Herbert SCHAMBECK: Während einer Sitzung des Nationalrats und Bundesrates können heute auch die Leute herumgehen und geführt werden. Das hat es ja damals überhaupt nicht gegeben.
Andreas KHOL: Dann, dass eben nicht die Parteien das Parlament sind, sondern dass es das Parlament als Gesamtinstitution gibt und die Öffentlichkeit ein Recht hat, dort jederzeit hinzugehen.
Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK: Also ich glaube, das Parlament hat wirklich als Institution viel geleistet, auf dem man weiter aufbauen kann, viel an Modernisierung, viel an Öffnung geleistet.
Clemens HAIPL: Einen wunderschönen guten Tag und herzlich willkommen zurück im Gedächtnis des Parlaments. Schön, dass Sie heute wieder mit dabei sind. Ich bin auch mit dabei und heiße Clemens Haipl. Wenn Sie ein bisschen näher an den Computer oder Ihr Telefon gehen und bei den Lautsprecherschlitzen reinschauen, dann sehen Sie mich vielleicht. Ich winke Ihnen jetzt. Hallo? Ja! In diesem Podcast hören Sie persönliche Erinnerungen und Anekdoten von ehemaligen Mitgliedern des National- und Bundesrats, Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der parlamentarischen Klubs und der Parlamentsdirektion aus den Archiven des Parlaments aus den letzten Jahren.
Jingle "Geschichten aus dem Parlament"
HAIPL: So ein Parlament und der Betrieb eines Parlaments ist ja eine komplexe Sache. Zu Recht möchte ich sagen. Denn hier geht es ja nicht um weniger als um die Demokratie der Republik Österreich. Da darf man sich schon mal Gedanken machen und den einen oder anderen Aufwand betreiben. Heute geht es um die Frage, wie offen gestaltet sich das Parlament eigentlich? Eines vorweg, sehr offen. Bester Beweis: Ich bin hier, im Parlament, um den Podcast aufzunehmen. Wer schon einmal im Hohen Haus in Wien war, weiß, es präsentiert sich heute als modernes und offenes Haus mit Besucherzentrum, der Möglichkeit die Säle zu besichtigen und an Veranstaltungen teilzunehmen. Aber das war nicht immer so. Aber wie kam es zu der Öffnung und warum war das so wichtig? Und was macht das Parlament eigentlich aus? Michael Krüger, früher Abgeordneter der FPÖ:
Michael KRÜGER: Das Parlament ist das Herz der Demokratie. So kann man es, glaube ich beschreiben. Wenn es kein Parlament gibt, dann schlägt kein Herz und dann kann auch der Organismus nicht funktionieren. Dann ist es das Ende.
HAIPL: Doch in der Öffentlichkeit war das Bewusstsein für die Institution Parlament eine andere, wie Herbert Schambeck, ehemals Präsident des Bundesrates, beschreibt.
SCHAMBECK: Das Parlament wurde von der Öffentlichkeit dann wahrgenommen, wenn es kontroverse Situationen gegeben hat. Wenn es keine kontroversen Situationen gegeben hat, dann hatte die Öffentlichkeit den Eindruck gehabt, es handelt sich um ein Ratifikationsorgan, dessen, was außerparlamentarisch vorbereitet wurde. Außerdem: Es ist auch später erst die Besuchsmöglichkeit im Parlament gewesen. In der Zeit von Anton Benya haben sie ja kaum Leute hereingelassen. So wie jetzt das Besucherzentrum, das hat es ja überhaupt nicht gegeben. Während einer Sitzung des Nationalrats und Bundesrates können heute auch die Leute herumgehen und geführt werden. Das hat es ja damals überhaupt nicht gegeben. Das war mehr zurückhaltend.
HAIPL: Seit damals hat sich so einiges getan. Seit der Wiedereröffnung vor gut zwei Jahren haben bereits über eine Million Menschen das Parlamentsgebäude besucht. Wie kam es eigentlich überhaupt dazu? Wolfgang Pirklhuber, langjähriger Abgeordneter für die Grünen im Nationalrat:
Wolfgang PIRKLHUBER: Und das war dann immer wieder spannend, weil man den jungen Leuten klargemacht hat, dass das da drinnen ein Teil ihrer Identität ist, weil sie sind die Staatsbürger. Es ist für sie da und nicht umgekehrt. Und das ist dann sehr spannend und auch wichtig, dass dieser Dialog mit der Gesellschaft, die Führungen, die Öffnung des Parlaments, all das waren die richtigen Entwicklungen. Die sind ja unter dem, glaube ich, schon unterm Heinz Fischer eingeleitet worden. Die sind unter Heinz Fischer begonnen worden und die sind dann weiter vorgesetzt worden. Also das sind ganz wichtige, positive Schritte des österreichischen Parlamentarismus und der parlamentarischen Entwicklung.
