Was ist der Bundesrat und was macht er genau?
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Über den Nationalrat haben wir im Podcast „Parlament erklärt“ schon oft genug gesprochen. Daher widmen wir uns in der aktuellen Folge mit Peter Raggl, dem derzeitigen Bundesratspräsident. Wir sprechen darüber was der Bundesrat im Sommer macht, wieso man so wenig von ihm hört und alles was man sonst noch so wissen muss.
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Peter RAGGL: Ich sage jetzt das ... Wenn ich mir das jetzt rein in Europa anschaue, dann haben in der EU 13 von 27 EU-Staaten ein Zweikammersystem. Wesentlich mehr als 50 Prozent der Bevölkerung in der EU leben in einem Staat mit einem Zweikammersystem. Gerade die großen Staaten – Deutschland, Frankreich, Italien, bis vor kurzem noch Großbritannien zum Beispiel – haben alle ein Zweikammersystem. Und dieses System – offensichtlich – hat schon seinen Nutzen und seine Bewährtheit.
Diana KÖHLER: Über den Nationalrat haben wir hier bei Parlament erklärt schon oft genug gesprochen. Doch das "Parlament" in Parlament erklärt steht nicht nur für den Nationalrat sondern auch für den Bundesrat! Hallo und Herzlich Willkommen zurück zu einer neuen Folge. Mein Name ist Diana Köhler ...
Tobias GASSNER-SPECKMOSER: Und ich bin Tobias Gassner-Speckmoser. Heute wollen wir uns einmal dem Bundesrat widmen. Er ist die zweite Kammer im Parlament und vertritt die Bundesländer in der Bundesgesetzgebung. Auch kann er binnen acht Wochen Gesetze, die der Nationalrat beschlossen hat, entweder bestätigen, oder ein Veto einlegen.
KÖHLER: Manchmal lässt das auch die Wogen hochgehen, der Bundesrat kann so ein Gesetz nämlich aufschieben.
GASSNER-SPECKMOSER: Warum nur aufschieben? Weil der Nationalrat den Bundesrat in den meisten Fällen auch umgehen kann.
KÖHLER: Alles relativ kompliziert. Deshalb haben wir uns heute jemanden geholt, der uns den Bundesrat etwas besser erklären kann.
GASSNER-SPECKMOSER: Peter Raggl ist derzeitiger Bundesratspräsident und hat mit uns über das sogenannte suspensive Veto-Recht geredet, darüber, was der Bundesrat jetzt gerade im Sommer macht und was man sonst noch so alles wissen muss.
***** JINGLE *****
RAGGL: Ja, ich bin der Raggl Peter, komme aus Tirol, darf die kommenden sechs Monate Bundesratspräsident sein, bin in meiner Hauptprofession der Direktor des Tiroler Bauernbundes und versuche im Bundesrat die Länderinteressen möglichst gut zu vertreten.
KÖHLER: Ganz am Anfang: Was ist eigentlich der Bundesrat?
RAGGL: Ja, der Bundesrat hat eigentlich eine sehr wichtige Funktion. Wir haben, so wie in vielen anderen europäischen Staaten, ein sogenanntes Zweikammersystem. Unsere Gesetzgebung ist so aufgebaut, dass sämtliche Gesetze zuerst vom Nationalrat beschlossen werden müssen und dann auch nach einer ... ursprünglich wäre es gedacht, nach einer Abkühlungsphase, noch einmal von der Länderkammer, dem Bundesrat, beschlossen werden müssen, bzw. nicht beeinsprucht werden sollen. Und der Bundesrat hat damit eine sehr wichtige Aufgabe, weil die Bundesräte werden ja auch von den jeweiligen Landtagen entsandt und wir sollten dringendst bei der Bundesgesetzgebung darauf achten, dass die Landesinteressen nicht zu kurz kommen.
GASSNER-SPECKMOSER: Wie viele Mitglieder hat der Bundesrat und wie wird das berechnet?
