Wie hört sich die Parlamentsbaustelle an? Ein akustischer Spaziergang
Details
Info
Diese Folge steht ganz im Zeichen der Generalsanierung des historischen Parlamentsgebäudes. Mit dem Projektleiter Alexander Gardavsky-Gianinni werden die Zuhörerinnen und Zuhörer auf eine akustische Reise mitgenommen, die sie durch den größten Umbau in der Geschichte des 130 Jahre alten Bauwerks führt und dabei akustische Eindrücke der besonderen Art erleben lässt.
© Parlamentsdirektion/Satzbau/hoerwinkel
Links
Folgen Sie unserem Podcast auf:
Transkription
Alexander GARDAVSKY-GIANINNI: Warnwesten sind zu tragen, damit Sie als Besucher erkennbar sind. Helme - es ist Helmtragepflicht und hinten können Sie die Größe nachjustieren, damit der Helm nicht runterfällt.
Tobias GASSNER-SPECKMOSER: Perfekt, dann ziehen wir uns einmal an.
GARDAVSKY-GIANINNI: Genau, zieht euch einmal an, und dann schauen wir uns die Wegeführung an, wie wir am Besten die Sache angehen.
GASSNER-SPECKMOSER: Liebe Hörerinnen, liebe Hörer, Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Parlament erklärt. Mein Name ist Tobias Gassner-Speckmoser.
Diana KÖHLER: Und ich bin Diana Köhler. Wie Sie hören können, sind wir heute nicht im Studio wie sonst auch, sondern wo anders. Nämlich auf einer Baustelle.
GASSNER-SPECKMOSER: Und zwar nicht auf irgendeiner Baustelle, sondern auf der Baustelle des Parlamentsgebäudes. Das wird, vielleicht haben sie schon davon gehört, gerade generalsaniert und soll bald wieder in neuem Glanz erstrahlen.
KÖHLER: Und wir haben uns da gefragt: Was wird da eigentlich alles umgebaut? Warum wird gebaut? Und am wichtigsten: Wie hört sich das eigentlich alles an?
GASSNER-SPECKMOSER: Um das herauszufinden, lassen wir uns heute durch die Baustelle führen. Wir haben gerade noch unsere Schutzkleidung angezogen und jetzt geht es auch schon los. Unser Guide ist heute der Mann, der sich hier wohl am besten auskennt, nämlich der Leiter der örtlichen Bauaufsicht. Und Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, nehmen wir mit auf diesen akustischen Spaziergang.
**** JINGLE ****
GARDAVSKY-GIANINNI: Mein Name ist Alexander Gardavsky-Gianinni, bin Projektleiter Stellvertreter der örtlichen Bauaufsicht und verantwortlich als ÖBA-Leiter für den Hochbau. Ich führe Sie heute durch die Parlamentsbaustelle. Viel Vergnügen!
GARDAVSKY-GIANINNI: Zur Orientierung - der Eingang ist ja genau in der Achse von der Pallas Athene hinter der Brunnenanlage. Dadurch, dass jetzt da die Container davor stehen, gehen wir von der Seite in das untere Vestibül, und dann zeige ich Ihnen, wo der Eingang war, der wieder als solcher verwendet wird, und ich zeige Ihnen dann den Weg weiter in die Agora.
GASSNER-SPECKMOSER: Damit das besser verständlich ist, erklären wir kurz einmal wie man sich die Baustelle vorstellen kann.
KÖHLER: Wenn man von vorne auf das Parlamentsgebäude schaut oder mit der Straßenbahnlinie 2 daran vorbeifährt, sieht man zurzeit vor allem Baucontainer. Dort drinnen sind derzeit die Büros und Besprechungsräume der Bauleiter, so auch von Herrn Gardavsky-Giannini. Die Container verstecken den Brunnen, der hier normalerweise steht und auch den Besuchereingang.
GASSNER-SPECKMOSER: Was sie nicht verdecken ist die Statue der Pallas Athene. Das ist die Göttin der Weisheit, das Markenzeichen des Parlaments sozusagen, und sie schaut noch hinter den Baucontainern hervor.
GARDAVSKY-GIANINNI: So, hier befinden wir uns im Eingangsbereich, der schon damals als Eingangsbereich gedient hat. Hier ist das Ziegelmauerwerk und die Gurten und die Bögen erkennbar. Das heißt, wir haben hier den kompletten Rückbau durchgeführt, und hier sieht man eben die historische Substanz, die eben noch immer in einem sehr guten Zustand ist.
GASSNER-SPECKMOSER: Damit das Parlamentsgebäude am Ende so aussieht, wie sich die Architekten das vorstellen, muss so richtig viel verändert werden. Es reicht nicht nur, die Statuen wieder zu putzen und ein paar Sachen neu einzubauen. Man hat hier vieles sogar wieder rückbauen müssen. Also so weit umbauen, dass nur noch die alten Mauern zu sehen sind. Und dann können die eigentlichen Renovierungsarbeiten überhaupt erst losgehen.
