Welche Rolle spielt Lobbyismus in der Politik?
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Bei Lobbyismus handelt es sich um ein Thema, das immer wieder für Diskussionen sorgt.
Während die einen darin eine Gefahr für die Demokratie sehen, betrachten ihn andere als einen wichtigen Bestandteil dieser.
Doch wie genau funktioniert Lobbyismus und seit wann gibt es ihn überhaupt? Darüber sprechen wir heute mit Peter Köppel, Eigentümer und Geschäftsführer eines Beratungsunternehmens, sowie Präsident der österreichischen Public Affairs Vereinigung. Einem waschechten Lobbyisten also.
© Parlamentsdirektion/Satzbau/hoerwinkel
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Peter KÖPPL: Ganz oft weiß ich, wenn ich Vorträge halte oder mit Leuten rede, die nicht in dieser Branche sind, die stellen sich das wahnsinnig spektakulär und so weiter vor. I’m sorry. Es ist einer anwaltschaftlichen Tätigkeit, nicht ganz unähnliche Arbeit.
Tobias GASSNER-SPECKMOSER: Schmiergelder, Skandale, illegale Tätigkeiten oder sogar russische Oligarchinnen. Das wären die Wörter, die wohl die meisten mit dem heutigen Thema verbinden. Aber anwaltschaftlich? Das passt hier nicht rein. Haben wir zumindest bis heute gedacht.
Diana KÖHLER: Hallo und Herzlich Willkommen zu einer neuen Folge von Parlament erklärt, dem Podcast rund ums Parlament. Mein Name ist Diana Köhler.
GASSNER-SPECKMOSER: Und ich bin Tobias Gassner-Speckmoser. Heute geht es um Lobbying. Meist hört man diesen Begriff ja nur im Zusammenhang mit negativen Schlagzeilen. Doch Lobbying ist, wie wir in dieser Folge herausgefunden haben, viel mehr. Was genau, hören Sie gleich. So viel sei gesagt: Lobbying ist eigentlich sehr verbreitet. Mehr als zwei Drittel aller Unternehmen setzen es ein.
KÖHLER: Was ist also dran, an den ewigen Vorurteilen gegenüber Lobbyisten? Was machen sie wirklich? Und ist die Arbeit vielleicht langweiliger, als man sich das vorstellt?
GASSNER-SPECKMOSER: All das haben wir jemanden gefragt, der es wissen muss: Peter Köppel, einen waschechten Lobbyisten.
***** JINGLE *****
KÖPPL: Mein Name ist Peter Köppl, ich bin Eigentümer und Geschäftsführer der Mastermind Public Affairs Consulting, einem Beratungsunternehmen, das auch Lobbying anbietet. Und ich bin auch gleichzeitig Präsident der österreichischen Public Affairs Vereinigung.
KÖHLER: Würden Sie sich selbst als Lobbyist bezeichnen?
KÖPPL: Ja absolut, ich habe keine Scheu davor. Ich bin aber nicht Lobbyist im eigenen Auftrag, sondern im Auftrag meiner Kunden, meiner Klienten, Wirtschaftsunternehmen und -verbänden.
GASSNER-SPECKMOSER: Wo liegt da der Unterschied?
KÖPPL: Naja der Unterschied zum Beispiel liegt darin: Wenn eine Vertreterin einer Bürgerinitiative oder einer Patientengruppe selbst betroffen ist, dann macht sie Lobbying in ihrem eigenen Auftrag, für eben ihr eigenes Interesse. Wenn jemand wie ich Aufträge übernimmt, von einem Verband zum Beispiel, dann bin ich nicht in meinem eigenen Auftrag unterwegs, für meine eigenen Interessen, sondern für diejenigen des Verbandes oder des Auftraggebers.
KÖHLER: Warum bezeichnen Sie sich als Lobbyist? Was macht Sie zu einem Lobbyisten?