RAGGL: Der Bundesrat hat in der Regel, sage ich jetzt einmal, 61 Mitglieder. Es kann sich da bei einer Volkszählung durchaus einmal etwas anderes ergeben. Aber derzeit hat der Bundesrat 61 Mitglieder. Und diese 61 Mitglieder werden von den jeweiligen Bundesländern entsandt, wie ich ja auch schon besprochen habe. Und die Anzahl, wie viel ein Bundesland Bundesräte entsenden kann, hängt von der Einwohnerzahl der jeweiligen Bundesländer ab, wobei es eine Untergrenze gibt. Die kleinen Bundesländer, sage ich jetzt einmal, Burgenland und Vorarlberg, können mindestens drei Bundesräte entsenden. Das ist die Untergrenze. Und unser größtes Bundesland – bevölkerungsmäßig größtes Bundesland – Niederösterreich zum Beispiel kann zwölf Bundesräte entsenden, Wien elf, Tirol beispielsweise fünf. Und da wiederum im Bundesland kommt es auf das Wahlergebnis an. Und da können die jeweiligen Parteien entsprechend dem Wahlergebnis auch Bundesräte entsenden.
KÖHLER: Das heißt, die Landtagswahlen spiegeln sich in der Auswahl der Bundesräte wider?
RAGGL: Genau. Und das ist ja eigentlich das Besondere am Bundesrat. Der Nationalrat wird gewählt in einer Nationalratswahl und es gibt eine konstituierende Sitzung und eine vollkommen neue Mannschaft. Und im Bundesrat ist das so, der Bundesrat ist ja 100 Jahre alt geworden im Jahr 2020, und der Bundesrat tagt eigentlich in Permanenz. Wir haben keine konstituierende Sitzung ... wann haben wir jetzt die nächsten Wahlen ... Ich glaube Oberösterreich hat im Herbst die Landtagswahl, und je nach Wahlergebnis werden da aus Oberösterreich, ich glaube, acht Bundesräte kommen und die können bestätigt werden, oder es können auch neue kommen, aber für die restlichen 53 ändert sich eigentlich nichts, die bleiben da. Und aus Oberösterreich kommt eine zum Teil wahrscheinlich neue Mannschaft. Und so geht es immer weiter. Und ist durchaus eine Chance auf Belebung des Bundesrates. Aber auch manchmal eine Herausforderung, wenn einige Landtagswahlen in relativ kurzer Zeit hintereinander stattfinden, dass man durchaus ein bisschen eine Kontinuität halten kann im Bundesrat.
GASSNER-SPECKMOSER: Der Nationalrat hat ja nun eine Sommerpause, der Bundesrat tagt aber jetzt in Permanenz. Heißt das jetzt, dass der Bundesrat keine sogenannte Sommerpause wie der Nationalrat hat?
RAGGL: Der Bundesrat hat die gleiche Sitzungspause im Sommer wie der Nationalrat und ich möchte da schon auch meine Nationalratskollegen verteidigen. Das heißt ja nicht, weil keine Sitzung ist, dass da dann zwei oder drei Monate lang nichts passiert. Wir Bundesräte haben da gleich wie die Nationalräte sogar ein bisschen mehr Zeit, dass man sich im jeweiligen Lokalwahlkreis mehr bewegen kann, dass man mehr bei den Wählern draußen ist und das finde ich eine ganz, ganz wichtige Phase und es ist wirklich nicht so, dass sich da der Nationalrat oder die Bundesräte drei Monate auf Urlaub befinden. Das ist ein völlig falscher Eindruck.
KÖHLER: Kommen wir zum Herzstück, den Sitzungen: Wann findet nun so eine Bundesratssitzung eigentlich statt? Nur nachdem der Nationalrat tagt? Oder gibt es auch andere Sitzungen?
RAGGL: Also prinzipiell ist es schon so, das gibt auch das Gesetz vor, dass es in Österreich mit Ausnahme der Budgetgesetze, die ja den Bundesrat nichts angehen, weil wir ja die Länderkammer sind, ... müssen sämtliche Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates durch den Bundesrat. Und da gibt es auch Fristen. Und daher tagt der Bundesrat in der Regel 14 Tage nach dem Nationalrat. Es gibt aber auch Sondersitzungen. Und gerade in der Corona-Pandemiezeit haben wir, ähnlich wie der Nationalrat, auch sehr viele Sondersitzungen gehabt. Und das Jahr 2020/2021 war eigentlich das Jahr, sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat, wo es so viele Bundesratssitzungen gegeben hat, wie historisch eigentlich noch nie.
