Agnes SCHIERHUBER: Im Europäischen Parlament ist es so, du sitzt ja innerhalb des Alphabets Innerhalb der Fraktion natürlich, aber du bist ständig mit anderen Staaten, also Bürgern von anderen Staaten umgeben.
Hilde HAWLICEK: Das war sehr, sehr interessant, dieses Europäische, nur natürlich die persönlichen Kontakte aufzubauen ist dort sehr schwierig.
Karl SCHWEITZER: Die Ausschussarbeit war aufgrund der Sprache schon eine extreme Herausforderung für uns – also für mich –, denn dort seine Position so zu vertreten, dass die verstehen, was du meinst, war schwierig, war echt schwierig.
Clemens HAIPL: Einheitliche Ladekabel, Abschaffung von Einwegplastik und Roaming, gerade Gurken… oder waren es gerade Ladekabel, einheitliches Einwegplastik und die Abschaffung von Gurken…? Man ahnt es: es geht um die EU. Dass die großen Einfluss auf unseren Alltag hat, ist unbestritten. Ich meine, alltäglicher als Ladekabel und Gurken geht es kaum. Aber warum wirkt die EU dann so abstrakt, entfernt, und für manche weltfremd? Wie ist das, wenn man aus Österreich ins Europäische Parlament entsandt wird? Zu welcher Partei gehört man dann, wie finden sich dort Mehrheiten für die Gesetze? Wie soll das funktionieren bei so vielen Sprachen? Und heißt gerade Gurke auf Litauisch wirklich "tiesus agurkas" und auf spanisch "pepino recto"? Das und einiges mehr wollen wir heute erörtern. Herzlich Willkommen bei "Geschichte(n) aus dem Parlament"
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HAIPL: In diesem Podcast hören Sie Anekdoten und persönliche Erinnerungen von ehemaligen Mitgliedern des National- und Bundesrats, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der parlamentarischen Klubs und der Parlamentsdirektion. Die Aufnahmen stammen aus den Archiven des Parlaments der letzten Jahren und sie geben uns vor allem eins: Einblicke ins Parlament.
Heute geht es nicht um das österreichische, sondern um das europäische Parlament. Da gibt es dann noch die europäische Kommission, den Rat der Europäischen Union und den Europäischen Rat- alles wichtige Teile der EU. Die Volksfront von Judäa gehört nicht dazu, und das EU-Zentrum ist in Brüssel.
Das ist ein Riesenapparat mit einer Menge Institutionen und schon sehr beeindruckend. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie übersiedeln von Österreich nach Brüssel und haben Ihren ersten Arbeitstag im europäischen Parlament. Evelin Lichtenberger hat das erlebt, sie war zehn Jahre für die Grünen in Brüssel und schildert ihre ersten Eindrücke
Evelin LICHTENBERGER: Es war ein positiver Kulturschock. Also es war für mich wirklich überraschend, wie anders Menschen dort miteinander umgehen. Dadurch dass eben nicht alle in ihren Parteikäfigen sitzen, sondern Kooperation im System mit angelegt ist, haben Abgeordnete auch von distanten Parteien ein ganz anderes Verhältnis zueinander. Ich mache ja mittlerweile noch ein bisschen Europa-Bildung für Lehrer, ich erkläre das immer so: Das hat schon seine Gründe. Erstens: In einer Fremdsprache schimpft es sich schwerer. Zweitens: Mit einer Redezeit von einer Minute kommt man nicht weit, wenn man nur schimpft. Und drittens: Man ist ja ohnehin schon ein bisschen vorsichtiger, um nicht ungewollt in Fettnäpfen zu treten, wenn man mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen zu tun hat.
HAIPL: Hilde Hawlicek von der SPÖ hat ihre ersten Erfahrungen in Brüssel nicht ganz so rosig empfunden.
