Was ist eigentlich das Budget?
Details
Info
In dieser Folge beschäftigen wir uns mit dem Budget. Es wird im Finanzministerium erstellt und anschließend im Nationalrat eingebracht. Dort wird es weiter bearbeitet, diskutiert und verbessert. Das Budget, also das sogenannte Bundesfinanzgesetz, wird am Ende der Dritten Lesung beschlossen und gilt ab dem 1. Jänner des aktuellen oder kommenden Jahres.
Helmut Berger ist der Leiter des parlamentarischen Budgetdienstes und erklärt die Aufgaben seiner Abteilung, die eine Art Ombudsstelle für Budgetanfragen darstellt. Er beschreibt, wie die Gebarung des Bundes zustande kommt und wie die Aufteilung auf die unterschiedlichen Bundesorgane erfolgt.
© Parlamentsdirektion/Satzbau/hoerwinkel
Links
Folgen Sie unserem Podcast auf:
Transkription
*** ZIB Jingle ***
ZIB Ausschnitt 1: Herzlich willkommen. Ich begrüße Sie zur ZIB um Fünf. Im Parlament wird gerade wieder über das Budget gestritten, und das äußerst heftig.
ZIB Ausschnitt 2: Das ist heute ein eher ruppiger Tag im Nationalrat, mit Sitzungsunterbrechung, Wut und Brandreden und einer insgesamt doch hitzigen Stimmung.
ZIB Ausschnitt 3: In einem zweiten Anlauf soll heute im Nationalrat das Budget beschlossen werden. Geplant war das zwar schon für gestern, ist dann aber an einem Zahlenfehler gescheitert.
Tobias GASSNER-SPECKMOSER: Liebe Hörerinnen, liebe Hörer! Herzlich willkommen bei Parlament erklärt. Mein Name ist Tobias Gassner-Speckmoser.
Diana KÖHLER: Und ich bin Diana Köhler. Heute geht es um das Budget. Und wie sie gerade hören konnten, gab es da heuer große Debatten. Es ging um Zahlen, die niemand bestimmen konnte, Fehler die sich eingeschlichen haben und um hitzige Diskussionen im Nationalrat.
GASSNER-SPECKMOSER: Aber alles der Reihe nach.
*** Jingle ***
GASSNER-SPECKMOSER: Am Morgen des 29. Mai dieses Jahres wurde das Bundesbudget 2020 beschlossen. Es war ein schwieriger Weg dorthin. Es gab lange und hitzige Debatten, viele Medienberichte, sogar einen Misstrauensantrag. Die aktuelle Corona-Krise hat zu einer Situation geführt, die es so in der Zweiten Republik noch nicht gegeben hat.
KÖHLER: Doch bevor wir uns das genauer anschauen, sollten wir zunächst einmal klären, was ein Budget überhaupt ist und wie dieses normalerweise beschlossen wird. Wir haben dafür mit dem Leiter des parlamentarischen Budgetdiensts, Helmut Berger, gesprochen. Kurz gesagt ist der parlamentarische Budgetdienst so etwas wie ein neutraler "Think Tank" oder eine Ombudsstelle für alle Budgetfragen.
GASSNER-SPECKMOSER: Herr Berger kennt sich in Sachen Budget also aus wie kein anderer in Österreich.
GASSNER-SPECKMOSER: Was ist ein Budget, Herr Berger?
Helmut BERGER: Ja, unter einem Budget versteht man den Haushaltsplan des Bundes. Im Budget werden sämtliche Auszahlungen des Bundes und sämtliche Einzahlungen, wie sie von der Regierung zu einem gewissen Zeitpunkt erwartet werden und dem Nationalrat als Entwurf vorgelegt werden, im Budget beschlossen, und aufgrund dieses Budgetbeschlusses erfolgt dann die gesamte Gebarung des Bundes während des laufenden Haushaltsjahres.
KÖHLER: Ein Budget ist also nichts anderes als eine große Ausgaben-Einnahmen-Rechnung. Im Budget ist für jedes staatliche Organ eine genaue Geldmenge definiert, die ihm zusteht. Also etwa auch dem Parlament, den Ministerien oder dem Bundespräsidenten.
GASSNER-SPECKMOSER: In der Praxis wird diese Einnahmen-Ausgaben-Rechnung in einem Gesetz festgehalten, dem sogenannten Bundesfinanzgesetz, abgekürzt BFG. Dieses wird dann jährlich oder in Ausnahmefällen auch gleich für zwei Jahre im Nationalrat beschlossen.