GASSNER-SPECKMOSER: Wo finden diese Sitzungen denn dann statt?
RAGGL: Also wir sind gleich wie der Nationalrat während dem Umbau des historischen Parlamentsgebäudes im Ausweichquartier, im sogenannten Ausweichquartier in der Hofburg, untergebracht. Und derzeit hat der Nationalrat im gleichen Saal, im großen Redoutensaal, seine Sitzungen. Dieser Redoutensaal wurde adaptiert für den Nationalrat und für den Bundesrat. ich freue mich aber schon sehr auf die Zeit im voraussichtlichen zweiten Halbjahr 2022, da zieht der Nationalrat, aber auch der Bundesrat, zurück in das historische Parlamentsgebäude. Und da hat der Bundesrat und der Nationalrat wieder getrennte Sitzungssäle und das macht's vielleicht einfacher. Und ich habe bei einer Parlamentsbesichtigung unseren künftigen Bundesratssaal schon einmal ansehen dürfen. Und das ist ein wunderbar historischer Saal. Erstmals, was mich sehr freut, der alte Bundesratssaal hat keine natürliche Belichtung gehabt, und der neue adaptierte Bundesratssaal hat auch Fenster. Und Sie können mir glauben, wenn eine Bundesratssitzung in der Regel um 9 Uhr beginnt und nicht selten bis nach Mitternacht geht, da ist man sehr überrascht, was draußen dann, ... dass es schon dunkel ist, oder regnet oder was auch immer. Und wenn man ein bisserl wenigstens einen Sichtkontakt nach außen hat, dann ist es sicher ein wenig auflockernd.
KÖHLER: Wie kann man sich so eine Bundesratssitzung jetzt eigentlich vorstellen?
RAGGL: Ja, ich habe ja momentan, jetzt die letzten Jahre, habe ich im ersten Halbjahr 2020 Vizepräsident des Bundesrates sein dürfen und bin derzeit der Präsident des Bundesrates. Ich habe da die zusätzliche Aufgabe bei einem Sitzungstag, dass ich gemeinsam mit meinen beiden Vizepräsidenten die Sitzungsführung habe. Das macht es schon einmal sehr spannend, weil wir haben im Bundesrat derweil doch sehr knappe Mehrheitsverhältnisse. Und daher ist die Abstimmung da mit höchster Aufmerksamkeit verbunden, weil es da auch darum geht, die Mehrheiten festzustellen. Das ist jetzt einmal meine spezielle Aufgabe. Aber ansonsten läuft es durchaus ähnlich ab, wie im Nationalrat. Es sind da zu den Tagesordnungspunkten in der Regel Redner vorab eingeteilt. Man kann sich da als Bundesrat auch dementsprechend vorbereiten, indem man sich natürlich in die Materie einliest, indem man die Diskussionen sich auch im Nationalrat ansieht, und dann versucht man da eine eigene Meinung zu fassen und bereitet sich da entsprechend vor. Aber ähnlich wie auch im Nationalrat, sind manche Dinge auch nicht planbar. Insbesondere die Möglichkeiten des einzelnen Mandatars. Man braucht eine Opposition mit Entschließungsanträgen oder Dringlichen Anfragen, die ja die Geschäftsordnung des Bundesrates gleich wie die Geschäftsordnung des Nationalrates vorsieht. Und so ist es natürlich ... Sehr oft kommt es dann auch vor, dass man sich spontan auf eine Rede vorbereiten muss und so eine Wortmeldung abgeben kann. Also eine Bundesratssitzung als aktiver Teilnehmer ist durchaus eine spannende Sache. Wenn man das jetzt im Fernsehen mitverfolgt, oder im Livestream, dann ist das durchaus einmal, weil es über viele Stunden hinweg geht, nicht so... weil es durchaus auch Themen gibt, die jetzt nicht so in der Tagespolitik aufschlagen, aber womit man sich natürlich auch in den gesetzgebenden Gremien intensiv damit beschäftigen muss.
GASSNER-SPECKMOSER: Eines der wichtigsten Instrumente des Bundesrates ist es ja, binnen acht Wochen seine Zustimmung zu Gesetzen aus dem Nationalrat abzugeben. Beziehungsweise kann er auch ein Veto einlegen. In diesem Zusammenhang wird oft von einem suspensiven Veto-Recht gesprochen. Was heißt das?
