Wie funktioniert eine Nationalratswahl?
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Grundlage für das allgemeine Wahlrecht ist unsere Bundesverfassung. In ihr steht geschrieben, dass die Wahlen frei, gleich, unmittelbar, persönlich und geheim sein müssen. In Österreich muss man das 16. Lebensjahr vollendet haben und ein/e österreichische/r Staatsbürgerin oder Staatsbürger sein, um bei Nationalratswahlen wählen zu dürfen.
Robert Stein, Leiter der Abteilung für Wahlangelegenheiten und Stellvertreter des Bundeswahlleiters im Innenministerium erklärt, wie die Stimmzetteln aussehen und wer dafür verantwortlich ist.
Im Originalton hören wir eine Ansprache von Adelheid Popp, einer der ersten Frauen im österreichischen Parlament. Sie rief darin die Frauen dazu auf, an der Nationalratswahl am 9. November 1930 teilzunehmen. Das historische Tondokument stammt aus dem Archiv "Österreichische Mediathek/Technisches Museum Wien". In Originallänge finden Sie das Tondokument auf der Website der Mediathek.
Peter Fuhs berichtet aus der Sicht eines Wahlbeisitzers, wie genau die Stimmen ausgezählt werden. Bis das vorläufige Wahlergebnis feststeht, dauert es meistens bis 20:00 oder 20:30 Uhr. Das endgültige Wahlergebnis wird auf Grund der Briefwahl-Stimmen erst zwei bis drei Wochen nach der Wahl veröffentlicht.
Wie sich aus den Prozentzahlen die Zusammensetzung des Nationalrats errechnet, erklärt wiederum Robert Stein vom Innenministerium anhand des d’Hondt’schen Verfahrens. Katharina Klement vom Nationalratsdienst der Parlamentsdirektion erklärt, wie dann der Sitzplan erstellt wird, und zwar mit dem Präsidenten des Nationalrats, der dies in enger Abstimmung mit den Klubs festlegt.
© Parlamentsdirektion/Satzbau/hoerwinkel
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Transkription
Brunner: Herzlich willkommen liebe Hörerinnen und Hörer zur zweiten Folge von Parlament erklärt. Mein Name ist Katharina Brunner.
Riegler: Und ich bin David Riegler. Wir nehmen Sie mit hinter die Kulissen des österreichischen Parlaments.
Brunner: In jeder Folge sprechen wir mit Expertinnen und Experten des parlamentarischen Betriebs und beantworten eine Frage, die Sie sich vielleicht auch schon einmal gestellt haben.***** Musik *****
Passant 1: Eine Demokratie funktioniert nur, wenn Leute wählen gehen, und ich finde, es ist einfach notwendig, dass Leute zur Wahl gehen, weil sonst funktioniert das System einfach nicht.
Passant 2: Es ist die einzige große Möglichkeit, dass man da jemanden abwählt, den man nicht mag.
Passant 3: Nationalratswahlen sind wichtig. Ja! Wählen sollte jeder. Absolut. Zur Wahl gehen!*****
Riegler: In dieser Folge beschäftigen wir uns mit dem Thema Nationalratswahlen und stellen uns die Frage: „Wie wird eigentlich aus einer Stimme ein Nationalratsmandat?“ Dafür haben wir mit jemandem gesprochen, der schon seit 1990 maßgeblich an der Durchführung von Wahlen beteiligt ist.
Stein: Robert Stein, ich bin Leiter der Abteilung für Wahlangelegenheiten und bin außerdem Stellvertreter des Bundeswahlleiters, einer der drei Stellvertreter. Der Bundeswahlleiter ist kraft Gesetzes immer der Bundesminister für Inneres.
Brunner: Aber jetzt von Anfang an: Jede Wahl beginnt mit einem Stimmzettel.
Stein: Der amtliche Stimmzettel ist ein von einer Behörde hergestellter Stimmzettel, der die nach genauen gesetzlichen Vorgaben die erforderlichen Felder, Kästchen und Kreise enthält und strickt äquidistant zu den Parteien ist. Die Reihenfolge der Parteien ist genau gesetzlich vorgegeben und die Wählerinnen und Wähler können dann durch Ankreuzen bzw. durch Eintragungen von Namen oder Reihungsnummern stimmen und Vorzugsstimmen vergeben.
Riegler: Gibt es auch einen nicht-amtlichen Stimmzettel?
Stein: Ja, es gibt ihn. Interessanterweise immer noch bei Landtagswahlen und Gemeinderatswahlen in Niederösterreich. Bei einem nicht amtlichen Stimmzettel sorgen die Parteien für die Herstellung eines Druckwerkes, das sie den Wählerinnen und Wählern mitgeben, und das man in das Wahlkuvert steckt.
Brunner: Bei den Nationalratswahlen sind also nur amtliche Stimmzettel zugelassen. Aber wer darf in Österreich überhaupt wählen?