KÖPPL: Ich würde mich aus dem Grund als Lobbyist bezeichnen, weil ein Teil meiner Aufgabe, ein Teil meines Jobs, im Lobbying besteht, also in der Artikulation und im Versuch der Durchsetzung von Interessen, ja. Daher würde ich mich als Lobbyist bezeichnen. Der österreichische Gesetzgeber versteht zum Beispiel unter Lobbying den "organisierten und strukturierten Kontakt mit politischen Entscheidungsträgern". Das ist eine sehr gute Definition, die ich voll unterschreiben kann. Es gibt verschiedenste Beschreibungen und Umschreibungen, aber im Kern geht es darum, dass eine Organisation, eine Person Interessen hat, Anliegen hat gegenüber der Politik und diese artikulieren muss und versucht durchzusetzen. Und das ist teilweise auch mein Job.
GASSNER-SPECKMOSER: Warum gibt oder braucht es überhaupt Lobbying?
KÖPPL: In jeder Demokratie gibt es Lobbying. Umso offener und umso vielschichtiger eine Demokratie ist, umso vielschichtiger sind die Interessenslagen, die versuchen, gehört zu werden. Und daher gibt es Lobbying. Weil es einfach viele Verbände, Unternehmen, NGOs, Institutionen gibt, die einfach punktuell zu entweder einer anstehenden politischen Entscheidung, oder zu einem Thema, das sie selbst beschäftigt, ihre Anliegen der Gesetzgebung und den politischen Entscheidungsträgern vorbringen wollen. Das ist ein vollkommen normaler Prozess in jeder Demokratie.
KÖHLER: Heißt das jetzt zusammengefasst, dass sich beim Lobbying Organisationen sozusagen als "Bürger" einer Demokratie sehen und ihre Interessen durchsetzen wollen?
KÖPPL: Ganz genau. Unternehmen, aber genauso NGOs, Verbände, Patientenorganisationen. Es wird in der öffentlichen Diskussion oft recht stark reduziert auf einige wenige Unternehmen. Das ist ein Zerrbild, das findet in der Form nicht statt. Das sind in Österreich tausende Verbände, Kammern, Berufsstandesvertretungen, einzelne Unternehmen, Unternehmensverbände, NGOs, die nicht jeden Tag, nicht Montag bis Freitag die ganze Arbeitswoche Lobbying betreiben. Aber die kontinuierlich darauf aufpassen, dass ihre berechtigten und legitimen Anliegen und Interessen Teil der politischen Entscheidungsfindung sind. Das ist ein Prozess, der in Berlin während wir hier reden genauso stattfindet wie in Brüssel, genauso wie in London oder Washington. Teilweise mit unterschiedlichen politischen Systemen, das ist ganz klar. Aber es ist ein sehr, sehr vielfältiger Themenbereich, der eigentlich die Breite der Gesellschaft abbildet.
GASSNER-SPECKMOSER: In der Bevölkerung ist Lobbying ja eher ein negativ besetzter Begriff. Wieso ist das so?
KÖPPL: Ohne ganz zu weit auszuholen. Aber das liegt auch in der Begrifflichkeit begründet. Der damalige US-Präsident Ulysses Grant – Anfang/Mitte des 18. Jahrhunderts in Washington DC – es gab ein Hotel in dem die Abgeordneten des Repräsentantenhauses, wenn das Parlament in Session war, genächtigt haben, auch der Präsident. Damals war noch nicht viel vom heutigen Washington. Und überliefert ist die Geschichte, dass er eines Tages über die Treppe in die Hotellobby hinunter ging. Und unten in der Hotellobby warteten nicht nur Abgeordnete auf ihn, sondern auch Eisenbahnbarone, Geschäftsleute, die Goldminen oder ähnliches vertreten haben und auf ihn einriefen, weil sie etwas wollten. Und er hat historisch dokumentiert überliefert gesagt "Who are those damned lobbyists?" Er hat gemeint "Wer sind diese Verrückten hier in der Hotellobby?" Also die Begrifflichkeit hatte von Anfang an eigentlich eine sehr negative Konnotation. Heute ist das so, die Begrifflichkeit mit dem negativen Ruf in der breiten Öffentlichkeit: Zum einen wird vieles auch in der medialen Diskussion als Lobbying dargestellt, was nichts mit Lobbying zu tun hat, sondern mit Tatbeständen aus Strafgesetzbüchern, wie Korruption, Bestechung, Bestechlichkeit. Das wird in einen Topf geworfen. Leider. Manche sagen auch, wenn man den Begriff Lobbying verwendet, ist das nicht strafbar. Wenn ich Korruptionsverdacht in den Raum stelle, dann muss ich es beweisen können. Also das ist natürlich ein sehr wesentlicher Part, warum die Bevölkerung das negativ sieht. Das andere ist, dass natürlich die breite Bevölkerung in diese feingliedrige politische Tagesarbeit der Abstimmung, der Zustimmung, des Engineering Consent, also einen Konsens zu erzielen, wenig Einblick hat. Und dadurch das, was skandalisiert oder behauptet wird, nämlich die "Lobby hat zu viel Einfluss" und "wir Bürgerinnen und Bürger haben zu wenig", führt dann unweigerlich zu dieser negativen Konnotation, die inhaltlich nicht gerechtfertigt ist. Aber der Ruf ist mehr als ramponiert.
