Pracht, Palais und Parlament: Ein Streifzug durch das Palais Epstein
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In direkter Nachbarschaft zum Hohen Haus steht am Ring ein weiteres prominentes Gebäude: Das Palais Epstein. Es hat mit Theophil Hansen nicht nur den selben Architekten wie das Parlamentsgebäude nebenan, sondern wird seit 2005 auch vom Parlament verwendet. Was ist typisch für den Prachtbau auf der Ringstraße? Was zeichnet das Innenleben des Hauses architektonisch aus?
Darüber spricht unser Host Stefanie Schermann in der neuen Folge von "Parlament erklärt" mit Harald Hebar, einem der Guides des Parlaments.
© Parlamentsdirektion/Satzbau/hoerwinkel
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Harald HEBAR: Man ist außen eher dezent, was auch der Persönlichkeit des Epsteins sehr typisch ist. Und innen zeige ich, was ich habe und damit, wer ich bin.
Stefanie SCHERMANN: Herzlich willkommen zurück zu einer neuen Folge von "Parlament erklärt". Heute sprechen wir mit Harald Hebar, der normalerweise durch das Palais Epstein führt. Mein Name ist Stefanie Schermann. Herr Hebar gibt uns heute einen Sneak Peak durch das Palais Epstein. Warum, fragen Sie sich? Das prachtvolle Gebäude an der Wiener Ringstraße wird seit 2005 vom Parlament genutzt. Bis zum Anfang der Sanierung des Parlamentsgebäudes war etwa die Demokratiewerkstatt – das Demokratiebildungsprogramm des Parlaments für Kinder – darin untergebracht. Heute ist die Parlamentsbibliothek im Erdgeschoss zu finden.
***** JINGLE *****
SCHERMANN: Zurück zu Harald Hebar und seiner kurzen akustischen Führung. Lieber Herr Hebar, bitte stellen Sie sich unseren Hörerinnen und Hörern doch kurz einmal vor!
HEBAR: So, ja schönen guten Tag! Mein Name ist Harald Hebar vom Vermittlungsteam des Parlamentes, beziehungsweise, in Bälde, haben wir heute erfahren, werden wir Demokratie-Bildner und -Bildnerinnen heißen, nur so am Rande bemerkt. Und 2005 am Nationalfeiertag, hat das Besucherzentrum des Parlamentes eröffnet. Ich habe sporadisch schon ein bisschen früher hin und wieder Führungen gemacht, aber seit 2005 eben regulär. Anfang 2006 kam dann das Palais Epstein dazu, also auch schon alles ziemlich lange her. Und dort mach ich eben auch seitdem mehr oder minder regelmäßig die Führungen in beiden Gebäuden und jetzt eben im Demokratie-Quartier.
SCHERMANN: Sollten unsere Hörerinnen und Hörer das nicht wissen: Das sind übrigens, die Standorte, an denen das Parlament während der Sanierung untergebracht ist. Aber Herr Hebar, Sie blicken also schon auf ein paar Jährchen als Tour-Guide zurück. Wie beginnt denn Ihre Führung durchs Palais Epstein?
HEBAR: Dann mach ich gleich einen Blick nach oben, da befinden wir uns direkt nach dem Haupteingang ist eine kleine, oder ja, eine mittelgroße Kuppel und dann sag ich, wir sehen hier schon etwas, was wir während der ganzen Führung permanent erleben werden. An sich ist das, was sie hier sehen, eine klassische Restaurierung, das heißt eines der wenigen Beispiele, wo ein früherer Zustand wiederhergestellt wurde. Denn, ich sag manchmal etwas augenzwinkernd viele Ringstraßenpalais haben den Zweiten Weltkrieg überstanden, aber nicht das Wirtschaftswunder – zumindest nicht das Interieur. Da prallt man manchmal zurück, wenn man bei schönen Gebäuden reingeht und dann ist man im ärgsten 60er und 70er Jahre Interieur. Und hier wurde, zumindest in einem Teil, in der Belle Etage, der Originalzustand zumindest wieder angenähert.
SCHERMANN: Der Originalzustand ist in diesem Fall, wie bereits erwähnt, im Stile der Neo-Renaissance. Was ist denn das genau für ein architektonischer Stil?
HEBAR: Ein ganz häufiger Stil in Wien, nicht nur auf der Ringstraße, nämlich Historismus, eine frühere Epoche wird nachgebildet und man kann eigentlich Kreuz und Quer durch diese Stadt fahren und kann das eigentlich, zumindest die Kunsthistoriker machen das, in drei Versionen einteilen. Und diese drei Versionen haben wir quasi wie auf einer Perlenkette gleich bei den Nachbargebäuden des Palais Epstein aufgereiht, nämlich der Nachbar vom selben Architekten, Theophil Hansen: Neoklassisch, die Antike wird nachgebildet. Dann das Rathaus vom Schmidt, neogotisch. Und zu guter Letzt dann die Universität Neorenaissance vom Ferstl. Und in diesen drei Versionen kann man diesen häufigen Stil in Wien erkennen und das Palais Epstein wäre die Sparte nach Neorenaissance. Und zwar da eine spezielle Unterart, nämlich die sogenannte strenge Renaissance, das heißt, man ist außen eher dezent, was auch der Persönlichkeit des Epsteins sehr typisch ist dazu gleich später mehr und innen zeige ich, was ich habe und damit, wer ich bin.