RAGGL: Ja, Sie sprechen da einen sehr wichtigen Punkt an. Der Bundesrat hat ja in der Regel, wenn er Gesetzesbeschlüsse beeinsprucht, hat der Nationalrat einen Beharrungsbeschluss zu fassen und dann tritt das Gesetz wieder in Kraft, so wie es ursprünglich beschlossen wurde. Hat aber auch die Möglichkeit, sich das noch einmal zu überlegen, der Bundesrat hat irgendwas dagegen, der Nationalrat könnte auch einen neuen Gesetzesbeschluss fassen, wird dann im Bundesrat noch einmal bestätigt. Aber in Angelegenheiten, bei denen in die Zuständigkeiten, in die Kompetenz der Länder eingegriffen wird, hat der Bundesrat ein absolutes Vetorecht. Und der Beschluss des Nationalrates kann nicht umgesetzt werden und kommt auch nicht zu Stande.
KÖHLER: Ein weiteres Instrument des Bundesrates wäre es, auch selbst Gesetzesinitiativen in den Nationalrat einzubringen. Kommt das vor, dass sozusagen die Bundesländer ein Gesetz in den Nationalrat einbringen?
RAGGL: Es kommt vor. Mein Vorgänger, Bundesratspräsident Karl Bader aus Niederösterreich, hat, glaube ich, eine sehr sehr wichtige Gesetzesinitiative eingebracht. Da geht's um die Ansiedlung von Bundesbehörden. Und er hat beantragt mit unserer Unterstützung, dass bei sämtlichen neu gegründeten Bundesbehörden – und die gibt es immer wieder, Neubegründungen – dass geprüft werden muss, obligatorisch geprüft werden muss, ob diese Bundesbehörde nicht durchaus auch ihren Sitz irgendwo in den Bundesländern haben kann. Also der Bundesrat ist die Länderkammer. Aber der Bundesrat muss versuchen, Chancengleichheit zwischen dem urbanen Bereich und den Ländern zu erreichen. Und daher war das eine sehr unterstützenswerte Initiative. Und die hoffentlich auch irgendwann einmal wirken soll.
GASSNER-SPECKMOSER: Sie sind ja nun der Präsident des Bundesrates. Wie wird dieser eigentlich bestimmt? Es ist ja nicht so wie im Nationalrat, dass man für eine ganze Legislaturperiode Präsident ist.
RAGGL: Die Präsidentschaft im Bundesrat wechselt im Halbjahresrhythmus, wie Sie das schon richtig ausgeführt haben. Und zwar in alphabetischer Reihenfolge. Und eigentlich parallel zum Wechsel in der Landeshauptleutekonferenz. Also momentan darf ich für Tirol der Bundesratspräsident sein und gleichzeitig ist unser Landeshauptmann Günther Platter auch der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz. Und wieso bin jetzt ich von fünf Bundesräten der Bundesratspräsident? Es ist so, dass bei der Nominierung nach der Landtagswahl in Tirol eine fünfköpfige Bundesratsmannschaft besetzt wurde und dann gibt es einen sogenannten Erstgereihten, und der Erstgereihte darf dann, wenn sein Bundesland in der alphabetischen Reihenfolge dran ist, darf der für das halbe Jahr der Bundesratspräsident sein.
KÖHLER: Was macht ein Bundesratspräsident oder eine Bundesratspräsidentin eigentlich?