HAWLICEK: Persönlich war das erste Jahr eine meiner düstersten und traurigsten Zeiten. Denn: Ich war es gewohnt in Wien, im Parlament … ich habe alle gekannt, mich haben alle gekannt. Wenn ich vom Parlament rübergegangen bin in die Löwelstraße oder auf den Ballhausplatz: "Servus, Hilde!" Im Europäischen Parlament: Kein Hund hat mich gekannt, gegrüßt. Ich bin mit den Unterlagen über die Gänge, die jungen Assistenten haben die Tür nicht aufgehalten – zack, da musste man aufpassen, dass einem nicht alles runterfällt. Also, wie gesagt, kein Hund hat einen gekannt.
HAIPL: Anderes Land, neue Stadt, neue Menschen, neue Sprachen, neues Essen, ein Riesenapparat in der Arbeit. Das schafft man leichter, wenn man jemanden hat, der einen einführt, der einem ein bisschen hilft. Karl Schweitzer von der FPÖ:
SCHWEITZER: Wir sind im Jänner, Anfang Jänner nach Brüssel gefahren, da hat uns die zweite große Persönlichkeit, die ich in meinem Leben getroffen habe, begrüßt mit folgenden Worten: "Grüß Gott, meine Landsleute, meine lieben Landsleute!" – Das war der Otto von Habsburg. Ich war von den Socken, als der da gestanden ist und uns begrüßt hat. Das war so nett! Der Otto von Habsburg uns angeboten, uns einmal eine grobe Einführung in die Abläufe des Europäischen Parlaments zu geben. Ich habe das dann schnell begriffen und mir gedacht, wenn du gleich am Anfang erfolgreich sein willst, dann musst du schnell irgendeinen Antrag einbringen, der auch wahrgenommen wird. Und damals war ja die Diskussion ums Atomkraftwerk Mochovce, glaube ich, war das, und ich habe gleich einen Antrag gegen die Inbetriebnahme des AKW in Mochovce eingebracht. Da hat man damals 20 Unterschriften von diversen Abgeordneten gebraucht, und ich bin mit der Liste herumgerannt, niemand hat mich gekannt, ich habe gesagt, ich bin aus Österreich, und habe sofort die Unterschriften beisammen gehabt, und schon war der Antrag eingebracht.
HAIPL: Daheim hatte man sein ganzes Leben Zeit, Kontakte zu knüpfen und jetzt muss man wieder von vorne beginnen. Das ist aber gar nicht so leicht, wie Paul Rübig von der ÖVP schildert:
Paul RÜBIG: Ich habe mir wirklich ein Kochgeschirr mitgenommen, weil ich mir dachte, am Abend lädst du dann Leute ein, damit du zumindest ein bisschen was Soziales machen kannst Und dann kann ich auch zu Mittag einmal Würstel kochen oder was auch immer. Also ich habe mich eigentlich auf einen Betrieb, der einen nicht Tag und Nacht fordert. Faktum ist, dass nach vielen Jahren das Geschirr noch immer original verpackt in der Wohnung war. Und man natürlich beginnt mit einem Arbeitsfrühstück mit einem Arbeitsmittagessen, mit einem Arbeitsabendessen. Zwischen diesen Phasen arbeitet man ja in den Ausschüssen, muss koordinieren in den Ausschüssen, muss versuchen die ganze Gesetzesmaterie zu verstehen, muss man selber lesen, muss man die Arbeitsaufträge an die Mitarbeiter geben. Das ist gar nicht so einfach.
HAIPL: Man kennt keine Leute, hat kein Stammlokal….das mit dem Socializing ist dann eher schwierig, erzählt Hilde Hawlicek von der SPÖ:
HAWLICEK: Und das weiß niemand in den Nationalstaaten, die glauben, das ist das Bild, man champagnisiert. Vielleicht einmal im Monat hat man ein gemeinsames Essen gehabt, unsere Fraktion zum Beispiel mit den Gewerkschaftern, die im Wirtschafts- und Sozialbeirat waren, hat sich einmal im Monat oder einmal in zwei Monaten getroffen, da sind wir gemeinsam essen gegangen, aber sonst ist man oft bis neun oder zehn in der Nacht im Büro gesessen, und dann ist man heim. Die meisten haben – ich dann auch – eine Wohnung gemietet, man sitzt dann dort alleine in der Küche, trinkt einen Tee, ist völlig fertig und fährt dann in der Früh wieder ins Parlament und trinkt dann … wenn es eine Ausschusssitzung war, war es gut, da hat man einen Kaffee trinken können, dann musste man nicht vorher noch Kaffee kochen daheim, übrigens einen ganz fürchterlichen, dünnen Kaffee, und den habe ich beibehalten.