Riegler: In Österreich muss man das 16. Lebensjahr vollendet haben und ein österreichischer Staatsbürger sein, damit man bei den Nationalratswahlen an die Urne darf. Nur wenn man von einem Gericht zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren oder mehr verurteilt wurde, kann man von den Wahlen ausgeschlossen werden.
Brunner: Lange Zeit durften in Österreich nur Männer wählen. Das allgemeine Wahlrecht für Männer und Frauen gibt es erst seit dem 12. November 1918, dem Tag der Gründung der Ersten Republik. Hier ein kurzer Ausschnitt einer Rede von Adelheid Popp. Sie war eine der ersten weiblichen Abgeordneten Österreichs.*****
Radiosprecher: „Achtung! Achtung! Es spricht Frau Nationalrat Adelheid Popp.
Popp: Am 9. November haben die Frauen eine große Aufgabe zu erfüllen. Ein neuer Nationalrat wird gewählt. Die Stimmen der Frauen sind zahlreicher als die der Männer. Darum hängt es von den Frauen ab, wenn in Zukunft in Österreich regiert wird.*****
Riegler: Grundlage für das allgemeine Wahlrecht ist unsere Verfassung. In ihr steht geschrieben, dass die Wahlen frei, gleich, unmittelbar, persönlich und geheim sein müssen.
Stein: Das freie Wahlrecht bedeutet, dass der Gesetzgeber dafür sorgt, dass man keinem Druck ausgesetzt ist.
Brunner: Man darf also bei der Stimmabgabe keinem Zwang ausgesetzt sein und man darf von niemandem beeinflusst werden.
Stein: Gleich bedeutet, dass jede Stimme gleich viel zählt und nicht vom Individuum abhängig ist, welchen Wert diese Stimme hat, also dass beispielweise bei jemandem, der mehr Steuern zahlt, die Stimme stärker gewichtet wird. Alle Stimmen werden gleich gewichtet.***** Ton *****
Stein: Persönlich bedeutet, dass es nicht möglich ist, die Stimme zu delegieren. Das geheime Wahlrecht ist insbesondere durch den Vorgang in der Wahlzelle gewährt.
Riegler: Und was bedeutet unmittelbar?
Brunner: Unmittelbar heißt, dass die Abgeordneten direkt gewählt werden, nicht wie in den USA, wo die Bürger Wahlmänner wählen, die dann für sie den Präsidenten wählen.*****
Riegler: Wenn Sie am Wahltag in eines der rund 10.300 Wahllokale gehen, dann treffen Sie dort Wahlbeisitzer. Die prüfen Ihre Identität und sorgen dafür, dass alles regelkonform abläuft. Bestellt werden sie von den Parteien. Peter Fuhs war in seinem Heimatbezirk Amstetten schon mehrmals Wahlbeisitzer und weiß, was alles schiefgehen kann.
Peter Fuhs: Es passieren da spannenden Situationen. Bei einen der letzten Wahlen haben wir das jetzt gehabt, dass offensichtlich ein Ehepaar sich gemeinsam geeinigt hat, einen Spitzenkandidaten zu nominieren, weil man hörte dann ganz einfach aus der einen Wahlzelle den Mann rufen zu seiner Frau: „Mathilde! Auf wen haben wir uns denn da geeinigt?“ Zum Glück war die schlau genug, das nicht laut zurück zu sagen. (Lacht)
Brunner: Hätte Frau Mathilde es zurückgerufen, dann hätte sie das Prinzip des geheimen Wahlrechts verletzt, oder?
Riegler: Nicht ganz! Das Prinzip des geheimen Wahlrechts wäre nur verletzt worden, wenn die beiden unerlaubt gemeinsam in eine Wahlzelle gegangen wären. Wenn sowas passiert, kann eine Wahl in diesem Wahlkreis angefochten werden. Erfolgreiche Anfechtungen auf Bundesebene gab es in der Zweiten Republik nur drei. Die Bundespräsidentenwahl 2016 und in Teilbereichen die Nationalratswahlen 1970 und 1995.*****
Brunner: Gut. Nachdem das Wahllokal geschlossen hat, beginnen die Wahlbeisitzer die Stimmen auszuzählen.
Fuhs: Also zuerst einmal wird ein Ort gesucht oder wurde schon vorher gefunden, der von außen nicht einsehbar ist. Also, wo von keiner Seite irgendwer reinschauen kann. Dann wird die Wahlurne umgedreht. Dann werden einmal die Kuverts gezählt. Dann werden die Kuverts geleert. Dann werden nochmal die Kuverts, die leeren Kuverts, gezählt und die Stimmzettel gezählt, und dann, wenn das geschehen ist, dann werden einfach die Zettel in 10er-Stößen aufeinandergereiht, je nach Fraktion, und dann, wenn es ein Vorzugsstimmen-System ist, wo wir die Vorzugsstimmen auch zählen müssen, müssen wir halt die Vorzugsstimmen extra noch auszählen.