RAGGL: Ja, also Bundesratspräsident muss ich sagen, das ist schon in der Hierarchie der Aufgaben in unserem – zumindest in der gesetzgebenden Körperschaft – ganz hoch oben angesiedelt. Und ich habe jetzt... ich bin ja erst ein Monat Bundesratspräsident, und einmal ist es natürlich eine Herausforderung, die Sitzungsführung des Bundesrates als Letztverantwortlicher zu machen. Auch die Sitzungsvorbereitung - wenn es Entscheidungen gibt, dann entscheidet das der Bundesratspräsident als Letztverantwortlicher. Aber was mich sehr interessiert und durchaus auch jeden Bundesratspräsidenten fordert, das sind die Repräsentationsaufgaben, die mit diesem Amt verbunden sind. Also, man vertritt natürlich den Bundesrat, die zweite gesetzgebende Kammer nach außen. Und ich habe jetzt in dem ersten Monat zuerst, das ist ganz knapp gewesen, noch als Vizepräsident, aber gemeinsam damals mit dem steirischen Präsidenten Christian Buchmann, habe ich die Möglichkeit gehabt, dass ich mit dem Heiligen Vater in Rom persönlich zusammengekommen bin. Ich habe dann in der Zwischenzeit schon den serbischen Außenminister empfangen dürfen. In meinen Amtsräumlichkeiten. Das war ein sehr, ja, sehr gutes Gespräch. Da geht's um außenpolitische Themen, vor allem um den möglichen EU-Beitritt von Serbien. Und das ist schon eine große Herausforderung, wenn man das machen darf und wenn man da wirklich, ja, mehr oder weniger die Republik vertreten darf. Ich habe da noch einiges ... einiges steht auch noch an. Ich darf jetzt bald einmal den iranischen Außenminister empfangen, bei mir, noch im August. Im September gibt es ganz ein großes Treffen in Wien in der UNO-City. Ein Treffen der Parlamentspräsidenten innerhalb von der UNO mit über 200 Staaten, und da darf ich gemeinsam mit dem Nationalratspräsidenten Sobotka Gastgeber sein. Und da sind sehr viele bilaterale Gespräche geplant, aber es gibt auch die Möglichkeit, im Plenum Statements abzugeben. Also eine große Herausforderung, durchaus eine große diplomatische Verantwortung. Und so werden die sechs Monate vergehen wie im Flug. Und ich freue mich sehr, dass ich das machen darf, vor allem auch, dass ich mein Bundesland Tirol vertreten darf, ist eine große Ehre.GASSNER-SPECKMOSER: Zum Schluss noch zu den etwas schwierigeren Fragen: Der Bundesrat kriegt ja im Gegensatz zum Nationalrat meist weniger Aufmerksamkeit. Man könnte sagen, er wird etwas stiefmütterlich behandelt. Wieso ist das so?
RAGGL: Ja, das ist natürlich ... wahrscheinlich ist das schon die Auswirkung dafür, dass die Berichterstattung ... dass die aktuellen Themen, die wir ja alle 14 Tage im Nachlauf im Bundesrat behandeln müssen, dass die natürlich schon bei der Diskussion im Nationalrat abgehandelt worden sind. Und zweimal, da werden das die Medien nicht übernehmen. Aber aufgrund der knappen Mehrheiten, seit ca. eineinhalb Jahren, aber auch aufgrund durchaus interessanter Abstimmungen im Bundesrat, sind wir jetzt eigentlich durchaus sehr oft in den Medien genannt worden. Und ja, es liegt immer an dem, was man daraus macht. Und so versuche ich zumindest jetzt einmal in meiner Zeit als Bundesratspräsident – und meine Vorgänger werden das sicher auch gemacht haben und meine Nachfolger werde ich auch sehr dazu beraten, dass sie das auch tun. Man muss halt auch aktiv sein, damit man in den Medien vorkommt und als Bundesrat wahrgenommen wird, weil es ist eine entscheidende Funktion, die der Bundesrat wahrnimmt und auch aufgrund der österreichischen Bundesverfassung so vorgegeben ist.
KÖHLER: Es gibt manchmal auch Kritik am Bundesrat, vor allem, dass man ihn doch gar nicht mehr bräuchte. Ist ein Bundesrat noch zeitgemäß?
RAGGL: Ich sage jetzt das ... Wenn ich mir das jetzt rein in Europa anschaue, dann haben in der EU 13 von 27 EU-Staaten ein Zweikammersystem. Wesentlich mehr als 50 Prozent der Bevölkerung in der EU leben in einem Staat mit einem Zweikammersystem. Gerade die großen Staaten – Deutschland, Frankreich, Italien, bis vor kurzem noch Großbritannien zum Beispiel – haben alle ein Zweikammersystem. Und dieses System – offensichtlich- hat schon seinen Nutzen und seine Bewährtheit. Und daher glaube ich, dass es durchaus wichtig ist, aufgrund der angegeben Gründe: Länderkammer, Europakammer ... Wir haben auch in der EU-Gesetzgebung mehrere Möglichkeiten, als Bundesrat mitzuwirken und das passiert auch und da haben wir eigentlich eine Pionierrolle in ganz Europa, was der Bundesrat da macht. Und daher meine Meinung: Der Bundesrat hat auf jeden Fall seine Rechtfertigung.
