Wie startet man ein Volksbegehren?
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In dieser Folge der Podcast-Reihe von „Parlament erklärt“ wird beschrieben, welche Schritte notwendig sind, um ein Volksbegehren einzuleiten und erfolgreich durchzuführen.
Dazu unterhalten wir uns mit Hans-Peter Petutschnig, einem der Mit-Initiatoren des „Don't Smoke“-Volksbegehrens. Petutschnik arbeitet in der Pressestelle der Ärztekammer Wien, die gemeinsam mit der Österreichischen Krebshilfe die Organisation und Koordination für dieses letztendlich erfolgreiche Volksbegehren übernahm. Von der Einbringung des Volksbegehrens, der Erlangung der notwendigen Anzahl an Unterstützungserklärungen bis hin zur Debatte im Ausschuss berichtet Petutschnig über seine Erfahrungen im Laufe des parlamentarischen Prozesses.
© Parlamentsdirektion/Satzbau/hoerwinkel
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Transkription
Hans-Peter PETUTSCHNIG: Ich gebe zu, ganz zum Schluss war ich persönlich ein bisschen enttäuscht, dass wir dann doch nicht die Million erreicht haben. Realpolitisch haben wir aber gewusst, egal ob wir jetzt eine Million oder 950.000 oder 850.000 haben, wenn die damals beiden entscheidenden Parteien nicht ihre Meinung ändern, werden wir auch bei 1,5 Millionen nichts erreichen, und das Volksbegehren wird in der Schublade verschwinden.
Diana KÖHLER: Das Volksbegehren ist eine von vielen Möglichkeiten, sich als Bürger, als Bürgerin aktiv in den Gesetzgebungsprozess einzubringen.
Tobias GASSNER-SPECKMOSER: Hat man mehr als 100.000 Unterschriften für sein Begehr gesammelt, muss es im Nationalrat behandelt werden. Wer aber glaubt, dass es damit getan ist, liegt daneben. Behandeln heißt noch lange nicht beschließen.
KÖHLER: Und damit herzlich Willkommen zu einer neuen Folge von Parlament erklärt. Mein Name ist Diana Köhler.
GASSNER-SPECKMOSER: Und ich bin Tobias Gassner-Speckmoser. Heute widmen wir uns der Frage, wie dieses Beteiligungsinstrument "Volksbegehren" in der Praxis funktioniert. Was braucht es, um eines in die Wege zu leiten? Wie schafft man es, dass dann tatsächlich Menschen unterschreiben? Und was passiert, nachdem man die 100.000 Unterschriften gesammelt hat?
KÖHLER: All das haben wir heute jemanden gefragt, der selbst ein Volksbegehren initiiert hat. Hans-Peter Petutschnig von der Ärztekammer Wien war 2018 an vorderster Front beim "Don’t Smoke"-Volksbegehren.
GASSNER-SPECKMOSER: Das sagt Ihnen nur noch dunkel etwas? Kein Problem, wir klären Sie gleich noch einmal auf! Viel Spaß mit dieser Folge von Parlament erklärt.
***** JINGLE *****
PETUTSCHNIG: Mein Name ist Hans-Peter Petutschnig. Ich bin seit nunmehr mehr als 30 Jahren in der Pressestelle der Ärztekammer Wien tätig, betreue jetzt auch die Presseagenden der österreichischen Ärztekammer teilweise mit. Seit ungefähr zehn Jahren leite ich die Pressestelle der Wiener Ärztekammer, und die Wiener Ärztekammer war ja eine der beiden InitiatorInnen des Volksbegehrens "Don't Smoke", und gemeinsam mit der österreichischen Krebshilfe habe ich sehr intensiv mit meinen Kolleginnen und Kollegen in der Abteilung an diesem Volksbegehren gearbeitet.
KÖHLER: Hier möchten wir beide uns noch einmal kurz einschalten und die allgemeine Lage von damals erklären. Diese ist nämlich etwas verwirrend.
GASSNER-SPECKMOSER: Die Geschichte beginnt schon im Jahr 2015, als noch die SPÖ-ÖVP-Regierung ein Gesetz zum allgemeinen Rauchverbot in der Gastronomie beschließt. Die Frist zur Umsetzung dieses Gesetzes ist aber äußerst lange.
KÖHLER: Die darauffolgende ÖVP-FPÖ-Regierung ist mit dem Gesetz dann nicht mehr glücklich und macht es kurzerhand wieder rückgängig. Die Wiener Ärztekammer leitet daraufhin ein Volksbegehren ein, um das Rückgängigmachen sozusagen wieder rückgängig zu machen. Mit dem "Don't Smoke"-Volksbegehren soll nun das allgemeine Rauchverbot in der Gastronomie kommen.
GASSNER-SPECKMOSER: Wie es dann weitergegangen ist, das hören Sie jetzt aber von Herrn Petutschnig.
KÖHLER: Vielleicht ganz zum Anfang: Was ist überhaupt ein Volksbegehren?
PETUTSCHNIG: Ein Volksbegehren ist aus meiner Sicht, aus unserer Sicht, die Möglichkeit, wichtige politische Anliegen, die in der politischen Landschaft noch nicht so durchgebracht werden, noch nicht so im Fokus stehen oder in eine falsche Richtung gehen, mit Hilfe eines Volksentscheides – das ist der falsche Ausdruck, weil das Volk entscheidet ja nicht –, aber mit Hilfe einer Willenskundgebung seitens der Bevölkerung, wenn sie so wollen auch der Wählerinnen und Wähler, hier Akzente in der Politik zu setzen. Wir waren beim Volksbegehren "Don't Smoke", bevor wir es noch gestartet haben und eingebracht haben, der Meinung, dass die Entwicklung in Bezug auf Präventionsmaßnahmen im Gesundheitsbereich in Österreich speziell im Bereich Nikotin und Nikotinmissbrauch und hier vor allem Rauchen in der Gastronomie, wo europäische Länder schon lange Vorbilder für uns sind und wir nachhinken, wir waren hier der Meinung, dass die politische Konstellation keine Verbesserungen mit sich bringen wird, und dadurch haben wir uns entschlossen, mit Hilfe der Unterstützung der Bevölkerung sozusagen das Thema in die Medien zu bringen und den Fokus und das Bewusstsein stärker in die Öffentlichkeit zu rücken.
