Welche Aufgaben hat die Volksanwaltschaft?
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Die Volksanwaltschaft existiert seit 1977 und dient zur Kontrolle der Verwaltung. Jede Einwohnerin und jeder Einwohner in Österreich – unabhängig von der Staatszugehörigkeit – kann sich an sie wenden, wenn es zu Ungerechtigkeiten in der öffentlichen Verwaltung kommt.
Michael Mauerer ist in der Volksanwaltschaft beschäftigt und leitet dort den Geschäftsbereich des Volksanwalts Werner Amon. Er erklärt unter anderem, dass die Volksanwaltschaft direkt bei Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger aktiv wird. Wenn tatsächlich ein Missstand festgestellt wird, versucht die Volksanwaltschaft eine Lösung zu finden und spricht eine Empfehlung aus, wie der Fehler behoben werden kann. Die Behörde hat dann entweder der Empfehlung der Volksanwaltschaft zu entsprechen, oder schriftlich zu begründen, warum sie das nicht tut.
Insgesamt wenden sich jährlich etwa 16.000 Menschen an die Volksanwaltschaft.
© Parlamentsdirektion/Satzbau/hoerwinkel
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Katharina BRUNNER: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von "Parlament erklärt" – der Podcast, der Sie mitnimmt auf eine Reise durch das österreichische Parlament. Mein Name ist Katharina Brunner.
David RIEGLER: Und ich bin David Riegler. In der heutigen Folge reden wir über eine Institution, die jeder Einwohner und jede Einwohnerin Österreichs kennen sollte – weil sich jeder Mensch, unabhängig von der Staatsbürgerschaft, an sie wenden kann, wenn es Ungerechtigkeiten in der öffentlichen Verwaltung gibt. Wir reden über die Volksanwaltschaft.
BRUNNER: Die Volksanwaltschaft gibt es seit 1977 und ist als parlamentarischer Ombudsmann zur Kontrolle der Verwaltung eingerichtet. Michael Mauerer ist in der Volksanwaltschaft tätig und leitet dort den Geschäftsbereich des Volksanwalts Werner Amon. Er erklärt die Aufgaben der Volksanwaltschaft so:
Michael MAUERER: Die Volksanwaltschaft wurde eingerichtet im Auftrag des Parlaments und auch der Landtage, die Verwaltung zu kontrollieren. Das heißt, jedermann kann sich über die Verwaltung bei der Volksanwaltschaft beschweren, und unsere Aufgabe ist es festzustellen: Ist ein Fehler passiert oder ist kein Fehler passiert? Und wenn ein Fehler passiert ist: Wie kann der Fehler beseitigt werden oder wie kann dem Fehler abgeholfen werden?
RIEGLER: Diese Aufgabe haben drei Volksanwälte inne, die von den drei stärksten Parteien im Parlament entsendet werden. Dafür nominieren die drei stärksten Parteien im Nationalrat einen Kandidaten, und dann findet eine sogenannte Behandlung und eine Wahl im Hauptausschuss des Nationalrates statt. Dieser Hauptausschuss erstellt anschließend einen Gesamtvorschlag.
BRUNNER: Dann wird der Gesamtvorschlag dem Plenum des Nationalrates vorgelegt, und dort wird die Wahl durchgeführt. Die drei aktuellen Volksanwälte sind: Werner Amon von der ÖVP, Bernhard Achitz von der SPÖ und Walter Rosenkranz von der FPÖ. Werner Amon beschreibt seine Tätigkeit als Volksanwalt so:
Werner AMON: Meine Tätigkeit als Volksanwalt ist, hier gemeinsam mit vielen Mitarbeitern für die österreichischen Bürgerinnen und Bürger da zu sein, sie zu vertreten und auch manchmal Vermittler zu sein zwischen der Behörde und der einzelnen Person, um in einer mediativen Art und Weise, auch Lösungen zustande zu bringen, wo vielleicht die strenge Verwaltung keine Lösung mehr zustande bringt.
