Welche Rolle spielt das Parlament im politischen System?
Details
Info
In Folge 4 unseres Podcasts "Parlament erklärt" geht es um die Rolle des Parlaments im politischen System.
Dabei erfährt der/die HörerIn, dass das Parlament die gesetzlichen Grundlagen des Zusammenlebens schafft und die Verwaltung kontrolliert. Diese Kontrolle ist eine besonders wichtige Aufgabe des österreichischen Parlaments.
Christoph Konrath vom Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienst der Parlamentsdirektion erzählt außerdem, wie die Bundesverfassung vor ziemlich genau 100 Jahren entstanden ist.Was das Wort Demokratie ins Deutsche übersetzt bedeutet und was diese Übersetzung mit der Wirklichkeit zu tun hat, erklärt Politikwissenschafterin Susanne Reitmair-Juárez.
© Parlamentsdirektion/Satzbau/hoerwinkel
Links
Folgen Sie unserem Podcast auf:
Transkription
Katharina Brunner: Liebe Hörerinnen und Hörer! Willkommen bei "Parlament erklärt". Mein Name ist Katharina Brunner.
David Riegler: Und ich bin David Riegler. Wie in jeder Folge gehen wir auch heute einer bestimmten Frage nach.
Brunner: Heute ist das eine sehr zentrale: Welche Rolle spielt das Parlament im politischen System?***** Musik *****
Christoph Konrath: Also wenn ich in die Bundesverfassung hineinschau, dann müsst ich sagen: Hey, wow! Das Parlament steht da wirklich voll im Zentrum!
Riegler: Christoph Konrath ist Jurist und Politikwissenschafter. Im Parlament arbeitet er im Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienst.
Konrath: Weil, als man 1920 die Bundesverfassung geschaffen hat, man gesagt hat: Wir machen es jetzt anders als in der Monarchie. In der Monarchie war das Parlament eines von vielen Organen des Staats, und hier hat man gesagt, hier soll alles zusammenkommen.
Und im 19. Jahrhundert gab's so die Vorstellung, da kommen jetzt lauter kluge Leute zusammen, und die werden jetzt über vieles diskutieren und werden gute Lösungen machen. Daher hat man ja auch vor das historische Parlamentsgebäude die Pallas Athene gestellt, die für das stehen soll: Da drinnen wird jetzt gut verhandelt. Aber man hat schon im späten 19. Jahrhundert gemerkt, das geht sich alles zeitmäßig nicht aus, weil wir müssen viele Gesetze beschließen, die Sachen werden immer komplizierter und so weiter.
Brunner: Okay, wir müssen hier kurz historisch auf die Sache blicken, um zu verstehen, wie es zur heutigen Rolle des Parlaments gekommen ist.
Riegler: Für all die komplexen Vorgänge sah man also Parlamente als zu träge an. In ganz Europa kam darum die Tendenz auf, die Regierungen zu stärken.
Brunner: In Österreich gab es auch Strömungen, die den Parlamentarismus beenden und ein autoritär geführtes Land wollten. Vorbild war das damals das faschistische Italien. Mit der Verfassungsnovelle aus dem Jahr 1929 wurde dem Nationalrat das Recht abgesprochen, zusammen mit dem Bundesrat die Bundesregierung und den Bundespräsidenten zu wählen. Die Regierungsernennung ging über an den vom Volk gewählten Bundespräsidenten.
Riegler: Nun könnte man meinen, dass damit der Bundespräsident zum starken Gegengewicht des Parlaments wurde und auch heute noch ist. Das stimmt aber nicht ganz, denn für seine Handlungen braucht er stets entsprechende Vorschläge der Regierung – mit zwei Ausnahmen: Er ernennt den Bundeskanzler und beauftragt ihn damit, eine Regierung zu bilden. Zweitens kann er ihn und die gesamte Regierung auch entlassen. Einzelne Regierungsmitglieder entlassen kann er wiederum nur, wenn es der Bundeskanzler vorschlägt.
Brunner: Nicht alle europäischen Länder entwickelten sich in der Frage gleich, wie stark das Parlament sein soll.
Riegler: In Frankreich zum Beispiel kam es dazu, dass die Regierung deutlich gestärkt wurde. Das Parlament regelt gesetzliche Grundlagen, die Details werden aber der Verwaltung überlassen. Das Parlament kontrolliert die Vorgänge.***** Musik *****
Brunner: Kontrolle – ein wichtiges Stichwort! Und damit zurück in die Gegenwart: Das ist nämlich eine besonders wichtige Aufgabe des österreichischen Parlaments.
Riegler: In Österreich herrscht Gewaltenteilung. Es gibt die Judikative, die Exekutive und die Legislative. Sinn hinter der Trennung der Gewalten ist, dass jede Macht die andere kontrolliert, damit keine zu mächtig wird.
Brunner: Die Judikative steht für die Justiz. Zu ihr gehören also die Gerichte für Zivil- und Strafsachen. Die Exekutive ist die Verwaltung, also die vollziehende Gewalt im Staat. Ihr gehören zum Beispiel die Bundesregierung, der Bundespräsident, die Ministerien und die Behörden an. Und schließlich ist da die Legislative – die Gesetzgebung. Das Volk wählt sie, ausgeübt wird sie von den Landtagen und dem Parlament.
Riegler: Das Parlament kontrolliert, was die Regierung macht. Einerseits tut es das finanziell – und zwar mit dem Rechnungshof, dem sogenannten "Hilfsorgan des Nationalrats". Er ist eine der ältesten staatlichen Institutionen und gehört im Sinne der Gewaltenteilung dem Parlament an. Der Rechnungshof überprüft, wofür Budgetmittel verwendet werden. Die Bundesverfassung definiert seine Aufgaben ganz genau.
