Was genau ist eine Tagung?
Details
Info
Das Parlament ist mitten in der Sommerpause – das heißt die Tagung ist vorbei. Was ist passiert in dieser Tagung? Was ist eine Tagung überhaupt und wie haben sie zwei Mitarbeitende der Parlamentsdirektion erlebt?
Darüber und mehr unterhalten wir uns im aktuellen Podcast der Serie „Parlament erklärt“ mit Franz Gutsch und Sabine Suette.
© Parlamentsdirektion/Satzbau/hoerwinkel
Links
Folgen Sie unserem Podcast auf:
Transkription
Sabine SUETTE: Ja, einerseits fühlt man sich irgendwie wie in der Mitte des Orkans oder so, also die Arbeit geht irgendwie weiter und rundherum tobt das Chaos. Das war ein sehr intensives Jahr.
Diana KÖHLER: Ein Terror-Anschlag in Wien, ein langwieriger Untersuchungsausschuss zur Causa Ibiza, komplizierte Covid-19-Verordnungen. Es war ein bewegtes Parlamentsjahr. Und das Parlament hat mit nahezu allem zu tun, was in letzter Zeit passiert ist. Hallo und Herzlich Willkommen zurück zu einer neuen Folge von Parlament erklärt. Mein Name ist Diana Köhler.
Tobias GASSNER-SPECKMOSER: Und ich bin Tobias Gassner-Speckmoser. Wir hier im Parlament befinden uns eigentlich noch immer in der Sommerpause. Das heißt, der Nationalrat tagt nicht regulär und viele Mitarbeiterinnen der Parlamentsdirektion sind im wohlverdienten Urlaub. Wir nehmen das als Anlass, einmal Bilanz zu ziehen.
KÖHLER: Was eine "Tagung" genau ist, was in diesem Parlamentsjahr alles passiert ist, und wie eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter aus der Parlamentsdirektion all das persönlich miterlebt haben, das hören Sie heute bei "Parlament erklärt".
***** JINGLE *****
GASSNER-SPECKMOSER: Herr Gutsch, Frau Suette, stellen Sie sich doch bitte einmal kurz vor!
Franz GUTSCH: Ja, gerne. Also ich bin seit 2009 in der Parlamentsdirektion, bin an und für sich für den Bereich Dokumentation, Statistik mit Kolleginnen und Kollegen verantwortlich und bin jetzt in der Abteilung 1.1 Präsidialangelegenheiten, das ist im Nationalratsdienst und bin als Referent im Nationalratsdienst auch in der Plenarsitzungsbetreuung und im Bundesratsdienst in der Ausschussbetreuung tätig.
SUETTE: Mein Name ist Sabine Suette. Ich bin schon ziemlich lange in der Parlamentsdirektion, ich gehöre zu den Dinosauriern, also seit rund dreißig Jahren. Ich bin über einen Studentenjob da irgendwie reingekommen und dann lange Werkvertrag und dann als Redakteurin fix angestellt worden. Und eigentlich war ich von Anfang an in der Presseabteilung. Jetzt heißt die Abteilung eben 4.1 Pressedienst und Cross-Media-Redaktion. Genau, und da bin ich eben Redakteurin und habe auch meine gewissen Zuständigkeiten für einzelne Bereiche. Also, es ist bei uns so ein bisschen thematisch gegliedert, damit wir uns auch für die einzelnen Fachausschüsse gut vorbereiten können und am aktuellen Stand bleiben. Da habe ich zum Beispiel Familie, Petitionen, Soziales, Konsumentenschutz und eben vor allem Gesundheit, der Ausschuss der mich in der letzten Zeit am meisten gefordert hat.
GASSNER-SPECKMOSER: Wir sprechen im Kontext des Parlaments immer wieder über Tagungen. Was ist denn eine "Tagung" des Nationalrats genau?
SUETTE: Die Tagung, das ist ja in der Bundesverfassung festgelegt. Also der Bundespräsident beruft eine Tagung ein, und die geht ungefähr von Mitte September bis Mitte Juli. Das ist so eine Empfehlungsbestimmung. Und dazwischen ist eben diese sogenannte Sommerpause, die eigentlich keine ist, aber das ist dann die tagungsfreie Zeit.