GASSNER-SPECKMOSER: Damit unsere Hörer das ein wenig besser einschätzen können: Erklären Sie uns doch einmal, wie die politische Lage damals war?
PETUTSCHNIG: Also ich sage einmal, die Grundvoraussetzungen waren, und die Ärztekammer kritisiert das schon seit langem: Wir sind im Bereich der Gesundheitsversorgung, der medizinischen, der Krankenversorgung, sicherlich exzellent aufgestellt. Wir haben in Österreich aber seit Jahren, wenn nicht sogar seit Jahrzehnten, ein ziemliches Problem, was Gesundheitsvorsorge und Prävention betrifft. Das sehen wir in sehr vielen Bereichen, und das ist wie gesagt beim Rauchen auch nicht anders. Viele Länder auch in Europa haben es uns schon vorgemacht und haben uns gezeigt, wie man die Zahlen des Rauchens senken kann, damit man natürlich auch die Erkrankungszahlen deutlich senken kann. Sehr wesentlich ist dabei auch das Thema Passivrauchen, natürlich auch in der Gastronomie. Und viele andere Länder sind da schon vorgeprescht vor zehn, zwölf Jahren und haben absolute Rauchverbote in der Gastronomie eingeführt, und wir wissen auch aufgrund der Daten und der Zahlen anderer europäischer Länder, dass das tatsächlich über lange Sicht zu einem großen Erfolg führt, in Bezug auf geringere Krankheitszahlen in verschiedensten Bereichen. Die spezielle Situation in Österreich war, dass wir endlich quasi aufgeholt haben. Es gab einen Beschluss der früheren SPÖ-ÖVP-Regierung mit einer sehr, sehr langen Frist, die Gastronomie rauchfrei zu stellen. Das heißt, wir haben ja nicht einmal etwas Besonderes erreicht damit, sondern wir sind, um es ein bisschen salopp auszudrücken, nachgehoppelt und haben endlich einmal ein bisschen den Anschluss wieder gesucht. Und dann passiert Folgendes: Wir gehen noch einmal zurück. Das heißt, wir haben es nicht nur nicht geschafft, vor andere Länder zu kommen, sondern wir haben den Vorsprung, den andere Länder uns gegenüber hatten, haben wir wieder erweitert und vergrößert, indem wir sogar einen Schritt zurück gegangen sind, da die neue Regierung, damals neue Regierung ÖVP-FPÖ das wieder ausgesetzt hat. Und das war eigentlich der Anlassfall, dass wir gesagt haben, das kann's ja überhaupt nicht sein, und so kamen die ersten Gedanken eines Volksbegehrens.
KÖHLER: Gehen wir jetzt einmal diesen Prozess, ein Volksbegehren zu initiieren durch. Starten wir von vorne: Wo beginnt ein Volksbegehren? Was muss ganz am Anfang passieren?
PETUTSCHNIG: Als erstes einmal muss ein Beschluss dazu innerhalb der Institution oder der Person oder der Personengruppe, die das macht, fallen. Das war bei uns insofern eine recht interessante Geschichte, und die ist glaube ich auch nicht sehr bekannt, auch wenn sie nicht inoffiziell ist, dass wir tatsächlich dann gemeinsam mit der Krebshilfe ein Volksbegehren gestartet haben, das dann letztendlich, glaub ich, auch erfolgreich war, war eigentlich vielen Journalisten geschuldet. Die Situation war so, dass wir kurz vor Weihnachten 2017 uns entschlossen haben, Akzente im Bereich Nichtraucherschutz zu setzen und haben mediale Punkte gesetzt. Wir haben eine Presseaussendung gemacht, haben, glaube ich, eine kurze Videobotschaft über Social Media ausgesendet, und das Interesse war damals sehr groß von vielen Medien. Wir wurden gefragt, wenn unsere Appelle verhallen, was wir uns denn dann noch vorstellen könnten. Wir haben das übliche Prozedere vorgebracht, wie wenn sie die Medienarbeit machen, vielleicht schalten wir auch einmal etwas, vielleicht verteilen wir Broschüren in Ordinationen. Und dann kam irgendwann einmal der Satz von einem Vizepräsidenten von uns damals, der erstens gesagt hat: "Und wenn überhaupt nichts hilft, könnten wir uns sogar ein Volksbegehren vorstellen." Da gab es überhaupt keinen Finanzierungsbeschluss, nicht einmal den Beschluss, etwas zu bewegen innerhalb der Ärztekammer. Das war halt im Rahmen der normalen politischen Tätigkeit eines Spitzenfunktionärs von uns halt eine Variante, die er auch in den Raum gestellt hat. Das war kurz vor Weihnachten. Dann kam der 24., 25. und 26., und ich bin dann vor Silvester von einzelnen Medien österreichweit angefragt worden, wie das denn nun sei mit dem Volksbegehren. Und ich habe mir zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht vorstellen können und geglaubt, dass wir wirklich ein Volksbegehren starten würden. Weil das natürlich, egal in welcher Größenordnung man das aufsetzt, logistische und finanzielle Herausforderungen mit sich bringt, die enorm sind. Und hab halt einfach nur ein bisschen vertröstet: Nein, wir haben noch keinen Beschluss, jetzt ist Weihnachtszeit, und das dauert noch und so weiter. Ich bin eigentlich eher davon ausgegangen, dass das verenden wird und das war’s dann halt. Und dann sind die Fragen aber gleich am 2. Jänner wieder gekommen, etwas dringender, und dann habe ich aus PR-Sicht, ich bin ja für die Presseabteilung der Ärztekammer verantwortlich, hatte ich schon ein bisschen das Problem, dass ich jetzt nach außen einmal etwas sagen muss. Ich kann nicht immer sagen, wir