10.32

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Vizekanz­ler! Sehr geehrte Damen und Herren! Es hätte eine sogenannte Frühjahrs-Dienstrechts­novelle sein sollen. Die Bundesregierung hatte genug Zeit und der Termin für den Ver­fassungsausschuss stand schon lange fest. Aber statt einer Dienstrechtsnovelle, die Sie einfach nicht geschafft haben, gibt es einen Selbständigen Antrag – so viel dazu, wie viel Wertschätzung Tausenden Menschen in diesem Land, die im öffentlichen Dienst arbeiten, beigemessen wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Lausch.)

Dabei wäre eine Weiterentwicklung des Dienstrechts für Beamtinnen und Beamte und für Vertragsbedienstete sehr wichtig und dringend. Ich habe an dieser Stelle mehrmals betont, wie sehr es von Vorteil wäre, den öffentlichen Dienst attraktiver zu gestalten, denn nicht zuletzt durch die Coronapandemie haben wir gesehen, wie wichtig es ist, dass die Bevölkerung sich auf eine funktionierende Verwaltung verlassen kann.

Wir stehen einerseits im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft und andererseits befinden wir uns inmitten großer Pensionierungswellen im öffentlichen Dienst. Letzteres bedeutet großen Verlust von Expertise. Es wäre angebracht und notwendig, Herr Vizekanzler, sich zeitgerecht darauf vorzubereiten. Das passierte aber nicht, und alle Warnungen diesbezüglich wurden und werden von der Bundesregierung in den Wind geschlagen. Zugegeben, es ist in erster Linie Ihr Regierungspartner, der gesagt hat: Weniger Staat, mehr Privat!, und das 30 Jahre lang, sodass wir jetzt vor der Situation stehen, dass die Verwaltung und der Ablauf bei Gerichten, bei der Finanzverwaltung, beim AMS, bei der Polizei wirklich gefährdet sind. (Abg. Michael Hammer: Das ist ein Blödsinn!) – Das ist kein Blödsinn! (Abg. Michael Hammer: Na sicher ist das ein Blödsinn!) – Herr Kollege, das ist Realität, und Sie sollten das ernster nehmen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Lausch. – Abg. Michael Hammer: Ja, in der SPÖ vielleicht, in Ihrer Partei!)

Es tritt zutage, dass vorausschauendes Denken und Handeln nicht zu den Eigenschaften der ÖVP (Abg. Michael Hammer: In Wien!) und auch nicht der Grünen zählen. (Abg. Michael Hammer: In Wien!) Der Antrag von ÖVP und Grünen, über den wir heute disku­tieren, war zunächst eine sogenannte Trägerrakete. Das bedeutet, es wurde einfach for­mal etwas eingebracht, aber mit keinem Inhalt, so gut wie keinem Inhalt! So ernst neh­men Sie den Parlamentarismus, so ernst nehmen Sie den öffentlichen Dienst! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Lausch.)

Dann haben Sie im Verfassungsausschuss lediglich einige Bestimmungen zum Lehre­rInnendienstrecht vorgelegt. Und nicht genug, dass es nur den Bereich der LehrerInnen betraf, der für die Bildung in diesem Land so wichtig wäre, haben Sie das auch noch fehlerhaft gemacht. Meine Kollegin, Frau Abgeordnete Vorderwinkler, hat Sie gestern auf diesen Fehler aufmerksam machen müssen, damit Sie das berücksichtigen, dass es nicht schon wieder ein Pfusch wird. Heute, anstatt dass Sie sich wirklich bemühen, das gut vorzubereiten, haben Sie wieder einen gesamtändernden Abänderungsantrag einge­bracht.

Also es herrscht Stillstand im Hinblick auf die Weiterentwicklung des gesamten Dienst­rechts (Abg. Michael Hammer: Bei euch!), und das können wir im Sinne aller öffentlich Bediensteten einfach nicht hinnehmen! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Lausch.)

Herr Vizekanzler, Sie sind dringend gefordert, mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst in Verhandlungen zu treten, damit die Interessen und die Arbeitsbedingungen der öffent­lich Bediensteten gestärkt und gefördert werden.

Ich bringe daher – und das ist eine echte Chance – Forderungen des öffentlichen Diens­tes in Form eines Antrages ein, und Sie haben die Chance, diesen Antrag heute anzu­nehmen; es sind eins zu eins Forderungen der Gewerkschafterinnen und Gewerk­schafter im öffentlichen Dienst:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stillstand in der Weiterentwicklung des Dienstrechts, Stärkung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport wird aufgefordert, umgehend mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst in Verhandlungen zu treten, um noch im September dieses Jahres eine weitere Novelle zum Dienstrecht vorzulegen, mit wel­cher die Interessen und die Arbeitsbedingungen der öffentlich Bediensteten gestärkt und gefördert werden. Dabei sollen jedenfalls folgende Themen verhandelt werden:

- Rechtsanspruch auf zwei Tage Telearbeit pro Woche bei Eignung des Arbeitsplatzes“ – Wir wissen, es geht nicht in jedem Fall.