KÖHLER: Wo sind die Grenzen von Lobbying? Wie ist Lobbying in Österreich gesetzlich geregelt?
KÖPPL: Ja, wie gesagt, es gibt in Österreich seit 2013 das Lobbying- und Interessensvertretungstransparenzgesetz, kurz Lobby-Gesetz genannt, das eine verpflichtende Registrierung für alle Akteure, die Lobbying betreiben, konstituiert. Das heißt der Gesetzgeber schreibt hier vor, wer in Österreich Lobbying betreiben möchte, muss sich vorab registrieren. Mit Namen, Organisation, Website, er oder sie muss sich auf einen Verhaltenskodex beziehen. Agenturen, Beraterinnen müssen in einem nicht-öffentlichen Teil für die öffentlichen politischen Entscheidungsträger einsehbar auch ihre Auftraggeber dokumentieren. Sie müssen dort auch dokumentieren, wie viel Umsatz damit erzielt wird, und das ist verpflichtend. Das ist ein verpflichtendes Register. Und dieses spezifische Gesetz, das Lobbyinggesetz definiert eben auch die Rahmenbedingungen. Wie gesagt: Transparenzkriterien, Veröffentlichungskriterien, Verhaltenskriterien und Ähnliches mehr. Österreich ist dabei nicht das einzige Land, war nicht das erste, ist nicht das letzte Land. Deutschland steht jetzt gerade unmittelbar vor der Beschlussfassung eines ersten Lobbyingregisters, in Brüssel gibt es diese European Transparency Initiative, ein auf Freiwilligkeit beruhendes Register. Allerdings mit viel sozialem Druck im Hintergrund. Sehr viel länger als in Österreich, meiner Meinung nach sehr viel erfolgreicher als in anderen Ländern. In Italien gibt es Lobbyingregister für einzelne Bundesministerien. Aber so eine Form der Regulierung und Transparenzschaffung gibt es in vielen Ländern. In den Vereinigten Staaten seit 1957, glaube ich.
GASSNER-SPECKMOSER: Kann man dieses Register auch als Bürger irgendwo finden?
KÖPPL: Das ist ganz einfach zu finden. Man geht auf die Website des Bundesministeriums für Justiz und dort findet sich ein direkter Link zum Lobbyingregister. Dort kann man auch mit Stichwortsuche einzelne Akteure suchen. Also, wenn ich zum Beispiel wissen möchte, wie viel die Wirtschaftskammer Österreich im vergangenen Jahr für Lobbying aufgewendet hat, das ist ein eigenes Transparenzkriterium für Kammern und Selbstverwaltungskörper. Die Wirtschaftskammer darf schätzen, wie viel sie ausgegeben hat. Wenn das eine Bürgerin interessiert: Auf das Lobbyingregister gehen, in der Stichwortsuche "Wirtschaftskammer" eingeben oder irgendjemanden anderen. Und dann bekommt man die entsprechenden Informationen.
KÖHLER: Damit man sich das etwas besser vorstellen kann: Wie verbreitet ist Lobbying in Österreich eigentlich? Lobbyiert jedes Unternehmen?
