Wer war Maria Tusch?
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Unsere heutige Podcast-Folge erzählt die spannende Geschichte von Maria Tusch. Aus dem Kärntner Proletariat und aus schlechten, unterprivilegierten, sozial benachteiligten Verhältnissen kommend, führt sie ihr Weg von der Arbeiterin in einer Klagenfurter Tabakfabrik zur Abgeordneten im österreichischen Nationalrat.
Die energische Frau und großartige Rednerin ist die Nummer Sieben in unserer Reihe „Die ersten acht Frauen im Parlament“. Sie setzt sich Zeit ihres Lebens für mehr Gleichberechtigung und die Reformierung bestehender Regelungen, wie dem Patriarchalen Familienrecht oder dem Abtreibungsparagraphen, ein.
© Parlamentsdirektion/Satzbau/hoerwinkel
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Transkription
Maria TUSCH (Nachvertonung): Ich weiß, dass diese Leute unberechtigterweise gezittert haben, dass sie vielleicht ihre Verdienst- und Arbeitsmöglichkeiten verlieren könnten. Aus diesem Grunde möchte ich aber auch konstatieren, dass es nicht zutrifft, was in diesem Hause immer und immer wieder erwähnt wird, dass in Österreich niemand arbeiten will und das die Arbeiterschaft arbeitsscheu ist; denn es hat sich hier im Gegenteil gezeigt, wie aufgeregt und wie verängstigt all diese Bediensteten waren, nur um das eine erzielen zu können, dass sie sich die Arbeitsgelegenheiten sichern, die Ihnen und Ihren Familien Brot schafft.
Diana KÖHLER: Auch wenn das gerade keine Originalaufnahme eine ihrer Reden war, zeigt dieser Einspieler trotzdem wer sie war. Ich spreche von Maria Tusch, einer großartigen Rednerin, einer eingefleischten Kärntnerin, und einer der ersten Frauen im österreichischen Parlament.
Tobias GASSNER-SPECKMOSER: Liebe Hörerinnen, Liebe Hörer, Herzlich Willkommen zu einer neuen Folge von Parlament erklärt, mein Name ist Tobias Gassner-Speckmoser.
KÖHLER: Und ich bin Diana Köhler. Heute geht es wieder einmal um eine der ersten acht Frauen im Parlament. Der Ausschnitt, den sie gerade gehört haben, war die schauspielerische Nachvertonung einer Rede von Maria Tusch über die "Verpfändung des Tabakmonopols".
GASSNER-SPECKMOSER: Was Maria Tusch mit dem Tabakmonopol zu tun hat, fragen Sie sich jetzt? Das haben wir uns auch gefragt und für diese Folge mit einer echten Expertin auf diesem Gebiet gesprochen. Aber hören Sie selbst, wie die spannende Geschichte eines Proletariermädels in Kärnten beginnt, sie in eine der größten Tabakfabriken Österreichs führt und schlussendlich sogar im Nationalrat in Wien endet.
***** JINGLE *****
Gabriella HAUCH: Mein Name ist Gabriella Hauch, ich bin eine habilitierte Historikerin, habe von 2000 bis 2011 in Linz das gesamtuniversitäre Institut für Frauen und Geschlechterforschung an der Universität aufgebaut und bin seitdem an der Universität Wien Professorin für Geschichte der Neuzeit mit dem Schwerpunkt "Frauen und Geschlechtergeschichte". Ich habe mich im Jahre 1996 habilitiert mit einer Arbeit zu den ersten Frauen im österreichischen Nationalrat in den 1920er- und 30er-Jahren und wie es überhaupt dazu kam, dass Frauen politisch gleichberechtigt geworden sind.
KÖHLER: Frau Hauch, wo beginnt die Geschichte von Maria Tusch?
HAUCH: Die Geschichte von Maria Tusch beginnt in Kärnten. Kärnten im Süden Österreichs ist ein sehr agrarisches, damals noch Kronland, wir befinden uns ja in der Habsburgermonarchie, gewesen mit wenig Industrien. Der größte Industriebetrieb war die Tabakfabrik in Klagenfurt, wo die kleine erst zwölfjährige Maria Pirtsch, wie Maria Tusch als Ledige geheißen hat, zu arbeiten begonnen hat.
GASSNER-SPECKMOSER: Wie verlief die Kindheit von Maria Pirtsch damals?
