Wie funktioniert eine Parteigründung in der Praxis, Herr Pogo?
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Welche Herausforderungen auf Parteigründer warten erzählt in dieser Folge von „Parlament erklärt“ Dominik Wlazny, besser bekannt unter dem Namen Dr. Marco Pogo. Als Gründungsvater hat er 2015 die sogenannte Bierpartei ins Leben gerufen, die 2020 bei der Wiener Gemeinderatswahl angetreten ist. Heute stellt sie in elf Wiener Gemeindebezirken Bezirksräte.
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Transkription
Dominik WLAZNY: Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ich war total überrascht. Ich habe das überhaupt nicht auf dem Schirm gehabt. Natürlich wollte ich ein gutes Ergebnis einfahren. Aber, dass das die Konsequenz war, das war nicht auf meinem Schirm. Umso mehr hat es mich dann gefreut. Natürlich war dann auch ein großer medialer Rummel: "Oida was ist jetzt los", ja. Und mein Handy hat dann fünf Tage durchgeläutet. Und vor allem wie der Armin Wolf dann bei der ZIB2 gesagt hat "Personalmangel bei der Bierpartei, er braucht Leute", dann ist sowieso mein Handy explodiert.
Diana KÖHLER: Kennen Sie diese Stimme noch? Sie gehört Dominik Wlazny.
Tobias GASSNER-SPECKMOSNER: Sagt Ihnen nichts? Besser bekannt ist er unter dem Namen Dr. Marco Pogo. Falls Sie ihn jetzt noch immer nicht kennen: Das ist jener Mann, der 2015 die sogenannte Bierpartei gegründet hat, 2020 damit zur Wiener Gemeinderatswahl angetreten ist, und heute tatsächlich in elf Wiener Bezirksvertretungen sitzt. Mein Name ist Tobias Gassner-Speckmosner.
KÖHLER: Und ich bin Diana Köhler. Liebe Hörerinnen, liebe Hörer, herzlich Willkommen zurück bei Parlament Erklärt. In der ersten Folge unserer zweiteiligen Reihe "Wie gründet man eine Partei" haben wir Anfang diesen Jahres bereits gehört, was logistisch alles notwendig ist, um sich eine Partei nennen zu dürfen. Heute soll es aber um die Praxis gehen.
GASSNER-SPECKMOSNER: Wie gründet man denn nun wirklich eine Partei? Braucht man dafür hunderte Leute? Tausende Euros? Und was dann? Kann ich automatisch bei einer Wahl antreten? Und vor allem, wie bewege ich Bürgerinnen und Bürger dann tatsächlich dazu, mich zu wählen?
KÖHLER: Und wer wäre für die heutige Folge wohl besser als Interviewpartner geeignet als Dr. Marco Pogo? Viel Spaß!
***** JINGLE *****
WLAZNY: Mein Name ist Marco Pogo. Ich bin Gründungsvater, Bundesparteivorsitzender und ideologischer Führer der Bierpartei. Ich bin seit kurzem Bezirksrat in meinem Heimatbezirk Wien Simmering und darüber hinaus bin ich eigentlich Musiker, der nun neu in die Politik eingestiegen ist.
KÖHLER: Sie sind ja heute hier als der Gründer einer Partei, nämlich der Bierpartei. Was ist das überhaupt, können sie uns Ihre Partei in zwei, drei Sätzen kurz erklären?
WLAZNY: Die Bierpartei ist eine neue politische Kraft in unserem schönen Land, die aus der Mitte der Bevölkerung kommt und sich als Interessensvertretung aller Freunde und Freundinnen des kühlen Gerstensaftes versteht. Und darüber hinaus nicht nur für alle die Bier trinken, sondern für alle die eigentlich kein Bier trinken und denen das wurscht ist, ob sie Bier oder nicht. Ich glaube, die Bierpartei kann neue politische Heimat für Menschen jeglicher Herkunft, Denkrichtung oder, ja, Heimat sein, wenn man so möchte. Und das ist mir auch sehr wichtig zu sagen, weil ich glaube die Gesellschaft ist schon genug gespalten und vielleicht braucht es auch einmal eine neue politische Kraft, die versucht, die Gräben wieder zuzuschütten, die jeden Tag aufgerissen werden.