überlegen, weil das klingt nicht sehr gut, wenn eine Standesvertretung immer nur überlegt und nicht handelt. Und dann habe ich halt meinem Präsidium, also dem Präsidenten und den Vizepräsidenten und auch dem Finanzreferenten gesagt: Ihr könnt ruhig sagen, wir machen das jetzt nicht, weil wir schaffen das logistisch nicht, oder wir suchen noch andere Wege. Aber wir müssen jetzt einmal eine Entscheidung treffen. Und diese Entscheidung ist dann tatsächlich gefallen. Am 5., also unmittelbar nach meinem Anruf gab es ein außerordentliches Präsidium, ich glaube, das war am 5. Jänner 2018, und dann ist auf einmal die Entscheidung gefallen: Ja, wir machen das Volksbegehren. Mit einer Auflage: Ich muss versuchen, die Österreichische Krebshilfe dazuzubringen. Aus mehreren Gründen. Einerseits einmal, weil die Krebshilfe als NGO einen unzweifelhaften Ruf hat – jetzt hat die Ärztekammer hoffentlich auch keinen so schlechten Ruf –, aber natürlich sind wir auch eine politische Organisation, das ist gar keine Frage, und wir wollten gerade bei diesem Volksbegehren, vielleicht kommen wir noch dazu, unbedingt, auch wenn es ein gesundheitspolitisches Thema ist, die Tagespolitik und vor allem die Parteipolitik komplett aus dem Thema heraushalten. Wir wussten natürlich, dass die Parteien das mit großem Interesse verfolgen, und natürlich auch dann im Laufe des gesamten Volksbegehrens das thematisch auch besetzt haben in der ein oder anderen Richtung. Aber wir wollten als Initiatoren immer die Patientinnen und Patienten und die Gesundheitspolitik und den medizinischen Benefit in den Vordergrund rücken. Deswegen war uns die Krebshilfe so wichtig. Dann natürlich auch, weil, eben so wie wir, die Österreichische Krebshilfe speziell zu den Menschen, zu den Patientinnen und Patienten einen stärkeren Zugang hat über Social Media, über ihre Kanäle, und wir haben gedacht, okay, zu zweit können wir so was Großes stemmen. Wir waren damals aber noch sehr unsicher. Ich habe noch gute persönliche Kontakte zum Präsidenten, zum Paul Sevelda, zum Präsidenten der Krebshilfe, auch durch meine Kontakte, wir kennen uns auch schon sehr lange persönlich. Das war, denke ich, auch innerhalb der Krebshilfe ein sehr kurzer Entscheidungsprozess. Ich glaub, das waren ein paar Tage. Wir haben die Eckpunkte abgesteckt, unter anderem wie wir quasi als gemeinsame Partner, oder in dem Fall Partnerinnen, vorgehen, wie wir uns abstimmen, damit es im Laufe dieses Prozesses, so ein Volksbegehren ist ein sehr, sehr intensiver, langer Prozess, das ist fast ein bisschen so wie eine sehr, sehr intensive, lange, 50-jährige Ehe, wenn man ein Jahr gemeinsam so ein Volksbegehren durchzieht. Die haben wir dann relativ rasch abgesteckt. Wir haben dann auch geklärt, dass die Ärztekammer die Finanzierung übernehmen wird. Das war durch eine Beschlusslage bei uns möglich, und dann konnten wir eigentlich sehr, sehr bald verkünden in einer Pressekonferenz, dass wir das Volksbegehren machen werden, und haben das dann auch sehr rasch eingeleitet.
GASSNER-SPECKMOSER: Nach dem Entschluss, ein Volksbegehren starten zu wollen, gibt es ja einige Vorgaben, die nun erfüllt werden müssen. Was haben Sie tun müssen, damit Sie ein Volksbegehren überhaupt starten dürfen? Wie läuft so eine Einleitung, wie sie korrekt heißt, eigentlich ab?
PETUTSCHNIG: Also, die Anmeldung ist grundsätzlich relativ einfach. Man muss dem Innenministerium das Volksbegehren melden. Es wird dann dort geprüft, ob die Formulierungen verfassungskonform sind, juristisch in Ordnung sind. Ja, und dann ging's eigentlich nur mehr darum, die Proponenten zu nehmen. Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir damals fünf Proponenten gehabt, die sozusagen offiziell für dieses Volksbegehren zuständig sind, damit, wenn Sie so wollen, auch die Verantwortung darüber haben, die auch für die Behörde die Ansprechpersonen sind, die zu verständigen sind über die einzelnen Schritte. Und der Prozess ist dann ein relativ einfacher. Man braucht eine bestimmte Anzahl an Unterstützungen, um das Volksbegehren tatsächlich einleiten zu können. Das waren da, das hängt ein bisschen mit der Anzahl der dann aktuellen Wählerinnen und Wähler oder Wahlberechtigten zusammen, das waren damals ungefähr 8.400, 8.500 notwendige Unterschriften. Ich kann mich noch gut erinnern, wie Präsident Szekeres in einem langen Gespräch mir gesagt hat: Ja, das werden wir ja hoffentlich schon schaffen, weil das wäre ja sehr peinlich. Das war dann sehr nett, wie wir das Volksbegehren gestartet haben, ich glaube, es war der 15. Jänner, ich bin mir jetzt nicht mehr ganz sicher. Ab 0 Uhr konnte man online voten, das war übrigens neu mit unserem Volksbegehren und mit zwei parallel dazu geführten weiteren Volksbegehren. Ansonsten haben die Wahllokale, Bezirksämter, um 8 Uhr geöffnet, und wir hatten eine Pressekonferenz um 9:30 Uhr, und ich konnte bei der Anmoderation der Pressekonferenz mit Sevelda und Szekeres berichten, dass wir bereits über 10.000 Unterschriften haben. Das heißt, wir können jetzt nicht