Wie funktioniert ein Untersuchungsausschuss?
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In dieser Folge behandeln wird den Ablauf von Untersuchungsausschüssen.
Dazu unterhalten wir uns mit Stephanie Krisper von den NEOS und Wolfgang Gerstl von der ÖVP, die für ihre Klubs im Ibiza-Untersuchungsausschuss arbeiten bzw. arbeiteten. Sie erklären uns dabei nicht nur, wie ein sogenannter U-Ausschuss funktioniert, sondern auch, was sie für Verbesserungsvorschläge für das Verfahren hätten.
© Parlamentsdirektion/Satzbau/hoerwinkel
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Wolfgang GERSTL: Seit wenigen Minuten ist der Untersuchungsausschuss eingesetzt. Denn es ist wichtig, dass wir diese Vorwürfe, die über das Ibiza-Video und den Vorwurf, dass über Novomatic Postenbesetzungen bei der Casinos-AG erfolgt worden wären, aufgeklärt werden muss.
Diana KÖHLER: Das sagte der ÖVP-Abgeordnete Wolfgang Gerstl bereits Anfang letzten Jahres, als gerade ein Untersuchungsausschuss zur Causa Ibiza gebildet wurde. Dieser ist gerade noch in vollem Gange. Untersuchungsausschüsse gibt es aber nicht erst seit dem Ibiza-Untersuchungsausschuss oder "Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung", wie er genaugenommen heißt. Doch was macht so ein Untersuchungsausschuss eigentlich genau? Wie wird er gebildet? Und was soll das Endergebnis eines solchen Ausschusses sein? Willkommen zu einer neuen Folge "Parlament erklärt". Mein Name ist Diana Köhler.
Tobias GASSNER-SPECKMOSER: Und ich bin Tobias Gassner-Speckmoser. In der heutigen Folge von "Parlament erklärt" versuchen wir, Ihnen das parlamentarische Kontrollinstrument des Untersuchungsausschusses aus Sicht der Abgeordneten näher zu bringen. Und wir sehen uns kurz ein konkretes Beispiel an: Den Ibiza-Untersuchungsausschuss.
***** JINGLE *****
KÖHLER: Wir haben dazu zwei derzeit prominente Ausschussmitglieder befragt. Stephanie Krisper, die für die NEOS im Ibiza-Untersuchungsausschuss tätig ist und Wolfgang Gerstl, der die ÖVP vertritt.
GASSNER-SPECKMOSER: Frau Krisper, Herr Gerstl, möchten Sie sich unseren Hörerinnen und Hörern zunächst vielleicht kurz vorstellen?
Stephanie KRISPER: Mein Name ist Stephanie Krisper, ich bin für die NEOS seit der letzten Legislaturperiode als Abgeordnete im Nationalrat tätig, bin gelernte Juristin und Menschenrechtlerin und habe in diesem Bereich davor viele Jahre gearbeitet.
GERSTL: Ich bin Wolfgang Gerstl, ich bin Jurist und bin seit knapp zehn Jahren im Nationalrat, bin Verfassungssprecher in meiner Partei – also, das Recht liegt mir irgendwie im Blut.
KÖHLER: Klären wir vielleicht einmal die Basics: Wie definiert sich ein Untersuchungsausschuss?
KRISPER: Ein Untersuchungsausschuss ist ein Kontrollinstrument des Parlaments, das heißt, wo wir als Gesetzgeber kontrollierend tätig werden. Und das gegenüber dem Verhalten der Regierung, also der Frage, wie die Exekutive gehandelt hat.
GERSTL: Es gibt zwei Möglichkeiten einen Untersuchungsausschuss zu bilden: Entweder die Mehrheit verlangt einen Untersuchungsausschuss, oder die Minderheit. In beiden Fällen muss ein konkreter Untersuchungsgegenstand festgelegt werden, das bedeutet, einen abgeschlossenen Vorgang in der Verwaltung, der geprüft werden muss. Das Besondere am Untersuchungsausschuss ist, dass er medienöffentlich ist, und dass die Auskunftspersonen, die im Untersuchungsausschuss gehört werden, unter Wahrheitspflicht stehen.
