Kriegstreiber, der sich nicht an den Verhandlungstisch setzt, in einer Situation, in der wir kein Gewicht an diesem Verhandlungstisch haben. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)
Die letzten Wochen haben doch eines gezeigt: Die EU mag besorgt sein, aber sie ist passiv gewesen, um nicht zu sagen: irrelevant.
Einzelne Staatschefs wie Emmanuel Macron versuchen, voranzugehen, eine Lösung zu finden und auch durchaus eine Vermittlerrolle einzunehmen – und ich bin sehr dankbar, dass es diese Initiativen gibt –, aber es fehlte die entschlossene und geschlossene Verhandlungsmasse, das Gewicht. Ja, wir können Sanktionen verhängen, und die müssen auch sehr scharf sein – sie müssen für den Kreml spürbar sein; und sie werden auch weiter gehen müssen, dazu gibt es heute ja schon klare Aussagen von Baerbock, und dafür bin ich auch sehr dankbar –, doch Putin weiß, dass es selbst über diese Sanktionen nicht immer Einigkeit gegeben hat. Putin weiß noch mehr, nämlich dass es in Bezug auf die Frage der Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa keine Einigung gibt, und daher sage ich auch: Schluss mit dieser Naivität! Am Verhandlungstisch zählt das militärische Potenzial mindestens genauso viel wie alle wirtschaftlichen Hebel.
Ich bin überzeugt davon, dass Europa am Scheideweg steht. Es entscheidet sich jetzt und in den nächsten Monaten und Jahren die Zukunft Europas: Entweder wir schaffen es jetzt, gemeinsam zusammenzustehen, für unsere eigenen Interessen einzutreten, handlungsfähig, entscheidungsfähig zu sein und damit auch selbstbewusst eine neue Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur in Europa auf den Weg zu bringen, oder wir scheitern, wie die letzten Jahre auch gezeigt haben, an kleinlichen Egoismen, die über das große Ganze gestellt wurden.
Seit Jahren treten wir für ein gemeinsames EU-Heer und damit echte Wehrhaftigkeit ein. Wir haben dafür viel Kritik einstecken müssen, aber ich glaube, gerade heute ist der Zeitpunkt, genau das wieder zu besprechen. Es wird sich nicht von heute auf morgen verwirklichen lassen, aber wann, wenn nicht jetzt, muss Europa aufwachen? Und es muss doch gerade ein Anliegen derer sein, denen die Abhängigkeit sowohl von Russland, aber auch von den USA ein Dorn im Auge ist, selbstbewusst auch für militärische Interessen Europas einzutreten, für Handlungsfähigkeit, Verteidigungsfähigkeit und Wehrhaftigkeit.
Diesbezüglich hoffe ich, dass auch Österreich einen Schritt in diese Richtung unternehmen wird, aber ein Schritt dorthin bedeutet auch, einmal eines sicherzustellen, was unsere österreichische Bundesverfassung auch vorsieht und was nicht nur diese Bundesregierung, sondern auch die Bundesregierungen davor meines Erachtens in schändlicher Weise vernachlässigt haben. Dabei geht es um nichts weniger als eine der Kernaufgaben des Staates: Das ist die umfassende Landesverteidigung.
Die umfassende Landesverteidigung Österreichs bezieht sich nicht nur auf militärische Fragen, sondern auch auf wirtschaftliche Fragen und damit die Reduktion von Abhängigkeiten, auf zivile Fragen und auch auf geistige Fragen. So manche Relativierung und so mancher Geschichtsrevisionismus der letzten Tage zeigt mir schon auch, dass wir da viel Arbeit vor uns haben, diese umfassende Landesverteidigung auf den Weg zu bringen, aber ich bin auch dafür, dass wir als Österreich entschlossen gemeinsam an einer europäischen Verteidigungsfähigkeit arbeiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist Zeit zu handeln! Wir stehen mit der Ukraine, aber wir tun das für die Freiheit, für Europa, für Österreich. – Danke. (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen.)
12.03
Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundeskanzler Karl Nehammer zu Wort gemeldet. – Bitte.
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