nur sagen, wir kündigen ein Volksbegehren an, sondern wir können schon sagen, das Volksbegehren wird eingeleitet. Ja, und dann, und das ist damals eine neue Situation gewesen, man konnte dann, innerhalb von bestimmten Fristen zwar, aber doch sehr frei wählen, wann die eigentliche Eintragungswoche stattfindet. Diese Eintragungswoche war noch vor Jahren ganz wesentlich, weil man konnte nur in dieser Eintragungswoche wählen. Bei unserem Volksbegehren war es schon so, dass man auch online wählen konnte. Das heißt, wir haben sehr, sehr lange mit der Eintragungswoche im Oktober desselben Jahres gewartet. Warum? Weil wir einfach gesehen haben, dass so viele Österreicherinnen und Österreicher bereits online das Volksbegehren unterschreiben und wir da keine Notwendigkeit gesehen haben, diesen Prozess zu stoppen. Denn wenn man einleitet, dann sind es genau noch acht Tage, also bei uns war es von Montag bis Montag, und dann ist es zu Ende. Und wir haben gesagt: Solange jeden Tag Tausende von Österreicherinnen und Österreichern unterschreiben, und deren Stimme zählt ja dann schon, oder deren Unterschrift, oder Abgabe, solange setzen wir den Prozess fort. Das hat dazu geführt, dass wir uns eigentlich erst bei ca. 600.000 Unterschriften entschlossen haben, da haben wir dann gemerkt, es wird doch ein bisschen weniger, auch medial, dass wir auch gesagt haben: OK, jetzt leiten wir das Volksbegehren ein, also die Woche ein, die Eintragungswoche ein. Ab dem Zeitpunkt wird der Prozess des Onlinevotings gestoppt. Das heißt, wir hatten dann ungefähr acht Wochen, wo nichts war, wo keiner unterschreiben konnte, auch online nicht, und dann kam die eigentliche Eintragungswoche, und da sind wir dann noch einmal auf insgesamt 900.000 Unterschriften gekommen.
KÖHLER: Das heißt, sie haben nun bereits vor der eigentlichen Eintragungswoche 600.000 Unterschriften gesammelt? War das schon immer möglich?
PETUTSCHNIG: Wir haben davor schon 600.000 zusammenbekommen, und die haben dann gezählt. Das war das Wesentliche natürlich, weil sonst hätten wir das nicht so gemacht. Davor war es so, dass man eine Anzahl an Unterstützungsunterschriften benötigt hat, die waren gültig nur für die Einleitung des Prozesses, dann war nichts, dann kam die eine Woche, dann mussten alle wieder neu stimmen. Also auch diese 8.500, oder es könnten auch 20.000 gewesen sein, also diese Unterstützungserklärungen davor, mussten noch einmal abgegeben werden. Weil die haben nur für die Einleitung des Volksbegehren gezählt, nicht aber für die eigentliche Eintragungswoche. Das heißt, jeder Betreiber eines Volksbegehrens hat natürlich in dem Moment, wo er die notwendige Unterstützungszahl gehabt hat, sofort gesagt: Stopp, es bringt ja nichts, dass die Leute noch weiter unterschreiben, weil da laufe ich ja Gefahr, dass möglicherweise Leute glauben, ich hab jetzt schon einmal unterschrieben. Das reicht, ja? Nein, reicht nicht. Man musste in der Eintragungswoche noch einmal hingehen. Das heißt, in den Jahren davor haben natürlich alle InitiatorInnen versucht, so rasch wie möglich, nachdem sie diese Zahl erreicht haben, zu stoppen. Es bringt mit nichts, wenn ich jetzt mehr habe. Ich starte jetzt mit der Eintragungswoche, und dann muss ich alles hineinpulvern, an medialer Aufmerksamkeit, Marketing, an strategischen Überlegungen. Das war bei uns anders. Durch neue gesetzliche Möglichkeiten konnten wir alle diese Stimme mitnehmen, und die haben dann schon gezählt. Nachdem das so gut funktioniert hat, und wir jeden Tag Tausende von Stimmen bekommen haben, haben wir gesagt, na, erst wenn's dann ein bisschen weniger wird und wir merken, die Kurve flacht ab, erst dann leiten wir das eigentliche Volksbegehren ein, beziehungsweise die Eintragungswoche beantragen wir dann, weil man darf halt nicht vergessen, ab dem Zeitpunkt, war dann alles gestoppt. Es gab natürlich schon gewisse Fristen. Ich habe die jetzt nicht mehr ganz genau im Kopf. Also, wir hätten jetzt nicht fünf Jahren lang Stimmen sammeln können. Es gab schon eine gewisse Frist, ab wann man frühestens die Eintragungswoche beantragen kann und ab wann spätestens.
Wenn ich das vielleicht noch dazusagen darf, nur zur Information: Der Innenminister hat dann noch die Möglichkeit, innerhalb einer gewissen Bandbreite tatsächlich die Eintragungswoche anzusetzen. Das heißt, man kann als Initiator eines Volksbegehrens nicht mit 100-prozentiger Sicherheit sagen, genau dann wird die Eintragungswoche sein, da gibt es einen gewissen Ermessensspielraum für den Minister, unter anderem natürlich dann, wenn zum Beispiel mehrere Volksbegehren, wie es auch bei uns war, bei "Don't Smoke" war, parallel gelaufen sind. Dann macht es natürlich aus Kostengründen Sinn, wenn der Minister entscheidet, dass natürlich alle drei Volksbegehren in etwa oder komplett ident zur gleichen Zeit stattfinden, wenn sie in etwa gleich auch beantragt werden.
GASSNER-SPECKMOSER: Was muss in so einem Volksbegehren eigentlich drin stehen? Wie sieht das, was sie beim Innenministerium abgegeben haben, aus?
