Geschichte, Geschichten und G‘schichteln: Best of "Parlament erklärt"
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Vierundsiebzig. So viele Folgen gab es nun schon von unserem Podcast "Parlament erklärt". Seit drei Jahren durften Sie unsere Hosts an jedem zweiten Montag herzlich willkommen heißen.
Sie erklärten dabei alles rund ums Hohe Haus – von Verfassung, Bundesrat, Parteigründung und dem Härtegrad von Bleistiften war alles dabei. Jetzt sind wir bei Nummer Fünfundsiebzig angelangt. In dieser finalen und letzten Folge werfen unsere Hosts Stefanie Schermann und Tobias Leschka einen Blick zurück und machen einen akustischen Spaziergang durch einige unserer liebsten Folgen.
© Parlamentsdirektion/Satzbau/hoerwinkel
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Transkription
Stefanie SCHERMANN: Hallo liebe Hörerinnen und Hörer, willkommen zu einer neuen Folge von "Parlament erklärt". Wir dürfen Sie heute ein letztes Mal in diesem Rahmen in die Welt des Parlaments mitnehmen. Mein Name ist Stefanie Schermann ...
Tobias LESCHKA: Und ich bin Tobias Leschka. "Parlament erklärt" – unseren Parlaments-Podcast – gibt es bereits seit September 2019 und nun ist es auch an der Zeit, "Adieu" zu sagen.
***** JINGLE *****
SCHERMANN: Doch zum Abschluss haben wir uns natürlich noch etwas Besonderes für Sie überlegt: wir dürfen Sie heute auf eine Reise durch die besten Folgen der vergangenen Jahre entführen. Starten wir doch gleich mit der ersten Folge, als unsere damaligen Hosts Katharina Brunner und Johannes Pucher nachgefragt haben: ...
Katharina BRUNNER: (...) Wer arbeitet eigentlich im Parlament? Wer sind die Menschen, die den Betrieb abseits der Politik am Laufen halten?
Wolfgang BÖHM: Mein Name ist Wolfgang Böhm. Ich bin da im Parlament in der Sicherheitsabteilung. Quasi Sicherheitsgruppe, um es genau zu sagen, und unsere Aufgaben gehen von Personenkontrolle bis Anmeldung und ähnliche Tätigkeiten. Da sieht man jetzt einen Rucksack, da dürften Batterien drin sein. Das sieht man da. Das dürfte auch ... ein Mikro? Kann das sein? Also man erkennt das schon. Das ist zum Beispiel organisch hier, nicht? Das ist Metall eben. Und da sieht man zum Beispiel, Sie haben ... einen Notizblock dürften Sie drinnen haben. Das heißt, man erkennt ... Wenn man gewisse Erfahrung hat, dann erkennt man alles ziemlich genau, was halt in dem Rucksack drinnen ist.
BRUNNER: So vielfältig wie die Aufgaben im Parlament, so vielfältig sind auch die Menschen, die hier arbeiten. Viele von ihnen werden wir Ihnen noch vorstellen.
Johannes PUCHER: Und wir werden auch noch viele Fragen stellen.
LESCHKA: Und so sollte es in insgesamt 75 Folgen auch kommen. Wir haben Abläufe im Parlament erklärt, mit Zeitzeugen und Zeitzeuginnen gesprochen, uns gefragt, wie denn die Parlamentsbaustelle klingt und auch, wie und wann die ersten Frauen ins Parlament gekommen sind. So in Folge Nummer 8:
David RIEGLER: (...) Heute eröffnen wir mit dieser Folge eine Serie über den Weg der Frauen im Parlament. Zu Beginn mussten sie dafür kämpften, dort überhaupt mitreden zu dürfen.
BRUNNER: Frauen hatten es nämlich lange schwer offiziell politisch engagiert, oder gar Politikerinnen sein zu können. In zukünftigen Folgen wollen wir die Pionierinnen, die ersten Politikerinnen im Parlament, portraitieren.
RIEGLER: Dafür müssen wir aber zuerst einen genaueren Blick auf die Rolle des Geschlechts in der Geschichte und der Politik werfen. An der Uni Wien ist Gabriella Hauch dafür Expertin. Sie ist seit 2011 Professorin für Frauen- und Geschlechterforschung am Geschichte-Institut an der Uni Wien.
