Werner ZÖGERNITZ: Da bin ich damals zum Benya gegangen und habe zu ihm gesagt: "Herr Präsident, meine Frau ist von Ihrer Machtfülle begeistert." Da hat er gesagt: "I hob jo goar nix z‘ reden, des mochen eh olles die Klubs." In Wahrheit verlässt er sich auf das Organ Präsidialkonferenz.
Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK: Die Präsidiale hat mir wahnsinnig viel Freude gemacht, auch das ein bissel i-Tüpfel-Reiten in Auslegungsfragen der Geschäftsordnung, das hat mich sehr, sehr gereizt
Willi BRAUNEDER: In der Presse schrieb einmal ein Kommentator: Man darf nicht vergessen, in der Präsidialkonferenz sitzen soundsoviele Habilitierte, zum Teil Professoren, und da ist dann schon ein etwas fachlicherer Ton, unterstelle ich jetzt einmal.
Clemens HAIPL: Sie haben sicher auch schon mal davon gehört: Manchmal ist im Nationalrat von der sogenannten Präsidiale die Rede. Die Präsidiale oder eigentlich korrekterweise die Präsidialkonferenz ist eines der wichtigsten Gremien. Aber was ist das überhaupt? Aus welchen Personen setzt es sich zusammen? Und wie funktioniert das?
[Jingle]
HAIPL: In diesem Podcast hören Sie Anekdoten und persönliche Erinnerungen von ehemaligen Mitgliedern des National- und Bundesrats, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der parlamentarischen Klubs und der Parlamentsdirektion. Die Aufnahmen stammen aus den Archiven des Parlaments aus den letzten Jahren und sie geben uns vor allem eins: Einblicke in das Parlament.
Im Nationalrat passiert ja viel vor den Augen der Bürgerinnen und Bürger. Im Hintergrund muss aber so einiges vorbereitet und besprochen werden. Dazu dient die Präsidialkonferenz oder kurz: die Präsidiale. Zentral ist für sie die Vorbereitung von Plenarsitzungen. Sie erstellt die Arbeitspläne des Nationalrats, fixiert die Tagesordnungen und Sitzungstermine und koordiniert Ausschüsse. Für die parlamentarische Arbeit ist sie auch als Schlichtungsstelle wichtig, vor allem bei Konflikten über die Auslegung und Anwendung der Geschäftsordnung des Nationalrats.
Und wer ist das? Wer sitzt in der Präsidialkonferenz und für welche Aufgaben ist sie genau zuständig? Anneliese Kitzmüller, ehemalige Dritte Nationalratspräsidentin der FPÖ erläutert:
Anneliese KITZMÜLLER: In der Präsidialkonferenz sitzen die drei Präsidenten und die Klubobleute und der Parlamentsdirektor zusammen. Und da wird eben durchgegangen, wie es eben war, eine Zeitlang der Umbau oder verschiedene andere momentan anstehende Themen. Aber das Wichtigste ist die Vorbereitung der Nationalratssitzung. Da wird eben beschlossen, wie lange dauert die Sitzung, wie viele Tage brauchen wir. Weil es gibt ja meistens Reservetage. Also da wird eben geschaut, wie lange die Sitzung dauert. Dann die Einteilung der Tagesordnung und die Zusammenfassung der Tagesordnungspunkte wird besprochen. Und dann wird eben darüber abgestimmt, wie man das macht.
HAIPL: Und Matthias Strolz von den NEOS:
Matthias STROLZ: Das ist ganz ein wichtiges Gremium, wo man auch die Dinge gemeinsam absteckt, nur jeweils eine Person pro Klub, und die Parlamentspräsidenten und der Parlamentsdirektor, das ist also sehr ein intimer Rahmen, wo sehr viel für die Republik gehebelt wird. Dort wird viel außer Streit gestellt, was dann gar nicht mehr großartig verhandelt wird, sondern das passiert dann im Konsens.
HAIPL: Die Präsidiale ist so wichtig, dass sie sogar einen eigenen Raum im Parlamentsgebäude hat, in dem sie zusammentritt. Das klingt zwar sehr geheimnisvoll, ist es aber nicht. Die Präsidiale scheint aber dennoch einen "gewissen" Ruf gehabt zu haben, wie Andreas Wabl sich erinnert. Er war als Grüner Klubobmann auch Teil der Präsidiale
Andreas WABL: Irgendwer – ich weiß nicht, wer das war – hat mir gesagt, er hat nie rein dürfen in diesen Raum, in diesen heiligen (lacht). Ja, im Grunde genommen sind dort die Tagesordnungen besprochen worden, so geheimnisvoll war das nicht, aber Macht besteht ja darin, das man bestimmte Dinge für geheim erklärt – das ist ein beliebtes Mittel. (…)
Was für mich auch ganz wichtig war, ist, dass das, was in der Präsidiale gesprochen worden ist, dass das auch alle anderen im Klub mitkriegen, auch die Mitarbeiter. Damals ist ja der Werner Kogler einer meiner Mitarbeiter geworden, der war immer über alles bestens informiert, was in der Präsidiale besprochen worden ist. Das war in der Anfangszeit ja, ein ganz geheimer Zirkel, ich glaube sogar, der Stellvertreter war nie drinnen, der hat nie gewusst, was da drinnen gespielt worden ist.
