Was ist die Parlamentarische Bundesheerkommission?
Details
Info
Duschen mit eiskaltem Wasser, stundenlanger Wachdienst trotz starker Rückenschmerzen oder eine wichtige Ausbildung wird grundlos verweigert. Wenn SoldatInnen und Grundwehrdiener solchen Bedingungen ausgesetzt sind, gibt es eine Anlaufstelle, die hilft: Die Parlamentarische Bundesheerkommission.
In dieser Folge sehen wir uns die Parlamentarische Bundesheerkommission genauer an und erklären, bei welchen Problemen man sich an diese Beschwerdestelle wenden kann und wie sie genau funktioniert. Dafür sprechen wir mit dem amtsführenden Vorsitzenden der Kommission, dem Nationalratsabgeordneten Reinhard Bösch und mit Christian Langer vom Heerespsychologischen Dienst.
Weitere Informationen zur Parlamentarischen Bundesheerkommission finden Sie auf dieser Seite.
© Parlamentsdirektion/Satzbau/hoerwinkel
Links
Folgen Sie unserem Podcast auf:
Transkription
Katharina BRUNNER: Herzlich Willkommen zu einer neuen Folge von "Parlament erklärt" – der Podcast, in dem wir hinter die Kulissen des österreichischen Parlaments blicken. Mein Name ist Katharina Brunner.
David RIEGLER: Und ich bin David Riegler. Duschen mit eiskaltem Wasser, stundenlanger Wachdienst, obwohl man starke Rückenschmerzen hat oder eine wichtige Ausbildung wird grundlos verweigert. Wenn Soldaten und Grundwehrdiener solchen Bedingungen ausgesetzt sind, gibt es eine Anlaufstelle, die hilft.
BRUNNER: Wir reden über die Parlamentarische Bundesheerkommission. Eine Institution, deren Mitglieder der Nationalrat wählt und, die für alle Menschen zuständig ist, die mit dem Bundesheer zu tun haben.
RIEGLER: Und das sind nicht wenige: Derzeit gibt es rund 30.000 Soldaten im Präsenzstand, dazu gehören Grundwehrdiener und rund weitere 25.000 Milizsoldaten.
BRUNNER: Die Ursprünge dieser Kommission reichen bis ins Jahr 1955, als die sogenannte "Beschwerdekommission in militärischen Angelegenheiten" eingeführt wurde, die heute "Parlamentarische Bundesheerkommission" heißt. Der Amtsführende Vorsitzende der Kommission ist derzeit der Nationalratsabgeordnete Dr. Reinhard Bösch von der FPÖ. Wir haben ihn gefragt, warum die Parlamentarische Bundesheerkommission damals ins Leben gerufen wurde.
Reinhard BÖSCH: Der Gedanke war zweifellos, dass man nach dem zweiten Weltkrieg, nach der Wiederbewaffnung und der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht, dem jungen Staatsbürger in Uniform die Möglichkeit geben wollte, sich gegen ein vielleicht ungerechtes System zur Wehr zu setzen und hier nicht dem Dienstweg ausgesetzt zu sein, sondern in direktem Kontakt mit einer Kommission um allfällige Beschwerden anbringen zu können.
RIEGLER: Die allgemeine Wehrpflicht wurde in der Zweiten Republik 1955 nach dem Staatsvertrag gemeinsam mit dem neuen österreichischen Bundesheer eingeführt. Danach wurde die Parlamentarische Bundesheerkommission eingeführt. Bis heute ist diese Funktion aufrecht geblieben und bei möglichen Missständen, kann man bei der Parlamentarischen Bundesheerkommission eine Beschwerde einreichen. Berechtigt eine Beschwerde auszusprechen sind natürlich Soldatinnen und Soldaten, ihre Soldatenvertreter sowie Grundwehrdiener.
BRUNNER: Zusätzlich dazu können sich auch alle stellungspflichtigen Menschen beschweren und auch alle, die sie sich freiwillig für eine Ausbildung oder die Stellung gemeldet haben.
RIEGLER: All diese Gruppen können sowohl mündlich als auch schriftlich eine Beschwerde an die Parlamentarische Bundesheerkommission schicken. Im Jahr 2018 waren es insgesamt mehr als 2700 Anfragen und Rechtsauskünfte und ein Beschwerdeverfahren wurde in 267 Fällen durchgeführt. Die Gründe für eine mögliche Beschwerde sind breit gefächert.
