Marga HUBINEK: Ja, die Reaktion vom Ersten Präsidenten: "Jössas, a Weib schlagt’s ihr vor!", war ja nicht gerade sehr ermutigend.
HUBINEK: Und meine Kollegen, das habe ich erst viel später begriffen, kommen nach Hause, finden die Hausschuh‘, und das Abendessen bereitet. Die sehen ein anderes Frauenbild.
Clemens HAIPL: Hallo und herzlich willkommen zurück im Gedächtnis des Parlaments! In diesem Podcast hören Sie alle zwei Wochen am Freitag persönliche Erinnerungen und Anekdoten von ehemaligen Mitgliedern des National- und Bundesrats, Mitarbeitern der parlamentarischen Klubs und der Parlamentsdirektion aus den Archiven des Parlaments aus den letzten Jahren.
Jingle: Geschichte(n) aus dem Parlament
HAIPL: Frauen hatten und haben es nicht immer leicht in der Politik. So auch im Parlament. 1919 ziehen die ersten acht weiblichen Abgeordneten in den Nationalrat ein – acht von insgesamt 159. Und auch in den Folgejahren entwickelt sich der Frauenanteil im Parlament nur langsam bis schleppend - sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat.
1927 kommt es aber zu einer Weltpremiere: Olga Rudel-Zeynek wird zur ersten Präsidentin des Bundesrats gewählt. Damit hat das österreichische Parlament weltweit die erste Kammer, die von einer Frau geleitet wird. Rudel-Zeynek war zuvor bereits Abgeordnete im Nationalrat und parallel zu ihrer parlamentarischen Tätigkeit war sie auch Mitglied der Christlichsozialen Partei sowie in diversen Frauenorganisationen aktiv. Später folgen ihr Johanna Bayer 1953, sowie Helene Tschitschko in den 1960er und 70er Jahren an der Spitze des Bundesrats, ehe 1986 eine Frau auch ins Präsidium des Nationalrats gewählt wird: Marga Hubinek.
Sie ist in Wien geboren, studierte Geschichte und war lange Jahre Mitarbeiterin der Wiener Handelskammer, bevor sie den Weg in die Politik fand. Im Jahr 1986 soll es im Nationalrat in einer geheimen Wahl darum gehen, wer den verstorbenen Roland Minkowitsch als Zweiten Präsident des Nationalrats ersetzt. Marga Hubinek hat bereits 16 Jahre Erfahrung im Nationalrat und wird von der ÖVP vorgeschlagen. Aber das war zunächst nicht ganz eindeutig, wie Hubinek in einem Interview aus 2015 erklärt:
HUBINEK: Einer der drei Präsidenten war mindestens einer war Vertreter vom Bauernbund, den man natürlich statt der Frau sehen wollte. Das heißt, es hat mein Leben nicht leichter gemacht. Und dann hat der Dr. Mock eine Idee gehabt, um also da alle Schwierigkeiten beiseitezuschieben, machen wir eine Abstimmung. Der Bauernbund hatte eine Frau, die Frau Helga Wieser. Machen wir eine Kampfabstimmung: Marga Hubinek und Helga Wieser. Ich war einverstanden. Helga Wieser aber nicht: "Na, na, gegen die Marga kandidiere ich nicht!" Damit war zwar der Bauernbund beruhigt, er hatte einen Kandidaten, wenn der aber nicht kandidieren will … So, dann bin ich am nächsten Tag vorgeschlagen worden im Klub, und ich hatte die Zustimmung – es war kein Gegenkandidat da.
HAIPL: Damit steht fest: Marga Hubinek tritt am 19. Februar 1986 an. Reagiert wird darauf unterschiedlich.
HUBINEK: Ja, die Reaktion vom Ersten Präsidenten: "Jössas, a Weib schlagt’s ihr vor!", war ja nicht grade sehr ermutigend. Dann war ich schon leicht nervös. Wie wird die geheime Wahl ausgehen? Und dazu fällt mir ein, nach der Wahl – natürlich habe ich nicht eine überwältigende Mehrheit gehabt – ist spontan die damalige Staatssekretärin Dohnal aufgestanden, ist vom sozialistischen Teil des Plenums zum ÖVP-Teil gegangen, hat dem Dr. Mock die Hand geschüttelt und gesagt: "Ich gratuliere Ihnen zu dieser Wahl!" Und da haben auf der anderen Seite ein paar Frauen applaudiert, und dann haben sie ein paar Männer der ÖVP mitgerissen. Sie müssen wissen, man applaudiert meistens nur bei den Rednern der eigenen Fraktion.