HAIPL: Im EU Parlament bilden sich die Gruppen nicht nach den jeweiligen Herkunftsländern, sondern man schließt sich mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern zusammen, die ähnliche politische Ansichten haben. Das nennt man Fraktionen. Die funktionieren ähnlich wie die Klubs im österreichischen Parlament und werden nach jeder EU-Wahl neu gegründet. Man stelle sich vor, in der Bundesliga müssten jedes Jahr die Fußballclubs neu gegründet werden…
Jetzt gehören die EU-Parlamentarier aber auch noch einer Partei in ihrem Heimatland an. Wie funktioniert das eigentlich, Matthias Strolz von den NEOS?
Matthias STROLZ: Im Parlamentsklub der ÖVP, SPÖ, NEOS, FPÖ, Grüne sitzen in den jeweiligen Versammlungen auch aus dem Amt heraus die EU-Abgeordneten, das heißt, das ist voll integriert. Sind die faktisch, realpolitisch voll integriert? – Nein, weil die haben ihren Job in Brüssel in der Regel oder in Straßburg, die sind bei den Sitzungen oft nicht da, aber natürlich gibt es Abstimmungen, wo deren Gewicht auch notwendig ist, wo sie aktiviert werden etc., sie werden auch im Klubpräsidium irgendwie abzubilden sein, also in der Leitungsstruktur des Klubs, wenn es mehrere Abgeordnete im Europäischen Parlament gibt. Das heißt, im Klubinnenleben findet die Verschränkung statt, und die Referentinnen und Referenten sind mit den Mitarbeitern der Europaabgeordneten im engen Austausch, und je nach Fraktion, je nach Partei wird das unterschiedlich gelebt, wie stark die Referenten auch den EU-Abgeordneten zuarbeiten.
HAIPL: Die Abgeordneten stimmen nicht nur über ganze Gesetze oder Entschließungen ab, sondern auch über einzelne Änderungen darin oder können auch selbst Anträge einbringen. Dabei können sie Textteile streichen, neu formulieren oder ergänzen. Erst wird über jede Änderung einzeln abgestimmt, dann über den ganzen Text. Aber wie funktioniert das im Hintergrund? Evelin Lichtenberger von den Grünen erläutert:
LICHTENBERGER: Und man muss eine parlamentarische Mehrheit für jeden einzelnen kleinen Antrag finden. Und diese Mehrheiten wechseln. Das heißt, das habe ich als wesentlich produktiver und befriedigender für mich selber empfunden, weil ich einfach sagen kann, okay, diese fünf Zeilen im Gesetz sind von mir. Und wenn ich es gut verhandelt habe, wenn ich Allianzen gebildet und gefunden habe, dann hat es eben dieses Stück hineingeschafft in die Gesetzgebung. Und das ist schon ein ganz anderes Umgehen mit dem Arbeitsbereich. Man klopft das nicht darauf ab, um es jetzt einmal überspitzt zu formulieren, womit ich meinem Gegner am meisten in den Weg legen kann, sondern wo kann ich Konsens finden und was kann ich daraus machen. Also das sind für mich befriedigendere Umgangsweisen gewesen, als sozusagen in diesem strikten Oppositions-Regierungs-Duell, das sich da immer abspielt.
HAIPL: Klingt einfach, ist es aber nicht immer. Karl Schweitzer von der FPÖ kann davon ein Lied singen, denn seine Geschichte mit dem eingebrachten Antrag ging weiter.
