nisterin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wer geht wann und wie lange in Karenz oder auch in Elternteilzeit und wer nimmt eigentlich am ehesten, und vor allem in welchem Ausmaß, vermutlich aufgrund eines Kindes, eine Stundenreduktion im Job vor – und das alles im öffentlichen Dienst? Wir wissen, es sind immer noch mehr Frauen als Männer, auch im öffentlichen Dienst – aber wieso sollte man das nicht auch im Rahmen des Gleichbehandlungsberichtes schwarz auf weiß do­kumentiert wissen und damit Daten zur Verfügung haben? – Unserer Meinung nach spricht nichts dagegen.

Kurz gefasst, in wenigen Worten: Es ist ein sehr gescheiter Antrag von Kollegin Brand­stötter, den wir auf jeden Fall unterstützt hätten. Warum „hätten“? – Eigentlich glaubt man nicht, dass man da etwas dagegen haben könnte, aber die ÖVP und die Grünen sehen das ein wenig anders: Sie haben den Antrag abgelehnt und die neue Methode angewandt – neu auch für mich, ich bin inzwischen schon ein bisschen länger dabei –: Seit Kurzem gibt es diesen sogenannten § 27 Abs. 3 der Geschäftsordnung, werte Zuse­herinnen und Zuseher, da geht es darum, dass man ganz einfach einen Antrag von den Oppositionsfraktionen ablehnt und einen verwässerten Antrag einbringt, damit man dem dann irgendwie zustimmen kann. Der von Ihnen eingebrachte Antrag, werte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP und den Grünen, ist verwässert, weil er die Teilzeitvariante nicht beleuchtet, sondern lediglich die Karenz. – Warum wohl? Wo genau möchte man da nicht hinschauen?

So, das ist die eine Realität in den parlamentarischen Ausschüssen! (Beifall bei der SPÖ.)

Die zweite Realität in den parlamentarischen Ausschüssen, die wir mittlerweile wöchent­lich erleben, ist das sogenannte Instrument der Vertagung. Sie können sich gar nicht vorstellen, was da manchmal für Argumente kommen. Ich bin davon überzeugt: Wären die Ausschüsse öffentlich, würde nicht so argumentiert werden, weil es manchmal wirk­lich sehr blamabel ist. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Gleichbehandlung ist der Bundesregierung anscheinend ziemlich egal, weil wieder Etli­ches vertagt worden ist. Es gibt einfach keine Zeit mehr, zu vertagen und irgendwelche Evaluierungen vorzuschicken – das bringt nämlich nichts, so wie auch letzte Woche, es bringt keinen zusätzlichen Diskriminierungsschutz! Ich erinnere an unsere Anträge im Zusammenhang mit der LGBTIQ-Community. Wir haben zum Nationalen Aktionsplan, der endlich auf die Füße gestellt werden muss, Anträge gestellt; wir haben Anträge zum Levelling-up gestellt. Seit zehn Jahren warten wir auf diesbezügliche Entscheidungen, nämlich auf den umfassenden Diskriminierungsschutz auch im Privatleben. (Zwischen­ruf bei den Grünen.)

Wer blockiert? – Die ÖVP! (Beifall bei der SPÖ.) Ich frage mich wirklich, wer von Ihnen im Jahr 2021 noch überzeugt werden muss! Wir geben Ihnen heute noch einmal die Chance, weil Hass, Hetze und Übergriffe auf die LGBTIQ-Community derzeit einfach wirklich ganz massiv zunehmen. Erst am Montag wieder wurde in Bregenz das Symbol schlechthin, nämlich die Regenbogenfahne, angezündet. Diese Attacken sind keine Ein­zelfälle mehr. Wir müssen ganz vehement dagegen vorgehen, und tun wir das bitte wie­der gemeinsam! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg-Sarre.)

Eine besonders vulnerable Gruppe möchte ich auch nicht außen vor lassen: Die LGBTIQ-Schutzsuchenden sind in Asylverfahren zum Teil Fragen ausgesetzt, die unfassbar sind. Auch dagegen müssen wir vorgehen.

Ich möchte Ihnen noch einmal die Chance geben, heute für einen umfassenden Diskri­minierungsschutz für die LGBTIQ-Community zu sorgen, und darf deshalb folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nationaler Ak­tionsplan gegen Diskriminierung von LGBTIQ-Personen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzleramt, wird aufgefordert, umgehend einen Nationalen Aktionsplan gegen Diskriminierung und für die Akzeptanz von LGBTIQ-Personen vorzu­legen.“

*****

Es ist keine Zeit mehr, zu vertagen. Beschließen wir den umfassenden Diskriminierungs­schutz – jetzt! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

19.15

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mario Lindner, Katharina Kucharowits, Ing. Reinhold Einwallner, Ge­nossinnen und Genossen

betreffend Nationaler Aktionsplan gegen Diskriminierung von LGBTIQ-Personen

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 232/A(E) der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufnahme von Karenzen und Karenzdauern in den Gleichbehandlungsbericht des Bundes (799 d.B.)

Unter der alarmierenden Überschrift „Regenbogenfahne bleibt als Mahnmal hängen“ be­richtete das Magazin „Vorarlberg Online“ erst gestern, am 20. April 2021, über den jüngs­ten Vandalismus gegen eine Regenbogenfahne in Österreich. An einer Bregenzer Kir­che wurde die Fahne als Zeichen der Inklusion und der Solidarität mit Lesben, Schwulen, Bisexuellen, transidenten, intergeschlechtlichen und queeren Menschen gehisst.