Gabriella HAUCH: In der Entwicklung der bürgerlichen Moderne, man könnte das so ansetzen mit der französischen Revolution 1789, wo also eine ganz neue, nämlich nicht mehr eine ständische, Gott gewollte Gesellschaft verwirklicht werden sollte, sondern eine demokratische bzw. darauf fußend, dass der Mensch frei und gleich geboren ist. Also der Gleichheitsgedanke, der Freiheitsgedanke war seit dieser Zeit durchgängig für die österreichische Republik. Jetzt nicht für die Diktaturen beherrschend. Und da muss man sagen, dass bereits ganz am Anfang dieses Feld des Politischen für den männlichen Bürger gedacht war und nicht für die Bürgerin. Das ist zwar nicht festgestanden von Anfang an und wir haben in der französischen Revolution, genauso wie in der Wiener Revolution von 1848 die Forderung, dass eben auch Frauen zu Bürgerinnen werden sollen, dass Frauen das Wahlrecht bekommen sollten, studieren sollten. Aber das war eigentlich eine Zeit eines langen Kampfes, dass das Feld des Politischen nicht auf das männliche Geschlecht reduziert ist.
BRUNNER: Das Geschlecht war im Feld des Politischen also eine Ausschlusskategorie. Es war egal, in welche bürgerliche Schicht man geboren wurde, welcher Religion man angehörte. War man Frau, galt man per se offiziell unpolitisch und konnte politisch nicht mitbestimmen.
SCHERMANN: Das ist heute zum Glück anders und Frauen sind nun schon seit über 100 Jahren im Parlament vertreten. Bleiben wir also im Hier und Jetzt: Die parlamentarische Debattenkultur ist immer noch von besonderer Bedeutung, wie Diana Köhler und Tobias Gassner-Speckmoser in unsere Folge über Ordnungsrufe vom ehemaligen Nationalrats- und Bundespräsidenten, Heinz Fischer, und dem Abgeordneten mit den meisten Ordnungsrufen, Hannes Jarolim, erfahren haben.
Diana KÖHLER: Oft reicht aber auch schon die bloße Androhung eines Ordnungsrufs durch den Präsidenten, wie etwa hier bei einem recht bekannten Beinahe-Ordnungsruf: FPÖ-Abgeordneter Wolfgang Zanger hatte für Betriebsräte und Gewerkschafter einen äußerst abfälligen Ausdruck verwendet.
Wolfgang SOBOTKA: Herr Abgeordneter Zanger, ich bitte Sie den Ausdruck, den vergleichenden zu Betriebsräten und Gewerkschaftern, zurückzunehmen, den Sie gewählt haben. Sind Sie bereit, den Ausdruck, den sie vergleichend zu Gewerkschaftern und Betriebsräten gewählt haben laut Protokoll, zurückzunehmen? "Was das für Beidl sind" Bitte?
Wolfgang ZANGER: Ich wollte sagen "trink ma lieber a Seidl".
SOBOTKA: Nehmen Sie ihn zurück? Danke.
KÖHLER: Das Geheimnis für ein gesundes politisches Klima ist also: Gepflegt streiten, aber sich trotzdem danach noch in die Augen schauen können.
Heinz FISCHER: Nach dem schönen Zitat von Karl Popper: Du kannst irren und ich kann Recht haben, ich kann irren und du kannst recht haben, aber gemeinsam werden wir uns der Wahrheit annähern.
KÖHLER: Was für ein schönes Zitat für ein Ende.
Tobias GASSNER-SPECKMOSER: Aber bevor wir Sie mit so einem doch eher ernsten Schlusssatz entlassen, wollen wir Ihnen nicht vorenthalten, was Johannes Jarolim noch zum Schluss zu uns gesagt hat. Wir haben den Abgeordneten mit den meisten Ordnungsrufen nämlich abschließend noch folgendes gefragt:
GASSNER-SPECKMOSER: Und haben Sie das auch für sie persönlich etwas mit Humor genommen?
Johannes JAROLIM: Ja schon. Manchmal war es wirklich ohne Humor, da war die Empörung im Vordergrund, aber meistens ist es eher schon, ... es hat natürlich auch immer eine spielerische Note dabei, nicht?
GASSNER-SPECKMOSER: Und damit, liebe Hörerinnen und Hörer wollen wir es für heute belassen. Ordnungsrufe sind also ein Instrument, das gebraucht wird um ein gutes Diskussionsklima sicherzustellen und gleichzeitig aber auch etwas, das Abgeordnete nicht immer ganz ohne Humor nehmen.