GASSNER-SPECKMOSER: Wer entscheidet denn, welche Themen eines Untersuchungsausschusses bedürfen?
KRISPER: Nun, lange Zeit war es so, dass es nur ein Mehrheitsrecht war, einen Untersuchungsausschuss einzurichten. Was aber keinen Sinn macht, weil meistens will man ja die Regierung und den Vollzug durch die Exekutive kontrollieren, und das Interesse hat da meistens die Opposition, was man jetzt auch sieht, weil seit ein paar Jahren haben wir die Möglichkeit, als Minderheitsrecht einen U-Ausschuss einzurichten und die letzten U-Ausschüsse wurden auch deswegen gestartet, weil so ein Minderheitsverlangen gestellt wurde: Der BVT-Untersuchungsausschuss war so einer, und jetzt auch der Ibiza-Untersuchungsausschuss. Deswegen glaube ich, es ist ein großer Gewinn, dass wir jetzt das Minderheitsrecht haben, weil das schließlich die parlamentarische Kontrolle ausmacht, dass auch die Minderheit hier tätig werden kann.
KÖHLER: Wie werden die Mitglieder eines U-Ausschusses ausgewählt?
KRISPER: Jede Partei kann sich überlegen, welche Abgeordneten sie in den Ausschuss schicken will, und wenn die wollen, tun sie das dann. Bei mir hat es sich zum Beispiel beim BVT-Untersuchungsausschuss ergeben, weil ich Sprecherin für innere Angelegenheiten war, also deswegen inhaltlich eh schon fürs BVT zuständig war – demnach ergibt es sich aufgrund der Thematik. Manchmal haben auch Parteien eher die Strategie, dass sie Personen reinschicken, die dann dort auch sehr getreu gewisse Aufträge umsetzen, aber in Wahrheit ist das Logischste eigentlich der inhaltliche Zusammenhang zur Arbeit der Nationalratsabgeordneten sonst.
GASSNER-SPECKMOSER: Kann man denn als Abgeordnete oder Abgeordneter auch die Mitgliedschaft in einem Untersuchungsausschuss ablehnen?
GERSTL: Niemand kann gezwungen werden, in einen Ausschuss zu gehen. Ein Untersuchungsausschuss ist sehr, sehr viel Arbeit. Wir haben derzeit 76.588 Dateien im Ibiza-Untersuchungsausschuss, was wahrscheinlich mehrere hunderttausend Seiten sind. Das ist viel Arbeit – im Schnitt, sage ich, kostet mich der Untersuchungsausschuss alleine rund 30 bis 40 Wochenstunden. Und daneben hat man den Rest der gesamten parlamentarischen Arbeit, für viele andere Ausschüsse und die Wahlkreisbetreuung, die Parteiarbeit und die Betreuung der Wählerinnen und Wähler. Wir haben daher viele Mitglieder im Untersuchungsausschuss, die eher aus dem Osten von Österreich sind, weil die Mandatare, die aus den von Wien weiter entfernteren Teilen kommen, das zeitlich einfach nicht schaffen können, ohne noch die genügende Zeit zu haben, um in ihrem Wahlkreis auch für ihre Wähler da zu sein.
KRISPER: Wichtig ist mir auch, zu sagen, weil oft dieser Vorwurf kommt: Man verdient nicht noch zusätzlich für die Arbeit im Untersuchungsausschuss, sondern die Parteien bekommen ein Budget, weil natürlich sie mit den Unterlagen seriös und effizient, wenn es schon einen Untersuchungsausschuss gibt, arbeiten sollen, und dafür ein paar Mitarbeiter natürlich brauchen. Aber die Abgeordneten verdienen keinen Cent mehr deswegen, sondern haben einfach noch unfassbar viel mehr zusätzliche Arbeit.
KÖHLER: Und wie bereiten Sie sich nun jeweils konkret auf die Arbeit im U-Ausschuss vor?