HAUCH: Maria Pirtsch ist 1868 als lediges Kind einer Magd geboren worden, sie hat auch einen Bruder gehabt, der ebenso als lediges Kind auf die Welt gekommen ist. Und ihre Mutter, eine Magd. Das war eigentlich ein sehr, sehr weit verbreitetes Frauenschicksal gerade am Land, dass, also in der Landwirtschaft beschäftigte Frauen Kinder bekommen haben und sie dann nicht geheiratet worden sind von den Vätern. Das war gar nicht unbedingt Boshaftigkeit. Sondern diese gerade ländlichen Unterschichten konnten es sich oft auch nicht leisten, zu heiraten. Und in so ein Milieu ist Maria Tusch hineingeboren worden. Ihre Mutter ist dann relativ bald verstorben, sie kam in ein Frauenkloster in Maria Saal und dort hat sie von ihrem siebten bis zu ihrem zwölften Lebensjahr in der Küche und bei der Gartenarbeit geholfen und dafür hat sie dort die Volksschule besuchen können. Die sechsklassige Volksschule, wie es damals üblich war.
KÖHLER: Und mit zwölf kam sie dann in die Tabakfabrik? War das typisch für die damalige Zeit?
HAUCH: Anschließend als eben zwölfjähriges kleines Mädel kam sie in die Tabakfabrik in Klagenfurt und ist dort Arbeiterin geworden. Was auch ein wenig nicht untypisch ist für unterbürgerliche, proletarische, subproletarische Schichten im 19. Jahrhundert, dass quasi halbwüchsige, noch Kinder für ihre eigene Existenz sorgen mussten. Also wir haben oft dieses Bild von der klassischen Kleinbürgerlichen oder bürgerlichen Familie wie es eben früher angeblich so war. Nämlich der Mann verdient genug damit die Frau Hausfrau sein kann und die Kinder erziehen kann und auf sie aufpassen kann. Das ist alles eine wunderbare, schöne, idyllische Geschichte, die mit den realen Verhältnissen der ganz großen Mehrheit der Bevölkerung gar nichts zu tun gehabt hat. Und das galt eben auch für die kleine Maria Tusch, die mit zwölf Jahren eine Arbeiterin geworden ist.
GASSNER-SPECKMOSER: Wenn sie schon mit zwölf Arbeiterin geworden ist, wie stand es dann um ihre Bildung?
HAUCH: Die Bildung von Maria Tusch war sicher eine ganz prekäre. Aber nicht nur sie, sondern auch andere Nationalratsabgeordnete der sozialdemokratischen Arbeiterpartei, wie etwa Anna Boschek oder Adelheid Popp oder Gabriele Proft waren nur sehr kurz oder waren nur in der Volksschule. Anna Boschek drei Jahre, Adelheid Popp vier Jahre, man weiß aber nicht genau wie es in der Volksschule bei diesen Klosterschwestern in Maria Saal ausgesehen hat. Aber da könnte man sagen: Ok, Maria Tusch war sogar sechs Jahre, die ganzen sechs Jahre in der Volksschule. Aber der Nachteil, den Maria Tusch gehabt hat, war einfach diese Position in Kärnten, heißt in einem ländlichen Raum. Im Gegensatz zu ihr hatten Anna Boschek oder Adelheid Popp im Zentrum der Sozialdemokratie in Wien sehr, man kann sagen, kluge, intellektuelle Fürsprecher. Im Fall von Adelheid Popp war das Viktor Adler und seine Frau Emma. Im Fall von Anna Boschek war das der Gewerkschaftsführer Anton Hueber. Und die haben diese jungen als begabt eingestuften Frauen unter ihre Fittiche genommen und haben ihnen Orthografie, Lesen, Schreiben, bürgerliches Benehmen etc. beigebracht. Und das ist bei Maria Tusch in Kärnten nicht bekannt, dass sie also so einen Förderer innerhalb der sozialdemokratischen Partei gehabt hätte, der ihr da alles beigebracht hätte.
KÖHLER: Heute kennen wir sie ja als eine der ersten acht Parlamentarierinnen der Republik. Wie begann ihre politische Karriere? Was waren ihre ersten Schritte Richtung Nationalrat?