GASSNER-SPECKMOSNER: Wir haben das zwar schon im ersten Teil unserer Podcastserie zu diesem Thema besprochen, aber was ist aus Ihrer Sicht eigentlich eine Partei?
WLAZNY: Eine Partei ist ein Zusammenschluss von Menschen, sage ich einmal, mit gleichen gesellschaftlichen Interessen. Da gibt es natürlich altgediegene Konstrukte in dem Land, ja. Aber es gibt zum Glück eben auch die Möglichkeit, neue politische Ideen auf den Weg zu bringen. Das gibt unsere Demokratie her, das finde ich schön. Und so gesehen kann und soll eigentlich auch jeder und jede, die vielleicht mit dem derzeitig vorherrschenden Parteienspektrum noch nicht das Auslangen findet oder noch nichts dabei ist, was einen in irgendeiner Art und Weise vertritt, ruhig angehalten sein, eine Partei mit Leuten, die gleiche Ziele verfolgen, zu gründen. Ich glaube, das belebt eine Demokratie und ich glaube, das ist sehr schön, dass das in Österreich möglich ist.
KÖHLER: Jetzt haben wir einmal die Basics besprochen. Nun aber ans Eingemachte: Wie haben Sie die Bierpartei gegründet?
WLAZNY: Ich habe, also um jetzt ein bisschen auszuholen, 2015 einen Song geschrieben und der heißt "die Bierpartei". Und in diesem Song singe ich in einer relativ praktischen Abhandlung darüber, wie toll das nicht wäre, wenn ich an der Macht wäre, ganz kurz. Und wie schön das nicht für das Land wäre. Und im Zuge dessen kam dann irgendwie der Gedanke: Naja es wird ja nicht so schwer sein, vielleicht wirklich eine Bierpartei – das war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, dass das man das zum Glück relativ einfach machen kann in Österreich, dass man das wirklich eintragen kann im Parteienregister des Innenministeriums – Und ein paar Mausklicks später habe ich mich schlau gemacht wie das so funktionieren kann und habe kurzerhand eine Satzung verfasst, das habe ich bis dato nicht gemacht. Und diese Satzung dann an das Innenministerium geschickt. Dann wird das beurteilt, ob diese Satzung den Gesetzen dieser Republik genüge tut. Das tat es natürlich nicht, weil das wusste ich ja nicht, das war meine erste Partei, und das habe ich ja nicht gewusst, was man da so reinschreiben muss. Und dann kam relativ lapidar nach ein paar Wochen die Antwort aus dem Innenministerium "Na so geht das ned, ja. Was bilden Sie sich ein, junger Mann." Und dann habe ich mir gedacht: Naja, dann muss ich da wohl noch einmal ‘ran. Und dann habe ich mich nochmal hingesetzt und diese Satzung überarbeitet und habe da dann zum Beispiel – man muss auch über die Auflösung einer Partei, also was dann quasi am Ende des Parteilebens passiert, das muss auch alles in eine Satzung hinein. Das ist quasi das Fundament, der Estrich auf dem die Partei dann steht, wenn man das so will. Ich bin dann relativ vehement drangeblieben, weil wenn ich mir etwas einbilde, dann mache ich das auch. Beim dritten Mal kam dann eine relativ kurze Rückmeldung nur noch aus dem Innenministerium: "Ja, des passt jetzt. Bitte überweisen Sie 36,48 € auf das Konto vom damaligen Innenminister." Nein jetzt nicht auf sein Privatkonto, aber ich glaube es war auf ein Konto des Innenministeriums. Schlussendlich kam dann gar nicht mehr eine Antwort. Das war’s. Ich habe dann irgendwann im Internet nachgeschaut und dann stand da "Bierpartei" und ich war sehr, sehr glücklich.
GASSNER-SPECKMOSNER: Wenn wir schon dabei sind: Was stand denn in Ihrer Satzung drinnen, die Sie da beim Innenministerium hinterlegt haben?
