Kontinuitäten und Umbrüche: Die 1970er und 1980er im Parlament
Details
Info
Aufbruch, Aufschwung, alles neu? Proteste, Reformen und Skandale, was hat die Ära Kreisky geprägt? Wie veränderte sich das parlamentarische Geschehen, als mit den Grünen 1986 eine vierte Partei in den Nationalrat einzog? Und wie entwickelte sich der Diskurs im Hohem Haus in den 1970er- und 1980er-Jahren?
Darüber sprechen unsere Hosts Stefanie Schermann und Tobias Leschka in der aktuellen Folge unseres Podcasts „Parlament erklärt“mit der „Grand Dame“ des österreichischen Journalismus, Anneliese Rohrer. Die neue Folge ist Teil unserer Reihe zur Geschichte des Parlamentarismus in Österreich.
© Parlamentsdirektion/Satzbau/hoerwinkel
Links
Folgen Sie unserem Podcast auf:
Transkription
Anneliese ROHRER: Und Kreisky kam und hat wirklich, so blöd das klingt, aber er hat die Fenster aufgerissen. Er hat Luft in das Land gelassen. Er hat einfach, ja er hat einen Aufschwung produziert, auch an Stimmung, gefolgt von einem Furioso an Reformen, bis 1975.
Tobias LESCHKA: Herzlich Willkommen zurück zu einer neuen Folge von "Parlament erklärt". Heute sprechen wir mit der langjährigen Journalistin und Politikbeobachterin Anneliese Rohrer über eine politisch turbulente Zeit im Parlament: die 1970er- und 80er-Jahre. Mein Name ist Tobias Leschka ...
Stefanie SCHERMANN: ... und ich bin Stefanie Schermann. Ab 1970 war die ÖVP erstmals in Opposition. Die "Ära Kreisky" hatte begonnen und sie war nicht nur eine Zeit des blühenden Sozialstaates. Es war auch eine Zeit politischer Skandale und Kontroversen. All das spiegelte sich auch im Parlament wider.
LESCHKA: Und ebenso, wie Schulterpolster und Dauerwellen die Mode der 70er ablösten, tat sich im Parlament einiges: es gab die erste "kleine Koalition" aus SPÖ und Freiheitlichen, ab 1986 saßen nach dem Einzug der Grünen erstmals vier Parteien im Nationalrat. Darüber und über vieles mehr sprechen wir heute mit Anneliese Rohrer.
***** JINGLE *****
LESCHKA: Liebe Frau Rohrer, stellen Sie sich doch bitte kurz vor!
ROHRER: Mein Name ist Anneliese Rohrer, ich laufe im österreichischen Journalismus unter Grande Dame. Ich würde das aber gerne nach 45 Jahren auf "Grant Dame" ändern, weil 45 Jahre Innenpolitik in Österreich sind auch eine Nervensache. Ich war von 1975 bis 2005 bei der Tageszeitung "Die Presse".
SCHERMANN: Im Jahr 1970 wurde der Sozialdemokrat Bruno Kreisky Bundeskanzler. Das sollte er 13 Jahre lang bleiben. Damit ist er der längst dienende Bundeskanzler Österreichs. Sie sind 1974 nach zwei Jahren in Neuseeland nach Österreich zurückgekehrt und haben dann bei der Presse begonnen. Kreisky holte 1975 erneut eine absolute Mehrheit bei Nationalratswahlen – warum war er so eine besondere politische Erscheinung?
ROHRER: Weil Bruno Kreisky einfach geschickter war, als alle in der ÖVP und schneller war als alle in der ÖVP. Die Ausgangslage war so: Die ÖVP hatte die absolute Mehrheit verloren und Josef Klaus, der damalige Bundeskanzler, war ein sehr prinzipiengetreuer Politiker und hat gesagt, er macht nie und nimmer eine Koalition mit der FPÖ, mit den Freiheitlichen. Das hat er abgelehnt. Und Kreisky war einfach ganz, ganz schnell, indem er den damaligen FPÖ-Chef Peter, Friedrich Peter, ein Versprechen, ich glaube sogar noch in der Wahlnacht, mit ihm eine Vereinbarung getroffen hat und zwar nicht, dass er eine Koalition mit den Freiheitlichen macht, sondern dass die Freiheitlichen eine SPÖ-Minderheitsregierung für ein Jahr unterstützen und im Gegenzug, als Gegenleistung, wurde das Wahlrecht geändert und zwar zu Gunsten der FPÖ, sodass die FPÖ erwarten konnte, bei der nächsten Wahl mit mehr Mandaten, mit mehr Abgeordneten einzuziehen als bisher. Und genauso lief es. Der Friedrich Peter hat Bruno Kreisky ein Jahr lang unterstützt. Nun muss man wissen, das Interessante und Ausschlaggebende war, hier war Josef Klaus, der prinzipientreue Konservative, und hier war Bruno Kreisky, der jüdische Sozialist damals, muss man sagen, der aus strategischen, taktischen Gründen überhaupt kein Problem hatte, mit dem ehemaligen SS-Mann Friedrich Peter eine politische Vereinbarung zu seinen Gunsten zu treffen. Er hat natürlich auch, das hat ihn als Politiker ausgezeichnet, schon irgendwie geahnt, dass, wenn er über dieses eine Jahr hinwegkommt, dass er dann die absolute Mehrheit bekommen könnte. Das war sein Plan, und der ist natürlich aufgegangen. Das war sein Risiko und das war sein Plan, aber der Plan ist aufgegangen von 1971 bis 1983.