HAUCH: Maria Tusch war eine der Initiatorinnen des allgemeinen Arbeitergewerkschaftsvereins in Kärnten beispielsweise. Auch ihr Mann war dort aktiv, den sie auch in diesem – man könnte sagen – politisierten Milieu, kennengelernt hat. Das war ein Eisenbahner, auch ... oder er war ein organisierter Sozialdemokrat. Für Frauen war es ja nicht so einfach oder eigentlich gar nicht möglich, offiziell politisch organisiert zu sein bis 1918. Das heißt wir haben ja den Paragraph 30 im österreichischen Vereinsrecht, der Frauen verboten hat, in politischen Vereinen gemeinsam mit Männern oder alleine nur als Frauen sich zu organisieren. Politisch zu sein wurde damals definiert als "sich um die Angelegenheiten des Staates zu kümmern". Und damit kann man natürlich sehr schnell in die Nähe politisch zu sein, wenn man sich um Lebensbedingungen, höhere Löhne, andere Bildungsmöglichkeiten beschäftigt hat.
GASSNER-SPECKMOSER: Wie ging es dann in der politischen Geschichte von Maria Tusch weiter?
HAUCH: 1899 hat sie zu den 15 Frauen gehört, die in Klagenfurt die Frauenortsgruppe des Allgemeinen Arbeiter- und Gewerkschaftsvereins für Kärnten gegründet hat. Das ist eine ganz spezielle, interessante Geschichte, weil zwei Jahre später musste diese Frauenortsgruppe wieder aufgelöst werden. Unter den 15 Gründerinnen waren übrigens zehn aus der Tabakfabrik und die Tabakfabrik hat durchgesetzt, dass dieser Verein wieder verboten wird. Weil die Tätigkeiten dieses Vereins der Fabriksordnung widersprechen würden. Nämlich gegen sittliches und politisches Wohlverhalten. Also so war damals das politisches Klima könnte man sagen.
KÖHLER: Wie war dann ihr Weg ins Parlament, wie schaffte sie es aus dem Kärntner Proletariat in den Wiener Nationalrat?
HAUCH: Bis zur Gründung der freien sozialdemokratischen Frauenvereinigung 1908 gab es so ganz unterschiedliche Frauenvereine. Und da war sie überall, mit einer anderen Kärntnerin namens Kröger, überall eine zentrale Figur. Und das hat dazu geführt... sie war ja nicht offiziell... Frauen konnten ja nicht offiziell Mitglied jetzt in der sozialdemokratischen Partei sein, genauso wenig in der christlich-sozialen, oder in den verschiedenen Parteien des Deutschnationalismus. Das war eine reine Männersache, das Politikmachen, auch gesetzlich so geregelt. Aber die Sozialdemokratie zählte die sozialdemokratisch gesinnten Frauen mit und gab ihnen auch in nicht statutarisch abgesicherten, gemeinsamen Leitungsgremien Sitz und Stimme. Und nachdem Maria Tusch eine der Führerinnen der sozialdemokratischen Frauen Kärntens war, hatte sie auch diesen Sitz und diese Stimme. Und Maria Tusch wurde schlussendlich von den Sozialdemokratischen Partei zu den ersten allgemeinen, gleichen, geheimen, aktiven und passiven Wahlen eben zur Konstituierenden Nationalversammlung im Februar 1919 auf Platz drei aufgestellt. Das heißt, sie hatte ein sicheres Mandat. Was auch sehr ungewöhnlich ist. Also die Oberösterreicherinnen hätten gejubelt, wenn sie ein sicheres Mandat bekommen hätten. Und das haben sie erst 1930 bekommen.
GASSNER-SPECKMOSER: Bevor nun das Frauenwahlrecht 1918 eingeführt wurde, und Maria Tusch zusammen mit ihren sieben Kolleginnen erstmals in den Nationalrat einzog, gab es da ja noch den Ersten Weltkrieg. Weiß man da, wie es Maria Tusch gegangen ist?
HAUCH: Während des Ersten Weltkrieges hat Maria Tusch gearbeitet. Sie war in einem ganz kriegswichtigen Betrieb, das waren Tabakfabriken damals nämlich. Und da hat sie gearbeitet, als Dreherin, als Zigarettendreherin, als Zigarrendreherin und als Überbringerin. Aber das wäre jetzt zu kompliziert, das zu erklären.
KÖHLER: Sie sagten ja, Maria Tusch war Kärntnerin und sehr mit ihrem Land verbunden. Aber nun, wo sie im Nationalrat sitzt, wird das schwierig mit dem "in Kärnten wohnen" oder?