GERSTL: Viel, viel Aktenstudium. Und danach auch zu versuchen, nach-zu-recherchieren, nachzufragen, was davon stimmt. Manche Dinge versteht man auch nicht gleich, weil man nur einzelne Teile hat – dann muss man das nachrecherchieren, was kann damit gemeint sein. Dann gibt es viele Abstimmungsprozesse innerhalb der eigenen Partei, also auch mit meinen Kollegen, mit denen ich im Ausschuss sitze. Dann habe ich Mitarbeiter, die auch Akten lesen, die sie vorbereiten, mit denen das intensiv durchzudiskutieren. Und als Fraktionsführer ist wichtig, dass ich über alles einen guten Überblick habe. Auch wenn ich nicht selbst alle Fragen im Untersuchungsausschuss stelle, weil wir das da sehr aufteilen, damit alle in der Fraktion auch die Möglichkeit haben, hier Fragen zu stellen, muss ich doch über jeden Einzelnen immer informiert sein, und auch immer darauf achten, dass die Geschäftsordnung eingehalten wird. Das ist sozusagen immer eine sehr intensive Vorbereitungszeit und Nachbereitungszeit, nicht nur für den Ausschuss selbst, sondern auch für die Öffentlichkeitsarbeit. Weil die läuft daneben auch. Es gibt keinen Ausschuss, der so sehr von der Medienöffentlichkeit begleitet wird, wie dieser Ausschuss. Die Medien haben auch immer den Wunsch, dass man zu Beginn jedes Ausschusstages eine Stellungnahme abgibt und auch dazwischen und auch danach. Das heißt, die Medienarbeit neben dem Ausschuss ist auch eine ganz Essenzielle, die eigentlich fast eigens beleuchtet wird.
KRISPER: Ich bekomme, von meinem Team aufbereitet, die wichtigsten Unterlagen, ein Briefing eben über den Lebenslauf und den Hintergrund der jeweiligen Auskunftspersonen, und die eigentliche Arbeit ist dann, sich alles auch selber durchzulesen und sich ein eigenes Bild zu machen, weil nur, wenn man in den Akten wirklich fit ist, kann man auch entsprechend spontan vor Ort Ausreden erkennen, weil man dann weiß: Nein, Moment, auf der Seite vier findet sich doch das und das. Und nur dann ist es wirklich verantwortungsvoll wahrzunehmen, was wir hier an Aufklärungsarbeit leisten sollten. Und dementsprechend ist es viel Aktenstudium und auch viel sprechen und das Gespräch suchen mit Personen, die das System kennen: Sei es, wie im Finanzministerium gearbeitet wird, sei es, die die Personen kennen, die in den Ausschuss geladen sind, um hier ein besseres Bild zu bekommen.
GASSNER-SPECKMOSER: Woher stammen eigentlich denn die Akten, die Sie bekommen?
KRISPER: Wir bekommen einerseits die Akten zum Inhalt des Untersuchungsgegenstandes, also, sollten sie alle bekommen – das ist in dem Fall, weil Glücksspielgesetz zum Beispiel ein Thema ist, aus dem Finanzministerium beispielsweise Glücksspielgesetzgebung oder -planung von dieser unter Türkis-Blau. Wir bekommen aber auch dann über die Strafverfahren, die mit einem Schwerpunkt zum Untersuchungsgegenstand geführt werden, nämlich zum Beispiel Korruption genau in dem Bereich "Postenbesetzungen in staatsnahen Betrieben" – dazu bekommen wir auch die Akten. Und deswegen können wir eigentlich, begleitend zu den strafrechtlichen Ermittlungen, hier im Untersuchungsausschuss auch tätig sein.
KÖHLER: Manche Akten sind so klassifiziert, dass sie nicht mit der Öffentlichkeit besprochen werden dürfen. Warum ist das so?