LESCHKA: Dass der Ton die Musik macht, erfuhren unsere beiden Hosts auch von Alexander Gardavsky-Gianinni, dem Leiter der Bauaufsicht auf der Sanierungsbaustelle des Parlamentsgebäudes. Bei einer Führung stießen die beiden auf unerwartete Klänge.
KÖHLER : Das, was die Parlamentsbaustelle von einem normalen Hausbau beispielsweise unterscheidet, ist, dass man hier etwa nicht nur Maurer und Zimmerer braucht, sondern auch verschiedene Spezialisten und Spezialistinnen, wie etwa geschulte Restauratoren und Restauratorinnen, die die alten Figuren mit Stemmeisen und Pinsel wieder in Schuss bringen. Entschuldigung, darf ich Sie fragen, was Sie da machen?
RESTAURATORIN: Wir nehmen ein Mäander Stück ab.
KÖHLER: Was ist ein Mäander?
RESTAURATORIN: Das ist da unten das Band, da gibt’s verschiedene Formationen. In dem Fall ist es unten das Band.
KÖHLER: Aha, und das wird dann quasi neu und schön gemacht?
RESTAURATORIN: Genau, das wird restauriert in der Firma und dann wieder draufgesetzt.
KÖHLER: Okay, danke!
RESTAURATORIN: Bitte!
GASSNER-SPECKMOSER: Die Säulenhalle ist, wie der Name schon sagt, eine riesige Halle mit mächtigen Säulen, darüber ein Dach, wo die Sonne hereinscheint.
KÖHLER: Ja, normalerweise. Jetzt während der Bauarbeiten war es da drinnen echt dunkel. Das, was uns an der Säulenhalle aber beeindruckt hat, war weniger, wie sie ausgeschaut hat, sondern viel eher wie sie geklungen hat. Hören Sie selbst:
***** Atmosphärische Klänge in der Säulenhalle *****
GASSNER-SPECKMOSER: Anfangs haben wir gedacht, da würde irgendwo Musik oder ähnliches gespielt werden. Doch das war wirklich nur Baustellenlärm, der hier in der Säulenhalle einen besonderen Hall entwickelt hat.
Alexander GARDAVSKY-GIANINNI: Das, was lustig war, war jetzt bei der Aufnahme: Das "sssccchhh”, das war der Flämmer, dann gibts zwei Leute die verdübeln gerade, also die bohren gerade Bohranker, dieses Quietschen ist, wenn man am Gerüst geht, das ist das Quietschen. Es ist wie eine Kirche!
GASSNER-SPECKMOSER: Stufen, Stufen und noch mehr Stufen. Nach der Renovierung soll das aber anders sein. Dann wird es mehrere Lifte geben und das ganze Gebäude barrierefrei sein.
***** Atmosphärische Klänge: Schritte über Treppen *****
SCHERMANN: Wie etwas sehr altes wie die Säulenhalle klingt, wissen wir nun. Wir haben uns aber auch für die Jüngsten im Parlament interessiert.
KÖHLER: (...) Heute geht es um eine Gruppe von Abgeordneten im Parlament, von denen man sonst eigentlich eher wenig hört. Sie fallen meistens nicht besonders auf, schreien nicht durch den Plenarsaal und kassieren auch seltener Ordnungsrufe. Heute geht es um die Jüngsten im Parlament.
GASSNER-SPECKMOSER: Dafür haben wir uns zwei Gäste eingeladen, die wissen, wovon sie sprechen. Yannick Shetty, NEOS-Abgeordneter, und Claudia Plakolm, ÖVP-Abgeordnete. Beide sind 25 Jahre alt und somit derzeit die jüngsten Abgeordneten zum österreichischen Nationalrat.
KÖHLER: Was würden Sie sich wünschen?
Yannik SHETTY: Also, ich würde mir schon wünschen, dass es, auch wenn es mich jetzt persönlich nicht so gestört hat, dass es gegenüber jungen Abgeordneten weniger pauschale Abwertung gibt, von bestimmten Abgeordneten, also dass einfach das Alter einfach kein Thema mehr ist, genauso wenig, wie ich jetzt eben mir auf die Stirn picke, dass ich der jüngste Abgeordnete bin, weil ich auch nicht stolz drauf bin, aber genauso wenig möchte ich, dass andere mir dieses Etikett draufkleben und sagen: "Weil du der Jüngste bist, oder weil du besonders jung bist, kannst du bei bestimmten Themen nicht mitreden."
GASSNER-SPECKMOSER: Sie sind jetzt mit 25 Jahren Abgeordneter zum Nationalrat. Was kann da noch kommen? Wo sehen Sie sich in 10 Jahren?