SCHERMANN: Was ist denn typisch für die Palais entlang der Wiener Ringstraße? Und was dabei ist das Besondere am Palais Epstein?
HEBAR: Dieses Haus ist in gleich vier Punkten, würde ich sagen, typisch für ein Ringstraßenpalais. Punkt Eins, die Bau-Daten: 1868 – 1871. Dezember 1871 ist die Familie Epstein hier eingezogen. Warum betone ich das? Viele private Ringstraßenpalais sind oftmals älter als die Prachtbauten. Jetzt könnte man glauben, ja, die Privaten waren halt immer vielleicht effizienter, es aber nicht so, dass hatte einen ganz handfesten Grund: Jeder Privatier, der auf der nach dem Stadtmauern-Abriss leeren Ringstraße eine Parzelle erworben hat, musste sich zu zwei Dingen verpflichten, nämlich erstens musste was gebaut werden und zweitens innerhalb eines gewissen Zeitraumes. Und wenn man das geschafft hat, dann wurde man sage und schreibe 20 Jahre lang von der Grundsteuer befreit. Und das ist der Grund, wenn man bei frühen Fotos der Ringstraße eine Bildersuche macht, dann wird man erkennen, dass auf diesem hufeisenförmigen Boulevard die privaten Palais eigentlich ganze Straßenzüge wirklich ruckzuck hochgezogen worden. Gleiches gilt, wo man von den Prachtbauten noch wenig oder gar nicht sieht: Beim Palais Epstein ist es ein ganz typisches Beispiel: 1871 war vom benachbarten Parlament noch nicht mal die Baugrube ausgehoben. Ja, es gab noch die beiden benachbarten Museen nicht, den ganzen neuen Teil der Hofburg noch nicht. Das heißt, allerdings wusste man, dass diese Stelle natürlich eine sehr prominente werden wird, ja. Und Epstein war eines der allerersten Häuser auf der Ringstraße, zeitlich gesehen. Das ist der erste typische Punkt. Der zweite typische Punkt ist der Architekt, Theophil Hansen. Einer DER Ringstraßen-Architekten. Und sein Höhepunkt seiner Karriere war also daneben das benachbarte Parlament. Wo dann drei Jahre später mit dem Bau begonnen wurde. Weithin unbekannt, behaupte ich mal, wissen auch viele Einheimische nicht: Seine rechte Hand, damals genannt Bauleiter, war der damals noch junge und unbekannte Otto Wagner. Also, den wir ständig mit Jugendstil assoziieren, also ganz was anderes als der Historismus, nämlich die nachfolgende Epoche, 1896. Interessanterweise hat der junge Otto Wagner am Höhepunkt des Historismus hier also auch schon seine Spuren hinterlassen, als rechte Hand von Theophil Hansen.
SCHERMANN: Spannend! Otto Wagner sollte ja das Wiener Stadtbild noch nachhaltig prägen. Seiner Feder entspringen etwa einige Gebäude entlang der Wienzeile und nicht zuletzt das Otto-Wagner-Spital am Steinhof, heute genannt "Klinik Penzing". Aber zurück zur Ringstraße und zum Palais Epstein und seinen Bewohnern und Bewohnerinnen.