WLAZNY: Um der Wahrheit die Ehre zu geben, meine Satzung liest sich mehr wie ein kabarettistisches Bühnenstück, ja. Das war zu Beginn relativ, wie soll man sagen, lustig. Also ich habe es selber sehr lustig gefunden. Zum Beispiel stand damals in der Satzung der Bierpartei, ich glaube das steht auch heute noch d’rin: Das verbleibende Parteivermögen wird ausgetrunken. Es steht auch d’rin, dass alle Abgeordneten immer mindestens eine Pegel von 0,8 Promille haben müssen, wenn sie in der Öffentlichkeit auftreten. Also ich habe da relativ, sagen wir, humoristische Dinge – also humoristisch, Humor ist immer das, was man darunter verstehen möchte. Also ich finde es lustig. Es gibt Leute, die finden das nicht lustig, ja. Die glauben, ich treibe Schindluder mit der Demokratie. Ich glaube, das muss eine Demokratie aushalten. Das hat auch Peter Filzmeier einmal gesagt "die österreichische Demokratie muss die Bierpartei aushalten." Ich glaube, dass die österreichische Demokratie auch mit ganz anderen Parteien, die sich nicht offensichtlich als Spaßpartei präsentieren, die aber als Spaßpartei verstanden werden können, noch viel mehr aushalten muss, als mit der Bierpartei. Das nur mal so am Rande. Also, es waren einfach formale Fehler, die beanstandet wurden. Was passiert bei Auflösung, es muss so etwas wie eine Mitgliedervollversammlung geben, ein Stimmrecht. Ich kann mich jetzt gar nicht mehr so genau daran erinnern, aber es gibt auf jeden Fall mehrere Punkte, die in einer Parteisatzung fix drinnen sein müssen, so wie in einem Vertrag auch. Und das habe ich dann nachträglich nachgebracht.
KÖHLER: Muss es zur Gründung einer Partei ein gewisses Grundbudget geben?
WLAZNY: Nein, das muss es nicht. Das muss es im ersten Schritt nicht, weil nur die Eintragung ins österreichische Parteienregister kostet diese besagten 36,48 €. Das ist das einzige, was man in Wahrheit zahlen muss. Sonst kostet es nichts. Und ich glaube deswegen, zumindest hat mir das einmal jemand gesagt, ist Österreich das Land der Tausend Parteien. Es gibt ja wirklich sehr, sehr viele, weil ich sag's mal so, die Hemmschwelle so etwas zu machen, ist nicht sonderlich groß. Das, was in weiterer Folge dann passiert, wenn man wirklich aktiv am politischen Prozess teilnehmen möchte, sprich bei einer Wahl, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Aber die reine Eintragung formal, dass die Satzung stimmt, dass man einen Namen hat, dass man einen Zustellungsbevollmächtigten hat und so, das ist zum Glück nicht so schwer.
GASSNER-SPECKMOSNER: Wie muss so eine Partei nun aufgebaut sein? Und wie ist das bei Ihnen?
WLAZNY: Die Bierpartei bin in Wahrheit ich mit ein paar Freunden, die mir helfen. Man stellt sich die Bierpartei oftmals, das freut mich auch sehr, wenn das manche Leute denken, als großen Parteiapparat vor mit viele Funktionären, die mithelfen, das Thema groß zu machen. Diesen Zahn muss ich den Leuten ziehen, also so ist es nicht. Das ist ein sehr, sehr kleines, überschaubares, feines Team, ja. Das jetzt natürlich im Zuge der jüngsten Erfolge stetig wächst. Jetzt gibt es beispielsweise die elf Bezirksräte und -rätinnen. Das heißt die Bierpartei stellt jetzt schon einmal elf Berufspolitiker. Ich finde dieses Wort toll: Berufspolitiker, sehr schön. Und dann gibt es natürlich noch eine Hand voll von meinen engen Freunden, die mir mit Dingen, die halt so anfallen, helfen. Sei es Videodreh, rechtliche Beratung, oder einfach unterstützende Hands-on-Tätigkeiten, die so anfallen. In diesem Jahr ist halt relativ viel angefallen. Aber sonst ist die Bierpartei sehr klein. Ich führe die Partei relativ autokratisch, aber das machen ja andere Parteien in diesem Land auch. Und ich finde das aber gut, weil das sind alle meine Freunde, Vertrauenspersonen, Leute mit denen ich schon lange zum Teil aus der Musik zusammenarbeite, die ich jetzt zum Teil auch zu Bezirksräten gemacht habe. Also tatsächlich ein sehr familiäres, auch meine Eltern helfen mir mit der Bierpartei, familiäres Gefüge.