Claudia PLAKOLM: Puh! In 10 Jahren? Da bin ich 35. Ich seh' mich einmal vor allem in Oberösterreich nach wie vor mit einem starken Fuß verankert, genauso wie jetzt auch. Das ist mir sehr wichtig. Ja, in 10 Jahren kann irrsinnig viel passieren. Ich habe mir mit 15 auch nicht gedacht, dass ich 10 Jahre später im Parlament sitze. Von dem her kann ich das gar nicht so sehr planen. Ich bin da vielleicht wie viele andere Jugendlich auch, die oft wochenweise maximal ihr Leben planen und noch nicht die nächsten Jahre vorausdenken. Das ist auch ganz schwierig im politischen Geschehen, weil man auch abhängig ist von Wahlen. Aber was ich nicht will, ist, dass ich einmal in der Politik in Pension gehe.
LESCHKA: Claudia Plakolm hat damals wohl auch nicht damit gerechnet, dass sie nur kurz später Staatssekretärin wird, aber genauso ist es gekommen.
SCHERMANN: Und wir springen jetzt von der Jugend zur Lebenserfahrung: In unserer Abschlussfolge für das Jahr 2020 haben sich unsere Hosts mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen über die Gründung der Zweiten Republik unterhalten.
GASSNER-SPECKMOSER : (...) Heute wollen wir die Chance noch einmal nutzen und uns diesem speziellen Jubiläumsjahr widmen. Denn vor 75 Jahren wurden die Grundsteine für unsere heutige Republik gelegt. Doch wie war das damals? Wie ging es den Menschen 1945?
KÖHLER: Wir haben mit drei Menschen gesprochen, die dabei waren, und haben sie gefragt, wie sie die damalige Zeit erlebt haben. Wanda Brunner, damals gerade einmal 14 Jahre alt, war während dieser Zeit in einem so genannten "KLV-Lager" in Kärnten untergebracht. Die Kinderlandverschickungslager, wie sie korrekt geheißen haben, waren Lager, in denen Kinder und Frauen im Zweiten Weltkrieg untergebracht wurden, um etwas weiter vom Geschehen weg zu sein.
GASSNER-SPECKMOSER: Dass der Krieg 1945 bald ein Ende haben würde, das wusste in den KLV-Lagern insgeheim jeder, sagt sie. Obwohl man offiziell keine Neuigkeiten erfahren durfte.
Wanda BRUNNER: Ja natürlich, natürlich, man hat das ja verfolgt. Zu der Zeit ist ja schon offiziell so geredet worden. Nicht offiziell in den Klassen, aber privat. Und so hat man das Ende schon vorausgesehen. Es war doch wirklich niemand so dumm, dass er das nicht mitbekommen hat, wie weit die Soldaten von den Siegermächten bereits in Europa, oder in Deutschland oder in Österreich, schon fortgeschritten waren.
GASSNER-SPECKMOSER: Im März 1945 war es dann so weit. Die Rote Armee hat österreichischen Boden betreten.
KÖHLER: Alles, was danach geschehen ist, ist schnell gegangen. Die Truppen haben Österreich besetzt, das Deutsche Reich ist vor der Niederlage gestanden. In Österreich haben sich die ersten nicht-faschistischen Parteien wiedergegründet. Die ÖVP, KPÖ und die SPÖ. Am 27. April 1945 wurde in Österreich eine provisorische Regierung unter Karl Renner eingerichtet. Nur drei Tage bevor Adolf Hitler sich in seinem Bunker erschossen hat.
Carl REISSIGL: So unglaublich das klingt, in der Gefangenschaft hatten wir keine Telefonverbindung, keine Briefverbindung, keine Zeitungen. Also wir erfuhren so zufällig, dass Wien von den Russen schon besetzt ist und so weiter. Und da sind wir ja erst nachher noch sozusagen an die Front, an die Oder gekommen. Also, alles was sich in Österreich abgespielt hat, und auch in Tirol, blieb uns verborgen und konnte erst nach dem 12. Jänner 1946 rekonstruiert werden.
GASSNER-SPECKMOSER: Auch Anton Nigl ist es ähnlich ergangen. Er war damals 17 Jahre alt, als er noch am 8. Mai südlich von Prag gefangen genommen wurde, als der Krieg eigentlich schon aus war.
KÖHLER: Nur: Diese Nachricht ist erst gar nicht zu ihm vorgedrungen. Erst in seiner Gefangenschaft hat er davon erfahren.