RIEGLER: Das sagt Bernhard Achitz über die Arbeit der Volksanwälte:
Bernhard ACHITZ: Die Volksanwaltschaft sorgt dafür, dass die österreichische Verwaltung mit Herz und Hirn funktioniert. Wenn die Verwaltung Fehler macht, machen wir darauf aufmerksam. Wenn Gesetze so sind, dass sie zu unerwünschten Ergebnissen führen, machen wir das Parlament darauf aufmerksam. Wenn die Menschen Entscheidungen von Behörden nicht verstehen, versuchen wir, das zu übersetzen und ihnen zu erklären, warum die Behörde so entschieden hat.
BRUNNER: Und so sieht Walter Rosenkranz seine Aufgabe als Volksanwalt:
Walter ROSENKRANZ: Ich bin vom Parlament eingesetzt worden für diese Institution, die relativ jung ist im Staatsgefüge, und es geht darum, die Verwaltung nachfolgend zu kontrollieren, und das ist durchaus in einem entwickelten Rechtsstaat und Verwaltungsrechtsstaat wie Österreich eine sehr große und wichtige Aufgabe, und alleine die Zahl der Beschwerden, der Beschwerdeführer, die persönlich zu Sprechtagen kommen oder uns schriftlich ihre Eingaben schicken, zeugt eigentlich davon, wie notwendig es ist, individuell zu helfen. Hier geht es nicht um die großen Dinge des Lebens sondern eher um ganz kleine Probleme, die aber für den Einzelnen im Vordergrund stehen.
RIEGLER: Die Aufgabe der Volksanwälte ist es, die gesamte Bundesverwaltung und auch die Landes- und Gemeindeverwaltung zu kontrollieren. Allerdings gibt es zwei Ausnahmen. Vorarlberg und Tirol haben eigene Landesvolksanwälte, die die Landesverwaltung der zwei Bundesländer überprüften.
BRUNNER: Doch was genau wird überprüft? Michael Mauerer erklärt, welche Bereiche unter den Kontrollbereich der Volksanwaltschaft fallen.
MAUERER: Zu Verwaltung gehört nicht nur die Hoheitsverwaltung, das heißt dann, wenn der Staat vorgeht mit Bescheid, wie beispielsweise Strafzetteln oder ähnlichem, sondern auch die Privatwirtschaftsverwaltung, das heißt, wenn der Staat tätig wird als Auftraggeber, Verträge schließt, Bauwerke errichtet, auch das gehört zur Verwaltung des Staates und unterliegt damit der Kontrolle der Volksanwaltschaft.
RIEGLER: Die Volksanwaltschaft wird auch als sogenanntes „Hilfsorgan“ des Parlaments bezeichnet, genauso wie auch der Rechnungshof. Beide Hilfsorgane kontrollieren die öffentliche Verwaltung, doch auf unterschiedliche Art und Weise.
BRUNNER: Der Rechnungshof kontrolliert alles was mit Finanzen und Budget zu tun hat, das heißt, es wird überprüft, was mit Steuergeld passiert. Die Volksanwaltschaft ist dazu da, um sämtliche Missstände zu überprüfen, die von jedem Menschen vorgebracht werden können.
RIEGLER: Der wesentliche Unterschied ist auch, die Form der Überprüfung: Während der Rechnungshof auf eigene Entscheidung oder auf Antrag des Nationalrats hin tätig wird, arbeitet die Volksanwaltschaft direkt mit den Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger. Sie kann zwar auch selbst eine Überprüfung einleiten, ohne direkte Beschwerde, doch meistens arbeitet die Volksanwaltschaft mit Individualbeschwerden von Bürgern. Wenn jemand Missstände anprangert, dann ist es die Aufgabe der Volksanwaltschaft zu überprüfen, ob diese Missstände tatsächlich vorliegen. Das Recht Missstände anzuprangern hat jeder Mensch, betont Michael Mauerer.