SCHWEITZER: Auf einmal war ich dort irgendwer, ich habe einen Antrag eingebracht! Und dann – es hat nicht lange gedauert – sind Leute gekommen und haben mich beschimpft, dass ich mir die Unterschriften erschlichen hätte. Da sagte ich: "Wieso? Ich habe Sie gefragt, und Sie haben unterschrieben." Wir sind dort abgestempelt worden als "far-right-wing party". Das hat mich sehr getroffen, dass ich da abgestempelt werde als "ganz rechts außen". Und der Antrag ist aber trotzdem eingebracht worden und ist dann auch im Parlament diskutiert worden. Nur war das der erste und letzte Antrag, den ich eingebracht habe in der Zeit, wo ich draußen war, weil ich nie mehr die Unterschriften zusammengekriegt habe, weil es dort genauso gegangen ist: Es geht nicht um den Inhalt, sondern es geht darum: Wo bist du dabei?
HAIPL: Das sieht Ulrike Lunacek von den Grünen anders. Sie war auch Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Sie findet schon, dass man auch als Einzelner, als Einzelne sehr wohl Einfluss haben kann.
Ulrike LUNACEK: Dass du da, wenn du es gut anlegst, durchaus die Möglichkeit hast, Dinge durchzusetzen, auch als Berichterstatterin für ein europäisches Gesetz, wo du ziemlich viel Macht und Einfluss hast. Das hast du im österreichischen Nationalrat nicht, weil es eben eine fixe Regierung gibt, wo auch ganz vieles in den Ministerien vorbereitet wird, nicht so viel im Parlament selber. Also Gesetze werden in Österreich zwar im Parlament dann entschieden, aber viele der Vorarbeiten dazu passieren sehr oft in den Ministerien in Zusammenarbeit mit den Fraktionen. Aber das, wie das im Europaparlament ist, dass du wirklich vom Anfang bis zum Schluss europäische Gesetze verhandelst, und wenn das dann in der Zuteilung ist zu den Fraktionen - es wird ja auch auf alle Fraktionen aufgeteilt, die Kleineren kriegen weniger, die Größeren mehr an Berichten, wo dann eine oder ein Abgeordneter die Berichterstatter sind - da verhandelst du es wirklich von Beginn bis zum Schluss im Parlament und dann noch mit Kommission und Rat durch. Und das gibt dir auch, das habe ich auch ein paar Mal erlebt, wirklich Möglichkeiten, wenn du es so anlegst, dass du wirklich versuchst, Lösungen zu finden und nicht auf Konfrontation gehst.
HAIPL: Der Ton macht die Musik, eh klar. Und als Ausschussberichterstatter hat man schon Macht und Einfluss. Das kann aber durchaus auch herausfordernd sein, wie Paul Rübig von der ÖVP unterstreicht:
RÜBIG: Ja, Ausschussberichterstatter heißt, man spricht für den Ausschuss und für die Verhandlungsteilnehmer. Rapporteur wie das so schön heißt, da gibt es dann die Shadow-Rapporteurs das heißt also die Chefs aus den anderen Parteien, die für ihre Partei dann dementsprechend verhandeln. Und der Rapporteur hat also die Aufgabe, die Gruppen zusammenzuführen und dementsprechend eine möglichst große gemeinsame Basis zu schaffen. Wir wissen, dass es dann eben sehr viele Änderungsanträge gibt auf den verschiedenen Stufen. Ob das jetzt der Ausschuss ist, dann wird es natürlich in den Fraktionen diskutiert Auch dort ist man als Ausschussvorsitzender dann besonders gefragt. Zum Beispiel beim Roaming bin ich dann zum Vorsitzenden unserer Fraktion zitiert worden, warum ich mich da gegen die Wirtschaftsinteressen einsetze.