KÖHLER: Wie ist das mit der Mitgliedergewinnung? Wie überzeugt man diese? Und wie läuft das bei Ihnen?
WLAZNY: Es gibt in Wahrheit, also man kann ja noch nicht Mitglied werden. Mich fragen tausende Menschen, ob sie in der Bierpartei Mitglied werden können. Mich hat das halt jetzt relativ übermannt, das ganze Projekt. Weil es jetzt relativ rasch und relativ groß und nicht unpopulär geworden ist. Und jetzt fragen sehr viel Leute, kurz nach der Wahl habe ich 500 Emails am Tag gehabt und bin überhaupt nicht hinterhergekommen, und ich muss jetzt – im Zuge einer Professionalisierung meiner Partei, möchte ich natürlich den Menschen die Möglichkeit geben, sich einzubringen. Sei es jetzt selbst zu helfen, als Funktionär auf die Straße zu gehen und Leute zu überzeugen, oder einfach unterstützendes Mitglied in irgendeiner Weise zu werden. Das will ich aber jetzt nicht ho ruck machen, sondern … Ich will jetzt auch keine, blöd gesagt, sowas wie Karteileichen produzieren, dass ich sage: OK, man kann sich jetzt online wo eintragen. Dann habe ich wahrscheinlich 20.000 Mitglieder in zwei Wochen. Aber das bringt mir ja nichts. Ich will ja, dass die Leute aktiv etwas tun. Das will ich mir noch einmal gut überlegen. Man muss sich die Leute schon auch anschauen, wie die so denken, glaub ich. Sonst läuft irgendwer herum und sagt er ist Vertreter der Bierpartei und ist der volle Trottel. So kann ich doch nicht meinen guten ruf riskieren, den ich mir so schwer erarbeitet habe.
GASSNER-SPECKMOSNER: Ok, jetzt haben wir ja einmal besprochen, wie man eine Partei überhaupt gründet, was es da so zu beachten gibt, und wie das bei Ihnen abgelaufen ist. Aber was muss jetzt noch alles passieren, zwischen dem Zeitpunkt, wo man eine Partei gegründet hat, und jenem, wo man dann auch zu einer Wahl antritt?
WLAZNY: Es ist zum Einen ein riesen Schritt von "Ich trage eine Partei ein", bis "Ich werde bei einer Wahl gewählt". Das ist dann schon die Ausbaustufe von "Ich trete überhaupt einmal bei einer Wahl an". Oder sagen wir einmal "Ich bin bei einer Wahl wählbar", das heißt ja noch lange nicht, dass man überhaupt gewählt wird. Die Eintragungsstufe ist, wie gesagt, einmal der Estrich, das Fundament, und dann beginnt man erst einmal zu schauen: OK, wie kann ich als wahlwerbende Partei überhaupt in diesen Zirkus einsteigen. Und da haben sich die regierenden Mächte in diesem Land schon eine riesen große Schwelle überlegt, ja? Um eben genau dieses besagte Land der tausend Parteien unten zu halten und die, die dann tatsächlich am politischen Prozess teilnehmen, das sollen ja nicht viele sein. Das will man sich ja nicht wirklich aufteilen, ja. Sogesehen muss man eine unfassbare Anzahl an Unterstützungserklärungen einsammeln, um bei einer Wahl in Österreich am Stimmzettel zu stehen, ja. Das ist, also um einmal auszuholen, abhängig von der jeweiligen Wahl, ist das immer eine unterschiedliche Anzahl an Zetteln, die man da braucht. Und ich spreche hier wirklich von Zetteln, weil wir schreiben vielleicht das Jahr 2021 in Österreich, ja. Aber digitalisierungstechnisch sind wir mitten in den 60er-Jahre. Man muss nämlich einen Zettel haben. Und dieser Zettel, da muss eine Person ins Amt gehen und diesen Zettel, der muss richtig ausgefüllt sein, das ist natürlich ein Vordruck, aber es muss das richtige draufstehen. Und der muss dann mit einem amtlichen Lichtbildausweis dem Magistratsbeamten oder der -beamtin sagen: Ich möchte, dass die Bierpartei bei der Wahl XY, sei es jetzt Nationalratswahl oder Wiener Gemeinderatswahl, Landtagswahl antritt. Und dann wird