KÖHLER: So hört sich dann so ein Beschluss an:
Wolfgang SOBOTKA: Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzesentwurf in dritter Lesung unter Berücksichtigung des soeben beschlossenen Antrages. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen. Der Gesetzesentwurf ist somit auch in Dritter Lesung angenommen.
KÖHLER: Relativ unspektakulär also.
GASSNER-SPECKMOSER: Aber zurück zum Thema: Jetzt wissen wir also einmal, was ein Budget ist, aber noch nicht, wie es zustande kommt. Bevor es im Nationalrat beschlossen wird, muss nämlich noch einiges passieren.
KÖHLER: Gehen wird dafür einmal ein paar Schritte zurück, nämlich zum Ursprung des Budgets, und der liegt im Finanzministerium. Das Budget kann man sich so vorstellen wie einen Kuchen. Der Finanzminister überlegt sich jetzt zuallererst einmal, wie dieser Kuchen später aussehen soll. Er legt also seine budgetpolitischen Ziele fest.
GASSNER-SPECKMOSER: Aufbauend auf diesen Zielen teilt er dann den einzelnen Ministerien und Organen die Kuchenstücke zu. Die nennt man übrigens wirklich so.
KÖHLER: Jetzt weiß also jede Bundesdienststelle, wie viel Geld ihr vom großen Kuchen zusteht. Wenn sie das also wissen, rechnen sie sich aus, wieviel Geld sie für was brauchen, schreiben einen Entwurf und schicken den ans Finanzministerium.
GASSNER-SPECKMOSER: Manchmal wird dann noch verhandelt zwischen den Organen und dem Finanzminister. Aber normalerweise nicht so heftig, und schon gar nicht so medienwirksam wie später dann zwischen Regierung und Opposition.
KÖHLER: Und am Ende erstellt der Finanzminister jetzt noch aus den einzelnen Entwürfen einen Gesamtentwurf für das Budget. Dieser muss nur noch vom Ministerrat, also allen Ministern, angenommen werden … et voilà, die erste Hürde ist geschafft.
GASSNER-SPECKMOSER: Jetzt kommt der Gesetzesentwurf als Regierungsvorlage in den Nationalrat, und der Finanzminister hält seine Budgetrede.
KÖHLER: Normalerweise.
BERGER: Üblicherweise ist die Budgetrede des Finanzministers eines der Highlights oder das Highlight überhaupt des Parlamentsjahres. Es ist im Regelfall der Bundespräsident anwesend, es sind alle Regierungsmitglieder anwesend, es sind sehr viele Journalisten zugegen. Und der Finanzminister legt so in einer Rede, die je nach Finanzminister zwischen einer halben Stunde bis eineinhalb Stunden dauern kann, ganz einfach die Grundzüge seines Budgets dar.
KÖHLER: Dieses Jahr ist das aber alles etwas anders verlaufen. Finanzminister Gernot Blümel hatte bereits eine Budgetrede vorbereitet, aber dann eine Krisenrede gehalten. Aber dazu später mehr.
GASSNER-SPECKMOSER: Am Tag nach der Budgetrede beginnt dann meistens die Erste Lesung. Dort melden sich dann oft an die 100 Redner zum Budget zu Wort. Es wird erstmals diskutiert und das Budget schlussendlich dem sogenannten Budgetausschuss zugewiesen.
KÖHLER: Was ein Ausschuss genau ist, können Sie übrigens in Folge 15 nachhören. O.K., wir haben jetzt viel über das Budget geredet, aber wie sieht das dann in der Praxis eigentlich aus? Ist das jetzt so ein Stapel Papier?
BERGER: In der Vergangenheit wurde das Budget immer in Papierform vorgelegt, und ausschließlich in Papierform, was bedeutet hat, dass am Tag der Budgetrede Tonnen an Papier durch den Nationalrat transportiert wurden.
KÖHLER: Tatsächlich! Aber statt dem Papier gibt es heute eine modernere Art und Weise, das zu machen. Nämlich mit Links zu den Dokumenten im Netz und USB-Sticks für die Abgeordneten.