GUTSCH: Genau. Eine Tagung ist das Parlamentsjahr. Gilt für den Nationalrat. Der Bundesrat kennt ja diese Unterteilung oder Einteilung nicht. Aber der Nationalrat ist wie gesagt die Sitzungsperiode des Nationalrats ist in Tagungen organisiert. Und die dauert wie gesagt im Regelfall von Anfang September bis Mitte Juli.
KÖHLER: Was war das Besondere am letzten Parlamentsjahr?
GUTSCH: Ja, ich würde sagen, das besondere des letzten Parlamentsjahres, der letzten ordentlichen Tagung, war zum einen natürlich die Situation rund um die Gesundheitskrise, also Covid-19-Pandemie. Die politischen und gesetzgeberischen Notwendigkeiten, die halt zu begleiten und zu organisieren. Und für mich persönlich war das Jahr sehr stark geprägt von der FFP2-Maske im Dienst. Ja bei 14-Stunden-Diensten, also Sitzungsbetreuungsdiensten, die eben länger dauern, mit Maske, sommerlichen Temperaturen, zwanzig bis fünfundzwanzigtausend Schritte am Tag, da wird das auch zu einer sportlichen Herausforderung. Aber ganz grundsätzlich war dieses Jahr sicher von gesetzgeberischen Notwendigkeiten durch die Covid-19-Krise einerseits und andererseits durch die Folgewirkungen des Ibiza-Untersuchungsausschusses geprägt. Für sich viel Arbeit, aber dann natürlich auch einige Sondersitzungen im Zusammenhang mit dem Ibiza-Untersuchungsausschuss.
SUETTE: Ja, also für mich waren die letzten Monate sicher die beruflich herausforderndste Zeit. Das Parlament war da sicher unterschiedlich belastet, je nach Abteilung und wir als Pressedienst hatten da sehr viel zu tun, teilweise bis zu 15-Stunden-Arbeitstage. Das ging echt an die Grenzen der Belastbarkeit und auch darüber hinaus, würde ich sagen. Ich bin eben Alleinerzieherin von einer elfjährigen Tochter und war dann konfrontiert mit Schulschließungen und hatte aber gleichzeitig auch kein Recht auf Homeoffice oder Sonderbetreuungszeit, wie es in der Privatwirtschaft teilweise gegeben ist. Ich war sicher über 50 Prozent der Zeit vor Ort und musste auch immer in die Ausschüsse vor Ort gehen, plus dem Hin-und-Her-Pendeln zwischen dem Büro hier am Stubenring und der Hofburg. Und muss sagen, ich habe auch ein bisschen Sorge gehabt um die Gesundheit – um meine eigene, weil ich mein Kind halt immer in die Notbetreuung schicken musste, immer wieder Coronafälle aufgetreten sind, dann ich eben vor Ort sein musste in den Ausschüssen, wo teilweise bekanntermaßen manche Abgeordneten keine Maske trugen, und ich dann eigentlich erst sechs Monate nach dem Impfstart in Österreich dann auch geimpft wurde. Und ich habe einfach auch Angst gehabt, das Parlament einmal lahm zu legen. Also, das Parlament hat sich zwar schon gerüstet und man hat auch viele Testmöglichkeiten gehabt. Und auch auf die Abgeordneten geschaut, also zwischen den Sitzen gab es Plexiglaswände und etc. Aber ein Restrisiko, denke ich, bleibt doch immer. Das hat man dann eh gesehen, als dann wirklich doch Einige ausgefallen sind.
GASSNER-SPECKMOSER: Was ist diese Tagung denn nun alles passiert?