PETUTSCHNIG: Naja, wie der Name sagt, man muss das Begehr abgeben. Das heißt, es muss klar sein, was man will und welche Forderungen in diesem Volksbegehren aufgestellt werden. Sinnvoll ist es natürlich, wenn die Initiatoren oder wenn Leute, die jetzt planen, ein Volksbegehren zu machen, jetzt nicht zur Wahlbehörde gehen und sagen: Herr Hofrat Stein, informieren sie mich jetzt bitte einmal, was kann ich denn jetzt überhaupt tun. Sondern schon einmal mit einem konkreten Textvorschlag hinkommen, und dieser Textvorschlag wird dann sehr genau von der Behörde durchgesehen, ob er verfassungskonform ist, ob die Forderungen so überhaupt aufgestellt werden können, da gibt es sehr viele juristische Voraussetzungen, die ich jetzt im Detail nicht kenne, auch damals nicht kannte. Ich weiß nur, dass, obwohl auch unser Text von unseren Juristen aufgesetzt wurde, dann doch noch kleine Modifikation stattgefunden haben.
KÖHLER: Wie kann sich das ein Hörer, eine Hörerin eigentlich vorstellen: Wie läuft so eine Anmeldung ab? Ruft man da beim Innenministerium an? Geht man da wo hin? Schickt man eine E-Mail?
PETUTSCHNIG: Das war relativ einfach. Wir haben einen Termin bei der entsprechenden Abteilung des Innenministeriums vereinbart, mit dem von mir zitierten Hofrat Stein, der dieser Behörde vorsteht. Wenn ich jetzt richtig informiert bin, ist das auch jene Behörde, die auch die Wahlen bei uns, die bundesweiten Wahlen, koordiniert und organisiert. Wir haben uns mit ihm abgesprochen, haben uns über die Fristenläufe, die ich jetzt auch nicht mehr so ganz genau im Kopf habe, die ich aber damals sehr genau durchdenken musste mit meinen Kolleginnen und Kollegen, die wurden uns erklärt. Also in dem Sinn, sage ich jetzt einmal, wenn auch Privatpersonen – bei uns standen ja zwei große Institutionen hinter dem Ganzen, ich erinnere mich an das parallel laufende Frauenvolksbegehren. Wir haben enge Kontakte zueinander gehabt, weil wir auch immer wieder ein bisschen von uns beiden gelernt haben. Wir haben uns ausgetauscht. Das waren, glaube ich, soweit ich weiß, vorwiegend jüngere Leute, die einfach aus Enthusiasmus und aus Engagement dieses Begehren gestartet haben. Das heißt, da stand keine große Institution dahinter. Es ist nicht problematisch. Also ich sage jetzt einmal, wenn irgendjemand sagt: Ich möchte ein Volksbegehren starten, und ich möchte mich einfach einmal erkundigen, wie das geht, dann nur bei der, ich denke, der richtige Name ist Wahlbehörde, bei der Wahlbehörde anzurufen. Ich denke auch, dass man sehr rasch bei den dort Leitenden einen Termin bekommt, und kann sich informieren lassen, was sind die rechtlichen Voraussetzungen, wer darf das alles machen. Darf auch ein nicht-österreichischer Staatsbürger dabei sein, weiß ich jetzt zum Beispiel nicht, weil das bei uns kein Thema war, welche finanziellen Voraussetzungen sind zu geben. Der Antrag kostet, ich glaube, um die 800 Euro, aber da bin ich mir jetzt nicht mehr ganz sicher. Wir mussten dann, glaube ich, noch eine Kaution hinterlegen, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, von 5.000 Euro, die man dann aber zum Schluss wieder retour bekommen hat. Also, es gibt da ein paar nicht allzu hohe finanzielle Voraussetzungen. Das wird einem dann aber sehr, sehr gut von der Behörde erklärt, und dann muss man es nur noch tun und den Antrag einreichen.
GASSNER-SPECKMOSER: Nun haben Sie schlussendlich ja mehr als 800.000 Unterschriften gesammelt und es sogar in die Top 10 der meist unterschriebenen Volksbegehren in Österreich geschafft. Können Sie ganz kurz zusammenfassen, wie Sie so viele Menschen erreicht haben?
PETUTSCHNIG: Wir haben einerseits einmal klassische Medienarbeit gemacht, in der Summe 50 bis 60 Aussendungen, Pressekonferenzen regelmäßig, Pressekontakte … Das ging alles von den Pressestellen Österreichische Krebshilfe und Wiener Ärztekammer aus. Darüber hinaus haben wir Drucksorten entwickelt, vorwiegend für die Arztordinationen und haben diese verteilen lassen über die Landesärztekammern. Weiters haben wir versucht, auf Events präsent zu sein. In Wien waren das zum Beispiel der Nightrun, wo wir eigene Teams hatten, die mit Leiberl mit "Don't Smoke", also gebrandet, gelaufen sind. Wir haben Unterstützung durch Sportvereine bekommen, die Austria hat uns zum Beispiel unterstützt, der Wiener Sportklub hat uns unterstützt, der Wiener Eishockeyklub hat uns unterstützt. Und wir haben bei Messen, zum Beispiel bei der Babyexpo, einen eigenen Stand gehabt, wo wir für unser Volksbegehren geworben haben mit den Materialien, die wir gemeinsam mit der Krebshilfe geschaffen haben.
Wenn sie so wollen, war das eigentlich eine Kampagne, wie sie auch bei politischen Wahlen passiert. Wir haben einfach versucht, die Leute zu erreichen.KÖHLER: Das hört sich ja alles nicht gerade recht billig an. Können bzw. dürfen Sie uns verraten, was Sie das "Don't Smoke"-Volksbegehren insgesamt gekostet hat?