Riegler: Das erst vorläufige Wahlergebnis gibt es dann am Wahltag meist gegen 20:00 Uhr oder 20:30 Uhr. Bis wirklich alle Stimmen ausgezählt sind, also auch die der Briefwahl, dauert es bis Donnerstag nach der Wahl.*****
Brunner: Die Briefwahl funktioniert so: Man muss eine Wahlkarte beantragen bis spätestens vier Tage vor der Wahl. Man muss begründen, warum man am Wahltag nicht im zugewiesenen Wahllokal wählen kann. Die ausgefüllte Wahlkarte kann man dann entweder per Post schicken oder in einem Wahlkartenlokal abgeben.
Riegler: Das endgültige Wahlergebnis steht erst zwei bis drei Wochen nach der Wahl fest, weil extra noch einmal alle Ergebnisse mit den Kreuzchen auf den Stimmzetteln verglichen werden.*****
Brunner: Und wie weiß man dann anhand des Wahlergebnisses, wie viele Abgeordnete jede Partei bekommt?
Stein: Das Prinzip des Verhältniswahlrechts bedeutet, dass in größtmöglicher Weise die prozentuale Verteilung der Stimmen, die eine Partei bei einer Wahl erzielt, auf das prozentuale Verhältnis der Abgeordneten im Nationalrat abgebildet werden.
Bucher: Ich erklär es noch einmal ein bisschen einfacher. Es gibt 183 Abgeordnete im Nationalrat. Der Anteil jeder Partei an den Sitzen im Parlament soll möglichst genauso groß sein, wie der Anteil an Stimmen, die die Partei bei den Wahlen bekommen hat.
Brunner: Okay. Aber wie wird aus dem Prozentwert, den eine Partei bei den Wahlen erreicht, dann die Anzahl an Sitzen im Nationalrat?
Riegler: Dafür sind drei Schritte nötig. Jeder Wahlkreis hat aufgrund seiner Größe eine bestimmte Anzahl an Mandaten. In den ersten zwei Schritten schaut man, wie viel Prozent von den Mandaten eine Partei, erstens, im Regionalwahlkreis, und zweitens, auf Landesebene hat. Dabei kommen meist keine ganzzahligen Prozentangaben raus. Im dritten Schritt wandelt ein spezielles mathematisches Verfahren, man nennt es das d’Hondt’sche Verfahren, diese Prozentzahlen in Nationalratsmandate um.
Brunner: Und: Kann ich auch irgendwie mitentscheiden, welche Politiker von den Parteien dann im Parlament sitzen?
Riegler: Ja, kannst du. Grundsätzlich gibt es zwar ein Listenwahlrecht, das bedeutet, die Parteien entscheiden, wen sie zur Wahl aufstellen. Als Wähler kann man aber die Reihenfolge beeinflussen, indem man eine Vorzugsstimme abgibt. Sobald ein Kandidat sieben Prozent oder mehr der Gesamtstimmen seiner Partei als Vorzugsstimmen erhält, wird er weiter nach vorne gereiht. Ja mehr Prozent, desto weiter vorne auf der Liste.*****
Brunner: Wer am Ende einer Wahl die stärkste Partei ist, erkennt man zu guter Letzt auch am Sitzplan im Parlament. Wie das funktioniert, erklärt Katharina Klement vom Nationalratsdienst der Parlamentsdirektion.
Klement: Die Sitzplanverteilung obliegt dem Präsidenten und der Präsident hält sich aber grundsätzlich schon an die Vorschläge der Klubs und befragt, wie die Klubs gerne sitzen möchten, und im Zuge dessen wird eben gerne auf dieses mathematische System zurückgegriffen, um eben das Stärkeverhältnis in der ersten Reihe gut darzustellen. Das heißt, je stärker eine Partei ist, umso mehr Sitzplätze hat sie auch in der ersten Reihe, und je schwächer, unter Umständen eben auch keinen Sitzplatz in der ersten Reihe.
Riegler: Wer in den nächsten fünf Jahren in der ersten Reihe sitzt, können Sie am 29. September mitentscheiden.
Brunner: Vor uns liegen noch viele weitere Fragen und Themen, mit denen wir das österreichische Parlament erklären und erkunden werden. Wenn Sie selbst Fragen haben, die Ihnen auf der Zunge brennen, dann schreiben sie uns an podcast@parlament.gv.at.
Riegler: Schicken Sie uns Ihr Feedback und teilen Sie uns auf Social-Media. Die nächste Folge kommt in zwei Wochen. Da erkunden wir das Thema Bürgerbeteiligung. In der Zwischenzeit: Gehen Sie wählen! Danke fürs Zuhören und bis bald.***** Musik *****