HAIPL: Die Präsidiale bereitet nicht nur im Hinterzimmer vor, sie hat schon auch eine gewisse Macht. Zumindest sieht das ein ehemaliger Nationalratspräsident in der Erinnerung des früheren ÖVP-Klubdirektors Werner Zögernitz so:
Werner ZÖGERNITZ: Aus meiner Sicht ist nicht der Präsident alleine entscheidend, sondern die Präsidialkonferenz und da vor allem die Klubobmänner, der Präsident und die Klubobmänner. Ich glaube, das ist eigentlich das Steuerungsorgan. Ich war einmal nach meiner ersten Geschäftsordnung ... da war der Benya noch Präsident, und ich habe meinen ersten Kommentar meine Frau einmal durchlesen lassen, und sie hat gesagt: "Du, der Präsident ist stark, der beruft Sitzungen ein, beruft Ausschüsse ein, macht das und das." Da bin ich damals zum Benya gegangen, um ihm das Buch zu überreichen, und habe zu ihm gesagt: "Herr Präsident, meine Frau ist von Ihrer Machtfülle begeistert." Da hat er gesagt: "I hob jo goar nix z‘ reden, des mochen eh olles die Klubs." In Wahrheit verlässt er sich auf das Organ Präsidialkonferenz.
HAIPL: Auch die Geschäftsordnung des Nationalrats spielt in den Sitzungen der Präsidiale eine wichtige Rolle. Eva Glawischnig-Piesczek, ehemalige Abgeordnete der Grünen war quasi ein "Nerd" oder eine "Nerdin" was diese betrifft:
Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK: Mich hat es immer wahnsinnig fasziniert, ich habe auch die Geschäftsordnung sehr gemocht, und ich durfte relativ rasch als Klubobfrau-Stellvertreterin von Van der Bellen in die Präsidiale gehen. Und die Präsidiale hat mir wahnsinnig viel Freude gemacht, auch das ein bissel i-Tüpfel-Reiten in Auslegungsfragen der Geschäftsordnung, das hat mich sehr, sehr gereizt, und ich habe das sehr gerne gut vorbereitet und habe mich dann erfreut daran, wenn wir zumindest einen kleinen Geschäftsordnungssieg davontragen konnten oder zumindest recht behalten haben bei einer Geschäftsordnungsfrage. Aber diese kooperative Atmosphäre in der Präsidiale, diese Höflichkeit, also dieses Zusammenarbeiten habe ich sehr geschätzt, weil es doch ein bisschen anders ist als das, was auf der Bühne sozusagen stattfindet im Plenum.
HAIPL: Die Präsidialkonferenz ist ein äußerst wichtiges parlamentarisches Gremium und konstruktive Zusammenarbeit ist gefragt. Das ist vielleicht nicht immer ganz leicht, schließlich sind alle Parlamentsparteien vertreten, die teils unterschiedliche politische Positionen einnehmen. Aber wichtig ist, dass man am Schluss immer wieder zusammenfindet, wie Anneliese Kitzmüller unterstreicht:
KITZMÜLLER: Schwierig manchmal, schwierig. Besonders schwierig war das Klima zwischen ÖVP und SPÖ, muss ich feststellen. Die NEOS waren auch oft unberechenbar.
Für die Grünen war es sowieso sehr interessant. Wir haben ja damals die Liste Pilz drinnen gehabt, wie ich Präsidentin war. Das war überhaupt eine interessante Runde. Aber an sich war das Klima sage ich einmal, zu 90 Prozent friktionsfrei. Kann man sagen. Beim Umbau dann natürlich, wer welche Räumlichkeiten bekommt, ist das schon ein bisschen anders zugegangen. Aber an sich hat man sich dann irgendwo zusammenraufen können.
HAIPL: Für Heinz Fischer, ehemaliger Nationalratspräsident der SPÖ, hängt es von verschiedenen Faktoren ab, wie gut die Mitglieder der Präsidiale zusammenarbeiten können.