GUTSCH: Es ist vieles passiert. Grundsätzlich kennen Tagungen unabhängig von der konkreten Covid-Situation verschiedene Hotspots, gerade zu Tagungsende gibt es vermehrt Sitzungen, bzw. vermehrt Beschlüsse. Und man kann sagen, die drei Hotspots im Parlamentsjahr sind das Jahresende, die Budgetbeschlussfassung und das Tagungsende. Also – das ist eigentlich immer gleichbleibend – sind das die Hotspots im Parlamentsjahr. Das Besondere an diesem Parlamentsjahr war natürlich die Zunahme der Gesetzesbeschlüsse, der Sitzungsanzahl, etc. Ich meine, es wird oft von Rekorden gesprochen. Bei Rekorden muss man halt immer mitdenken, das sind ja keine vor Tagungsbeginn feststehenden Zielvereinbarungen, sondern die entstehen eben aus der ja gesetzgeberischen Notwendigkeit, und die waren jetzt eben durch die Covid-19-Krise gegeben, vermehrt gegeben. Und ja. Das parlamentarische Verfahren ist ein komplexes System und wenn man da an einem Rädchen dreht, wie zum Beispiel bei der Anzahl an Gesetzesbeschlüssen, dann kommt im Prinzip das ganze Räderwerk des Parlaments in Bewegung. Mehr Gesetzesbeschlüsse bedeuten mehr Sitzungen, mehr Sitzungen sind mehr Verhandlungsgegenstände, mehr PK-Meldungen und natürlich auch mehr Stunden in der Haustechnik, in der Sicherheit, auch in der Reinigung. Also ist alles verzahnt und hängt miteinander zusammen.
KÖHLER: Wir blicken heute ja auf die letzte Tagung zurück und wollen Bilanz ziehen. Was bleibt unterm Strich stehen, welche Zahlen stehen dann da?
GUTSCH: In dieser Tagung gab es 70 Plenarsitzungen des Nationalrates und im Regelfall haben wir so ca. um die 50 Sitzungen. Bei diesen Sitzungen sind sowohl die Sitzungen mit Tagungsordnungspunkten, also die Sondersitzungen bzw. die Zuweisungssitzungen zusammengezählt. Auch der Bundesrat hat vermehrt Sitzungen gehabt. Der muss ja dann in der Folge der Beschlussfassungen im Nationalrat die Beschlüsse dann auch behandeln. Und ja. Wie gesagt, 70 Sitzungen im Plenum des Nationalrates bedeuten Tagungsrekord. Und damit verbunden dann auch Tagungsrekord hinsichtlich der Anzahl der Gesetzgebungsbeschlüsse. Das waren 231. Auch hier ungefähr ein Drittel mehr als gewöhnlich. Aber wie gesagt. Tagungen sind oft nicht so gut miteinander vergleichbar. Es gibt Tagungen, die zu Beginn einer Gesetzgebungsperiode stattfinden, die sind zumeist kürzer. Bzw. manche sind am Ende einer Gesetzgebungsperiode auch wieder kürzer, weil sie früher beendet werden. Aber so im Regelfall eine ordentliche Tagung, die von September bis Juli geht, kann man mit dieser Tagung vergleichen und da ist diese Tagung, wenn man die Kennzahlen anschaut, dann verwende ich dieses Wort, dann ist das eine Rekordtagung ja, wenn man so möchte.
SUETTE: Genau, also das kann man auf jeden Fall sagen: Die letzte Tagung war sicher eine Tagung der Rekorde, sowohl, was die Gesetzesbeschlüsse betrifft, als auch die Sitzungen – also es gab eben 70 Nationalratssitzungen und es wurden über 230 Gesetze beschlossen, wo man schätzungsweise sagen kann, dass etwa 40 Prozent auf das Thema Corona zurückgegangen sind. Und die unglaubliche Zahl von 188 Ausschusssitzungen, zum Beispiel, also ich war in vielen, sehr vielen Ausschusssitzungen. Und eben daneben war auch der Ibiza-Untersuchungsausschuss, der auch sehr oft getagt hat. Und bei den Ausschusssitzungen war vor allem der Hauptausschuss sehr gefordert und auch der Gesundheitsausschuss trat oft zusammen. Was man noch sagen kann, eine außerordentlich hohe Anzahl an Sondersitzungen fand auch noch statt. Zum Beispiel zwei waren darauf zurückzuführen, dass eine Gesetzes-Reparatur gemacht werden musste. Und die andere eben dieser furchtbare Terroranschlag in Wien. Da waren auch zwei Sondersitzungen.
GASSNER-SPECKMOSER: Corona war ja vermutlich das Hauptthema dieser Tagung. Gab es noch andere Themen, die die Plenarsitzungen des Nationalrats dominiert haben?