HEBAR: Das dritte, was typisch ist, sind die Auftraggeber. Wer waren die Epsteins? Eine Bankiersfamilie und das Bankhaus Epstein war in einem heutigen Terminus, würden wir sagen, eine klassische Investmentbank. Das heißt, da gingen nicht die kleinen Sparer mit ihren Sparbüchern hinein, sondern die Industriellen haben mit dem Herrn Epstein konferiert über ihre Projekte, also eine klassische Investmentbank. Und aber was ist typisch beim Punkt Drei nämlich nahezu, ich sag jetzt mal, wenn ich es richtig im Kopf hab: Nahezu alle privaten Palais, oder sag mal so der Großteil auf der Ringstraße sind durchwegs nicht vom traditionellen Establishment, von den Adelsfamilien gebaut worden, sondern von einer neu entstehenden Klasse. Ein Phänomen, was es nicht nur, aber eben auch in Österreich-Ungarn gab also quasi als Folge der industriellen Revolution: Ein neu stehendes, sehr liberal gesinntes Bürgertum, das heißt, man gehörte nicht zum alten Adel, zum Establishment einerseits, aber andererseits: Man war nicht arm, sondern im Gegenteil manchmal sogar noch vermögender und die Epsteins waren da ein typisches Beispiel, die Familie. Und das typische im typischen beim Punkt 3 ist ein wesentlicher Teil, auch ein europaweites Phänomen, zumindest In West- und Mitteleuropa zur damaligen Zeit, ein wesentlicher Teil dieses neuen Bürgertums war jüdischen Ursprungs und so auch die Familie Epstein. Er, der Gustav, der Auftraggeber des Palais, wie auch seine Gemahlin, die Emilie Wehle Epstein stammten aus damals schon bekannten, vermögenden, Prager-jüdischen Familien. Und der Punkt Vier, der typisch ist, ist eigentlich die Systematik dieses Gebäudes. Viele Ringstraßenpalais, nicht alle, aber sehr viele, haben eigentlich einen ähnlichen Aufbau. Das ist nicht so uninteressant. Die Kunsthistoriker nennen das eine horizontale und vertikale Schichtung. Horizontale Schichtung ist leicht erklärt: Jeder Stock hat eine Funktion. Was heißt vertikale Schichtung innerhalb dieser Aufteilung? Alles, was wichtiger ist, schaut zur Ringstraße. Und das hüpfe ich dann meinen Besuchern noch kurz vor in beiden Versionen. Und dann fange ich dann an im Erdgeschoss, waren natürlich ringstraßenseitig die Haupt-Bankräume. Wobei, das Bankhaus Epstein war groß und hatte Filialen verstreut über ganz Wien, aber im Epstein-Palais selbst war quasi der Hauptsitz, interessanterweise nur auf einer Seite. Auf der anderen Seite, und da gibt es nur schriftliche Quellen, leider keine Fotos, zumindest habe ich bis heute keines gefunden, heißt es, waren Geschäftslokale. Ich habe aber bis heute noch keine Quelle gefunden was für Geschäfte, und Fotos auch nicht. Es sind die Räume, die heute oder jetzt im Moment der Lesesaal der Bibliothek ist. Und dann hier hinten war eben dieser Korridor mit der Kutschen-Einfahrt im 1. Stock, wo wir dann hingehen in der Belle Etage und natürlich, gewohnt hat man ringstraßenseitig. Nicht aber nicht nur wegen der Aussicht, man war ja damals auch noch nicht vom Verkehrslärm geplagt, und auf der hinter Seite war eben Bad, Küche, WC, Waschküche. Im 2. Stock das ist auch nicht uninteressant, das ist jetzt wieder ein typisch wienerisches Phänomen, zumindest nach meinen bescheidenen Forschungen, etwas, was also jetzt in Paris, Berlin, London ein absolutes No-Go war aber in Wien durchaus en vogue. Es war in Wien auch für vermögende Familien salonfähig, Teile des eigenen Palais zu vermieten und daher stammt der Ausdruck, und genau das war das Palais Epstein, ein sogenanntes Zins-Palais, nicht zu verwechseln mit den Zins-Kasernen, das waren die armen Leute. Ja, Zins-Palais heißt ich bin vermögend und vermiete einen Teil meines Palais an durchaus auch vermögende Mieter und Mieterinnen, die eine noble Anschrift haben wollen. Im 4. Stock war das Personal. Was man ja damals bei den damaligen Lohnkosten in Hülle und Fülle hatte, oder vielleicht auch Lohnnebenkosten, seien wir gerecht. Ob's da auch eine vertikale Schichtung gab, ja, weiß ich nicht, vielleicht ringstraßenseitig die Kammerdiener, hinten Wäschemädel. Aber das sind jetzt nur Spekulationen, ja?
SCHERMANN: Das war jetzt also ein erster Einblick in die spannenden Führungen durchs Palais Epstein. Wie kommen unsere Hörerinnen und Hörer denn zu diesem Vergnügen?
HEBAR: Also die Führungen sind natürlich kostenfrei, so wie alle Module im Parlament, die wir anbieten. Und Treffpunkt ist jetzt eben direkt beim Haupteingang des Palais Epstein. Dort bekommt man das Ticket. Und die deutschsprachigen Führungen werden um 10:30 Uhr und um 12:30 Uhr, und wer Bekannte oder Freunde aus dem Ausland hat und englischsprachige haben möchte, die wären dann um 11:30 Uhr und um 13:30 Uhr immer an Samstagen und wir sind alle sehr froh, dass das nach dem Lock-Down auch dort wieder losgeht.
SCHERMANN: Damit sind wir schon wieder am Ende unserer heutigen Episode angelangt, und bedanken uns nochmal ganz herzlich bei unserem Gast Harald Hebar. Und natürlich auch bei Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer – vielen Dank fürs Zuhören! Ansonsten hören wir uns hoffentlich in zwei Wochen wieder. Da geht es um den Simon-Wiesenthal-Preis, der heuer am 11. Mai zum ersten Mal verliehen wurde. Geehrt wurden Menschen, die sich gegen Antisemitismus und für die Aufklärung über den Holocaust engagieren. Wie immer: Fragen, Anregungen oder Vorschläge für neue Folgen schreiben Sie uns bitte an podcast@parlament.gv.at. Bis dahin, ciao!