BÖSCH: Die Art der Beschwerden ist vielseitig. Sie beginnt bei Beschwerden über den Dienstbetrieb, über den Umgang miteinander, sie geht weiter in Bezug auf Nichtbeachtung von Bewerbungen oder die Nichtmöglichkeit gewisse Laufbahnkurse machen zu können. Inhalt ist auch der manchmal schlechte Zustand unserer Kasernen, der Gebäude und in diesem Bereich versuchen wir tätig zu werden.
BRUNNER: Wenn man sich den Jahresbericht der Parlamentarischen Bundesheerkommission aus dem Jahr 2018 ansieht, sieht man anhand von konkreten Beispielen, wie vielfältig die Beschwerden sein können.
RIEGLER: Es werden zum Beispiel unangebracht Ausdrucksweisen und Beschimpfungen aufgelistet, sexistische Ausdrücke über das Äußerliche von weiblichen Soldatinnen oder Schikanen gegenüber einzelnen Soldaten, wie das Aufwecken durch einen Kübel kaltes Wasser.
BRUNNER: In dem Bericht werden aber auch einige Beschwerden organisatorischer Natur aufgelistet, zum Beispiel, dass eine Stabskompanie keine Soldatenvertreter wählen durfte oder, dass es Schimmelbildung in Kasernen gibt oder Geruchsbelästigung durch defekte WC-Anlagen. Außerdem geht es oft um Ausbildungsmöglichkeiten, zum Beispiel wird im Bericht festgehalten, dass einige Kaderanwärter ihre Kaderausbildung nicht zeitgerecht absolvieren konnten, weil es an Ausbildnerinnen und Ausbildern fehlt.
RIEGLER: Warum es für den soldatischen Beruf eine spezielle Anlaufstelle gibt, hat auch mit seinen einzigartigen Herausforderungen zu tun. Diese Herausforderungen kennt Christian Langer sehr gut aus seiner Tätigkeit als Psychologe im Heerespsychologischen Dienst.
Christian LANGER: Ich denke mir der soldatische Beruf bringt es auch mit sich, dass hier ein hohes Maß an Mobilität, Flexibilität und Anpassungsbereitschaft, quasi wir sind, wenn man so sagen darf, immer auch ständig Gewehr bei Fuß und wenn wir herangezogen werden, dann meistens in Krisensituationen und ich rede nicht nur vom Gebrauch einer Schusswaffe, sondern denken Sie an Katastropheneinsätze und dergleichen, hier ist das Bundesheer in der Regel an vorderster Front, genau dafür ist es auch notwendig Einrichtungen zu schaffen.
BRUNNER: Wenn eine Person im Bundesheer ein Problem hat, gibt es einige Angebote und Anlaufstellen, die sich einander ergänzen. Ein Beispiel ist eine eigene HelpLine, die Tag und Nacht Beratung per Telefon anbietet: 050201 99 16 56. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten über ein Problem zu sprechen.
LANGER: Wir haben hier eigene Anlaufstellen für Mobbing, es gibt Mobbing-Beauftragte. Wir haben in Bezug auf Suizidprävention Vorträge, in Bezug auf Alkoholsucht-Prävention Vorträge, Stressmanagement-Vorträge. Wir haben in den Brigaden zum Beispiel Truppenpsychologen, die Anlaufstellen sind, wenn es Problemstellungen gibt. Wir haben ein sogenanntes Peer-System, das heißt wir haben in Österreich rund 300 bestens geschulte Soldaten und Zivilbedienstete, wenn Notfälle passieren können sich die Personen dorthin wenden oder umgekehrt, sie werden angesprochen, um Hilfeleistung zu geben. Sie sehen die Bandbreite ist hier wirklich sehr groß. Wir versuchen von der Information über die Betreuung bis zur Behandlung das komplette Spektrum sicherzustellen.
RIEGLER: Es gibt also bereits innerhalb des Bundesheeres einige Möglichkeiten über Missstände zu sprechen. Der Unterschied ist, dass die Parlamentarische Bundesheerkommission vom Parlament beschickt wird.
BRUNNER: Das heißt die Beschwerden gelangen an eine unabhängige Stelle, die auch im engen Austausch mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung steht. Ein weiterer Unterschied ist, dass es bei der Beschwerde vor der Parlamentarischen Bundesheerkommission spezifische Vorgaben gibt, zum Beispiel wie viel Zeit man hat eine Beschwerde einzubringen.