HAIPL: Andreas Kohl, ab 2002 Nachfolger von Heinz Fischer als Nationalratspräsident, nimmt die Öffnung des Parlaments zu seiner Zeit so wahr.
KHOL: Also Heinz Fischer hat schon begonnen das Parlament für Besuchergruppen initiativ zu öffnen. Wie ich übernommen habe, hat es im Jahr 60.000 Besucher gegeben. Wie ich übergeben habe, hat es 180.000 gegeben. Das war also das Foyer und der Zugang. Und das Interesse am Parlament, am Bauwerk, ist schon ein großes. Es ist ein wunderbares Bauwerk.
HAIPL: In der Amtszeit von Andreas Kohl verdreifachte sich also die Besucheranzahl. Ausschlaggebend war vor allem der Umbau der Rampe des Parlamentsgebäudes. Diese war zur damaligen Zeit baufällig. Die notwendige Sanierung nahm man aber auch zum Anlassfall, ein erstes Besucherzentrum einzurichten. Und ein neuer Eingangsbereich sollte die Öffnung des Hauses symbolisieren.
KHOL: Dass wir einen für alle erkennbaren Hauptzugang zum Parlament brauchen, dass wir nicht in den Achselfalten des Parlaments - sozusagen die Klub-Eingänge sind die Eingänge -, sondern, dass eben nicht die Parteien das Parlament sind, sondern, dass es das Parlament als Gesamtinstitution gibt und die Öffentlichkeit ein Recht hat, dort jederzeit hinzugehen. Auch der Tag der offenen Tür ist gelungen, das ist eine Institution. Und da ist interessant, die Leute kommen in Scharen, und schauen sich das Ganze an. Und ich glaube, dass das ganz einfach wichtig ist, dass man dieses Baukunstwerk, dieses Zentrum der Republik, dass die Leute das als ihr eigenes Haus sehen. Und das ist ein bisschen gelungen.
HAIPL: Man wollte zeigen, dass das Parlament kein Herrenhaus, sondern ein Parlament der Bürgerinnen und Bürger ist. Eben für alle. Haben ja auch alle mitgezahlt. Hat das funktioniert? Terezija Stoisits, früher Abgeordnete für die Grünen:
Terezija STOISITS: Wenn man da am Ring vorbeifährt, also das ist ja eine der haupttouristischen Attraktionen Wiens geworden, das Parlament und das Parlamentsgebäude, so meine ich esa. Wobei das jetzt nicht touristisch in dem Sinn ist, dass jetzt irgendwie Touristen aus Spanien oder aus England kommen und sich das historische Gebäude anschauen, sondern auch Menschen, die Ausflüge, Pensionisten-Ausflüge, aus ganz Österreich. Früher war es halt nur Schönbrunn und jetzt ist es auch das Parlament. Und ich finde das total wichtig und richtig, weil das auch eine bestimmte Art von Bindung schafft, die man ja sonst nicht hätte. Ich finde das auch super, dass diese ganzen Bundesländerschulen, wenn sie so ihre Wien-Woche haben, dass sie hierherkommen und das einmal sehen. Es gibt Länder, wo das ja so quasi patriotische sozusagen Verpflichtung ist, so bestimmte Landmarks der Demokratie zu besuchen. Und ich habe den Eindruck, das ist jetzt in Österreich ganz klar das Parlament.
HAIPL: Doch nicht nur die architektonischen Veränderungen machen einen Unterschied. Neben dem Besucherbetrieb und dem Führungsangebot wird auch die Vermittlung demokratischer Grundlagen seit der von Barbara Prammer 2007 eingeführten Demokratiewerkstatt institutionalisiert, wie Hermann Krist, seinerzeit Nationalratsabgeordneter der SPÖ, weiß:
Hermann KRIST: Die Demokratiewerkstätte war eine Weltklasse-Idee und ist heute noch perfekt und wird von interessierten Schülergruppen und weiß ich nicht wen sonst noch gerne in Anspruch genommen. Das müssen wir noch viel mehr verstärken. Dann kriegen vielleicht die Kinder auch, wenn sie dann in das Alter kommen, wo sie wählen dürfen, vielleicht ein bisschen einen anderen Zugang zu den politischen Parteien.