das kontrolliert und diese Person muss dann den Zettel wieder zur wahlwerbenden Partei zurückbringen. Wie ein Bote quasi. Und ich nehme dann die Zettel und sammel sie zusammen und jetzt im konkreten Fall für die Wien-Wahl, muss auf jedes einzelne Magistrat in dieser Stadt – ich kenn sie jetzt alle, ja. Und ich kenne alle Magistratsbeamten jetzt beim Vornamen – muss dann dort diese Zettel wieder abgeben. Und diese Zettel werden dann in die Wahllandesbehörde geschickt und dort wird dann erst gesagt: OK, mit diesen Zetteln stimmt alles. Also anstatt, dass man niederschwelliger die Bürger miteinbezieht, haben die Regierungsparteien, obwohl es heuer vor allem in Zeiten von Corona natürlich ein großes Ansinnen der kleinen Parteien war, zu sagen: Freunde wir müssen uns da etwas überlegen, wir können ja nicht auf der Straße stehen. Wir wollen sammeln. Können wir das nicht digital machen? Nein, nein, nein, vergiss es, das will natürlich keiner. Aber davon habe ich mich nicht abhalten lassen und bin mit einem nicht kleinen Team wochenlang auf den Straßen Wiens gestanden. In Zeiten von Corona, ja. Unter Einhaltung sämtlicher Sicherheitsvorkehrungen und habe diese Unterstützungserklärungen eingesammelt. Und dann musst du die in jedem Magistrat abgeben und zahlst Bearbeitungsgebühr und dann schlussendlich landest du auf dem Stimmzettel.
KÖHLER: Wie viele Unterstützungserklärungen haben Sie da dann gebraucht?
WLAZNY: Für die Wienwahl auf Gemeinderatsebene 100 pro Wahlkreis, es gibt 18 Wahlkreise, wobei die inneren Bezirke zu zwei Wahlkreise zusammengefasst sind und die anderen Bezirke, mehr oder weniger, ein Bezirk ist gleich ein Wahlkreis. Da braucht man dann halt 100 Penzinger, 100 Hitzinger, das klingt jetzt alles nicht so arg, wie es in Wahrheit wirklich ist. Es gab ja, ich glaube, 50, 60 Parteien, die auf den Stimmzettel wollten, und schlussendlich standen darauf, das Team HC Strache, die SÖZ, Links und die Bierpartei.
GASSNER-SPECKMOSNER: Wie viel kostet so ein Wahlkampf eigentlich? Das hört sich ja nicht gerade billig an?
WLAZNY: Naja. Ich habe zu Beginn des Wahlkampfes die NEOS ziemlich… Darf man "verarscht" sagen bei euch im Podcast? Sicher darf man "verarscht" sagen! Also ich habe sie verarscht, weil der von mir hochgeschätzte Christoph Wiederkehr hat mir ein Email geschrieben, mit, ich möchte mich doch dem Fairness-Abkommen der NEOS anschließen, dass die Bierpartei bei dieser Wahl bitte nur sechs Millionen Euro ausgibt. Und da hat es mir halt ziemlich die Schuhe ausgezogen. Und habe gesagt ich halte mich daran. 500 Euro Wahlkampfkostenobergrenze. Und natürlich kostet Bier etwas, obwohl ich der Meinung bin, dass Bier nichts kosten sollte, weil es ist ein Menschenrecht, ja. Und da habe ich die Bier investiert, und das waren sagen wir einmal 2.000 Dosen Bier, wovon ich auch einige selber getrunken habe, das muss man eigentlich in Abzug bringen. Das war einfach mein Investment, das waren einfach meine Bier. Und die anderen Dinge, die ich ausgegeben habe, waren nur die Abgaben an die Gemeinde Wien. Und ich bin oft darauf angesprochen worden "Ja jetzt sagt er 500 Euro Wahlkampfkostenobergrenze, und dann gibt er 50.000 aus." Nein. Ich habe wirklich nichts ausgegeben. Ich habe nur 13 Wahlkampfständer, Dreiecksständer, die man kennt, die habe ich aufgestellt. Und da zahlt man 134 Euro an die Stadt Abgaben für die Dreieckständer. Das habe ich bezahlt und dann habe ich natürlich den Druckkostenbeitrag an die Staatsdruckerei für die Wahlzettel zahlen müssen. Und das waren 70 Euro pro Bezirk. Das habe ich ausgegeben.