HAIPL: Und dann muss über das Ganze auch noch abgestimmt werden. Das funktioniert aber nicht so leicht wie am Stammtisch, wo ein paar die Hand heben und ein paar nicht. Aktuell gibt es nämlich ganze 720 Angeordnete im EU Parlament. Wie so eine Abstimmung abläuft hat Walter Posch von der SPÖ ziemlich beeindruckt:
Walter POSCH: Es ist restriktiver, weil der organisatorische Rahmen logischerweise bei über 500 Leuten anders funktionieren muss, ist völlig klar. Dann auch national abgestimmt werden muss, fraktionell abgestimmt werden muss. Also diese Restriktionen gibt es schon. Auf der anderen Seite war es aber auch freier, also die Abstimmungsmaschine dort hat festgelegt, wer ist dafür, wer ist "against" und dann hat man halt gedrückt, hat dann das auch gesehen, es war auch nachvollziehbar und es war auch dann keine Debatte, wenn einmal… Natürlich haben die Fraktionen in grosso modo so abgestimmt, wie die Fraktionen abstimmen. Aber es war kein Problem, wenn irgendjemand aus irgendeinem Grund mal anders abgestimmt hat. Und man das begründet hat auch und dann haben die Fraktionen nicht alle für eine Vorlage abgestimmt.
HAIPL: 720 Abgeordnete und 24 Amtssprachen. Da kommt man mit Duolingo lernen nicht mehr nach. Die EU-Abgeordneten dürfen nämlich alle in ihren eigenen Sprachen arbeiten, sprechen, lesen, schreiben… und essen wahrscheinlich auch. Das ist deshalb wichtig, weil alle EU-Bürger Abgeordnete werden können und nicht nach ihrem Talent für Fremdsprachen ausgewählt werden sollen, sondern wegen ihrer politischen Ideen. Damit für alle die gleichen Bedingungen herrschen, werden alle Reden und offiziellen Dokumente in alle 24 Amtssprachen der EU übersetzt.
Gerade Gurke heißt auf Litauisch übrigens wirklich "tiesus agurkas" und auf Spanisch "pepino recto". Auf Rumänisch "castravete drept", falls sie gerade in Bukarest zuhören. Und bitte verzeihen Sie meine schlechte Aussprache, ich bin erkältet.
So "einfach" war das aber nicht immer. Früher war nicht alles besser, weiß Karl Schweitzer von der FPÖ:
SCHWEITZER: Auf alle Fälle war die parlamentarische Arbeit dort für mich schwierig. Du hast deinen Mitarbeiter gehabt, du hast haufenweise Papier gekriegt, in dieser Distribution bist du mit einem so einen Stapel ins Büro gegangen. Dann war kaum etwas auf Deutsch damals, die Ausschusssitzungen sind ja nur übersetzt worden in Französisch und Englisch. Jetzt war es so, ich habe nicht schlecht Englisch können, habe aber dort noch schnell einen Englischkurs belegt für political English, bin dann auch nach London gegangen, habe dort noch einmal ordentlich Englisch gelernt. Es war fast nicht möglich, und da muss ich schon sagen, da sind uns die Skandinavier Meilen voraus gewesen, ich habe die beneidet, wie die Englisch konnten – perfekt! Und die Franzosen haben alles übersetzt gekriegt, glaube ich. Was waren die Sprachen? – Englisch, Französisch und irgendetwas war noch, eine dritte Sprache im Ausschuss, aber es war auf alle Fälle nicht Deutsch. Und die Plenarsitzungen hast du dann Deutsch mitgehört, aber die Ausschussarbeit war aufgrund der Sprache schon eine extreme Herausforderung für uns – also für mich –, denn dort seine Position so zu vertreten, dass die verstehen, was du meinst, war schwierig, war echt schwierig. Und dann habe ich mir oft gedacht: bah! – und in Wahrheit bewegst du da nichts. Fakt ist – jetzt wiederhole ich mich –: Das Europäische Parlament hat zu dem Zeitpunkt einen marginalen Einfluss darauf gehabt, was an Ergebnissen produziert worden ist.
HAIPL: In der EU als Dolmetsch zu arbeiten, ist sowas wie die Königsklasse der Branche, quasi die olympischen Spiele, die Super Bowl. Da muss man die Sprachen schon top können, erinnert sich Ewald Stadler. Er war von 2011 bis 2014 für das BZÖ im EU-Parlament.