KÖPPL: Da müssen wir wieder ein österreichisches Spezifikum berücksichtigen. Den Begriff "Ich bin ein Lobbyist" verwenden wahrscheinlich eher wenige. Ich habe eingangs gesagt "Ich stehe dazu, ich habe damit auch kein Problem." Viele Akteure, die in Österreich Lobbying betreiben, bezeichnen sich selbst nicht als Lobbyisten, sondern als Interessenvertreter, als Generalsekretäre, Geschäftsführer von Verbänden, NGOs und ähnliches mehr. Wie wohl die Funktion Lobbying meistens in der Berufspraxis als Public Affairs oder Government Affairs bezeichnet in den letzten 20 Jahren in Österreich sich massiv verbreitet hat. Zurückkommend auf ihre Frage "Hat das jedes Unternehmen?" Nein, aber gut zwei Drittel würde ich schätzen. Wie viel gibt es in Österreich ungefähr? Wir haben einmal eine Hochschätzung gemacht mit unserem, also der österreichischen Public Affairs Vereinigung, mit unserem wissenschaftlichen Beirat: Wir gehen davon aus, dass in Österreich ungefähr 5.000 bis 7.000 Lobbyisten hauptberuflich tätig sind. Der überwiegende Teil davon in Sozialpartnerorganisationen, in großen Berufsvertretungen, Standesvertretungen, Branchenvertretungen. Der geringste Teil auf Seiten von Agenturen und Beraterinnen. Der mittelgroße Teil in Verbänden und NGOs.
GASSNER-SPECKMOSER: Wie sehen eigentlich Abgeordnete Lobbying? Als Möglichkeit sich zu informieren? Als Notwendigkeit in einer funktionierenden Demokratie oder doch einfach nur als lästig?
KÖPPL: Steht auch auf der Website des österreichischen Parlaments, weiß jetzt den genauen Punkt nicht, aber da steht ja auch der Passus darauf, dass die Abgeordneten beider Kammern dazu aufgerufen sind, mit Bürgerinnen und Vertretern der Gesellschaft aktiven Austausch zu pflegen, um so die Wirkung und mögliche Wirkung ihrer Arbeit, in ihrer Entscheidungsfindung abgleichen zu können. Meiner Erfahrung nach findet das auch immer wieder statt. Das ist ein normaler Prozess, der ist für alle gelebt. Noch einmal: Es geht ja nicht so sehr um den Begriff des Lobbyings, sondern um die Art der Tätigkeit, dieses Interessen nach vorne bringen, Interessen gegenüber Entscheidungsträgerinnen zu kommunizieren. Dem ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy wird das Zitat nachgesagt "Die einfachste Möglichkeit für einen Politiker, sich eine umfassende Meinung zu einem Thema zu bilden, ist, alle beteiligten Lobbyisten zu hören". Weiß ich nicht ob er das wirklich gesagt hat, historisch wird ihm das zugewiesen. Aber meine Erfahrung nach 20 Jahren in dieser Arbeit ist schon so, dass es in der österreichischen Politik von allen Akteuren, das immer sehr stark gepflegt wird und auch offen gesagt wird. Und das gehört ja auch dazu. Dass ich zum Beispiel als Lobbyist für einen meiner Auftraggeber mit einem Abgeordneten spreche, der hört sich das an und sagt nach zehn Minuten "Aber gestern war die Gewerkschaft da, die hat mir ganz was anderes erklärt" oder "Nach Ihnen kommt Greenpeace, ich bin einmal gespannt, was die zu ihrem Thema sagen." Ich finde das immer großartig. Weil das ist eine offene, transparente, agile, dynamische Demokratie und so sollte es sein.
KÖHLER: Wie können sich Hörer nun eigentlich Ihre Arbeit vorstellen? Was machen Sie als Lobbyist?
KÖPPL: Die ist völlig unspektakulär. Und manche würden sagen unpackbar langweilig. Ich finde es großartig. Naja, man beginnt mit der Prozessanalyse und der Akteursanalyse. Wenn es um ein österreichisches Bundesgesetz geht, dann muss man einmal recherchieren oder hat es im Kopf - idealerweise beides: Wie verläuft der Prozess. Das heißt: Wo beginnt eine Entscheidung und wo endet eine Entscheidung. Was ist da in der Verfassung und durch die Geschäftsordnung des Parlaments und ähnliche Gesetzesmaterien vorgeschriebener Weg eines österreichischen Bundesgesetzes. Und dann muss ich herausfinden, wo steht das jetzt gerade. Ist das auf Beamtenebene im Ministerium, ist es in der Koordination der Koalitionsparteien, ist es in der zweiten Lesung im Parlament, ist es einem Ausschuss zugewiesen oder ist gerade das Begutachtungsverfahren. Jetzt bin ich so kurz drüber gegangen. Das macht einen enormen Unterschied. Das zweite ist die Akteursanalyse. Ein Segen ist zum Beispiel immer der Parlamentserver des Parlaments in Österreich, weil dort de facto eigentlich alles auffindbar ist, inklusive Namen von Berichterstattern, Namen von Bereichssprechern, Abgeordneten, die mit einem Thema zu tun haben. Aber natürlich auch in der Hoheitsverwaltung, sprich den Bundesministerien muss ich mir anschauen, welche Personen, sprich welche Akteure sind mit dem Thema befasst.