KÖHLER: Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass das Parlamentsgebäude umgebaut wird. Erbaut wurde es von 1874 bis 1883 unter Kaiser Franz Joseph I. und geplant hat es der damalige dänische Stararchitekt Theophil Hansen.
GASSNER-SPECKMOSER: Es sollte das Haus für die damals gerade aufkommende parlamentarische Demokratie werden. Auch wenn Kaiser Franz Joseph, wie man immer wieder hört, kein Fan von Demokratie war.
KÖHLER: Im Zweiten Weltkrieg wurde dann das Gebäude durch Bomben getroffen und schwer beschädigt. Zwei Säulen wurden zerstört, Plastiken und Verzierungen gingen verloren. Bis Mitte der 1950er Jahre war man damit beschäftigt, das Parlament wieder aufzubauen.
GASSNER-SPECKMOSER: Der jetzige Umbau ist aber der größte in der Geschichte des Hauses, es ist die Generalsanierung des ganzen Gebäudes, also wirklich von fast allem. Und der hat es schon in sich:
GARDAVSKY-GIANINNI: Am Anfang der Abbrucharbeiten mussten wir das Haus erst kennenlernen. Jeder Bereich reagiert anders. Manche Bereiche haben einen massiven Abbruch zugelassen und erlaubt. Wir sind davon ausgegangen, dass sämtliche Abbrucharbeiten Schäden verursachen. Dadurch war ein sorgsames Abbrechen erforderlich. Sorgsames Abbrechen heißt mit vorschneiden, das nicht nass, weil Nässeeintrag wieder die historische Substanz schädigt, mit welchen Vibrationen, mit welchem Gewicht, mit welchem Druck wird gearbeitet.
KÖHLER: Fenster, Türen, Decken, Wände: Alle alten, historischen Komponenten des Parlaments werden einzeln restauriert, geputzt und auf Hochglanz gebracht. Danach muss aber jeder einzelne Fensterrahmen und jede einzelne Bodenplatte wieder auf ihren alten Platz zurück.
GARDAVSKY-GIANINNI: Da sieht man das sehr schön: Bevor der Boden, das ist auch ein historischer Boden, bevor der demontiert wurde, ausgelöst wurde, ist er kartiert worden. Das heißt, jede Platte wurde einem Nummerierungssystem unterzogen. Das heißt, jede Platte die da gelegen ist, kommt wieder dorthin, wo sie war. Warum ist auch klar, weil sie dann nicht mehr passen würde. Ein Puzzle, das man zerlegt, muss wieder dorthin wo’s war. Und genauso haben wir das gemacht.
GASSNER-SPECKMOSER: Für so eine Puzzlearbeit, wo tausende Platten nummeriert und wieder gleich zurückgelegt werden müssen, braucht es natürlich einiges an Man- oder Woman-Power. 300 bis 600 Leute arbeiten hier auf der Parlamentsbaustelle im Dauereinsatz. Manche beginnen schon um 6 Uhr früh, manche hören erst um 22 Uhr in der Nacht wieder auf.
KÖHLER: Das, was die Parlamentsbaustelle von einem normalen Hausbau beispielsweise unterscheidet, ist, dass man hier etwa nicht nur Maurer und Zimmerer braucht, sondern auch verschiedene Spezialisten und Spezialistinnen, wie etwa geschulte Restauratoren und Restauratorinnen, die die alten Figuren mit Stemmeisen und Pinsel wieder in Schuss bringen. Entschuldigung, darf ich Sie fragen, was Sie da machen?
RESTAURATORIN: Wir nehmen ein Mäander Stück ab.
KÖHLER: Was ist ein Mäander?
RESTAURATORIN: Das ist da unten das Band, da gibt’s verschiedene Formationen. In dem Fall ist es unten das Band.
KÖHLER: Aha, und das wird dann quasi neu und schön gemacht?
RESTAURATORIN: Genau, das wird restauriert in der Firma und dann wieder draufgesetzt.
KÖHLER: Okay, danke!
RESTAURATORIN: Bitte!
GASSNER-SPECKMOSER: Wie wir so durch die Baustelle spaziert sind, waren wir echt beeindruckt. Es gab hohe Decken, glänzende Verzierungen, schöne Gemälde, und: riesige herunterhängende Kristallleuchter, die wegen der Arbeiten gerade eingepackt waren. Die haben ausgeschaut, wie große, schwarze Geister!
GARDAVSKY-GIANINNI: DAAAASSS, sind die renovierten Kristallluster. Das ist keine Vibration der Straßenbahn, sondern das ist der akustische Schall. Und klimpern tun sie ja deswegen, weil sie eingepackt sind, das heißt, sie hängen nicht lotrecht, sondern durch den Schutz liegen sie aneinander an.
KÖHLER: Theophil Hansen hat sich beim Entwerfen des Parlamentsgebäudes damals von verschiedenen Seiten inspirieren lassen.