„- Stärkung der Unabhängigkeit und der Attraktivität des öffentlichen Dienstes und Be­schränkung des politischen Einflusses auf den öffentlichen Dienst durch Wiedereinfüh­rung der Pragmatisierungen ohne besoldungsrechtliche Verluste

- Adaptierung der Reisegebühren-Vorschrift, wonach die Reisezeit als Dienstzeit defi­niert wird

- Einführung der Altersteilzeit im öffentlichen Dienst in Kombination mit der Schaffung der Möglichkeit, einen Arbeitsplatz für die Dauer der Ausbildung eines jungen Mitarbei­ters“ – einer jungen Mitarbeiterin – „doppelt zu besetzen (mit dieser Maßnahme könnte dem drohenden Wissensverlust aufgrund der vielen Pensionierungen, die in nächster Zeit anstehen, entgegengewirkt werden)

- Gleichstellung von Vertragsbediensteten mit Beamten“ und Beamtinnen „bei der Ver­jährung einer Belehrung bzw. Ermahnung“

*****

Ich fordere Sie inständig auf: Beenden Sie endlich den Stillstand und arbeiten Sie an einer Dienstrechtsnovelle, die Verbesserungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst bringt! Wir brauchen sie mehr denn je, das hat sich gerade in den Jahren der Pandemie und der Krise gezeigt.

An dieser Stelle bedanke ich mich abschließend für das Engagement der Frauen und Männer im öffentlichen Dienst – danke dafür!

Hoffentlich werden Sie einsichtig und stimmen diesem Antrag und den Forderungen der GewerkschafterInnen zu. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Lausch.)

10.38

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim,

Genossinnen und Genossen

betreffend Stillstand in der Weiterentwicklung des Dienstrechts, Stärkung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2658/A der Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Mag. Eva Blimlinger, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienst­rechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrperso­nen-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966 und das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz geändert werden (Dienst­rechts-Novelle 2022) (1576 d.B.)

Der zugrundeliegende Antrag der Abgeordneten Mag. Hammer und Mag. Blimlinger war zunächst lediglich eine Trägerrakete. Überraschend war, dass der gesamtändernde Ab­änderungsantrag, der von den Regierungsfraktionen im Verfassungsausschuss am 22. Juni eingebracht wurde, lediglich Bestimmungen über das Lehrer*innen-Dienstrecht beinhal­tet hat. Gewöhnlicher Weise dient die Frühjahrs-Dienstrechts-Novelle der Weiterentwick­lung des gesamten Dienstrechts. Doch – wie auch in vielen anderen Bereichen – dürfte nun auch im Bereich Dienstrecht Stillstand in dieser Bundesregierung eingetreten sein.

Dies kann jedoch im Interesse aller öffentlich Bediensteten nicht hingenommen werden. Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Kunst, Kul­tur, öffentlichen Dienst und Sport folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Nationalrat hat beschlossen:

Der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport wird aufgefordert, umgehend mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst in Verhandlungen zu treten, um noch im September dieses Jahres eine weitere Novelle zum Dienstrecht vorzulegen, mit wel­cher die Interessen und die Arbeitsbedingungen der öffentlich Bediensteten gestärkt und gefördert werden. Dabei sollen jedenfalls folgende Themen verhandelt werden:

-      Rechtsanspruch auf zwei Tage Telearbeit pro Woche bei Eignung des Arbeits­platzes

-      Stärkung der Unabhängigkeit und der Attraktivität des öffentlichen Dienstes und Be­schränkung des politischen Einflusses auf den öffentlichen Dienst durch Wiederein­führung der Pragmatisierungen ohne besoldungsrechtliche Verluste

-      Adaptierung der Reisegebühren-Vorschrift, wonach die Reisezeit als Dienstzeit de­finiert wird

-      Einführung der Altersteilzeit im öffentlichen Dienst in Kombination mit der Schaffung der Möglichkeit, einen Arbeitsplatz für die Dauer der Ausbildung eines jungen Mitar­beiters doppelt zu besetzen (mit dieser Maßnahme könnte dem drohenden Wis­sensverlust aufgrund der vielen Pensionierungen, die in nächster Zeit anstehen, ent­gegengewirkt werden)

-      Gleichstellung von Vertragsbediensteten mit Beamten bei der Verjährung einer Be­lehrung bzw. Ermahnung

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ha­mann. – Bitte sehr.