KÖHLER: Jetzt wissen wir, wie man eine Partei gründet, sie aufbaut und dann bei einer Wahl antritt. Aber wie schafft man es eigentlich, dass man dann auch tatsächlich gewählt wird?
WLAZNY: Ja das ist natürlich dann in Wahrheit der Knackpunkt, weil man darf als wahlwerbende Partei den Leuten, sagen wir einmal, Gegenleistungen auf der Straße versprechen für Unterstützungserklärungen. Da gibt es kein Reglement. Mir hat einer von der Gemeinde einmal gesagt "Sie können jedem praktisch eine Karibik-Reise zahlen für die Unterstützungserklärung." Und wenn ich mich recht erinnere hat auch Richard Lugner die Menschen mit der Limo abgeholt, zum Amt geführt und ihnen dann einen Kinogutschein geschenkt, ja. Und da gab es sogar einen Prozess darüber: Was darf man als wahlwerbende Partei für Unterstützungserklärungen? Für eine Wählerstimme darf man gar nichts. Das ist auch gut so. Was ich damit sagen möchte ist, man kann es zwar in Knochenarbeit erledigen, die Unterstützungserklärungen einzusammeln, wobei das viele ja nicht schaffen, wie wir ja vorhin besprochen haben. Aber das heißt ja noch lange nicht, dass dich irgendjemand wählt, ja. Du stehst dann d’rauf und bist dann unter "Sonstiges" 0,04 … das bringt dir auch nichts. Das sieht man jetzt bei vielen kleinen Splittergruppen, die wirklich nur in einem Bezirk die 50 Unterschriften eingesammelt habe. Was ich gemacht habe ist, dass ich aufgrund meiner Tätigkeit als Musiker und Humorist mit der Partei einen gewissen Rattenschwanz an Leuten schon hinter mir hatte, die das lustig gefunden haben, gut gefunden, unterstützenswert. Das heißt mit Hilfe genialer Wahlkampfvideos, wie ich finde, gelang es dann, einen "Murts-Trumm-Wirbel" zu schlagen. Und das hat man dann am Ende der Wien-Wahl gesehen, dass die anderen Parteien da voll hinterherhinken, obwohl sie hunderttausende Euro in Social-Media-Budgettöpfen hatten, um das zu pushen. Und die Bierpartei ist immer d’rübergestanden, weil halt die Inhalte gut waren. Was nicht heißt, dass ich nur lustige Sachen thematisiert habe. Ich glaube ich habe auch versucht, vor allem im Thema Kunst und Kultur sehr ernste Gedanken hineinzubringen. Und so gelang es ohne Budget, weil ich habe dafür nichts ausgegeben, trotzdem viel Aufmerksamkeit zu haben und war dann selbst überrascht über das Wahlergebnis. Weil es war wienweit 1,8. In meinem Heimatbezirk Simmering 2,7 Prozent, da tut sich dann schon etwas. Und dann auf einmal hat man eben Bezirksräte. Und dann, und jetzt wird es wirklich spannend, dann kann man halt aktiv in den politischen Prozess einsteigen. Und das mache ich jetzt gerade. Und das ist sehr, sehr gut. Ich finde, das ist ein lebendiges Signal, dass einer herkommt und sagt: Hey, ich habe eine Partei. Ich will da mitmachen. Ich habe Ideen. Und jetzt kann ich Anträge abgeben. Und es wird abgestimmt, und ich kann dagegen abstimmen, ja.