KRISPER: Die Klassifizierung wird von der liefernden Stelle vorgenommen, also insbesondere von den Ministerien. Wichtig sind uns immer die Persönlichkeitsrechte – das heißt, wenn deswegen hoch klassifiziert wird, verstehen wir es völlig. Aber sonst gibt es kaum Gründe, warum ein Dokument nicht so klassifiziert wird, dass wir medienöffentlich darüber reden können und ohne medienöffentlicher Debatte über ein Schriftstück dringt ja das Ganze nicht nach außen und wird auch nicht bekannt und dadurch nicht diskutiert. Dementsprechend kämpfen wir immer darum, dass, bei zu hoher Klassifizierung, das geändert wird und wir so viel wie möglich medienöffentlich diskutieren können. Wenn wir dann meinen, es ist zu hoch, dann kann man sich bei dem Vorsitzenden und Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka ersuchend hinwenden, dass er eine niedrigere Klassifizierung beim Ministerium einmahnt. Wird diese vorgenommen, sind wir zufrieden, wird diese nicht vorgenommen, haben wir keinen Rechtsweg mehr irgendwohin. Das heißt: Ist einmal zu hoch klassifiziert, und das Ministerium ändert das nicht, ist es für uns schwierig.
GERSTL: Wie ein Akt klassifiziert ist, also welcher Geheimhaltungsstufe er unterliegt, das entscheidet die liefernde Behörde. Also ein Ministerium oder das Bundesland Wien oder die Wirtschaftskammer oder die Österreichische Gesundheitskasse. Und die liefert das in der Vertraulichkeitsstufe, wie sie selbst diesen Akt behandelt, und in der Weise wird es uns übermittelt. Stufe eins heißt, es ist medienöffentlich, es darf das Dokument vorgelegt werden im Untersuchungsausschuss, und wenn es vorgelegt wird, kann es danach zum Endbericht gegeben werden und kann damit veröffentlich werden oder wird damit automatisch veröffentlicht. Alles was in Stufe zwei, drei oder vier ist, also es gibt insgesamt vier Stufen, darf dann nicht medienöffentlich, auch nicht die Öffentlichkeit erreichen – wir hatten zum Beispiel dieses berühmte Ibiza-Video in Stufe vier, das heißt, wenn hier ein Abgeordneter etwas veröffentlicht, dann kann er mit bis zu drei Jahren Haft belegt werden. Wenn es in Stufe eins veröffentlicht wird, kann dem Abgeordneten nichts passieren. Daher ist das Ziel der Opposition, alles in Stufe Eins zu haben, damit alles auch veröffentlicht werden kann. Wenn Sie etwas veröffentlichen, dann muss es in seiner Gesamtheit veröffentlicht werden. Und dazu fehlen sehr oft den Tageszeitungen, oder den Medien auch die entsprechenden Plätze. Und nachdem viele Leute auch nur mehr ganz wenig lesen, lesen sie nur eine Überschrift, und dann entsteht oft ein falscher Touch. Meines Erachtens nach muss man in vielen Dingen schauen, dass man viel, viel mehr in der Gesamtsache informieren kann und das auch nicht immer mit einer Schlagseite von Haus aus belegt, sondern einmal hinterfragt, was ist die Zielsetzung, und sich erst mit diesen Dingen auseinanderzusetzen und danach erst ein Urteil zu bilden, wenn ich mich intensiv beschäftigt habe. Aber ich kann nicht von jedem Menschen in Österreich erwarten, dass er sich intensiv mit so vielen Detailfällen beschäftigt und dann ist man oft auf den Spin angewiesen, der manche Dinge kaputt machen kann. Und da geht es halt dann um die Verhältnismäßigkeit, ja.
GASSNER-SPECKMOSER: Was ist das eigentliche Ziel eines U-Ausschusses?
GERSTL: Ein Bericht an den Nationalrat, der im Plenum des Nationalrates dann auch diskutiert wird. Und das Ziel ist dabei, dass man Verbesserungsvorschläge für die Verwaltung, für die Abläufe in der Verwaltung, für die Gestaltung der Politikfelder in einer Regierung auch für die Zukunft gewinnt.