Brunner: Auch politisch kontrolliert das Parlament die Regierung. Es gibt viele Möglichkeiten. Besonders wichtig ist das Interpellationsrecht – auch Fragerecht genannt. Das bedeutet, dass der Nationalrat und der Bundesrat das Recht haben, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen und die Mitglieder über alle Vorgänge, die sogenannten "Gegenstände der Vollziehung", zu befragen. Sie dürfen Auskünfte verlangen – auch etwa über Unternehmen, die zur Mehrheit dem Bund gehören. Das Parlament kann sich also auch mit Finanzen auseinandersetzten. Es bleibt aber eine politische Kontrolle, keine finanzielle. Die bleibt immer beim Rechnungshof.
Konrath: Kontrolle ist im Parlament Beschaffung von Informationen – und nach Möglichkeit auch öffentlich machen, sodass man breit drüber diskutieren kann.
Riegler: Vor allem wird im Parlament über Gesetze diskutiert.
Konrath: So wie man es jetzt aus der österreichischen Bundesverfassung rauslesen kann, so wäre es eigentlich jetzt nicht unbedingt der Ort, an dem diese Gesetze geschrieben werden, nämlich wirklich so – die sitzen da beieinander und haben die schwierigsten rechtlichen Formulierungen –, sondern wo man drüber spricht, ob das auch die Regelungen sind, die wir haben wollen, und ob man diese Regelungen auch versteht.Riegler: Und da sieht man wieder: Regierung und Parlament hängen voneinander ab. Denn die Regierung braucht die Mehrheit im Parlament, um Gesetze durchzubringen. Die Regierung selbst gehört aber zur Exekutive. Deshalb spricht man eher von einer Verschränkung der Gewalten als von einer strikten Trennung. Doch welche Auswirkungen kann das auf die Vorgänge im Nationalrat haben?
Konrath: Nur solange ich eine klare und sichere Mehrheit hab, muss ich mich nicht wirklich um das Vertrauen kümmern. Das ist auch etwas, das sehr, sehr häufig im Nationalrat diskutiert wird, wenn sich nämlich die Regierung ihrer Mehrheit sicher ist, wie sie dann mit dem Nationalrat umgeht.
Brunner: Konkret geht es dabei zum Beispiel darum, wie oft Minister zu den Nationalratssitzungen kommen oder eben fernbleiben. Oder wie die Regierungsparteien mit den Anträgen der Opposition umgehen. Die Opposition ist wichtig für die Balance im System. Sie kontrolliert die Regierung, stellt sie in Frage oder regt Diskussionen an.
Konrath: Und das ist ein ganz wichtiges Thema, das auch in Österreich seit langem für viele Konflikte sorgt, wo die Abgeordneten der Opposition sagen: Also bitte, so geht's doch nicht. Und die Abgeordneten der Regierung sagen: Ja, aber ihr müsst's uns schon verstehen! Wir wollen ja etwas umsetzen. Und in dem Spannungsfeld bewegt sich die parlamentarische Auseinandersetzung.
Riegler: Auseinandersetzung, Reden halten, diskutieren und miteinander reden – das Parlament ist der Ort, wo das passiert. Das sieht man bereits im Namen. Parlament kommt nämlich vom französischen Wort "parler", was übersetzt "reden" heißt.
Brunner: Reden? Das tun im Nationalrat meistens die Abgeordneten.
Susanne Reitmair-Juárez: Dieser Konnex, sozusagen, diese Verbindung zwischen den Wählern und Wählerinnen und den Institutionen oder der Politik, die immer ein bisschen abstrakt so herumschwirrt, passiert im Wesentlichen über Abgeordnete, über Parteien. Also in Österreich besonders muss man immer auch gleich über Parteien sprechen, weil die einfach eine sehr zentrale Stellung haben.
Riegler: Susanne Reitmair-Juárez ist Politikwissenschafterin. Sie arbeitet beim Demokratiezentrum, dessen Aufgabe es ist, Politik und Demokratie zu vermitteln.
Brunner: Kurz gesagt bedeutet Demokratie Volksherrschaft, und das Parlament ist im demokratischen Sinn auch der Ort, an dem das Volk repräsentiert wird. Aber wer ist eigentlich "das Volk"?
Reitmair-Juárez: Also das Volk spiegelt sich jetzt im Parlament, denn wer ist das Volk im Grunde, also im politischen Sinne? Das sind die Staatsbürger und Staatsbürgerinnen, und wenn wir es nochmal ein bisschen einschränken fürs Parlament, dann sind's die Wahlberechtigten, also ab 16, und wenn sie eben nicht besachwaltet oder im Gefängnis sind. Und dann muss man auch nochmal sagen: Wen repräsentieren die Abgeordneten, die da jetzt im Parlament sitzen? Auch nur die, die zur Wahl gegangen sind und die eine gültige Stimme abgegeben haben, für eine Partei, die es dann auch tatsächlich ins Parlament geschafft hat. Also das ist schon ein bisschen ein kleinerer Ausschnitt.
Brunner: In diesem Podcast wollen wir nicht nur einen kleinen Ausschnitt an interessanten Fragen repräsentieren, sondern am liebsten solche stellen, die Sie alle interessieren.
Riegler: Also: Welche Fragen haben Sie? Was, denken Sie, ist ein wichtiges Thema, das wir behandeln sollen? Schicken Sie uns Ihre Ideen an podcast@parlament.gv.at
Brunner: Die nächste Folge erscheint in zwei Wochen. Wir sprechen darüber, wie das Parlament gebildet wird. Seien Sie auch da wieder dabei. Danke fürs Zuhören und bis bald.***** Musik *****