GASSNER-SPECKMOSER: Und dann?
KÖPPL: Und der dritte Teil ist dann, vor diesem Wissen, dieses Anliegen, dieses Interesse zu argumentieren. Ob das nun ein naturwissenschaftliches Argument ist, ein pharmakologisches, ein medizinisches, ein volkswirtschaftliches, ein betriebswirtschaftliches. Alles ist legitim und legal. Ich muss diejenigen Argumente suchen, von denen ich als Lobbyist überzeugt bin, dass sie die Entscheidungsträger, die analysierten Akteure überzeugen können. Der nächste Step ist, dass ich versuche, mit den relevanten Entscheidungsträgern Kontakt aufzunehmen. Per E-Mail, per Telefon, dass ich um Termine anfrage, Termine bekomme, oder Telefonate bekomme, oder Videokonferenzen bekomme. Entweder bei mir als Berater mit meinem Kunden gemeinsam oder im Namen meines Kunden oder ich bereite das vor für meinen Auftraggeber, das sind unterschiedliche Möglichkeiten. Und in diesem Gespräch, diesem Telefonat, dieser Videokonferenz dann versuche, dieses Anliegen durchzuargumentieren. Mir natürlich auch anhören muss "das glaube ich Ihnen nicht" oder "wo haben Sie diese Daten her?". Das muss alles sehr transparent und sehr valide sein. Und der Schluss ist, dass man eben versucht entlang des Prozesses bis zur finalen Beschlussfassung des Nationalrates, des Bundesrates, das Thema sehr genau verfolgt, immer wieder in Kontakt tritt mit den jeweils relevanten Entscheidungsträgerinnen, versucht das Anliegen zu artikulieren und am Ende dann eine Analyse machen kann. Hat man einen Teil dieses Interesses in die Entscheidungsfindung einbringen können? Oder ist man gescheitert? Oder ist die Entscheidung vielleicht noch nicht final, weil sie vom Bundesrat zurückgeschickt worden ist, oder weil sich der Nationalrat nicht einigen konnte oder ähnliches mehr. Das heißt, ich muss also immer sehr, sehr eng am jeweiligen legistischen Prozess arbeiten. Das ist die Arbeit.
KÖHLER: Welche konkreten Methoden oder Instrumente gibt es im Lobbying nun, mit denen man seine Interessen beim Politiker durchsetzen kann? Wie beeinflusst man?
KÖPPL: Ja, das meiste habe ich aufgezählt. Tut mir leid, es wird nicht spektakulärer. Das ist das eine Set aus persönlichem Gespräch, persönlichem Telefonat. Das zweite Set ist das, was ich kurz angesprochen habe, der Bereich der Kampagnisierung, in dem ich zum Beispiel de facto nicht tätig bin. Andere Verbände, NGOs machen das sehr, sehr stark. Also auch zum Beispiel Briefe an alle Abgeordnete schreiben. Den gleichen Brief an alle Abgeordnete schreiben. Um zu zeigen, vielleicht will man, keine Ahnung, Druck ausüben. Ich finde es etwas komisch, aber weiß, dass es geschieht. Oder alle Ministerinnen inklusive Bundeskanzler anzuschreiben mit dem gleichen Thema, ja. Oder eben Social-Media-Campaigning. Oder Kampagnisierungen mit Protesten auf der Straße, mit Petitionen, mit Unterschriftenlisten. Ich will das nicht geringschätzen. Ich habe vorher gesagt, dass "Form follows Function". Die Art der Instrumente mit denen Lobbying umgesetzt wird, muss immer zum Absender passen. Ein Wirtschaftsunternehmen wird immer trocken, nüchtern, zahlenbasiert arbeiten. Das erwartet man auch. Während eine Umwelt-NGO eher emotional arbeiten wird. Ich kann nicht die gleichen Instrumente für unterschiedliche argumentative Bausteine verwenden. Darum ist das so vielfältig, was stattfindet. Aber manche Akteure machen beides. Verbände, Berufsstandesvertretungen, NGOs – die machen sowohl dieses faktenbasierte, zahlenbasierte, direkte Gespräch, als auch das Kampagnisieren. Wirtschaftsunternehmen und -verbände, und das ist meine Welt eigentlich, verwenden kaum Campaigning, sondern diese versuchen, das direkte Gespräch zu suchen, die direkte Auseinandersetzung, die direkte Diskussion, mit schriftlichen Unterlagen, mit sogenannten Fact-Sheets oder Fakten-Papieren, Argumentarien, Berechnungen, Rechenmodellen etc. Das sind die Instrumente.