LESCHKA: Die ÖVP ist ab 1970 also erstmals in der Opposition, die FPÖ hat ab 1971 mehr Sitze im Nationalrat als je zuvor. Wie ändert sich dadurch die Stimmung im Parlament?
ROHRER: Die Zunahme an Mandaten bei der FPÖ, das hat eigentlich überhaupt keinen Ausschlag gegeben. Was dann natürlich den Ausschlag gegeben hat und was bedeutend war, ist die Tatsache, dass die ÖVP mit dieser Oppositionsrolle überhaupt nicht zurechtkam. Da muss man ja wissen, dass die ÖVP in ihrem Parteistatut, glaube ich, festgeschrieben hat, dass jeder ÖVP-Obmann gleichzeitig Bundeskanzler ist. Die haben überhaupt nicht damit gerechnet, dass sie das je verlieren. Das heißt und das ist insofern interessant, weil man ja immer sagt, die Opposition oder die SPÖ ist in Opposition so unfähig, man muss wissen, die ÖVP hat mindestens neun bis zehn Jahre gebraucht, bis sie sich in die Rolle einer wirklich schlagkräftigen Opposition gefunden hat. Das war dann ungefähr, nachdem sie noch einmal die Wahlen verloren haben. 1979 bis 1986 waren sie eine wirklich gute Opposition wie man sich das vorstellt. Also haben sie 13 Jahre gebraucht. Von 1980 an, nach der verlorenen Wahl 1979. Da muss man aber dazu sagen: Sie hatten auch ein Pech.
SCHERMANN: Die ÖVP wollte nämlich mit dem ehemaligen Landwirtschaftsminister Karl Schleinzer zur Wahl im Jahr 1975 antreten. Dieser verunglückte aber einige Monate vor der Wahl tödlich.
ROHRER: Und dann haben sie ganz, ganz schnell den Josef Taus zum Obmann gemacht und den Erhard Busek zum Generalsekretär und haben mit beiden die Nationalratswahl 1975 grandios verloren. Das war auch die erste Wahl, wo zum Beispiel eine Fernsehdiskussion oder Fernseh-Konfrontation der Spitzenkandidaten eigentlich den Ausschlag für das Wahlergebnis gegeben hat. Also Josef Klaus war dermaßen hilflos gegen den doch, ich meine heute wäre Bruno Kreisky eine Witzfigur in den Medien, aber damals war er also wirklich fernsehaffin und wusste mit den Medien umzugehen.
LESCHKA: Die ÖVP blieb also auch nach 1975 in der Opposition. Wie war damals zu bemerken, dass sich die Partei in diese Rolle eingelebt hatte?