HAIPL: Gottfried Kneifel, ehemaliges ÖVP-Bundesratsmitglied:
Gottfried KNEIFEL: Die Pflege des demokratischen Systems, von der Demokratiewerkstatt angefangen bis zur Vermittlung demokratiepolitischer Inhalte an Besuchergruppen an verschiedene Jugendparlamente und Lehrlingsparlamente und so weiter - das habe ich immer als sehr lohnende Aufgabe empfunden. Ich bin sehr gerne in die Demokratiewerkstatt gegangen, wo auch Europafragen immer wieder auch eine Rolle gespielt haben, weil man nachher schon das Gefühl hat, dass man zumindest einige Aspekte aufhellen konnte, die erfragt wurden, oder die ein Thema waren bei dieser Auseinandersetzung, insbesondere mit jungen Menschen.
HAIPL: Und heute? Seit der Wiedereröffnung 2023 haben über eine Million Menschen das Parlament besucht, also über 500.000 Menschen pro Jahr. Und damit nochmal fast das Dreifache als zu Zeiten von Andreas Kohl. 500.000 Besucher im Jahr. In Österreich ist das Parlament erfolgreicher als Taylor Swift und Robbie Williams zusammen. Schafft auch nicht jeder. Aber wie wird das Parlament heute wahrgenommen? Dazu die frühere dritte Nationalratspräsidentin und Klubobfrau der Grünen und Dancing-Star Eva Glawischnig-Piesczek.
GLAWISCHNIG-PIESCZEK: Also dieses alte Vorurteil gegenüber dem österreichischen Parlament, sozusagen die verlängerte Werkbank der Regierung zu sein, das hat sich schon verändert. Auch die Öffnung des Parlamentes die wirklich physische Öffnung, aber auch die Öffnung im virtuellen Raum hat das Parlament mit Sicherheit extrem weiterentwickelt. Und ich glaube, dass die Wahrnehmung des österreichischen Nationalrates, des Bundesrates, des Parlaments eine positivere geworden ist, in den letzten Jahren als Institution. Und an dem sollte man weiterarbeiten. Auch so Dinge wie die Demokratiewerkstatt, wo Jugendliche – und ich glaube, das Ziel ist ja, dass irgendwann einmal alle Schulkinder das besucht haben – dass man da auch mal ein Gefühl kriegt für diese Institution. Ich halte das für ganz, ganz, ganz großartig und ganz toll. Ich war da oft dort. Und wenn dann irgendwelche Zwölfjährigen dir ganz kluge Fragen stellen, also ich habe das immer noch in Erinnerung und die Zwölfjährigen vergessen das sowieso nie. Also ich glaube, das Parlament hat wirklich als Institution viel geleistet, auf dem man weiter aufbauen kann, viel an Modernisierung, viel an Öffnung geleistet und trägt auch sehr viel dazu bei, dass das Vertrauen im politischen System noch nicht so schnell erodiert ist, wie es hätte sein können.
HAIPL: Trotz der Öffnung des Parlaments und seinem einladenden Besucherzentrum: Unsere Demokratie ist nicht nur ein Parlamentsgebäude in Wien. Es ist wichtig, sie in ganz Österreich zu leben und zu vermitteln, wie Anneliese Kitzmüller, früher dritte Nationalratspräsidentin und Abgeordnete der FPÖ weiß:
Anneliese KITZMÜLLER: Ich meine, ich war in Wien sehr oft in der Woche und an Wochenenden in der Gemeinde im Bezirk unterwegs. Also ich kann sagen, ich habe eine Sieben-Tage-Woche gehabt. Weil auch dann oft Leute vorbeigekommen sind, um mir ihr Leid zu klagen oder irgendwie mit mir zu reden und etwas zu erfahren.
HAIPL: Mühlwert Monika, ehemalige Bundesrätin der FPÖ, sieht es ganz ähnlich.
Monika MÜHLWERTH: Das sind schon die ganz normalen Dinge, die in der Politik völlig selbstverständlich sind, dass man mit den Menschen draußen redet und so erreicht man dann schon Menschen abseits der Medien. Auch wie gesagt über eigene Veranstaltungen, allgemeine Veranstaltungen, größere kleinere und dann halt im Gespräch mit den Menschen. Ich sehe das auch immer als einen Wahlkreis. Natürlich bin ich in meinem Bezirk dann auch oft unterwegs, weil dort lebe ich, dort gehe ich einkaufen und man geht zum Schuster oder in die Butzerei und da trifft man ja natürlich, man kennt ja auch Leute, wenn man lang genug dort wohnt. Und da ergeben sich ja dann auch immer Gespräche.
HAIPL: Nehmen Sie das Parlament überall mit hin oder kommen Sie gleich zu uns vorbei. Kommen Sie uns besuchen bei einer Nationalratssitzung oder zu einer kostenlosen Führung oder einfach nur so. Wir freuen uns auf Sie. Alle Infos zu einem Besuch im Parlament verlinken wir natürlich in den Shownotes und die finden Sie auch auf unserer Website.
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