Heinz FISCHER: Naja, da gibt es natürlich Unterschiede, die von den handelnden Personen abhängig sind. Eine Präsidialkonferenz mit drei Präsidenten und drei Klubobmännern ist anders als eine Präsidialkonferenz mit drei Präsidenten und fünf oder sechs Klubobmännern. Das hängt auch ein bissel von der Art, vom Charakter, von der Handlungsweise der Klubobmänner ab. Jörg Haider war ein absolut unberechenbarer Klubobmann. Er konnte in bestimmten Situationen oder Phasen ein besonders harmoniebedürftiger und leicht zu behandelnder Diskussionspartner in der Präsidialkonferenz sein, und er konnte in anderen Situationen von einer unglaublichen Aggressivität und Feindseligkeit sein, da war eine unglaubliche Schwankungsbreite.
Umgekehrt ist es, glaube ich, so, dass der Zweite Präsident Lichal in seiner politischen Biographie so als Hardliner und Raubein, als Chef der Stahlhelmfraktion in der Österreichischen Volkspartei bekannt wurde, aber als Zweiter Präsident im Nationalrat ein besonders konstruktives und auf Ausgleich bedachtes und staatsmännisches Mitglied des Präsidiums war. Also, da habe ich alle Arten, alle Variationen erlebt, aber im Großen und Ganzen ist die Präsidialkonferenz ein nicht nur wichtiges und wertvolles, sondern in der Regel harmonisches Gremium, wo man sich um die Lösung von Problemen bemüht.
HAIPL: Für Heinrich Neisser, Zweiter Nationalratspräsident von der ÖVP, kommt es auch darauf an, dass man als Mitglied der Präsidialkonferenz auch ausreichend parlamentarische Erfahrung mitbringt:
Heinrich NEISSER: Ich halte die Tätigkeit in der Präsidiale für ganz wichtig. Dass Sie mich nicht missverstehen, aber in die Präsidiale können Sie nicht jemanden setzen, der nicht parlamentarische Erfahrung hat. ich habe noch eine Präsidiale erlebt: Heinz Fischer Vorsitz, ich war der Zweite, und dann saßen Jörg Haider und Heide Schmidt drinnen oder Stadler und Schmidt. Also, diese Sitzungen waren ... und ich muss ehrlich sagen, ich habe das damals einmal dem Heinz Fischer gesagt, ich habe ihn bewundert, wie er allen Provokationen aus dem Weg gegangen ist. Ich habe zu ihm gesagt, du, ich hätte das nicht ausgehalten, was sich da abgespielt hat. Sie müssen gut sein, Sie müssen wirklich die Geschäftsordnung kennen, Sie haben niemand anderen, der daneben sitzt und Ihnen sagt, wie es geht. Und es ist auch ganz wichtig, gewisse strategische Überlegungen anzulegen, man muss abschätzen können, wie weit man kommt mit Entwürfen und welche Bedeutung und welchen Widerstand man in der eigenen Fraktion bekommt. Also, ich würde sagen, die Tätigkeit in der Präsidiale ist für mich der harte inhaltliche Kern gewesen.
HAIPL: Neben politischer Erfahrung braucht es für Willi Brauneder von der FPÖ und ehemaliger Dritter Nationalratspräsident auch Sachlichkeit:
Willi BRAUNEDER: Hie und da gab es diese oder jene Querschießerei, und wenn dann eine Dame statt des Herrn da war, ging das dann eigentlich besser über die Bühne, aber im Großen und Ganzen war schon ein gewisser Sachzwang da, würde ich sagen. Ich will das jetzt nicht überbewerten, aber in der Presse schrieb das einmal ein Kommentator: Man darf nicht vergessen, in der Präsidialkonferenz sitzen soundsoviele Habilitierte, zum Teil Professoren, und da ist dann schon ein etwas fachlicherer Ton, unterstelle ich jetzt einmal.
HAIPL: Und wie immer im Leben ist ein guter zwischenmenschlicher Umgang auch in der Präsidiale wichtig. Nochmal Andreas Wabl:
WABL: Ja, es war für mich natürlich Neuland, da in der Präsidiale zu sitzen und mitzuerleben, wie vielschichtig politische Auseinandersetzungen sind, wie zum Beispiel mit dem Haider in der Präsidiale umgegangen worden ist. Das Du-Wort war selbstverständlich, der Vorname war selbstverständlich, auch mit Du: "Du, Jörg", "Du, Heinzi", "Du, Andreas" – aber nicht zu mir, sondern zu Khol. Da war ich schon überrascht, wie unterschiedlich politische Ebenen funktionieren und wie unterschiedlich auch diese Auseinandersetzungen geführt werden.
HAIPL: Danke, dass Sie sich auch diese Woche zwischenmenschlich im guten Umgangston mit unserem Podcast auseinandergesetzt haben. Wenn Sie mit uns konferieren wollen, dann können Sie das gerne über die E-Mail-Adresse podcast@parlament.gv.at oder über unsere Social-Media-Kanäle tun. Wenn Ihnen diese Folge gefallen hat, dann abonnieren Sie diesen Podcast gerne oder hinterlassen uns eine Bewertung. Das würde uns sehr freuen.
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