SUETTE: Genau, das liegt irgendwie auch auf der Hand, nachdem auch das Wort "Babyelefant" das Wort des Jahres 2020 in Österreich war, und an zweiter Stelle kam Corona. Also, war es natürlich die Corona-Krise, die mich am meisten beschäftigt hat. Und auch in sehr vielen Gesetzen mündete. Also, es gab eine sehr komplexe Corona-Gesetzgebung, nicht nur im Gesundheitsbereich, sondern auch in anderen Bereichen: Das reicht von den Unterstützungshilfen für die Wirtschaft bis zur Impfstoffbeschaffung. Auch diese Diskussionen, die man da mitgekriegt hat über die Ausgangsbeschränkungen und Betretungsverbote, sorgten für sehr heftige und viele Debatten.
GUTSCH: Ja, ich würde auch sagen, der Ibiza-Untersuchungsausschuss, der hat auch eine rege Sitzungstätigkeit gehabt und war sicher neben Corona auch medial das hauptsächlich wahrgenommene Politikum im Land, würde ich sagen. Ja, Untersuchungsausschuss bedeutet natürlich auch sehr viel Arbeit und steht ja dann auch immer wieder im Zusammenhang mit Sitzungen und mit dem restlichen parlamentarischen Betrieb. Und ja. Also, ich würde sagen, Untersuchungsausschuss und Corona als die zwei Sondermerkmale dieser Tagung.
KÖHLER: Hätte es Themen gegeben, bei denen Sie sich gewünscht hätten, dass sie mehr behandelt würden?
GUTSCH: Also, ich muss sagen, als Mitarbeiter der Parlamentsdirektion, ich habe einen sehr nüchternen und distanzierten Zugang auch zu den Inhalten des parlamentarischen Betriebs. Wir sind ... also ich – und ich glaube, ich spreche für viele Kolleginnen und Kollegen – wir sehen das sehr technisch, von der notwendigen Servicierung und von der Sicherstellung, dass das Verfahren eben verfassungskonform ist. Und die Inhalte sind aus unserer, ich sage einmal servicierenden Sicht, ja eigentlich zweitrangig. Als politischer Bürger hat man freilich Ansichten, aber ich denke, so im Dienst sehen wir die Sitzungen und überhaupt das Verfahren sehr technisch und sehr von den Gesetzen her bzw. von der Geschäftsordnung her.
SUETTE: So im Rückblick oder wenn man jetzt schaut, wie es in der Welt weitergeht, wird man wahrscheinlich sagen, der Klimawandel ist ein bisschen zu kurz gekommen. Und wenn man es konkreter vielleicht herunterbricht, so die Belastungssituation eigentlich der Eltern und vor allem wahrscheinlich der Frauen, die da wieder am meisten gemanagt haben. Ich habe da wieder ein bisschen einen Rückschritt wahrgenommen. Für mich als Alleinerzieherin war es sehr schwer, auch weil ich keine Möglichkeit zur Fremdbetreuung gehabt habe, aufgrund der gesundheitlichen Situation. Ja, also, das ist mir ein bisschen zu kurz gekommen in der Debatte. Und auch die Situation der Jugendlichen – da wurde glaube ich auch nicht ganz wahrgenommen, wie schlecht es denen teilweise geht.
GASSNER-SPECKMOSER: Jetzt haben wir besprochen, was im Nationalrat und Bundesrat so vonstattengegangen ist. Aber was hat die Institution Parlament so geleistet?
GUTSCH: Dadurch, dass ich nur dem National- und Bundesrat zugeteilt bin, habe ich da jetzt nicht den ganzen Überblick. Was mir schon aufgefallen ist, aufgrund der konkreten Arbeitssituation, also mit Hinblick auf Homeoffice, mit Hinblick auf Dienst vor Ort, mit Hinblick auf die Sicherheits- und Schutzmaßnahmen, haben sich natürlich viele Arbeiten verändert. Also jetzt nicht nur in der Servicierung des parlamentarischen Geschehens, des Kerngeschäfts. Sondern auch im Bereich des Veranstaltungswesens, der Publikationstätigkeit. Und ich würde sagen, was deutlich geworden ist, dass die zunehmende Digitalisierung hier eine Hilfestellung ist um diese besondere Situation auch zu bewerkstelligen und dass überhaupt ein Digitalisierungsschub - Stichwort Telekonferenzen, Stichwort dissoziiertes Arbeiten – das ist verstärkt möglich geworden und das hat so ein bisschen das Gesicht dieses Jahres auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geprägt.