KRISPER: In Wahrheit geht es immer darum, aufzuklären, ob der Missstand, den man sorgenvoll angenommen hat, vermutet hat, auch so bestanden hat. Man kommt aber auch punktuell auf Ergebnisse, wo man sagt, da kann man in ganz anderen Bereichen etwas verbessern, und für uns ist klar, dass man an einen Untersuchungsausschuss immer Reformen knüpfen kann – so, wie jetzt sich Gott sei Dank im Regierungsprogramm wiederfindet, dass man im BVT, leider nicht im ganzen BMI – Innenministerium – aber im BVT, sich für objektivere Auswahlverfahren einsetzt, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und daher sollte man, immer nach einem Ausschuss, denke ich, in Reformdiskussionen kommen, wir haben immer, und auch die anderen Parteien der jeweiligen Opposition, Berichte am Ende des Ausschusses, die auch Reformvorschläge umfassen, und wir formen daraus auch immer Anträge fürs Parlament, um hier konkret in Diskussionen einzutreten.
KÖHLER: Mit einem Untersuchungsausschuss geht allerdings auch oft eine strafrechtliche Verfolgung einher?
KRISPER: Genau, es wird parallel strafrechtlich ermittelt – es gab ja auch ausreichend viele Hausdurchsuchungen. Das Problem, wenn man parallel zu einem Strafverfahren einen Untersuchungsausschuss führt ist, dass man oft Beschuldigte als Auskunftspersonen hat. Das muss aber nicht unbedingt ein Problem sein. Wir haben im BVT-Untersuchungsausschuss oft erlebt, dass die Beschuldigten dennoch ihre Befragung im U-Ausschuss dafür nutzen, entlastend auszusagen, weil sie sich eben nicht der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen, wenn sie antworten.
GERSTL: Das Strafverfahren untersucht, ob es ein strafbares Verhalten einzelner Menschen oder auch Institutionen gegeben hat, und ein Untersuchungsausschuss im Parlament kontrolliert die politische Verantwortung einer Regierung und hat zum Ziel, Verbesserungsabläufe für die Regierung zu finden.
GASSNER-SPECKMOSER: Was wird im Ibiza-U-Ausschuss denn genau besprochen?
KRISPER: Aufgrund der Aussagen von H.C. Strache – insbesondere – auf Ibiza, erachteten wir es als wichtig, uns als Untersuchungsgegenstand anzusehen, ob die türkis-blaue Regierung käuflich war. Wo aber noch dazu kam: Die Frage der politischen Einflussnahme auf die Ermittlungen, was jetzt auch ein großes Thema ist – und ich erinnere nur jetzt an die Suspendierung von Pilnacek und die neuesten Entwicklungen. Dementsprechend wichtig ist uns auch dieses Thema, das rechtsstaatlich von Bedeutung ist, nämlich: Wird in Österreich auch effizient und ergebnisoffen ermittelt, wenn es um politiknahe Personen geht, die hier in den Fokus geraten.
GERSTL: Der Ibiza-Untersuchungsausschuss soll die Aussagen von Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus auf Ibiza auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Der Obertitel, den die Opposition dafür gewählt hat, ist die "Käuflichkeit der türkis-blauen Bundsregierung" also, ob es für Spenden, also, dafür Gesetze gab.
KÖHLER: Was macht den Ibiza-Untersuchungsausschuss so besonders?
GERSTL: Ja, das Besondere des Ibiza-Untersuchungsausschusses ist, dass erstmalig eine gesamte Legislaturperiode einer Regierung untersucht wird, und, dass es nicht mehr diesen abgeschlossenen Vorgang in der Verwaltung gibt, der eigentlich vorgesehen ist für einen Untersuchungsausschuss. Warum ist das so? Leider hat der Verfassungsgerichtshof für diesen Untersuchungsausschuss Entscheidungen getroffen, die von der Politik nicht mehr beeinflussbar sind. Daher ist dieser U-Ausschuss auch schon so viel anders als vorige Untersuchungsausschüsse, weil der Verfassungsgerichtshof entschieden hat, alles, was auch nur Abstrakt mit dem Untersuchungsgegenstand zu tun haben kann, ist dem Untersuchungsausschuss zu übermitteln und darf das Licht der Öffentlichkeit somit auch erblicken. Und das sind dann Dinge, die nichts mit ungebührlichen Vorteilen, die nichts mit Malversationen oder Ähnlichem zu tun haben, wo es viel um die Gefühle von Menschen geht, die sich untereinander unterhalten, Regierungsmitglieder, zum Beispiel Beamte oder ähnlichem. Und die dazu führen, dass wahrscheinlich viele Menschen sich jetzt genauer überlegen, was sie überhaupt irgendwo noch einmal schriftlich festhalten.