Anton NIGL: Erst im Stadion von Prag, in dem wir einige Tage, ich glaube fast eine Woche gelegen sind, erst da hat sich das Gerücht herumgesprochen, der Krieg ist aus, in Österreich hat sich eine Regierung zusammengetan. Aber wer und wie und was? Es ist dann einmal ein Name gefallen, der Renner. Aber niemand konnte bestimmt etwas sagen. Es gab ja keine Nachrichten, wir haben ja nichts gehabt!
KÖHLER: An dieser Stelle möchten wir uns bei unseren Interviewpartnerinnen und -partnern für ihre Offenheit bedanken. Wanda Brunner, Carl Reissigl und Anton Nigl haben sich für uns ans Jahr 1945 zurückerinnert. Übrigens, waren sie alle zu einem späteren Zeitpunkt in der Geschichte Österreichs staatstragende Politikerinnen und Politiker.
GASSNER-SPECKMOSER: Wanda Brunner etwa war Nationalratsabgeordnete, Carl Reissigl Tiroler Landtagspräsident und Anton Nigl Bundesratspräsident.
LESCHKA: Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs ging also alles recht schnell. Ob das Gründen einer Partei heute genauso schnell geht und welche Tipps es dafür gibt, erfuhren Tobias Gassner-Speckmoser und Diana Köhler von einem, der es wissen muss.
GASSNER-SPECKMOSER: Wie gründet man denn nun wirklich eine Partei? Braucht man dafür hunderte Leute? Tausende Euros? Und was dann? Kann ich automatisch bei einer Wahl antreten? Und vor allem, wie bewege ich Bürgerinnen und Bürger dann tatsächlich dazu, mich zu wählen?
KÖHLER: Und wer wäre für die heutige Folge wohl besser als Interviewpartner geeignet als Dr. Marco Pogo? Viel Spaß!
GASSNER-SPECKMOSER: Können Sie künftigen Parteigründern zum Schluss noch drei Tipps mit auf den Weg geben?
WLAZNY: "Tu es nicht." ... Nein, prinzipiell, drei Tipps: ich glaube bei aller Vorsicht, die geboten ist, sollte man dennoch dieses "einfach einmal machen" nicht verlieren. Das ist auch mein Spirit irgendwie. Einfach zu tun und dann wird sich viel auch auflösen und aufklären rennt dann meistens eh. Prinzipiell zu Beginn steht man halt vor einem Haufen Probleme. Das beginnt bei der Satzung oder dann eben im ganzen Unterschriftensammelprozess und so weiter. Ich glaube man sollte sich nicht zu viel verkopfen zu Beginn. Sondern, wenn man eine gute Idee hat, lohnt es sich meistens auch diese Idee dann zu verfolgen und sich nicht von Formalitäten oder kleinen Hürden bremsen zu lassen. Das ist der Tipp 1. Tipp 2 ist: Lass dich nicht abhängig machen von irgendjemanden. Das habe ich auch gekonnt umschifft und bin jetzt sehr froh darüber, dass ich zu tausend Prozent alles alleine entscheiden kann. Und es ist ja doch so: Kein Mensch auf der Welt gibt dir einfach so Geld. Und schon gar nicht, wenn einer reich ist, ja. Natürlich verfolgen die Ziele und ich glaube es ist wichtig, dass man sich seine Unabhängigkeit bewahrt. Und das Dritte ist: Sei dir deinen Zielen bewusst und verfolge die auch. Es ist kommunikativ sehr wichtig, dass man sich klar positioniert. Ich glaube es ist generell wichtig, sich immer im Leben klar hinzustellen und sich klar zu positionieren. Auch wenn man manchen dann mitunter vor den Kopf stößt, die sagen "Was? Wieso? Ich entfolge dir". OK gut, dann schleich’ dich halt, ich wollt dich eh nicht haben. Also klare Kommunikation. Und auch Farbe bekennen. Ich glaube das sollten nicht nur Leute, die eine politische Partei gründen wollen, sondern ich glaube die Leute sollten generell ein bisschen mehr Farbe bekennen.
***** Pause *****
WLAZNY: Jetzt haben wir aber eh ordentlich viel geredet ... Naja, ich glaube, alles getan. Prost!
SCHERMANN: Nach erfolgter Parteigründung ist eines im Leben von Politikerinnen und Politikern sicher: sie müssen Reden halten. Wie Reden entstehen, hat Ex-Klubobmann der NEOS Matthias Strolz in Folge 43 erklärt.