SUETTE: Also neben der Bewältigung der Corona-Krise hat das Parlament auch viele andere Sachen noch bewältigt. Es ist eben das Haus der Demokratie. Zum Beispiel hat es früher sehr viele Staatsbesuche gegeben, die wurden dann halt auf virtueller Basis abgehalten. Es wurde generell das audiovisuelle und digitale Angebot sehr stark ausgeweitet, zum Beispiel auch dieser erste Teil der Weltkonferenz der Parlamentspräsidentinnen war auf virtueller Ebene. Dann wurde auch versucht, Gedenkveranstaltungen trotzdem abzuhalten, in Form von virtuellen Diskussionen oder Podiumsdiskussionen. Und halt generell unser Angebot: Die "Politik am Ring" ist weitergegangen, auch die Demokratie-Werkstatt, da wurde auch versucht, auf virtueller Basis Sachen zu machen, und Workshops. Und auch unsere Parlaments-Website hat glaube ich ziemlich starke Zugriffe gehabt in dieser ganzen Zeit. Und wir als Parlamentskorrespondenz: Es gibt glaube ich 1.500 Beiträge von uns in dieser Zeit.
KÖHLER: Diese Tagung war ja eine Rekordtagung. Wie ist das als Mitarbeiter bei so einer besonderen Tagung live dabei zu sein?
GUTSCH: Ja, ich mein, man fühlt schon, dass man im Brennpunkt oder im Zentrum des, ja, gesellschaftlichen Lebens also im Zusammenhang mit Gesetzgebung arbeitet. Und was für mich in diesem Jahr noch einmal sehr deutlich geworden ist, dass das Miteinander und das unkomplizierte Zusammenarbeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach das Ausschlaggebendste und das Wichtigste war. Also wir konnten uns, also ich konnte mich eigentlich immer auf alle anderen verlassen. Bei aller Selbstverantwortung die natürlich notwendig ist, war diese Stütze immer gegeben und ich glaube, das Jahr hat die Parlamentsdirektion noch einmal trotz Homeoffice zusammengebracht. Und ich glaube, das ist einigen Organisationen so gegangen, aber für mein unmittelbares Umfeld kann ich sagen, dass wir trotz, dass wir räumlich getrennt gearbeitet haben teilweise, dass wir als Team und als Organisation eigentlich stärker geworden sind als davor.
SUETTE: Ja einerseits fühlt man sich irgendwie wie in der Mitte des Orkans oder so, also die Arbeit geht irgendwie weiter und rundherum tobt das Chaos. Bei uns war die Arbeit dann ganz verstärkt. Aber ich habe eigentlich sonst wenig mitbekommen – also, so wie andere gesagt haben, sie sind jetzt irgendwie sportlich geworden – dazu hatte ich einfach keine Zeit. Es war einfach nur Arbeiten, Kinder betreuen und Homeschooling. Das war ein sehr intensives Jahr.
GASSNER-SPECKMOSER: War dieses Jahr anstrengender als die Jahre davor?
GUTSCH: Ich muss sagen, für mich war es anstrengender. Einerseits wird man älter, andererseits war es ein wirklich anstrengendes Jahr. Ich habe es persönlich auch gemerkt, dass es körperlich einfach hohe Anforderungen setzt. Ich glaube auch, dass es bei Kolleginnen und Kollegen und bei mir auch nicht ganz spurlos vorübergegangen ist. Und umso wichtiger sind jetzt im Sommer Erholung und ein bisserl Abschalten. Also ja, für mich war es sicher eines der, ... also für mich war es das herausforderndste Jahr. Also rein von der Stundenanzahl. Das ist ein persönlicher Rekord, der wird nicht veröffentlicht. Ich habe auch die höchste Anzahl an Überstunden in diesem Jahr geleistet, seit ich in der Parlamentsdirektion bin. Und das ist ein rein quantitativer Ausdruck dessen, dass wir wirklich hoch gefordert waren.