PETUTSCHNIG: Das kann ich völlig offen sagen, das ist transparent und steht auch bei uns im Bericht drinnen. Wir oder ich habe für sämtliche Marketingmaßnahmen, also wenn Sie so wollen, für alle Kosten, die von außen hereingetragen werden, Mediakosten, Personalkosten, Druckkosten, Grafikkosten und dergleichen, ein Budget gehabt von insgesamt 700.000 Euro. Wir haben in etwa 650.000 davon verbraucht. Ich habe mir bewusst bis zum Schluss einen Puffer gelassen, falls wir plötzlich irgendwas machen mussten. Wir haben bis auf grafische Zuarbeiten die Pressearbeiten komplett bei uns im Haus gemacht. Durch meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, durch mich. Wir haben praktisch keinen juristischen Support benötigt. Wir haben keinen IT-mäßigen Support benötigt. Das ist natürlich schon ein gewisser Vorteil. Das heißt, wenn ich sage, uns hat das Volksbegehren 650.000 Euro gekostet, oder wir haben das dafür aufgewendet für die österreichweite Bespielung, marketingmäßig und dergleichen, würde ein Controller natürlich sagen, das ist viel zu wenig. Natürlich müsste man unsere Gehälter mit einbeziehen, weil wir haben natürlich in diesem Jahr, mein Team und dann, glaube ich, sechs oder sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, jetzt sehr intensiv, fast ein Jahr daran gearbeitet, nicht ausschließlich natürlich, aber doch sehr intensiv. Das müsste man alles einrechnen. Wenn Sie so wollen, müsste der PC über den ich jetzt gerade spreche, anteilsmäßig mit eingerechnet werden und so weiter und so fort, und wir haben natürlich den Vorteil gehabt, dass wir keine Agentur für Eventmarketing verwenden mussten, für die klassische Pressearbeit verwenden mussten.
GASSNER-SPECKMOSER: Gehen wir im Prozess weiter: Wir haben jetzt besprochen, wo ein Volksbegehren beginnt, wie man es einleitet und wie man Menschen erreicht. Aber wie viele Unterschriften benötigt man eigentlich, damit ein Volksbegehren erfolgreich ist?
PETUTSCHNIG: Also damit es im Nationalrat verhandelt wird: 100.000. Ich verrate kein großes Geheimnis, dass das eine Zahl ist, die, ich will nicht sagen, Makulatur ist, aber wir wissen aus der Erfahrung heraus, dass es zwar dann behandelt werden muss, aber meistens sehr rasch in der Schublade verschwindet. Uns war von Anfang klar, dass wir uns mit den 100.000 nicht zufrieden geben wollten, und wir haben intern einmal gesagt, wir würden gerne so Richtung 500.000 gehen. Wir haben diese Zahl am Anfang bewusst nicht kommuniziert. Wir wollten nicht, dass dann bei 490.000 uns vorgehalten wird, wir hätten versagt oder wir hätten unser Ziel nicht erreicht. Das ist auch ein bisschen so, wie politische Parteien ein bisschen vorsichtig sind, wenn sie im Vorfeld genau eine Marke sagen, die dann zu hoch gegriffen ist. Ich habe dann doch immer von einer doch etwas höheren sechsstelligen Zahl gesprochen. Wie wir dann 500.000 erreicht haben, haben sich die Anfragen bei uns von Medien gehäuft. Naja, was ist denn jetzt neu, weil die 500.000, und das schon im Mai, und wir haben noch nicht einmal eingeleitet, die Woche, also, das Begehren schon eingeleitet, aber noch nicht die Woche beantragt. Dann haben wir immer wieder gesagt, es geht Richtung höhere sechsstellige Zahl. Was wir bewusst vermieden haben, war die Millionengrenze. Das haben wir nie nach außen getragen. Ich gebe zu, ganz zum Schluss war ich persönlich ein bisschen enttäuscht, dass wir dann doch nicht die Million erreicht haben. Realpolitisch haben wir aber gewusst, egal ob wir jetzt eine Million oder 950.000 oder 800.000 haben, wenn die damals beiden entscheidenden Parteien nicht ihre Meinung ändern, werden wir auch bei 1,5 Millionen nichts erreichen und das Volksbegehren wird in der Schublade verschwinden. Wobei wir auch dann gesagt hätten, es wäre trotzdem erfolgreich gewesen sein, weil auch wenn es nicht in der Sekunde funktioniert hat, vielleicht funktioniert es irgendwann einmal. Und diese Konstellation kam dann eigentlich mit Ibiza. Also eigentlich war Ibiza dann der Auslöser dafür, dass unser Volksbegehren dann 1:1 umgesetzt wurde. Also unser Ziel, das wir im Volksbegehren initiiert haben, ist umgesetzt worden.
KÖHLER: Wie funktioniert das Unterschreiben genau?
PETUTSCHNIG: Also online funktioniert das über die Website, die vom, wenn ich mich richtig erinnere, vom Bundesministerium für Inneres bekannt gegeben wurde und die wir natürlich auch eifrig kommuniziert haben. Das geht natürlich nur mit einer Handysignatur, mit der Bürgerkarte. Ansonsten muss man vor Ort zum Bezirksamt gehen. Es haben alle Gemeinden Eintragungslokale, die auch entsprechend ausgeschildert werden. In Wien waren das zum Beispiel die Bezirksämter mit klar definierten Öffnungszeiten, wo man sowohl nach der Einleitungsphase als auch dann in der eigentlichen Eintragungswoche seine Unterschrift abgeben kann.
GASSNER-SPECKMOSER: Angenommen Sie haben nun die 100.000-Unterschriften-Hürde geknackt. Was passiert dann? Wie geht es weiter mit dem Volksbegehren, wenn die Eintragungswoche vorbei ist?