RIEGLER: Generell gilt, dass man die Beschwerde innerhalb von einem Jahr einbringen muss, ab dem Tag, an dem man einen Missstand kennt. Es ist außerdem festgelegt, dass eine Beschwerde in jedem Fall erlischt, wenn ein Beschwerdegrund seit mehr als zwei Jahren weggefallen ist.
BRUNNER: Die Parlamentarische Bundeheerkommission kann aber auch ohne eine konkrete Beschwerde eine Überprüfung durchführen, sowohl im Inland als auch bei Auslandseinsätzen. Das nennt man "amtswegige Überprüfung".
BÖSCH: Die meisten amtswegigen Überprüfungen sind Routineüberprüfungen, zum Beispiel bei unseren Auslandseinsätzen im Kosovo, in Bosnien Herzegowina, im Libanon aber auch in Mali. Diese Einsätze besuchen wir in periodischen Abständen. Im Bereich des Inlandes gehen wir meistens, nicht immer aber meistens, Hinweisen nach oder Auffälligkeiten, die wir im Rahmen der Häufigkeiten der Beschwerden über bestimmte Dienststellen oder Ausbildungszweige bekommen nach.
RIEGLER: Die Parlamentarische Bundesheerkommission ist kein Gericht und kann daher auch keine Urteile fällen oder Strafen aussprechen. Sie arbeitet durch Dokumentation und Überzeugungsarbeit.
BÖSCH: Wir können keine Maßnahmen im exekutiven Bereich setzen, wir beschließen einen Spruch nach jeder Beschwerden, beziehungsweise wir verfassen einen Bericht nach einer amtswegigen Prüfung und den senden wir an das Ressort und das ist aufgefordert als Ministerium für Landesverteidigung, die notwendigen Maßnahmen dann zu setzen.
BRUNNER: Die einzelnen Sprüche sind nicht öffentlich einsehbar, aber am Ende jedes Jahres wird ein Jahresbericht erstellt, der die Tätigkeiten der Parlamentarischen Bundesheerkommission zusammenfasst und auch einzelne Beispiel abbildet um einen Überblick über die verschiedenen Problemfelder zu geben.
RIEGLER: Die Parlamentarische Bundesheerkommission selbst besteht grundsätzlich aus neun Mitgliedern: Es gibt drei Vorsitzende, die einander in der Amtsführung abwechseln und sechs weitere Mitglieder. Die Zahl der Mitglieder ist jedoch flexibel, denn grundsätzlich ist jede Fraktion, die im Hauptausschuss des Nationalrats vertreten ist, hat das Recht mindestens ein Kommissionsmitglied zu stellen.
BRUNNER: Die Vorsitzenden müssen Abgeordnete des Nationalrats sein, doch die Kommissionsmitglieder können auch Expertinnen und Experten auf dem Gebiet der Landesverteidigung oder der Menschenrechte sein. Wegen der flexiblen Mitgliederzahl gibt es derzeit elf Mitglieder der Parlamentarischen Bundesheerkommission.
RIEGLER: Es gibt verschiedene Meinungen darüber, ob es ein demokratisch bestelltes Kontrollorgan über das Bundesheer benötigt oder ob man die Probleme auch durch interne Beratungsstellen lösen könnte. Fakt ist jedoch, auch wenn es in anderen Ländern Institutionen gibt, die eine parlamentarische Kontrolle der Armee ermöglichen, ist die Parlamentarische Bundesheerkommission in dieser Form einzigartig, vor allem weil viele Parteien darin vertreten sind.
BÖSCH: Das gibt es sonst nirgends und wir können das bei den internationalen Tagungen, die wir auch besuchen und heuer sogar in Wien stattfinden lassen , immer wieder beobachten. Das glaube ich ist auch der große Wert dieser Kommission, weil sie politisch und parteipolitisch breit gestreut ist und wir in der Regel immer mit Einstimmigkeit vorgehen können.
BRUNNER: Übrigens gibt es alle Berichte und Tätigkeiten der letzten Jahre auch online auf der Website des österreichischen Parlaments unter parlament.gv.at. Dort finden Sie auch die Kontaktadressen und Telefonnummer für Beschwerden und Anfragen.
RIEGLER: Damit sind wir am Ende dieser Folge angelangt und bedanken uns, dass Sie auch diesmal wieder mit dabei waren.
BRUNNER: Haben Sie Fragen zur Folge oder ein bestimmtes Thema, das wir unbedingt in diesem Podcast besprechen müssen? Dann schreiben Sie uns unter podcast@parlament.gv.at. Vielen Dank und bis zum nächsten Mal.