HAUCH: Die Verkehrsbedingungen waren damals ja ganz andere als heute. Man kann sich das ja kaum mehr vorstellen, wie lange man gebraucht hat, um von Klagenfurt nach Wien zu kommen. Und da war es eigentlich ganz klar für Maria Tusch, dass sie sich in Wien eine Wohnung gesucht hat und auch in Wien gelebt hat. Sie ist immer wieder auf sogenannte Agitationsreisen nach Kärnten gefahren, sie war auch Mitglied des sozialdemokratischen Kärntner Frauenkomitees. Auch da fuhr sie immer wieder quasi nach Hause um an diesen Sitzungen teilzunehmen. Sie hat sogenannte politische Frauenschulen der sozialdemokratischen Partei in Kärnten geleitet. Also sie hat die Verbindung irgendwie sehr stark gepflegt. Aber sie war hauptsächlich in Wien. Wird auch noch von Nachkommen erzählt, die sie "Tante Nationalrätin" genannt haben.
GASSNER-SPECKMOSER: Wie war sie nun als Politikerin? Was zeichnete die Nationalrätin Maria Tusch aus?
HAUCH: Im Nationalrat, oder zuerst in der Konstituierenden Nationalversammlung von 1919-2020 und dann von 1920 bis 1934 ist Maria Tusch jetzt nicht die, die aufgefallen ist, durch spektakuläre Reden oder durch spektakuläre Auftritte, wie es Parteikolleginnen vor ihr oder auch Frauen von anderen Parteien gehabt haben. Sondern sie ist eher aufgefallen als sehr klare und energische Rednerin, wenn es um die Sachen von Kärnten geht. Also sie hat alle ihre Wortmeldungen und sie war teilweise im Bildungsausschuss, also der hat damals Ausschuss für Erziehung und Unterricht geheißen, sie war ganz am Anfang im Ernährungsausschuss, sie war im Ausschuss für die Tabakregie, die ja ein staatliches Monopol damals noch war, sie war auch im Land- und Forstwirtschaftsausschuss. Und alle Wortmeldungen, die sie da gemacht hat, sind nicht jetzt so groß von ideologischen Aussagen geprägt, sondern sie nimmt immer wieder Erfahrungen aus ihrem Alltag, aus ihrer Geschichte, aus ihrer politischen Praxis, aber auch Arbeitspraxis her und versucht so auf diese Art und Weise nachvollziehbar zu machen, warum jetzt gerade diese Forderung ganz wichtig ist.
KÖHLER: Wie verlief ihr weiteres Leben? Hatte Maria Tusch Kinder? Blieb sie dann in Wien?
HAUCH: Maria Tusch hat ja selber aufgrund eben auch ihrer Sozialisation und ihres Aufwachsens im Prekariaten, in Armut ... Sie hat ein Unterleibsleiden gehabt, sie hat Folgekrankheiten von TBC gehabt und hat selber keine Kinder bekommen können. Das heißt sie und ihr Mann haben eine Tochter adoptiert. Und um auch diesen Kontakt zu ihrer Adoptionstochter, mit der sie ja ein sehr liebevolles Verhältnis verbunden hat, ist sie immer wieder nach Kärnten gefahren. Und eines war klar, nachdem das Österreichische Parlament 1933 ausgeschalten worden ist und schließlich dann 1934 die demokratische Republik perdu war, ist Maria Tusch wieder ganz nach Kärnten gezogen.
GASSNER-SPECKMOSER: Maria Tusch erlebte ja bis zu ihrem Tod 1939 auch noch den Ständestaat, und die Anfänge des Dritten Reiches mit. Wie ging es ihr damit?
HAUCH: In der Zeit des autoritären christlichen Ständestaates 1934 bis 1938 war sie jetzt als sehr bekannte sozialdemokratische Politikerin nicht führend in irgendwelchen Klandestinen oder Widerstandstätigkeiten engagiert. Man darf auch nicht vergessen, sie war ja schon an die 70, sie war schon eine ältere Dame und hat aber trotzdem die in der Klandestinität agierenden, jetzt sich als revolutionäre Sozialisten bezeichnende illegale Organisation der Sozialdemokratie, unterstützt, wo es gegangen ist.