GASSNER-SPECKMOSER: All das hört sich ja jetzt sehr sachlich und unspektakulär an. Hörerinnen und Hörer, aber auch wir in der Redaktion, hören aber meist nur von Geldzahlungen und anderen Methoden, wo es um persönliche Bereicherung geht. Gibt es so etwas im Lobbying auch? Gibt es Geldzahlungen? Und ist so etwas überhaupt erlaubt?
KÖPPL: Puh, das sind viele Fragen auf einmal. In meiner Welt findet das nicht statt. Punkt. Wenn man der medialen Berichterstattung folgt, siehe auch Deutschland – Mandatslobbyismus, aktuelle Diskussion –, dann kann ich nicht sagen, dass es nicht stattfindet. Ich kann nur sagen: In meiner Welt, in der ich arbeite, ist das von beiden Seiten ein absolutes No-Go. Also, wenn es um Geschenkannahme oder Bestechungsformen geht, gehören ja immer zwei dazu, einer der es anbietet, einer der es annimmt. Ich habe das noch nicht erlebt. Weder gefragt, noch ein Kunde, der gesagt hat, ich soll das anbieten. Ich würde das auch nie im Leben tun, weil ich das für nicht legal und nicht legitim empfinde. Dass es stattfindet, hört man manchmal in den Medienberichten. Finde ich das gut? Nein. Absolut nicht. Finde ich nicht legal, nicht legitim. Der österreichische Gesetzgeber im Strafgesetzbuch sowieso. Im Lobbyinggesetz, das das Lobbyingregister in Österreich konstituiert, steht ja auch drinnen, dass zum Beispiel Erfolgshonorare bei öffentlichen Aufträgen nichtig sind. Also, wenn die angeboten werden, oder verrechnet werden, dann sind die nichtig. Das heißt, die sind hinfällig. Das heißt, auch da haben wir schon ganz stark diesen Part drinnen "No money in politics".
KÖHLER: Betreiben sie auch Lobbyismus im österreichischen Parlament?
KÖPPL: Also ich betreibe Lobbying wie gesagt nicht in meinem eigenen Interesse, sondern im Interesse meiner Auftraggeber, Unternehmen, Verbände. Für die spreche ich natürlich auch mit Abgeordneten. Mit denjenigen Abgeordneten, die gerade in dem Prozess mit dem relevanten Thema beschäftigt sind. Kenne ich Abgeordnete? Natürlich, weil ich mich mit dem Thema Entscheidungsfindung im Parlamentarismus beruflich fast exklusiv beschäftige und das seit vielen Jahren kenne ich Abgeordnete. Mit manchen hat man mehr Kontakt, mit manchen hat man weniger Kontakt. Aber das gehört natürlich zum Prozess dazu, aber das ist nichts Besonderes.
GASSNER-SPECKMOSER: Mit wem sind Sie "am besten" im Parlament?