PETUTSCHNIG: In dem Moment ist eigentlich der Initiator oder die Initiatorin des Volksbegehrens einmal kurz außen vor. Dann beginnt der ganz normale parlamentarische Prozess. Innerhalb bestimmter Fristen wird dann eine Sitzung angesetzt, wo das Volksbegehren behandelt wird. In unserem Fall gab es, wenn ich mich recht erinnere, davor zwei Besprechungssitzungen im Gesundheitsausschuss, die dann alles entsprechende für die Parlamentssitzung vorbereitet haben. Da waren Vertreter unseres Volksbegehrens eingeladen. In dem Fall waren einmal, glaube ich, Präsident Szekeres und einmal Präsident Sevelda da, die nochmal ihre Standpunkte dargelegt haben. Aber da werden wir vom Parlament eingeladen. Wir werden aber über alles am Laufenden gehalten, das heißt, uns wird auch gesagt, wann die Sitzungen stattfinden. Wir haben aber keine Möglichkeit zu sagen, da wollen wir nicht, oder das ist ein schlechter Termin. Das heißt, das geht dann alles im parlamentarischen Ablaufprozess vor sich, und wir haben dann natürlich alle Termine wahrgenommen, die notwendig waren. Aber ansonsten haben wir als Initiatorinnen dann kaum mehr eine Funktion gehabt, abgesehen davon, dass wir parallel dazu natürlich immer noch intensive Medienarbeit gemacht haben.
KÖHLER: An dieser Stelle möchten wir uns wieder kurz einmischen. Den parlamentarischen Ablaufprozess, den Herr Petutschnig gerade angesprochen hat, haben wir im Interview nicht so genau durchbesprochen. Herr Petutschnig ist ja auch bei der Ärztekammer Wien und nicht im Parlament tätig. Deshalb übernehmen wir das jetzt aber noch kurz.
GASSNER-SPECKMOSER: Also: Wie bereits besprochen braucht es zuerst einmal 100.000 Unterschriften, damit ein Volksbegehren ins Parlament kommt. Bei der Festlegung der Tagesordnung im Nationalrat dann haben Volksbegehren einen speziellen Status. Sie haben nämlich gegenüber den anderen Gegenständen Vorrang. Das garantiert, dass sich die Abgeordneten möglichst rasch mit dem Volksbegehren beschäftigen müssen.
KÖHLER: Gleich am Anfang kommt das Volksbegehren dann in den jeweiligen zuständigen Fachausschuss, hier zum Beispiel in den Gesundheitsausschuss. Was ein Ausschuss genau ist, das haben wir übrigens in Folge 15 besprochen.
GASSNER-SPECKMOSER: Ganz kurz: In einem Ausschuss diskutieren von jeder Fraktion Abgeordnete bestimmte Themen ganz genau durch. Sie leisten die Vorarbeit für die spätere Diskussion im Nationalrat. So auch bei einem Volksbegehren: Im Ausschuss können dann auch Experten zur Beratung eingeladen werden. Was hier speziell ist: Auch jemand vom Volksbegehren selbst darf bei diesen Ausschusssitzungen dabei sein, entweder der Bevollmächtigte oder ein Stellvertreter.
KÖHLER: Nach spätestens vier Monaten im Ausschuss muss dann ein Bericht über die Ergebnisse der Beratungen an den Nationalrat übergeben werden. Dann wird es auch im ganzen Plenum diskutiert.
GASSNER-SPECKMOSER: Und dort entscheidet sich schlussendlich, ob aus dem Volksbegehren ein Gesetz wird oder nicht. Denn bindend ist ein Volksbegehren ja nicht.
KÖHLER: Nun aber wieder weiter im Interview.
GASSNER-SPECKMOSER: Können Sie uns kurz erklären, wie der parlamentarische Prozess für Sie als Initiator eines Volksbegehrens war?
PETUTSCHNIG: Ich war nicht dabei, deshalb kann ich jetzt nur sozusagen ein bisschen das wiedergeben, was mir erzählt wurde. Es gab ausreichend Gelegenheit, die eigene Meinung kundzutun. Wir hatten aber nicht unbedingt den Eindruck, also wir hatten schon den Eindruck, dass sich alle Mitglieder des Gesundheitsausschusses sehr intensiv mit dem Thema beschäftigen, aufgrund unterschiedlicher Positionen auch mit unterschiedlichen Statements natürlich und Vorgaben. Aber uns war schon ziemlich klar, und wir waren nicht so optimistisch, beziehungsweise es war für uns ziemlich klar, dass nach der Bearbeitung im Parlament wahrscheinlich einmal längere Zeit nichts passieren wird. Und so ist es ja dann auch passiert.
KÖHLER: Und das hat Ihnen nichts ausgemacht?
PETUTSCHNIG: Wenn jemand ein Volksbegehren einleitet, egal ob es jetzt eine Institution ist oder eine Einzelperson oder eine Gruppe, dann kann ich nur sagen: Wenn man die Begeisterung dafür hat, wenn das Thema auch einigermaßen gut ist und möglichst viele Leute anspricht., und wenn es auch ein Thema ist, das möglichst wenig Leute ausschließt, dann sollte man sich trauen, das zu tun. Man soll nicht enttäuscht sein, wenn man vielleicht nicht so viel Stimmen bekommt oder Unterstützungen bekommt, wie man erhofft hat. Man soll überhaupt nicht enttäuscht sein darüber, dass man nicht unmittelbar etwas bewirken wird. Aber das ist so wie mit einer Presseaussendung: Wenn ich einmal irgendetwas kritisiere, kann ich nicht davon ausgehen, dass der Kritisierte sich in der Sekunde ändert oder die eigene Position einnimmt. Aber wenn von vielen Seiten immer wieder etwas kommt, dann kommt man in ein Thema immer mehr hinein und hinein, und je öfter dann ein bestimmtes Thema auch medial gespielt wird, politisch gespielt wird, desto eher ist dann die Chance, dass dann irgendwann einmal plötzlich eine Änderung der politischen Landschaft passiert, in der Meinungsvielfalt passiert, und deshalb vielleicht einmal in zehn Jahren das, was man vor zehn Jahren im Volksbegehren wollte, erreicht hat. Dann kann man zwar nicht mehr sagen, das war mein Volksbegehren, aber dann war vielleicht dieses Volksbegehren ein kleiner Stein in diesem ganzen Mosaik an notwendigen Maßnahmen, die dann letztendlich, wann auch immer, dazu geführt haben, dass es zu einer Bewusstseinsänderung innerhalb der Politik kommt.