Unbekannte setzten sie in Brand und reihen diesen Vorfall damit in eine erschreckende Reihe mit anderen Vandalismus-Akten gegen Symbole der Gleichstellung und Antidiskri­minierung in den letzten Wochen. Von Vorarlberg bis Wien zeigten Angriffe gegen Zei­chen queerer Sichtbarkeit einmal mehr deutlich, dass der Einsatz für die Gleichstellung von LGBTIQ-Menschen in Österreich noch lange nicht vorbei ist.

Während Österreich genau in diesem Bereich in den letzten Monaten und Jahren untätig geblieben ist, präsentierte die Europäische Kommission im November 2020 unter dem Titel „Union der Gleichheit“ die erste umfassende Gleichstellungsstrategie für Lesben, Schwule, bisexuelle, Transgender-, intergeschlechtliche und queere Personen (LGBTIQ). In der offiziellen Information zur Strategie stellt die Kommission dabei klar: „Wenngleich in der EU in den letzten Jahren Fortschritte bei der Gleichstellung von LGBTIQ erzielt wurden, werden LGBTIQ-Personen nach wie vor diskriminiert (43 Prozent fühlen sich nach eigenen Aussagen diskriminiert). Die COVID-19-Krise hat die Lage noch ver­schärft. Die heute vorgelegte Strategie befasst sich mit den Ungleichheiten und Heraus­forderungen, mit denen LGBTIQ-Personen konfrontiert sind, und enthält eine Reihe ge­zielter Maßnahmen (einschließlich rechtlicher und finanzieller Art) für die nächsten 5 Jahre.“

Im Zentrum der LGBTIQ-Strategie stehen vier Säulen: Die Bekämpfung von Diskriminie­rung (insbesondere durch die Evaluierung der Richtlinie zur Gleichbehandlung in Be­schäftigung und Beruf); die Gewährleistung von Sicherheit (durch den Kampf gegen Hassdelikte, Hetze und Gewalt, sowie eine geplante Initiative, die Liste der „EU-Strafta­ten“ um Hassdelikte und Hetze zu erweitern, die sich gegen LGBTIQ-Personen richten); der Schutz von Regenbogenfamilien (insbesondere bei der Überschreitung von EU-Bin­nengrenzen); sowie die Gleichstellung von LGBTIQ weltweit. Gleichzeitig werden die Mitgliedsstaaten aufgefordert, eigene Aktionspläne ins Leben zu rufen: „Die Mitglied­staaten werden aufgefordert, auf bestehenden bewährten Verfahren aufzubauen und eigene Aktionspläne für die Gleichstellung von LGBTIQ zu entwickeln. Ziel ist es, LGBTIQ-Personen besser vor Diskriminierung zu schützen und die Maßnahmen im Rah­men dieser Strategie durch Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTIQ in Bereichen, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, zu ergänzen.“

Gerade die österreichische Bundesregierung, die sowohl im Kampf gegen Hate Crimes, als auch durch den fehlenden Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orien­tierung außerhalb der Arbeitswelt (beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen) auf­grund des noch immer ausstehenden „Levelling Up“ des Gleichbehandlungsgesetzes, noch viel zu tun hat, muss diese EU-Strategie zum Anlass nehmen, um auch auf natio­naler Ebene deutlich stärker als in den letzten Monaten und Jahren für die Gleichbe­handlung von LGBTIQ-Personen einzutreten.

Außerdem gibt es gerade im Bereich des Schutzes von besonders vulnerablen Gruppen in unserer Republik noch immer massiven Handlungsbedarf. So zeigen erschreckende Medienberichte über die Situation von LGBTIQ-Schutzsuchenden in den vergangenen Jahren immer wieder, dass gerade diese Gruppe im Asylverfahren oft mit extremer Homo- und Transphobie konfrontiert ist. Medial diskutierte Fälle, wie jener, in dem ein geflüchteter Mann nach der Bedeutung der Farben der Regenbogenfahne gefragt wurde, oder die Begründung des Fehlens von pornographischem Material auf dem Handy von Asylsuchenden zeigen den dringenden Handlungsbedarf, den es in diesem Bereich noch immer gibt. Erst vor wenigen Wochen wurde ein erneuter Fall bekannt, in dem eine transidente Frau aus der Ukraine mit besonderen Schikanen konfrontiert wurde, sich nach eigenen Aussagen vor männlichem Beamten ausziehen musste und trotz ihres Geschlechtseintrages als Mann angesprochen wurde. Solche Fälle gelangen in den öffentlichen Diskurs, zahlreiche andere gehen dabei aber unter und lassen auf ein tiefergreifendes Problem im Umgang mit LGBTIQ-Geflüchteten schließen.

In all diesen Bereichen braucht es ein koordiniertes, umfassendes Vorgehen gegen Dis­kriminierung und für Akzeptanz! Ein Nationaler Aktionsplan, der alle Bereiche des Bun­des umfasst und nachvollziehbare Ziele für die Verbesserung der Lage der LGBTIQ-Community auflistet, wäre genau dafür der richtige Weg. Dieser würde die Möglichkeit geben, endlich in allen Bereichen mit Diskriminierungen und fehlendem Schutz im politischen, sowie im Verwaltungsbereich abzuschließen und allen Menschen in Österreich ein selbstbestimmtes, sichtbares und stolzes Leben zu ermöglichen – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzleramt, wird aufgefordert, umgehend einen Nationalen Aktionsplan gegen Diskriminierung und für die Akzeptanz von LGBTIQ-Personen vorzu­legen.“

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Dipl.-Kffr. Elisabeth Pfurtscheller. – Bitte, Frau Abgeord­nete.