Ewald STADLER: Sie haben stundenlange Debatten, wo Sie nur 20, 30 Abgeordnete von über 700 im Plenarsaal haben, wo aber zehnmal mehr Menschen oben in den Dolmetscherkabinen sitzen, die bis in die letzte Nachtstunde hinein in alle Sprachen der europäischen Union alles dolmetschen mussten, was dort irgendwer verlesen hat. Zum Teil haben die nicht einmal Reden gehalten, sondern kurze Statements verlesen. Eine italienische Abgeordnete war so schnell im Verlesen, dass die Dolmetscher ausgestiegen sind. Über Kopfhörer habe ich dann mitbekommen, die Abgeordnete spricht zu schnell, wir können nicht übersetzen, wir können immer noch nicht übersetzen, sie spricht immer noch zu schnell, und das war dann ihre Rede.
HAIPL: Aber: die vielen Sprachen erzeugen eine einzigartige, bunte - eben europäische- Stimmung, erinnert sich Hilde Hawlicek von der SPÖ:
Hilde HAWLICEK: Das Polyglotte – dass man über den Gang geht, und aus dem Zimmer hört man Finnisch, und da hört man – gut, Englisch sprechen ja alle – eben Spanisch oder Portugiesisch. Das war sehr, sehr interessant, dieses Europäische, nur natürlich die persönlichen Kontakte aufzubauen ist dort sehr schwierig, es ist kein Vergleich mit dem österreichischen Parlament.
HAIPL: Auch Agnes Schierhuber von der ÖVP kann mit der babylonischen Vielfalt einiges anfangen
SCHIERHUBER: Im Europäischen Parlament ist es so, du sitzt ja innerhalb des Alphabets, innerhalb der Fraktion natürlich, aber du bist ständig mit anderen Staaten, also Bürgern von anderen Staaten umgeben. In der ersten Periode war zum Beispiel die Nana Mouskouri eine meiner Sitznachbarinnen. Oder dann wieder einmal ein Minister aus Frankreich. Und du sitzt innerhalb dieses Alphabets in deiner Fraktion. Du bist immer gefordert mit anderen Menschen zu kommunizieren, oder du sitzt wie eine Statue drinnen. Und das habe ich so interessant gefunden, wirklich interessant gefunden. Und dann haben sich eben Freundschaften sehr rasch entwickelt über Fraktions- und Ländergrenzen hinweg, weil es nicht so ist: hier ist Sozialdemokratie, hier sind die Konservativen, da die Liberalen und so, sondern zum Beispiel habe ich bei vielen Bereichen in der Landwirtschaft die Kommunisten aus Portugal, Spanien oder Frankreich auf meiner Seite gehabt.
HAIPL: Ich hab da jetzt eine Idee: Sie lassen das Handy einfach neben sich liegen und stecken es mit einem EU-genormten Ladekabel an, damit der Saft nicht ausgeht. Dann bin ich in zwei Wochen wieder Ihr Sitznachbar und erzähle Ihnen die nächste Podcastfolge. Allerdings auf Deutsch. Wenn Sie das dann in Google Translate eingeben und sich alles in Finnisch, Irisch oder Maltesisch anhören, dann können Sie sich kurz wie ein echter EU-Parlamentarier oder -Parlamentarierin fühlen. Cool, oder? Die Profis hören nebenbei the greatest Hits von Nana Mouskouri. Oder "Oi megalýteres epitychíes tis Nánas Moúschouri", wie sie selbst auf Griechisch sagen würde, nur wahrscheinlich besser. Das ist unser Rundum-Service, nur für Sie!
Aja, wenn Sie uns vorher abonnieren oder eine Bewertung da lassen, sind wir auch nicht böse. Oder Sie schicken uns ein Feedback an podcast@parlament.gv.at, gerne auch in Fremdsprachen. Ich kann aber nicht garantieren, dass wir das dann verstehen, wir sind ja nicht im EU-Parlament, sondern im Österreichischen.
Weitere Informationen über die EU, das österreichische Parlament und unsere Demokratie finden Sie auf unseren Social-Media-Kanälen und auf der Webseite parlament.gv.at.
Ich heiße immer noch – und zwar auf ziemlich allen Sprachen – Clemens Haipl. Ich danke herzlich fürs Zuhören, wünsche alles Liebe, und freue mich aufs nächste Mal. Ciao, ciao.
Jingle