GASSNER-SPECKMOSER: Anders herum: braucht der Bundesrat vielleicht sogar eine Aufwertung?
RAGGL: Über das wird schon sehr lange diskutiert. Ich habe von meinen Mitarbeitern im Tiroler Bauernbund einen Zeitungsartikel geschenkt bekommen, zum Antritt, aus dem Jahr 1967 und da war mein Vor-Vor-Vorgänger als Tiroler Bauernbunddirektor Bundesratspräsident. Und da war seine Antrittsrede abgedruckt und man hat 1967 von möglichen und notwendigen Reformen im Bundesrat gesprochen. Also, dieses Thema wird offensichtlich ein Thema bleiben, an dem man durchaus weiterarbeiten muss. Und ich bin ganz zuversichtlich, dass der Bundesrat auch zukünftig eine wichtige Rolle einnehmen wird. Und, wenn es uns gelingt, in dem einen oder anderen Bereich durchaus auch manche Dinge vorzugeben – Sie haben das angesprochen von Gesetzesinitiativen aus dem Bundesrat. Aber auch Schwerpunktsetzungen. Jeder Bundesratspräsident versucht, ein Thema als seinen Schwerpunkt in dem halben Jahr zu verfolgen. Das geht von Pflege über Trinkwasser – hat ein Kollege von mir gehabt – über Stärkung der föderalen Systeme, bis hin zu Chancengleichheit bei Ländlichem oder bei Infrastrukturen, von Breitband bis zur Landärzteversorgung. Wenn es uns gelingt, diese Themen auch zu setzen - die sind jetzt vielleicht nicht aktuell in der Gesetzgebung – zu beschließen. Aber ich versuche jetzt gerade, verschiedene Themen auf unterschiedlichen Ebenen, auf Bundesebene, aber jetzt auch hier in meinem Bundesland, zu setzen, mit denen ich mit meiner Position als Bundesratspräsident mir einmal viel leichter tue, als wenn ich jetzt Bürgermeister bin oder was auch immer. Dann glaube ich, hat das alles seine Rechtfertigung.
KÖHLER: Was ist dann ihr Schwerpunkt, den Sie jetzt umsetzen wollen?
RAGGL: Ja, mein Schwerpunkt geht genau in die Richtung Chancengleichheit zwischen urbanen Räumen und zwischen ländlichen Räumen. Und ich komme aus Tirol, wo der Tourismus eine ganz entscheidende Rolle spielt. Und der steht in einem ganz entscheidenden Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der flächendeckenden Bewirtschaftung. Ich habe da jetzt schon mehrere Veranstaltungen gemacht und mache da auch noch einiges zu dem Thema, dass es den absolut lebensnotwendigen Tourismus in meinem Bundesland nur geben kann, wenn auch die Landwirtschaft funktioniert. Und umgekehrt wird die Landwirtschaft nur funktionieren, wenn wir auch einen funktionierenden Tourismus haben. Und ich möchte das betonen und möchte da das gegenseitige Verständnis noch wesentlich ausbauen. Und gerade das Thema Regionalität im Einkauf der Lebensmittel und Produkte, jetzt ganz gestärkt aus der Pandemie heraus, dass man das jetzt noch weiter vorantreibt, weil man sich einfach gegenseitig braucht. Das habe ich mir vorgenommen und da ist schon einiges gemacht und da wird noch einiges folgen.
GASSNER-SPECKMOSER: Dabei wollen wir es für heute auch belassen! Was der Bundesrat genau ist, und wieso dieser vielleicht doch nicht so unwichtig ist, nur weil man wenig von ihm hört, das dürfte heute wohl klar geworden sein.
KÖHLER: Wenn Sie Fragen, Anregungen oder auch Vorschläge für Themen haben, schreiben Sie uns doch wie immer unter podcast@parlament.gv.at. Ansonsten hören wir uns hoffentlich in zwei Wochen wieder. Bis dahin! Ciao.
GASSNER-SPECKMOSER: Tschüss!