KÖHLER: Gehen wir das vielleicht kurz noch einmal Schritt für Schritt durch: Eine Rede wird im Parlament gehalten: Was passiert alles davor?
Matthias STROLZ: Also. Ein Thema kommt ins Parlament und wird in der Regel einem Ausschuss zugewiesen. Also, wenn es einmal ins Parlament kommt, wird es noch gar nicht groß diskutiert, sondern es geht relativ schnurstracks in einen Ausschuss. Und dort findet eine Fachdebatte dazu statt. Zu dieser Fachdebatte erstellen die Parlamentsklubs, die Mitarbeiter, die Referentinnen in der Regel ein sogenanntes Fachdossier. Die werden da schreiben: was ist die Position der anderen Fraktionen, was ist unsere Position, was sind unsere Argumente, was sind die Gegenargumente, was ist unsere Abstammungslinie. Das kann auch an manchen Punkten sogar noch offen sein, ob wir dafür oder dagegen stimmen. Weil es nicht immer schwarz-weiß ist. Es kommen auch Abänderungsanträge und so weiter. Das ist relativ komplex. Auf Basis dieses Fachdossiers würden dann entweder dieselbe Mitarbeiter, das wird in jedem Parlamentsklub ein bisserl anders sein oder der eigene parlamentarische Mitarbeiter oder du selbst als Abgeordneter dann dir ein Skript machen für deine Rede. Und hier ist es auch wieder völlig unterschiedlich. Es gibt jene, die brauchen ein Volltextskript. Die sagen also "Lieber Mitarbeiter schreib mir die Rede" und ich lese sie dann runter, oder tu so, als wäre es eine Rede und es ist aber eine Leseübung. Dann jammern auch andere Kollegen. Die, die es nicht gut meinen mit dir schreien dann auch hinaus und sagen "Das ist eine Rede, keine Leseübung." Also da kriegst dann natürlich auch gewisse Ehre als Abgeordneter, dass du sagst "Ah, ich muss die freie Rede ein bisschen üben." Dann kommen manche drauf, dass es gar nicht so hilfreich ist, eine Volltextrede am Zettel zu haben, weil ich schaff’s dann nicht, davon wegzukommen. Das bringt mich in einen Lesemodus. Also steigen manche um und sagen: "Ich habe zwar die Volltextrede, aber den Zettel, den ich mitnehme da raus, da sind nur noch Stichworte oben." Manche werden das zuhause üben. Und der Mann oder die Frau werden es nicht mehr hören können. Und werden sagen "jetzt hör auf da mit dem Gesummse." Und die werden sagen "Na, morgen eine wichtige Rede, das muss ich üben," ja. Und da sind sie halt vor dem Spiegel im Badezimmer. Wiederum andere, die viel Erfahrung haben, und ein Selbstbewusstsein, werden sagen: "Ich brauche weder Vorbereitung, kein Script, keine Stichworte" die werden sagen, "ich stelle mich da einfach raus, weil ich bin so im Saft. Das ist mein Fachgebiet seit zehn Jahren, ich habe mir die Unterlagen natürlich angeschaut, ich war im Fachausschuss dazu. Ich kenne alle Argumente, ich weiß, wie die Meinungsstränge verlaufen, ich schaue mir die Debatte im Plenum an. Und antworte dann direkt auch auf die Dynamik der Debatte." Das halte ich auch für sinnvoll. Also ich habe das nicht mögen, wenn Leute kommen mit der Rede, die sie vorgestern geschrieben haben und die mit der Debatte und der Dynamik vor Ort nichts zu tun haben. Das ist natürlich keine Debatte, das ist dann eine Lesestunde, ja.
LESCHKA: Liebe Hörerinnen und Hörer, das war es dann auch schon mit unserem Best-Of "Parlament erklärt".
SCHERMANN: Wir hoffen, Sie hatten Spaß an dieser letzten Folge und konnten in den 74 vorhergehenden viel Neues erfahren, das eine oder andere Mal schmunzeln und auch ab und zu etwas zum Nachdenken mitnehmen.
LESCHKA: Mein Name ist Tobias Leschka. Meine Kollegin Stefanie Schermann und ich verabschieden uns nun und wir sagen stellvertretend für unsere Vorgänger als Hosts und das Parlamentsteam danke fürs Zuhören in den vergangenen drei Jahren!
SCHERMANN: Das Parlament kehrt im Herbst mit einer neuen Podcast-Reihe zurück. Sie dürfen gespannt sein – also stay tuned!