Also ich weiß nicht ob der U-Ausschuss dieses Ziel erreicht, dass alles transparent wird, weil es könnte auch dazu führen, dass weniger notiert wird in Zukunft. Weniger geschrieben wird. Sicherlich wird es diese SMS-Nachrichten in Zukunft glaube ich nicht mehr geben. Jeder muss heute jetzt in Österreich Angst haben, dass seine Chats zu auch privaten Dingen, wenn sie nur Abstrakt irgendwas mit einem Untersuchungsgegenstand zu tun haben, das Licht der Öffentlichkeit erblicken, und das will einfach niemand.KRISPER: Ich denke, dass der Ibiza-Untersuchungsausschuss sich von anderen unterscheidet, weil er in seinem Untersuchungsgegenstand sich auf Personen fokussiert, die noch immer in höchsten Ämtern sind. Und daher rührt wahrscheinlich auch die teilweise sehr emotionale öffentliche Debatte.
GASSNER-SPECKMOSER: Kann man als Mitglied eines U-Ausschusses etwas falsch machen?
KRISPER: Was man falsch machen kann und worüber wir oft diskutieren, weil das in der Nuance Auslegungssache ist, sassä man unzulässige Fragen stellt, weil sich die Frage nicht auf den Untersuchungsgegenstand oder den Untersuchungszeitraum beschränkt. Und das ist im Ibiza-Untersuchungsausschuss oft Diskussion, weil wir da der Frage von Nepotismus nachgehen, von Freunderlwirtschaft, und Personen zum Beispiel dann sagen, sie seien mit einer anderen befreundet, und deswegen wäre die Frage privat, und das ist aber genau das Problem bei dem Thema, dass eben Personen nicht mehr Beruf und enge Beziehungen voneinander getrennt haben, unserer Meinung nach. Und da sehe ich das manchmal anders als der Verfahrensrichter, was die Zulässigkeit betrifft. Dann gibt es auch manchmal Diskussionen wegen der Qualität der Frage, wo gemeint wird, sie sei unterstellend, auch wenn man auf Akten Bezug nimmt. Das erachte ich dann auch als schwierig. Aber an sich bin ich völlig der Meinung, dass man hier nicht ohne Beweislage jemandem anderen einen Vorhalt machen sollte. Wiederum, wenn man in der Frage zu generell ist, um keinen konkreten Vorhalt zu machen, ist es oft dann zu abstrakt, dann wird man konkret, und dann ist es wieder eine Unterstellung.
GERSTL: Ich glaube nur, das Wichtige ist, dass man die Persönlichkeitsrechte der einzelnen Personen auch immer beachtet. Also, es darf nicht so weit gehen, dass man unter Missachtung des Schutzes des Einzelnen, nur zum Vorteil der eigenen Partei, Fragen stellt, Dinge veröffentlicht, Geschichten erzählt, die nicht dazu passen. Das ist auch ein Menschenrecht, dass wir alle in Österreich fair behandelt werden und was man im Untersuchungsausschuss falsch machen kann ist, dass man eine gewisse Fairness vielleicht unterlässt.
KÖHLER: Es gibt immer wieder auch Reformen, was die Mechaniken und Regeln eines U-Ausschusses betrifft. Das Recht einer Minderheit im Parlament, einen Untersuchungsausschuss einzuberufen, gibt es in Österreich erst seit 2015. Würden Sie heute etwas an der Art ändern, wie U-Ausschüsse vom Parlament gehandhabt werden, wenn Sie könnten?