GASSNER-SPECKMOSER: Nachdem das Budget also im Nationalrat eingelangt und die Budgetrede gehalten ist, geht es richtig los. Jetzt arbeiten nämlich erstmal die einzelnen Parteien das Budget durch.
KÖHLER: Zusätzlich dazu kommt jetzt der parlamentarische Budgetdienst ins Spiel, den wir schon vorher angesprochen haben. Helmut Berger ist ja dessen Leiter.
BERGER: Der Budgetdienst des Parlaments erstellt zu Beginn der Beratungen eine Analyse zu diesem Budget. Das heißt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Budgetdienstes ist das die heftigste Zeit des ganzen Jahres, wo wir ganz einfach in sehr kurzer Zeit dann wirklich das ganze Budgetkonvolut durcharbeiten müssen.
GASSNER-SPECKMOSER: Und nicht nur das: Der Budgetdienst des Parlaments kann von jedem Abgeordneten im Budgetausschuss befragt werden, falls er oder sie etwas nicht versteht.
KÖHLER: Denn unser Budget gelangt jetzt in den Ausschuss. Am Anfang dieser Ausschussberatungen gibt es ein Expertenhearing. Vielleicht erinnern Sie sich noch aus den Medien daran. Da sprechen z. B. Expertinnen und Experten der Arbeiterkammer oder der Wirtschaftskammer.
GASSNER-SPECKMOSER: Die Analyse von Herrn Berger und seinem Team wird dann vor allem im Ausschuss wichtig. Dort arbeiten nämlich Abgeordnete und externe Experten den Entwurf des Finanzministers durch, und dieser ist oftmals nicht ganz einfach zu verstehen.
BERGER: Die Beratungen im Budgetausschuss selbst dauern grundsätzlich eine Woche. Die Beratungen im Plenum dann im Regelfall drei, maximal vier Tage.
KÖHLER: "Im Plenum" heißt dann wieder im Nationalrat. Nach dem Budgetausschuss geht dort die eigentliche Debatte erst richtig los.
GASSNER-SPECKMOSER: Das heißt, es gibt Reden, es gibt Anträge und manchmal auch noch Abänderungen am Budget. Diese Sitzung dauert normalerweise 3 Tage. Und am letzten Tag ist es dann soweit:
KÖHLER: Das Budget ist jetzt fertig. Es ist im Finanzministerium erstellt worden, in den Nationalrat eingebracht worden, bearbeitet, diskutiert und verbessert worden. Das Budget, also das Bundesfinanzgesetz wird beschlossen und gilt ab 1. Jänner des aktuellen oder kommenden Jahres.
GASSNER-SPECKMOSER: So, nun ist das Budget einmal beschlossen. Aber vorbei ist es damit noch nicht. Jetzt wird ja erst damit gearbeitet. Und damit hier nichts schief geht, muss der Finanzminister monatlich dem Budgetausschuss Berichte vorlegen.
KÖHLER: Und ganz zum Schluss gibt es dann aber doch noch was, erklärt uns Herr Berger:
BERGER: Den Abschluss bildet dann die Prüfung durch den Rechnungshof, denn es wird am Schluss ein Jahresabschluss erstellt, der sogenannte Bundesrechnungsabschluss. Dieser Bundesrechnungsabschluss wird vom Rechnungshof zusammengestellt entsprechend überprüft. Bis 30. Juni des Folgejahres ist dieser Bundesrechnungsabschluss dann auch dem Nationalrat vorzulegen. Der wird ebenfalls im Budgetausschuss vorberaten und im Plenum in Form eines Gesetzes dann beschlossen. Und damit ist dann das Haushaltjahr abgeschlossen.
GASSNER-SPECKMOSER: O.K., Jetzt haben wir also einmal gehört, wie ein Budget im Idealfall beschlossen wird. Dieses Jahr war das aber alles ganz anders. Was genau ist passiert?
KÖHLER: Gehen wir einmal zuerst zurück zum 29. September 2019. Vielleicht erinnern Sie sich noch: Das war der Tag der Nationalratswahl. Die ÖVP und die Grünen erreichen große Zuwächse an Stimmen und treten in Koalitionsverhandlungen ein. Vier Monate später am 7. Jänner, wird die neue Regierung aus ÖVP und Grünen angelobt.