MAUERER: Bei der Volksanwaltschaft beschweren kann sich jedermann. Das bedeutet unabhängig von der Religion, von der Staatsangehörigkeit, von der Herkunft, vom Geschlecht. Das heißt, es steht allen Menschen und Personen offen, die ein Problem mit der österreichischen Verwaltung haben, unabhängig davon ob sie sich im In- oder Ausland befinden.
BRUNNER: Dieses Recht sich zu beschweren nutzen pro Jahr über 16.000 Menschen. Allerdings ist die Volksanwaltschaft nicht für alle dieser Fälle zuständig, denn mehr als 4.000 dieser Beschwerden betreffen ein Gerichtsurteil. Das heißt, Menschen beschweren sich, weil sie nicht damit einverstanden sind, wie ein Gericht geurteilt hat. Doch das muss über den ordentlichen Rechtsweg ausgetragen werden, zum Beispiel indem bei einem Gericht Berufung eingelegt wird. Das fällt nicht in die Aufgaben der Volksanwaltschaft.
RIEGLER: In allen anderen Fällen ist die Volksanwaltschaft zuständig und kontrolliert, ob ein Missstand vorliegt. 2018 wurde bei knapp der Hälfte aller Fälle ein Prüfverfahren eingelegt. Wenn ein Missstand festgestellt wird, versucht die Volksanwaltschaft dann eine Lösung zu finden und spricht eine Empfehlung aus, erklärt Michael Mauerer.
MAUERER: Wenn wir einen Missstand in der Verwaltung feststellen, ist zu überprüfen, ob es noch möglich ist diesen Missstand zu beseitigen, ob die Rechtsordnung, ob die Gesetze noch eine Möglichkeit bieten, einen Fehler zu beheben. Wenn dies der Fall ist, dann empfiehlt die Volksanwaltschaft die Behebung dieses Fehlers, und die Behörde hat entweder der Empfehlung der Volksanwaltschaft zu entsprechen, oder schriftlich zu begründen, warum sie das nicht tut.
BRUNNER: Gegenüber der Volksanwaltschaft gibt es keine Amtsverschwiegenheit, das heißt, sie muss Zugang haben zu allen Dokumenten und Räumlichkeiten der Behörden.
RIEGLER: Doch die Volksanwaltschaft kann keine Behörde dazu zwingen, die Empfehlung umzusetzen, da sie kein Gericht ist und über keinerlei Sanktionen verfügt. Die Volksanwaltschaft arbeitet mit Überzeugungsarbeit und laut Michael Mauerer funktioniert dieses System sehr gut.
MAUERER: Erfreulicherweise muss man sagen, dass in Österreich die Verwaltung nicht negativ gegenüber der Kontrolle durch die Volksanwaltschaft eingestellt ist und in weit über 90 Prozent aller Empfehlungen der Volksanwaltschaft auch entsprochen wird.
BRUNNER: Im Jahr 2012 hat die Volksanwaltschaft eine zusätzliche Tätigkeit erhalten, die auf einer neuen Rechtsgrundlage basiert. Die Volksanwaltschaft kontrolliert die Einhaltung der Menschenrechte.
MAUERER: Ganz wesentlich ist die Aufgabe zur Kontrolle aller Einrichtungen, in denen Menschen angehalten werden oder angehalten werden können. Darunter darf man sich nur vorstellen Gefängnisse oder Polizeianhaltezentren, sondern es geht hier auch um die Kontrolle von Alters- und Pflegeheimen, von Psychiatrien oder Krankenhäusern.
RIEGLER: Es wird überprüft, ob die Anhaltung beziehungsweise Unterbringung der Menschen in diesen Einrichtungen menschenwürdig geschieht. Für diese Aufgabe ist es besonders wichtig auch vor Ort Überprüfungen durchzuführen, denn es handelt sich hier teilweise um Menschen, die aufgrund ihrer Erkrankung oder Beeinträchtigung keine Stimme in der Öffentlichkeit haben.