GASSNER-SPECKMOSNER: Aber wie macht man denn heutzutage Wahlwerbung als Partei?
WLAZNY: Naja prinzipiell muss man mit der Zeit gehen und als politische Partei kann man sich glaube ich die 50.000 Kugelschreiber sparen, die ja im Grunde dann auch nur Steuergeld sind, die bedrucken zu lassen und auf der Straße zu stehen und die irgendwie auszuteilen Ich glaube, man muss mit der Zeit gehen. Man muss die Leute da abholen, wo man sie antrifft. Vor allem in Zeiten der Pandemie, wie das im September ja war, im Wahlkampf. Da waren die Leute nun mal vermehrt zuhause vor ihren Bildschirmen anzutreffen. Das heißt man muss die politischen Aussagen in kurze, knackige mediale Inhalte packen, um sie an den Mann und an die Frau zu bringen. Und das ist mir glaube ich deshalb so gut gelungen, weil ich natürlich das Vehikel des Humors habe, um Sachen anzusprechen. Natürlich verstehen das auch viele Leute auch nicht. Ich glaube aber, wer den Humor dahinter nicht versteht, kann auch den Ernst dahinter nicht verstehen. Also ich glaube einfach, das ist meine Art Politik zu machen, und das werde ich auch weitermachen. Aber ich glaube es ist eben die Zeit, alles neu zu denken. Auch in der Politik.
KÖHLER: Wir sind jetzt auf unserer Reise durch die verschiedenen Schritte, eine Partei zu gründen schon fast am Ende angelangt. Aber jetzt seien Sie einmal ehrlich: Hätten Sie wirklich gedacht, dass Sie schlussendlich von so vielen Menschen gewählt werden und in ganze elf Bezirke einziehen?
WLAZNY: Um ehrlich zu sein nicht, nein. Ich war total überrascht. Ich habe das überhaupt nicht auf dem Schirm gehabt. Natürlich wollte ich ein gutes Ergebnis einfahren.
Aber, dass das die Konsequenz war, das war nicht auf meinem Schirm. Umso mehr hat es mich dann gefreut. Natürlich war dann auch ein großer medialer Rummel: "Oida was ist jetzt los", ja. Und mein Handy hat dann fünf Tage durchgeläutet. Und vor allem wie der Armin Wolf dann bei der ZIB2 gesagt hat "Personalmangel bei der Bierpartei, er braucht Leute", dann ist sowieso mein Handy explodiert. Dann haben mich glaube ich alle Menschen die ich kenne angerufen, sie wollen Bezirksrat werden. Aber nein, ich habe nicht damit gerechnet und ich war sehr, sehr positiv überrascht und ich musste dann auch jetzt... jetzt ist das ganze ja erst losgetreten, jetzt sind die ersten Sitzungen gewesen. Ich habe das ja erst lernen müssen, wie das funktioniert mit Anträgen stellen und ich habe ja auch schon eine Resolution zur Verbannung von Biermischgetränken aus dem öffentlichen Raum geschrieben, und die ist jetzt abgelehnt worden. Und jetzt muss ich das neu einreichen. Also kurzum: Es ist sehr spannend und total neu, aber ich freue mich jetzt wirklich auch etwas produktives in den ganzen politischen Prozess, und sei es jetzt nur auf Bezirksebene, auch das ist sehr wichtig, da mitgestalten zu dürfen.GASSNER-SPECKMOSNER: Ist die Bierpartei nun eigentlich eine reine Spaßpartei oder kann sie auch ernst?