GASSNER-SPECKMOSER: Nun beginnt auch die Budgetbildung im Finanzministerium. Wann was genau geplant wurde, weiß die Öffentlichkeit nicht. Aber so viel ist klar: Wohl niemand rechnete zu diesem Zeitpunkt mit dem, was dann passierte. Nämlich der Ausrufung der weltweiten Pandemie wegen des Corona-Virus am 11. März.
KÖHLER: Zu diesem Zeitpunkt ist im Finanzministerium das Budget aber schon weitgehend geplant. Finanzminister Blümel rechnet mit rund 83 Milliarden Euro an Einnahmen und 82 Milliarden Euro an Ausgaben. Die Budgetrede ist für Mittwoch, den 18. März, geplant.
GASSNER-SPECKMOSER: Doch anstatt einer Budgetrede hält der Finanzminister zwei Tage später als geplant eine sogenannte "Erklärung zur finanziellen Lage". Das hat sich dann so angehört:
Gernot BLÜMEL: Entscheidend in dieser Situation ist nicht, und das sage ich aus voller Überzeugung, welche Zahl am Ende des Jahres im Rechnungsabschluss steht. Entscheidend wird einzig sein, wie viele Menschenleben wir gerettet haben, wie viele Arbeitsplätze wir gesichert haben und wie viele Unternehmen wir vor der Insolvenz bewahrt haben, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist meine feste Überzeugung.
GASSNER-SPECKMOSER: So etwas gab es seit 1953 nicht mehr, dass ein Finanzminister keine Budgetrede hielt. Eine Erste Lesung, wie sie im Anschluss eigentlich hätte stattfinden müssen, gibt es dieses Jahr auch nicht.
KÖHLER: Normalerweise tagt jetzt rund eine Woche nach der Budgetrede ja der Budgetausschuss, und es kommt zum Budgethearing der Experten. Dieses Jahr geschieht das aber erst am 8. Mai, also fast zwei Monate später.
GASSNER-SPECKMOSER: Und die Experten und Abgeordneten der Opposition zeigen sich dieses Jahr so gar nicht zufrieden. Der Finanzminister würde hier veraltete Zahlen vorlegen, ist der Vorwurf, nämlich jene, die weitgehend ohne die Folgen der Pandemie berechnet wurden.
KÖHLER: Finanzminister Blümel hält dagegen, dass es wegen der Krise keine genaueren Zahlen gibt. Die Diskussion schaukelt sich immer weiter auf und sie spitzt sich zu am 26. Mai, dem Start der dreitätigen Beschlusssitzung.
GASSNER-SPECKMOSER: Dann geht es Schlag auf Schlag. Die Opposition lässt nicht von der Kritik ab, die Debatten werden hitziger. In der Nacht vom 27. auf den 28. Mai, also einen Tag vor dem Beschluss, werden von der Regierung doch noch einmal die Ausgaben im Budget nach oben geschraubt. Am 28. Mai wird es dann so heftig, dass die Sitzung unterbrochen wird und von der Opposition ein Misstrauensantrag gegen Minister Blümel eingebracht wird.
KÖHLER: Dann entdeckt SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer am Abend des 28. Mai noch einen Fehler im Budget. Es fehlt nämlich ein wichtiger Hinweis:
Kai Jan KRAINER: Nämlich "Beträge in Millionen Euro". Das steht leider nicht dort, und deswegen steht einfach die Zahl, die hier steht, und das sind 102.000 Euro und nicht 102 Milliarden.
GASSNER-SPECKMOSER: Am 29. ist es dann vorbei mit der Aufregung. Die Fehler werden korrigiert, der Misstrauensantrag nicht angenommen und das Budget von den Regierungsparteien unter Protest der Opposition beschlossen.
KÖHLER: Liebe Hörerinnen, liebe Hörer, das war sie: die Geschichte des Krisenbudgets 2020. Wie es weitergehen wird, das ist noch offen. Der Finanzminister wird jedenfalls monatlich Berichte an den Budgetausschuss schicken und der Rechnungshof wird am Ende des Jahres auch zu diesem Budget einen Bundesrechnungsabschluss erstellen.
GASSNER-SPECKMOSER: Was wohl bleiben wird, sind die wirtschaftlichen Folgen dieser Krise. Wir hoffen jedenfalls auf das beste und wünschen Ihnen alles Gute. Schreiben Sie uns unter podcast@parlament.gv.at und hören Sie auch in zwei Woche wieder rein in den Podcast, der das Zentrum der Demokratie erklärt: "Parlament erklärt".