ROHRER: Na ja, sie wurde dann einfach schlagkräftiger und hat auch irgendwie wahrscheinlich ihre eigenen Prinzipien dann doch über Bord gehauen. Das konnte man sehen am Atomkraftwerk Zwentendorf. Das war ja dann in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre die Auseinandersetzung und die ÖVP war immer dafür, immer. Ja. Die SPÖ war gespalten, Kreisky war dafür, der linke Flügel war dagegen. Um aus dieser Diskussion herauszukommen, hat Kreisky den Trick erfunden mit der Volksabstimmung und da gibt's die legendäre Geschichte, wo Heinz Fischer, damals Klub-Obmann und Verfassungsexperte der SPÖ, gesagt hat, das geht nicht, weil laut der Bundesverfassung kann man nur eine Volksabstimmung abhalten, wenn die Bundesverfassung entscheidend geändert wird. Nun war ein Gesetz über Zwentendorf keine Änderung der Bundesverfassung. Also hat Fischer gesagt, das geht nicht. Worauf Kreisky zu Fischer gesagt haben soll: "Dann lass dir etwas einfallen!". Und Heinz Fischer hat sich etwas einfallen lassen. Ich kann mich jetzt nimmer genau erinnern, wie der Trick war. Aber jedenfalls wurde dann die Volksabstimmung angesetzt und siehe da, plötzlich war die ÖVP gegen die Atomkraft. Sie hat diese Volksabstimmung, wenn man das so nennen will, knapp gewonnen, indem Zwentendorf mit "51 Komma irgendwas" Prozent abgelehnt wurde. Nur: Sie hat die Volksabstimmung gewonnen, aber das Kalkül ist nicht aufgegangen, dass Kreisky sein Gewicht, dass er hinter diese Abstimmung gestellt hat, dass er dann deshalb zurücktreten wird.
SCHERMANN: Wie hat Kreisky dann reagiert?
ROHRER: Für Kreisky war das Atom-Thema erledigt. Das ist alles, was er wollte, damit er diese Atomauseinandersetzung nicht in den Nationalratswahlkampf 1979 hineinzieht. Auch dieses Kalkül ist aufgegangen. Er war einfach wirklich ein, ja ein politischer Meister in der Taktik. Und er war auch so populär, dass er das Risiko eingehen konnte. Er hätte auch bei der Wahl dann 1983 die absolute Mehrheit nicht verloren, da bin ich heute noch überzeugt davon, wäre er zu dem Zeitpunkt nicht schon alt und krank gewesen und wären auch deshalb, müsste man sehr ausführlich begründen, nicht in der SPÖ Ende der 70er-Jahre die Skandale explodiert.
LESCHKA: Der größte dieser Skandale betraf den Bau des Allgemeinen Krankenhauses in Wien. Auch wenn er erst 1980 aufflog, beginnt er in den 1970ern: Der Bau des AKH begann zu Beginn des Jahrzehnts, war mit einer Milliarde Schilling projektiert und kostete letztlich circa 45 Milliarden Schilling. Das sind umgerechnet über 3,3 Milliarden Euro. Statt einem Jahr Bauzeit dauerte er mehr als zwei Jahrzehnte und der mit der Planung beauftragte technische Direktor soll Schmiergelder in Höhe von heute 2,18 Millionen Euro kassiert haben. Der damalige SPÖ-Finanzminister und Vizekanzler Hannes Androsch wurde im Zusammenhang mit dem AKH-Skandal wegen Falschaussage verurteilt und musste deshalb zurücktreten.
ROHRER: Der damalige und ewige, ein Leben lang in der gleichen Position bleibende, Presse-Referent des Heinz Fischer, Bruno Eigner, hat damals von den Eiterblasen in der SPÖ geschrieben. Also diese zwei Dinge fielen zusammen. Plötzlich sind diese ganzen Skandale rund um und im SPÖ-Umfeld aufgebrochen und Kreisky war alt und krank und hat auch den Fehler gemacht, das sogenannte Mallorca-Paket, dass er kurz vor der Wahl 1983 den Österreichern ein unheimliches Spar-Programm zugemutet hat. Also insofern hat ihn zu dem Zeitpunkt sein politisches Können schon irgendwie verlassen.
SCHERMANN: Die Ära Kreisky war nach 13 Jahren an der Regierungsspitze vorbei. Zusammengefasst: Was war für sie so außergewöhnlich an seiner Regierungszeit?
ROHRER: Da muss man dazu wissen, dass die Jahre der ÖVP-Alleinregierung unter Josef Klaus sehr dumpfe Jahre waren. Es war zwar die 68er-Bewegung, aber die war in Österreich eher Pipifax-mäßig, aber es waren von der Stimmung her die dumpfen Jahre. Und Kreisky kam und hat wirklich, so blöd das klingt, aber er hat die Fenster aufgerissen. Er hat Luft in das Land gelassen. Er hat einfach, ja er hat einen Aufschwung produziert auch an Stimmung, gefolgt von einem Furioso an Reformen bis 1975. Also die guten Jahre waren von 1970 bis 1975. Das waren die Jahre der Bildungsreform, der Sozialreformen, der Justizreformen. Zum Beispiel, glaube ich, bis 1975 wurde das Eherecht geändert, das Frauen also ohne Zustimmung der Männer et cetera et cetera. Zusammen mit dem damaligen Justizminister, den er überhaupt nicht leiden konnte, Christian Broda. Der hat die Justizreformen und die Grundrechtsreformen und einfach einen liberaleren Zug hineingebracht. Und dann die Universitätsreformen mit der Hertha Firnberg. Und dann natürlich bis 1975 das ganz große Thema, die Aufhebung des Abtreibungsverbots, was Kreisky aus Angst, dass die katholische Kirche sich irgendwie wieder politisch engagiert. Das wollte er überhaupt nicht. Also die Fristenlösung, die damals unter Fristenlösung gelaufen ist, die wollte er überhaupt nicht. Und da haben ihn Firnberg und Broda, glaube ich, einfach reingelegt, indem sie das in irgendein Justizpaket verpackt haben und er konnte dann nix machen. Also das wollte er nicht, diese Liberalisierung der Fristenlösung und da war ein Zusammenspiel Firnberg mit Broda. Aber bis 1975 waren da einfach ein Furioso an Reformen, ein Furioso an Liberalität.