WLAZNY: Ich glaube das Schöne an der Bierpartei ist, dass sie beides kann und auch beides soll. Ich habe schon vorher kurz gesagt: Humor ist mein Mittel, um mitunter auch ernste Sachen häppchengerecht darzubringen und sie vielleicht auch leichter verdaulich zu machen. Das heißt aber nicht, dass ich nicht von Grund auf ein politischer Mensch bin der Ansichten hat und diese Ansichten auch nicht verblödelt wissen möchte. Und das ist mir wichtig. Sicher kann ich deppert sein, und das taugt mir auch, und das ist auch lustig, und dass muss manchmal glaube ich auch sein. Aber lieber einer der von Anfang an sagt "He pass auf, das kann ein bisserl schräger werden", wie es wird schräg, ohne dass man vorgewarnt wurde und man ordnet diese Politiker sehr seriösen Quellen zu und in Wahrheit sind das dann die Spaßpolitiker.
KÖHLER: Liebe Hörerinnen, Liebe Hörer, auch diese Folge neigt sich langsam dem Ende zu.
GASSNER-SPECKMOSNER: Eine Partei zu gründen ist, wie wir in dieser Folge gehört haben, also gar nicht so schwer, die wirkliche Kunst ist es viel mehr, dass man dann auch tatsächlich von Bürgerinnen und Bürgern gewählt wird.
KÖHLER: Dr Marco Pogo, oder Dominik Wlazny, wie er in Wirklichkeit heißt, hat es jedenfalls geschafft. Seine Partei hat nun Bezirksräte in elf Wiener Bezirksvertretungen, kann die nächsten fünf Jahre mitentscheiden und am politischen Prozess teilhaben.
GASSNER-SPECKMOSNER: Wie immer können sie uns unter podcast@parlament.gv.at Fragen, Ideen und Anregungen schicken.
KÖHLER: Das allerletzte Wort möchten wir aber noch einmal Dr. Marco Pogo geben. Eine Sache haben wir ihn nämlich noch gefragt. Vielen Dank fürs Zuhören, wir hören uns in zwei Wochen wieder!
GASSNER-SPECKMOSNER: Können Sie künftigen Parteigründern zum Schluss noch drei Tipps mit auf den Weg geben?
WLAZNY: "Tu es nicht." … Nein, prinzipiell, drei Tipps: ich glaube bei aller Vorsicht, die geboten ist, sollte man dennoch dieses "einfach einmal machen" nicht verlieren. Das ist auch mein Spirit irgendwie. Einfach zu tun und dann wird sich viel auch auflösen und aufklären rennt dann meistens eh. Prinzipiell zu Beginn steht man halt vor einem Haufen Probleme. Das beginnt bei der Satzung oder dann eben im ganzen Unterschriftensammelprozess und so weiter. Ich glaube man sollte sich nicht zu viel verkopfen zu Beginn. Sondern, wenn man eine gute Idee hat, lohnt es sich meistens auch diese Idee dann zu verfolgen und sich nicht von Formalitäten oder kleinen Hürden bremsen zu lassen. Das ist der Tipp 1. Tipp 2 ist: Lass dich nicht abhängig machen von irgendjemanden. Das habe ich auch gekonnt umschifft und bin jetzt sehr froh darüber, dass ich zu tausend Prozent alles alleine entscheiden kann. Und es ist ja doch so: Kein Mensch auf der Welt gibt dir einfach so Geld. Und schon gar nicht, wenn einer reich ist, ja. Natürlich verfolgen die Ziele und ich glaube es ist wichtig, dass man sich seine Unabhängigkeit bewahrt. Und das Dritte ist: Sei dir deinen Zielen bewusst und verfolge die auch. Es ist kommunikativ sehr wichtig, dass man sich klar positioniert. Ich glaube es ist generell wichtig, sich immer im Leben klar hinzustellen und sich klar zu positionieren. Auch wenn man manchen dann mitunter vor den Kopf stößt, die sagen "Was? Wieso? Ich entfolge dir". OK gut, dann schleich’ dich halt, ich wollt dich eh nicht haben. Also klare Kommunikation. Und auch Farbe bekennen. Ich glaube das sollten nicht nur Leute, die eine politische Partei gründen wollen, sondern ich glaube die Leute sollten generell ein bisschen mehr Farbe bekennen.
***** Pause *****
WLAZNY: Jetzt haben wir aber eh ordentlich viel geredet ... Naja, ich glaube, alles getan. Prost!