SUETTE: Also das Jahr war extrem anstrengend, viel anstrengender als bisher. Also ich bin es schon von früher gewohnt, dass ich sehr viele Nachtsitzungen habe und schwer planen kann am Abend, weil einfach die Sitzungen oft sehr lange dauern. Ich bin auch schon mal um fünf in der Früh aus dem Haus gegangen, weil ein Sozialausschuss einfach so lange gedauert hat. Ich bin es eigentlich schon gewohnt, aber das war wirklich jetzt schon verschärft, plus halt einfach wirklich meine persönliche Lebenssituation, das war schon eine große Herausforderung.
KÖHLER: Was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
GUTSCH: Also ich muss sagen, vieles was neu in diesem Jahr entstanden ist, ist dann relativ schnell zur Routine geworden. Zu Beginn war natürlich das außerordentliche Ereignis, würde ich sagen, die vielen Testungen. Also die Corona-Testungen, die praktischerweise vor Ort möglich waren und sind. Aber grundsätzlich würde ich sagen, war die ... Was mir wirklich in Erinnerung geblieben ist, ist die Flexibilität zwischen Homeoffice und Dienst vor Ort. Und die damit auch teilweise verbundene Verschwimmung oder Auflösung der Trennung Freizeit/Dienst. Aber auch da wird sich, glaube ich, gesamtgesellschaftlich ein Modus finden, wie man mit den neuen Formen des Arbeitens umgeht. Stichwort Gesunderhaltung, Stichwort effizientes Arbeiten. Ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg. Da sind jetzt viele Dinge neu, die – kann man sagen – gekommen sind, um zu bleiben.
SUETTE: Puh, ja, fällt mir wirklich Corona ein, Maske, sehr viel alleine arbeiten, also wenig Kontakt zu Menschen, der ist mir sehr abgegangen. Das war aber auch teilweise wieder das Positive, ich habe auch sehr nette menschliche Kontakte dann gehabt, zum Beispiel mit dem Portier vom Stubenring, den ich sehr oft gesehen habe. Weil ich einfach die Kollegen kaum gesehen hab, wir sind einfach alle hin und her gependelt zwischen Homeoffice und Hofburg. Also solche Gespräche haben mich dann auch mental unterstützt. Also, was mir halt schon sehr aufgefallen ist, ist das einfach unser soziales Gefüge extrem verletzlich ist und dass es wirklich auf jeden Einzelnen ankommt, dass Solidarität halt extrem wichtig ist und dass man auch auf Vieles verzichten kann, was mir vorher extrem wichtig war, wie Essen gehen, Kino, Urlaub. Geht alles, aber eigentlich ohne die menschliche Komponente geht es nicht. Und, dass man halt auch die Menschen in der Krise neu wahrgenommen hat, sowohl im Positiven als auch im Negativen. Und so als Resümee für mich, dass ich halt versuchen werde, eine bessere Work-Life-Balance zu finden, falls das der Job zulässt.
GASSNER-SPECKMOSER: Liebe Hörerinnen und Hörer, damit sind wir schon wieder am Ende unserer heutigen Folge angelangt. Wie das vergangene Jahr für zwei Mitarbeitende im Parlament abgelaufen ist, ist vielleicht ein Sinnbild dafür, wie es vielen von uns im vergangenen Jahr ergangen ist.
KÖHLER: An dieser Stelle noch einmal vielen Dank an Sabine Suette und Franz Gutsch für die persönlichen Einblicke. Aber auch an sie liebe Hörerinnen und Hörer fürs mit dabei sein.
GASSNER-SPECKMOSER: Wie immer, wenn Sie Anregungen, Fragen oder Vorschläge für neue Folgen haben, schreiben Sie uns doch unter podcast@parlament.gv.at. Ansonsten hören wir uns hoffentlich in zwei Wochen wieder, wenn die neue Folge von Parlament Erklärt erscheint. Bis dahin. Ciao!
KÖHLER: Tschüss!