LESCHKA: Diese Reformen verliefen sicher nicht ohne hitzige Diskussionen im Parlament, oder?
ROHRER: Sie waren früher in der Diktion manchmal auch sehr tief, ja. Wenn man sich erinnert, dass ja jahrelang der damalige ÖGB-Chef [Anm.: Anton Benya], was heute auch undenkbar wäre, erster Präsident des Nationalrats war und der hat einmal sein Mikrofon vergessen auszuschalten und wie es besonders hitzig hergegangen ist, hat er gesagt: "Hoits die Goschn es Trotteln!". Das war im ganzen Saal zu hören. Also es gab schon auch tiefe, tiefe Phasen, aber in Summe ist das vom Intellektuellen her, vom Rhetorischen her vor allem, ist das nicht zu vergleichen. Es wurde immer provinzieller, es wurde immer primitiver. Ich weiß nicht, ob es vom jetzigen Standpunkt, in der jetzigen Phase, wenn ich mir manche Redner anhöre, noch möglich ist, tiefer zu gehen. Und es ist einfach intellektuell und von den Personen her fast nicht mehr ... es ist keine Zeitverschwendung, aber es gibt dir nichts. Ich meine, früher muss man sich vorstellen, wenn gewisse Redner ans Pult getreten sind, war die Galerie und war die Medien-Loge voll! Die Leute sind hineingeströmt. Das war nicht nur wegen Intellektueller, sondern das war ganz einfach auch wegen Persönlichkeiten. Da gab's zum Beispiel bei der FPÖ einen, der hat eine solchen Dialekt geredet, aber er war so authentisch! Oder eine der vier Staatssekretärinnen, die der Kreisky nach 1979 ernannt hat, vier Frauen, damit er das Thema einmal wegkriegt. Da war eine Gewerkschafterin darunter, die Franziska Fast. Also unter den heutigen Bedingungen völlig medienuntauglich: Klein, würde ich sagen, sehr herb, ja, mit einem sagenhaften Wiener Dialekt, aber die hat Reden gehalten von der Regierungsbank aus! Da ist man dann einfach hineingegangen. Das wollte man einfach hören. Oder gewisse Schlagabtausche in den 70er-Jahren noch. Der Koren [Anm.: Hanns Koren, ÖVP], ja, das wollte man einfach, das wollte man miterleben. Da haben sich die Zeiten wahnsinnig geändert, aber aus anderen Gründen, nämlich medial und technologisch.
SCHERMANN: Nach der Ära Kreisky und dem Scheitern der kleinen Koalition von SPÖ und FPÖ unter Kanzler Alfred Sinowatz ging es im Parlament spannend weiter: Mit den Grünen gab es 1986 auf einmal eine vierte Partei im Nationalrat. Aber zuerst musste die Partei ja einmal entstehen.
ROHRER: Die haben gesehen, welches Potential damals schon in diesem Umweltthema ist und haben sich dann, ja, vor 1986 zum ersten Mal zu einer wahlwerbenden Gruppe zusammengefunden. Und das war eigentlich überraschend, und wurde von vielen auch – und war auch sehr belebend in der ersten Zeit – und haben auf Anhieb den Einzug geschafft. Ich habe zwar nicht mehr im Kopf, mit wie viel Abgeordneten, vielleicht neun oder weiß ich nicht mehr. Ich meine Peter Pilz war glaube ich in der ersten Stunde dabei, der ist ein brillanter Redner gewesen, Meissner-Blau, dann sind dann natürlich viele wieder weggefallen, Herbert Fuchs, die haben sich einfach entschlossen, als Gruppe anzutreten.