BRUNNER: Außerdem wird die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch die Exekutive überprüft, zum Beispiel Abschiebungen. Auch in diesem Fall ist es die Aufgabe der Volksanwaltschaft, mögliche Missstände zu überprüfen. Damit wird das sogenannte Fakultativprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe umgesetzt. Außerdem werden Regelungen der UN-Behindertenrechtskonvention berücksichtigt.
RIEGLER: Alle Tätigkeiten der Volksanwaltschaft werden in dem jährlichen Tätigkeitsbericht zusammengefasst, der auch im Parlament diskutiert wird. Dafür wurde ein eigener Ausschuss gegründet, der sogenannte "Volksanwaltschaftsausschuss", in dem Abgeordnete über die Inhalte des Tätigkeitsberichtes sprechen.
BRUNNER: Zusätzlich dazu haben die drei Volksanwälte ein Rederecht im Plenum des Nationalrates und können so auch die Inhalte der Berichte direkt in den Nationalrat bringen und so eine Diskussion auslösen. Und es gibt noch eine weitere Zusammenarbeit zwischen Parlament und Volksanwaltschaft, die Petitionen und Bürgerbeteiligung betrifft.
MAUERER: Eine weitere Zusammenarbeit mit dem Parlament zeigt sich auch darin, dass die Volksanwaltschaft vom Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen betraut werden kann mit Ermittlungen oder zumindest eingeladen wird, wenn Petitionen einlangen im Parlament, ob wir dazu allenfalls bereits schon Ergebnisse, gewisse Wahrnehmungen aus ähnlichen Prüfungsverfahren haben.
RIEGLER: Alle Menschen, die sich an die Volksanwaltschaft wenden, werden natürlich von der Amtsverschwiegenheit geschützt, das heißt, die Daten der Person dürfen nicht an die Öffentlichkeit gegeben werden. Außer es stimmen alle Beteiligten zu, einen Fall in die Öffentlichkeit zu bringen. Dann kann der Fall etwa im Fernsehen besprochen werden.
BRUNNER: Seit Jahren gibt es immer wieder Sendungen im Fernsehen, die einzelne Fälle der Volksanwaltschaft beleuchten. Aktuell gibt es zum Beispiel die ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ am Samstagnachmittag.
RIEGLER: Michael Mauerer betont, dass sich jeder Mensch an die Volksanwaltschaft wenden kann, egal wie groß der Fall ist.
MAUERER: Die Volksanwaltschaft hat in den über 40 Jahren ihres Bestehens ganz bewusst vermieden, sogenannte "größte" Fälle, "glamouröse" Fälle zu bezeichnen oder auch solche zu benennen. Das hat einen einfachen Grund: Der Grund besteht darin, dass sich jedermann bei uns beschweren kann, das heißt, es gibt ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Beschwerde bei der Volksanwaltschaft. Ob diese Beschwerde jetzt einen kleinen Fall oder einen großen Fall betrifft, ist ja immer aus der Sicht des Betroffenen zu beurteilen, nie aus der Sicht des Kontrollors.
BRUNNER: Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer: Wir hoffen, Sie konnten aus dieser Folge mitnehmen, dass die Volksanwaltschaft eine wichtige Institution für alle Bürgerinnen und Bürger ist, wenn es zu Missständen in der Verwaltung kommt. Wenn Sie mehr Informationen möchten oder die Volksanwaltschaft selbst kontaktieren wollen, gehen Sie auf die Website.
RIEGLER: Wir bedanken uns herzlich, dass Sie sich heute mit uns dem wichtigen Hilfsorgan "Volksanwaltschaft" gewidmet haben, und würden uns über Ihre Rückmeldung freuen. Haben Sie Anregungen oder einen Vorschlag für eine neue Folge? Schreiben Sie uns unter: podcast@parlament.gv.at.
BRUNNER: Vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal bei "Parlament erklärt".