GASSNER-SPECKMOSER: So zum Beispiel auch von der Art und Weise, wie damals im 19. Jahrhundert Theater gebaut worden sind, weil man in den hohen Räumen des Parlaments ja wie in einem Theater eine gute Akustik braucht, damit man sich beim Reden auch versteht.
GARDAVSKY-GIANINNI: Diese Prunkdecken, die jetzt renoviert werden, haben natürlich, was der Theophil Hansen aus der Theaterarchitektur wusste, einen akustischen Hintergedanken. Das heißt, das waren die ersten Akustikdecken, im Gegensatz zur heutigen Akustikdecke, die aus Gips besteht und perforiert ist. Also nicht so schmuckhaft wie diese hier.
KÖHLER: Total umgehauen haben uns aber nicht die Decken, die voll sind mit goldfarbenen Zapfen und Blumen oder die schönen Marmorböden. Sondern etwas ganz anderes: Die Säulenhalle.
GASSNER-SPECKMOSER: Die Säulenhalle ist, wie der Name schon sagt, eine riesige Halle mit mächtigen Säulen, darüber ein Dach, wo die Sonne hereinscheint.
KÖHLER: Ja, normalerweise. Jetzt während der Bauarbeiten war es da drinnen echt dunkel. Das, was uns an der Säulenhalle aber beeindruckt hat, war weniger, wie sie ausgeschaut hat, sondern viel eher wie sie geklungen hat. Hören Sie selbst:
***** Atmosphärische Klänge in der Säulenhalle *****
GASSNER-SPECKMOSER: Anfangs haben wir gedacht, da würde irgendwo Musik oder ähnliches gespielt werden. Doch das war wirklich nur Baustellenlärm, der hier in der Säulenhalle einen besonderen Hall entwickelt hat.
GARDAVSKY-GIANINNI: Das, was lustig war, war jetzt bei der Aufnahme: Das "sssccchhh", das war der Flämmer, dann gibts zwei Leute die verdübeln gerade, also die bohren gerade Bohranker, dieses Quietschen ist, wenn man am Gerüst geht, das ist das Quietschen. Es ist wie eine Kirche!
KÖHLER: Wenn man Herrn Gardavsky-Gianinni so reden hört, dann merkt man: Es scheint niemanden zu geben, der diese Baustelle besser kennt und so schätzt, wie er.
***** Atmosphärische Klänge: Schritte über Treppen*****
GASSNER-SPECKMOSER: Stufen, Stufen und noch mehr Stufen. Nach der Renovierung soll das aber anders sein. Dann wird es mehrere Lifte geben und das ganze Gebäude barrierefrei sein.
***** Atmosphärische Klänge: Schritte über Treppen*****
KÖHLER: Am Ende unserer Tour durch die Parlamentsbaustelle hat uns Herr Gardavsky-Gianinni noch angeboten, dass wir mit einem der vielen Kräne, die gerade auf der Baustelle stehen, mitfahren können und so das Ganze also einmal von oben anschauen können.
GASSNER-SPECKMOSER: Und da haben wir natürlich nicht Nein sagen können.
REINHARD: Grüß Gott! Alles klar?
GASSNER-SPECKMOSER: Ja. Reinhard heißt du.
REINHARD: Bringen sie mir dann das Funkgerät hinauf?
KRANFAHRER: Logo.
GARDAVSKY-GIANINNI: Danke.
KÖHLER: Hast du Höhenangst?
GASSNER-SPECKMOSER: Nein, du?
KÖHLER: Nö ...
GARDAVSKY-GIANINNI: Reinhard hörst du mich?
REINHARD: Ja!
GARDAVSKY-GIANINNI: Sehr gut, wir sind bereit. Wenn man dann da raufschaut, sieht man den Kranfahrer. Dem winken wir dann einmal. Ja, da steht er. Danke!
KÖHLER: Liebe Hörerinnen, Liebe Hörer, das war sie, unsere akustische Tour durch die Parlamentsbaustelle. Alles konnten wir Ihnen wirklich nicht zeigen, oder besser: hörbar machen. Da reicht die Zeit einfach nicht aus.
GASSNER-SPECKMOSER: Falls Sie sich nun aber fragen, wie das Ganze eigentlich aussieht, und sich nicht nur anhört, dann schauen Sie doch einmal auf unseren YouTube-Kanal. Dort können sie immer Montag bis Freitag, um 17 Uhr, eine interaktive und virtuelle Live-Baustellenführung mitmachen. Um 18 Uhr gibt es sie übrigens auch in Englisch.
KÖHLER: Wir werden jetzt erstmal unsere Helme, Schutzwesten und die Schuhe wieder abgeben und uns noch von Herrn Gardavsky-Gianinni verabschieden.
GASSNER-SPECKMOSER: Wir, liebe Hörerinnen und Hörer, hören uns hoffentlich in zwei Wochen wieder, bis zum nächsten Mal bei "Parlament erklärt"! Tschüss!
KÖHLER: Ciao!
GARDAVSKY-GIANINNI: Auf der Baustelle ist es wie in den Bergen. Da ist man immer per "Du".