LESCHKA: Um die Gründung der Grünen ranken sich viele Geschichten. Manche meinen, schon in den Protesten zum Atomkraftwerk Zwentendorf habe sich in den 70ern eine grüne Bewegung erkennen lassen. Andere meinen, die Besetzung der Hainburger Au, sei der Geburtsort der Grünen. Dort wurde 1984 der Bau eines Wasserkraftwerkes verhindert. Fest steht: Waren zwei grüne Listen bei der Wahl 1983 noch gescheitert, so schaffte "Die Grüne Alternative" bei der Wahl 1986 erstmals den Einzug in den Nationalrat mit acht Mandaten. Hat man diese Veränderung im Parlament bemerkt?
ROHRER: In den 80er-Jahren noch nicht sehr. Nur wenn man dann gesehen hat, man darf ja nicht vergessen, es hat sich ja dann irgendwie wiederholt mit dem "Liberalen Forum", das nach einer Periode rausgeflogen ist. Nur wie man dann eben gesehen hat, dass die wirklich drinbleiben, ja. Aber auf die Debatten an und für sich, kann ich mich nicht erinnern, dass das eine besondere Veränderung herbeigeführt hat. Ich kann mich nicht erinnern. Weil ich meine, damals war ja noch die SPÖ-ÖVP-Regierung so dominant, die hatte bis in die 90er-Jahre hinein die Zweidrittelmehrheit, ich glaube, sie haben sie 1995 verloren, wenn ich mich richtig erinnere. Also ja, Opposition, ja. Wie sie die Zweidrittelmehrheit verloren haben, war dann die Hoffnung, dass sie etwas flexibler werden, weil sie eben jemanden anderen gebraucht haben, die Grünen oder die FPÖ. Aber vorher, so in den 80er-Jahren, von 1986 bis 1990, kann ich mich nicht erinnern. Aber die mussten sich ja auch erst finden, nicht?
SCHERMANN: Heute sind die Grünen aus der parlamentarischen Debatte ja nur mehr schwer wegzudenken. Seit 2019 sind sie sogar in der Regierung. Ab wann nahmen sie in Ihrer Wahrnehmung dann erstmals wirklich Einfluss auf die Debatten im Nationalrat?
ROHRER: Na ja, die späten 80er-Jahre, Anfang der 90er-Jahre waren dominiert vom Beitritt Österreichs zur EU, wogegen die Grünen heftig aufgetreten sind. Also die späten achtziger Jahre, da war alles schon, seitdem Vranitzky die SPÖ dazu gebracht hat, jetzt weiß ich nicht, in welchem Jahr genau, aber vielleicht 1988 oder so, oder schon 1987, die SPÖ dazu gebracht hat, Verhandlungen aufzunehmen. Da war das alles auf die EU fixiert. Da waren die Grünen dagegen und da war die FPÖ aber dafür! Also die Grünen waren in dieser Zeit allein dagegen. Je näher die Volksabstimmung, und das war eine Gesamtänderung der Verfassung, daher war die Volksabstimmung zwingend, je näher man dazu gekommen ist, desto mehr gegen den EU-Beitritt wurde die FPÖ. Und da haben sie sich beide, die Grünen und die FPÖ, gefunden in der in der Gegnerschaft. Hat aber nichts geholfen, weil es waren dann 66,8 Prozent, also eine Zweidrittel-Mehrheit, dafür.
LESCHKA: Damit sind wir am Ende unserer Folge rund um die 1970er und 80er-Jahre im Parlament. Trotz Opposition der Grünen und der FPÖ trat Österreicha am 1. Jänner 1995 dann schließlich der EU bei. Der EU-Beitritt wird auch in unserer nächsten Folge Thema sein, denn in zwei Wochen sprechen wir mit der Gründerin des "Liberalen Forums", Heide Schmidt, über die 90er, ihre Zeit im Nationalrat und die Gründung des "Liberalen Forums".
SCHERMANN: Viele der Themen, die in den 70ern und 80ern im Nationalrat relevant waren, haben wir heute nicht oder nicht vertiefend besprechen können, allen voran die Waldheim-Affäre. Sollten Sie Interesse an einer Folge dazu haben: Lassen Sie es uns gerne wissen! Wie immer: Fragen, Anregungen oder Vorschläge schicken Sie uns bitte wie immer an podcast@parlament.gv.at.
LESCHKA: Ansonsten hören wir uns hoffentlich in zwei Wochen wieder! Bis dahin: Ciao!
SCHERMANN: Tschüss!