KÖHLER: Das "Don't Smoke"-Volksbegehren hat es ja dann mit mehr als 800.000 Unterschriften in diesen parlamentarischen Prozess hinein geschafft. Wieso ist es dann, wie Sie sagen, anfangs nicht gleich erfolgreich gewesen?
PETUTSCHNIG: Weil die politische Konstellation einfach nicht da war. Es gab eine klare Mehrheit ÖVP-FPÖ für, wenn ich jetzt sage "Beibehalt des Rauchens", stimmt es nur bedingt, weil eigentlich musste man ja ein Gesetz verändern, das schon beschlossen war, dass es kein Rauchen mehr in der Gastronomie gibt. Also dieses Ziel war klar vorgegeben. Es gab damals die politische Situation, dass vor allem die FPÖ das zu einer Koalitionsbedingung gemacht hat. Der Koalitionspartner ÖVP wollte nicht koalitionsbrüchig werden, obwohl die ÖVP-Mandatare davor in der vorigen Regierung mit der SPÖ noch gestimmt haben, dass, mit einer mehrjährigen Übergangsfrist, es ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie in Österreich geben soll. Dieselben Mandatare haben jetzt aus Koalitionsgründen mit der FPÖ gestimmt. Es gab Anträge, neuerliche Anträge von der Opposition, das Rauchverbot einzuführen. Das wurde erwartungsgemäß aufgrund der damals noch haltenden Koalition ÖVP-FPÖ niedergestimmt. Damit war klar, es war erledigt, und wir haben keine Chance mehr, aktuell mit unserem Volksbegehren zum Erfolg zu kommen. Wir mussten nur hoffen, dass vielleicht irgendwann einmal im Rahmen einer neuen Regierung oder vielleicht auch im Rahmen einer Bewusstseinsänderung, es ist ja keine politische Partei davor gefeit, vielleicht einen Standpunkt zu überdenken, das ist manchmal sogar ganz gut … Und es hätte ja durchaus sein können, dass vielleicht in vier, fünf Jahren, vielleicht zu überlegen, auch jene Parteien, die damals dagegen gestimmt haben, eine Änderung kommt, und unsere Anliegen doch noch berücksichtigt werden. Und das kam dann eben dadurch, dass die Koalition durch Ibiza gesprengt wurde. Die neue Koalition hat sich nicht mehr, oder beziehungsweise die ÖVP musste sich nicht mehr an das Koalitionsabkommen mit der FPÖ halten. Das waren völlig neue Konstellationen. Wir haben natürlich in dem Moment, in der Sekunde begonnen, darauf zu drängen und mit intensiven Kontakten in die Politik, wir haben auch mit der ÖVP Kontakt aufgenommen, und gebeten, und gesagt, und die Zahlen noch einmal genannt, warum das so wichtig ist, wie viele Tote wir in Österreich pro Jahr durch rauch-assoziierte Krankheiten haben, was wir damit Gutes tun können für die Gesundheit der Menschen. Und dann kam ein neuerlicher Antrag, der ist durchgegangen, und damit war unser Volksbegehren erreicht.
KÖHLER: Auch, wenn das "Don't Smoke"-Volksbegehren also anfangs zu keinem gänzlichen Rauchverbot in der Gastronomie führte, war es schlussendlich doch erfolgreich. Nachdem die ÖVP-FPÖ-Regierung zerbrochen ist, ging es recht schnell, und ein neuer Antrag für das absolute Rauchverbot in der Gastronomie wurde im Parlament verabschiedet. Seit 1. November 2019 ist Österreichs Gastronomie rauchfrei, und das Anliegen des "Don't Smoke"-Volksbegehrens somit umgesetzt!
GASSNER-SPECKMOSER: Dabei wollen wir es heute belassen. Wir sind nun den ganzen Prozess eines Volksbegehrens in der Praxis durchgegangen. Vom Einleitungsverfahren über den Unterschriftensammelprozess bis hin zur Behandlung im Parlament.
KÖHLER: Falls Sie nähere Infos zum Starten eines Volksbegehrens oder über aktuell laufende Volksbegehren erfahren möchten, schauen Sie doch auf der Website des Innenministeriums vorbei! Dort finden Sie alles, was sie wissen müssen.
GASSNER-SPECKMOSER: Liebe Hörerinnen, liebe Hörer! Wir hören uns hoffentlich in zwei Wochen wieder. Bis dahin können Sie uns wie immer unter podcast@parlament.gv.at Anregungen, Fragen oder Wünsche schicken.
KÖHLER: Das letzte Wort übergeben wir noch einmal Herrn Petutschnig. Bis zum nächsten Mal. Ciao!
GASSNER-SPECKMOSER: Tschüss!
KÖHLER: Das "Don't Smoke"-Volksbegehren war ja eines der erfolgreichsten der Geschichte. Macht das auch ein wenig stolz?
PETUTSCHNIG: Ja. Ja. Ich möchte es vielleicht sehr persönlich beantworten, mit folgendem Hinweis: Ich werde in den nächsten Jahren wahrscheinlich irgendwann einmal die Ärztekammer verlassen und in den Ruhestand gehen. Nicht, dass ich jetzt schon überlege, was ich bei meiner Abschiedsrede sagen werde, aber es gab aus jetziger Sicht zwei Dinge, die dann wahrscheinlich nach 35 Jahren, die ich in der Wiener Ärztekammer sein durfte oder noch immer tätig bin… zwei Dinge erwähne, die mich stolz machen: Eines davon ist das Volksbegehren. Ja. Mhm. Ja.