GERSTL: Es gab immer eine gewisse Portion Misstrauen gegenüber der Mehrheit, daher ist ein Minderheitsrecht immer etwas Gutes, damit dieses Misstrauen abgebaut werden kann. Es kann aber auch überzogen werden, wenn dieses Minderheitsrecht einfach dazu führt, dass man einfach immer einen Untersuchungsausschuss einsetzt. Und ich traue mich jetzt mit Ihnen zu wetten, dass, wenn dieser Untersuchungsausschuss vorbei ist, der nächste Untersuchungsausschuss sofort einberufen wird, weil es auch das höchste Aufmerksamkeitsmittel der Opposition ist. Und wenn die Opposition in der Öffentlichkeit vorkommen will, braucht sie dafür auch Instrumente. Das wichtigste Instrument für die Opposition ist der Untersuchungsausschuss. Der Untersuchungsausschuss gibt der Opposition die größte Aufmerksamkeit. Darin liegt natürlich eine gewisse Gefahr, ich habe Verständnis, dass die Opposition auch Öffentlichkeitsarbeit machen möchte, aber wenn der Untersuchungsausschuss in dem Sinne missbraucht wird, für die eigene Öffentlichkeitsarbeit, dann entspricht das nicht dem Ziel des Untersuchungsausschusses, nämlich die Überprüfung der Verwaltung oder des abgeschlossenen Vorganges der Verwaltung von Seiten einer Regierung. Ja, und wie man das Spannungsfeld auflösen kann, dafür habe ich jetzt noch keine Antwort.
KRISPER: Also ich denke, das Minderheitsrecht auf Einsetzen eines Untersuchungsausschusses ist wunderbar und ganz, ganz wichtig. Die Aktenlieferung lässt oft zu wünschen übrig, da denke ich, könnte man überlegen, wie man das in Zukunft verbessert, indem man die Pflicht klarer macht, vielleicht gesetzlich, hier nicht zu löschen, ich weiß nicht, was es hier braucht. Wichtig fände ich, und das fordern wir jetzt schon seit Monaten, dass die Untersuchungsausschüsse veröffentlicht werden. Ich sage veröffentlicht, und nicht öffentlich, weil ich denke, dass es für den Schutz der Persönlichkeitsrechte gut wäre, wenn eine Befragung ein bisschen zeitversetzt öffentlich wird, weil dann kann man zum Beispiel, wenn eine Person Namen nennt, die nichts in der Öffentlichkeit verloren haben, von Personen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, dass man die noch Überpiepen kann. Aber an sich, das hier – zumindest als ersten Schritt – sich Regierungsmitglieder oder Ex-Regierungsmitglieder von allen Ebenen hier in einer veröffentlichten Sitzung einem Untersuchungsausschuss stellen müssen. Es sind ja wir Steuerzahlerinnen und -steuerzahler, die auch den Untersuchungsausschuss finanzieren, und ich bin mir dessen immer bewusst. Und umso wichtiger fände ich, dass er öffentlich stattfinden kann, weil jede Bürgerin und jeder Bürger sich verdient hat, sich das auch ansehen zu können und sich selber ein Bild zu machen, wie sich Auskunftspersonen verhalten, wie sich die Abgeordneten verhalten, weil ich glaube, das würde auch sehr viel mehr die Diskussion versachlichen, wie der Untersuchungsausschuss abläuft, weil da gibt es wirklich die absurdesten Gerüchte.
GASSNER-SPECKMOSER: Damit sind wir nun leider wieder am Ende unserer heutigen Folge angelangt! Wir hoffen, Sie konnten aus dieser Folge einiges mitnehmen, um die Mechaniken eines Untersuchungsausschusses besser zu verstehen. Der Vollständigkeit halber, wollen wir noch einen kleinen Hinweis zum Schluss geben. Die Interviews wurden bereits Ende März aufgenommen. Damals war Wolfgang Gerstl noch Fraktionsführer der ÖVP im Untersuchungsausschuss. Dieser wurde mittlerweile aber abgelöst von Andreas Hanger. Stefanie Krisper ist zum Veröffentlichungszeitpunkt dieses Podcasts nach wie vor Fraktionsführerin der NEOS. Das war es aber nun für heute.
KÖHLER: Wir, liebe Hörerinnen, liebe Hörer, hören uns in zwei Wochen wieder. Bis dahin können Sie uns wie immer unter podcast@parlament.gv.at Ihre Anregungen, Fragen oder Wünsche mitteilen.
GASSNER-SPECKMOSER: Vielen Dank für Ihr Zuhören! Ciao!
KÖHLER: Tschüss!