KÖPPL: Das spielt erstens keine Rolle, weil ich immer mit unterschiedlichen Personen, je nach Prozess und Thema arbeiten muss. Aber ich könnte es Ihnen nicht beantworten, mit wem ich am besten bin. Gott sei Dank habe ich mit vielen Akteuren aufgrund meiner langjährigen Berufserfahrung eine gute Arbeitsbeziehung. Das muss nicht immer eine gewählte Abgeordnete sein, sondern das kann eine Klubreferentin, Kabinettsreferentin, Spitzenbeamtin, Mitarbeiterin im politischen Prozess, das auf gegenseitiger Wertschätzung beruht. Einzelpersonen kann ich auch vor dem Hintergrund nicht nennen, weil ich es nicht für so relevant erachte, sondern ... Es geht um das Verständnis der Funktionalität, dass manche glauben: Ein Lobbyist kennt drei Abgeordnete sehr gut, ja. Und mit denen findet die Arbeit statt. Und naja, da sind alle Beteiligten furchtbar arm, wenn das als Lobbying verstanden wird. Weil, wenn alle drei Abgeordneten nichts mit meinem Thema zu tun haben, was mache ich dann? Also es geht nicht darum, wen ich wirklich gut kenne, oder am besten kenne. Es geht darum, dass ich den politischen Prozess genau kenne, dass ich meine Argumente gut kann und, dass ich zur richtigen Zeit meine Informationen, Argumente an die richtigen Personen kanalisiere. Darum geht's.
KÖHLER: Hat man dann eigentlich mit allen Parteien etwas zu tun?
KÖPPL: In meinem Berufsverständnis ja.
GASSNER-SPECKMOSER: Damit sind wir schon wieder fast am Ende der heutigen Folge angelangt. Wir haben in dieser Folge gelernt, was Lobbyismus eigentlich ist. Nämlich nichts anderes, als der legitime Versuch, seine Interessen an die Politik heranzutragen und im besten Fall auch durchzusetzen. Sei es als Bürger, als Organisation, als Sozialpartner oder als Firma.
KÖHLER: Und das – abgesehen von einigen schwarzen Schafen, die es in jedem Berufszweig gibt – ganz ohne Schmiergelder, Korruption und russischen Oligarchinnen. Wir hören uns jedenfalls hoffentlich in zwei Wochen wieder. Bis dahin können Sie uns unter podcast@parlament.gv.at ihre Anregungen, Fragen oder Wünsche schreiben.
GASSNER-SPECKMOSER: Das letzte Wort übergeben wir noch einmal Herrn Köppl. Bis zum nächsten Mal. Ciao!
KÖHLER: Tschüss!
GASSNER-SPECKMOSER: Das war jetzt alles etwas theoretisch. Haben Sie zum Schluss vielleicht noch eine griffige Anekdote?
KÖPPL: Ja. Mir ist das wirklich schon passiert, was ich mitunter als Anekdote verwende. Nicht einmal. Bundesamtsgebäude in der Radetzkystraße. Man hat einen Termin im Kabinett eines Ministers mit einem Kabinettsreferenten. Das ist im sechsten Stock. Man drückt unten auf den Liftknopf mit dem Kunden gemeinsam, steigt in den Lift ein, der Lift kommt aus dem Keller. Und die Person, die man eigentlich oben treffen sollte, befindet sich im Lift und sagt "Gut, dass ich Sie hier treffe, ich muss den Termin leider absagen, weil ich muss mit dem Minister irgendwohin fahren. Worum geht’s denn?" Und ich habe jetzt Zeit vom Liftstock 0 bis zum Liftstock 6 mein Argument und meine Beweisführung und meine Begründungen so vorzubringen, dass der sagt "Super danke, vielleicht holen wir den Termin wann anders mal nach" und mit dem Lift fahre ich wieder runter, ohne den politischen Ansprechpartner. Das kommt vor. Und auf sowas muss ich als Lobbyistin, Interessensvertreterin vorbereitet sein. Auch, dass ein Termin, der für eine Stunde angesetzt ist, 20 Minuten später beginnt, aber dafür 15 Minuten früher aufhört. Das ist keine Geringschätzung, das ist der normale Arbeitsprozess in der Politik. Da geht's wahnsinnig dynamisch zu. Und auf das muss ich mich einstellen können. Da gibts halt viele solcher Anekdoten.
GASSNER-SPECKMOSER: Und das schaffen Sie dann auch in dieser Zeit von ...?
KÖPPL: Nicht immer, um ehrlich zu sein. Aber man lernt, man lernt an der Tagesarbeit.