KÖHLER: Jetzt haben wir schon sehr viel über die Geschichte dieser außergewöhnlichen Frau gehört. Kommen wir jetzt aber in die Gegenwart zurück. Maria Tusch hat sich ja für viele Dinge im Nationalrat eingesetzt. Für Frauenrechte, für Bildung, für ihr Land Kärnten. Würde Maria Tusch heute noch leben, welche von ihren damaligen Themen würden heute bereits umgesetzt sein? Welche damaligen Träume könnte sie nun ausleben?
HAUCH: Also Maria Tusch hat sich eingesetzt für die Reform des Patriarchalen Familienrechts, eben Streichung des Paragraphs 91, der Mann ist das Haupt der Familie. Diese patriarchale Familienrechtsreform ist 1975 unter dem Justizminister Christian Broder reformiert worden und in eine partnerschaftliche umgewandelt worden. Ebenso eingesetzt hat sie sich übrigens wie alle anderen Sozialdemokratinnen in den 1920er-Jahren und davor, für eine Reformierung des Abtreibungsparagraphen 144, das heißt für eine Entkriminalisierung und eine Einführung der Fristenlösung. Auch das gibt es seit den 1970er-Jahren in Österreich. Die Situation mit den Lehrerinnen ist auch eine ganz andere. Nicht zu vergleichen wie mit der Monarchie oder mit den ersten Jahrzehnten im 20. Jahrhundert. Also Maria Tusch hat in ihren konkreten realpolitischen Forderungen eigentlich Träume gehabt, die sie jetzt am Beginn des 21. Jahrhunderts hätte ausleben können. Aber sie hat natürlich gleichzeitig auch als organisierte Sozialdemokratin gewusst, dass die Frauengleichberechtigung mit einigen Änderungen von Gesetzeslagen noch nicht hergestellt wird. Frauengleichberechtigung in dem Sinne heißt einfach auch Geschlechtergerechtigkeit und heißt einfach die Umwandlung einer Gesellschaft in einer umfassenden Form. Nämlich, dass es auch andere Bewertungen von Arbeit gibt, dass es die sogenannten Reproduktionsarbeiten, die hauptsächlich von Frauen eben unbezahlt verrichtet werden, wie Kochen, Putzen, Kinder erziehen, Kranke pflegen, sich um Ältere kümmern, auf der einen Seite. Dass auf der anderen Seite aber auch genau diese Berufe, die mit dieser Reproduktionstätigkeit zu tun haben, aber professionalisiert worden sind, wie zum Beispiel Pflegerinnen, Verkäuferinnen, also dass diese Berufsgruppen einfach schlecht bezahlt sind, dass denen unterstellt wird, dass sie wenig wertschöpfen, dass aber gleichzeitig durch die schlechte Bezahlung zum Ausdruck kommt, dass diese Berufstypen nicht sehr wertgeschätzt werden. Und da wäre natürlich Maria Tusch nach wie vor eine, die gerade in Situationen wie jetzt aufstehen würde und auf den Putz hauen würde.
GASSNER-SPECKMOSER: Liebe Hörerinnen, Liebe Hörer, wir haben jetzt wirklich schon einiges über diese ganz spezielle Frau gehört. Sie war eine großartige Rednerin, eine eingefleischte Kärntnerin, und eine Pionierin, was die Rechte von Frauen anbelangt.
KÖHLER: 2012 hat man ihr zu Ehren eine Straße in der Wiener Seestadt nach ihr benannt. Die Maria-Tusch-Straße erinnert seither an ihr Lebenswerk. Auch gibt es übrigens einen Maria-Tusch-Preis in Kärnten.
GASSNER-SPECKMOSER: Wir sind nun fast schon am Ende angelangt. Wie immer können sie uns unter podcast@parlament.gv.at Fragen, Ideen und Anregungen schicken.
KÖHLER: Das allerletzte Wort möchten wir aber noch einmal Gabriella Hauch geben. Eine Sache haben wir sie nämlich noch gefragt. Vielen Dank fürs Zuhören, wir hören uns in zwei Wochen wieder!
GASSNER-SPECKMOSER: Kann man auch heute noch etwas von Maria Tusch lernen?
HAUCH: Ich glaube nach wie vor, dass man von Maria Tusch etwas lernen kann. Nämlich, auch wenn man in ganz schlechten, unterprivilegierten, benachteiligten sozialen Milieus geboren wird, mit etwas Glück und vielleicht auch mit etwas Unterstützung kann man es doch schaffen, dass man das Leben versucht, in die eigene Hand zu nehmen und versucht, mit anderen Gleichgesinnten etwas an den Missständen zu verändern.