HAIPL: Marga Hubinek wird gewählt und damit als erste Frau in der österreichischen Geschichte Mitglied des Nationalratspräsidiums sein. Für so manch Einen ein Gänsehaut-Moment. Damit ändert sich das Frauenbild aber nicht grundlegend über Nacht. Es sind die 80er Jahre, eine andere Zeit für Frauen:
HUBINEK: Und meine Kollegen, das habe ich erst viel später begriffen, kommen nach Hause, finden die Hausschuh‘, und das Abendessen ist bereitet. Die sehen ein anderes Frauenbild. Und so hat mich einer meiner Kollegen, ich werde seinen Namen nicht nennen, er war sogar Staatssekretär, gefragt: "Sag einmal, Mädchen, kannst du auch kochen?" Die Frage allein schon … und zwar nach einer Rede, wo ich mir einbilde, dass die recht ordentlich war. Und wie das so üblich ist, man geht vom Rednerpult, da stehen zwei, drei und kommentieren die Rede: "Ja, ja, gut, dass du das gesagt hast", dann kam plötzlich die Pause, "kannst du auch kochen?"
HAIPL: Und nun stellen Sie sich das ganz kurz andersherum vor. Stellen Sie sich vor, ein Parlamentarier hält eine flammende Rede. Und nachher fragen ihn zwei Kollegen: Und können Sie auch ein Bücherregal zusammenbauen, schnitzen?, Rauchen Sie, interessieren Sie sich für Fußball und so weiter? Das Frauenbild, lässt sich festhalten, ist damals nicht sehr progressiv. Und es gibt schlicht und ergreifend wenig Frauen.
HUBINEK: Es war eigentlich – und das will ich damit sagen –, es war eigentlich niemand, der einen richtig eingeführt hätte.
HAIPL: Also findet sie selbst Lösungen. Dann kommt doch etwas Hilfe. Denn: Was die Räumlichkeiten des Parlaments betrifft, gibt es Aufholbedarf.
HUBINEK: Die Dr. Hiltl, die hat mich eingeführt und hat gesagt: "Und jetzt sage ich dir das Wichtigste, was hier ist: hinter welcher Tür ist nur ein Spiegel, und hinter welcher Tür ist auch eine Toilette," – das musste man wissen, weil es für Frauen wenig Toiletten gab. Sagt [Dr. Hiltl]: "das ist so wichtig, mehr kann ich dir einstweilen nicht sagen, es beginnt die Budgetdebatte, und ich habe wichtigere Dinge zu tun".
HAIPL: Marga Hubinek wächst gut in ihre Rolle als Politikerin hinein. Ja sie wird sogar ein Vorbild. Und erkennt darin später auch ein Dilemma.
HUBINEK: Ich glaube, dass ich in der Frage der berufstätigen Frau, die auch Familienpflichten erfüllt, oft unrechterweise als Vorbild gezeigt wurde, obwohl es nicht richtig ist. Auch ich habe diesbezüglich, das sehe ich nachträglich ein, Fehler begangen. [Ich] war zu heftig, zu engagiert, ich hätte eigentlich einen Bewusstseinsbildungsprozess abwarten müssen.
HAIPL: Mit Marga Hubinek schaffte es also die erste Frau ins Präsidium des Nationalrats. Es soll nochmal 20 Jahre dauern bis es die erste Frau an die Spitze des Nationalrats schafft: 2006 wird Barbara Prammer zur Nationalratspräsidentin gewählt.
Und der Frauenanteil? Der steigt seit Marga Hubinek. Im aktuellen Nationalrat sitzen aber im Vergleich zur letzten Gesetzgebungsperiode wieder etwas weniger Frauen. Ein Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen lässt also noch auf sich warten. Bis dahin gibt es aber noch weitere Geschichte(n) von Frauen aus dem Parlament. Also bleiben Sie dran!
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Jingle: "Geschichte(n) aus dem Parlament"