Pandemiebekämpfung und Pflegereform – ein Widerspruch?
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Thema
Die Notwendigkeit einer Pflegereform ist nach wie vor ein brennendes Thema. In Österreich erhöht sich der Bedarf an Pflegeeinrichtungen und an qualifiziertem Personal laut Gesundheitsministerium dramatisch: In den nächsten zehn Jahren sind zu den rund 120.000 Pflegefachkräften 100.000 zusätzliche nötig, gleichzeitig erwarten Fachleute eine Kostensteigerung bei den Pflegekosten von bis zu 25 Prozent. Fraglich ist, wie diese Aufgaben angesichts der COVID-19-Pandemie bewältigt werden können.
Teilnehmer:innen der Diskussion
Abgeordnete:
- Josef Smolle (ÖVP)
- Philip Kucher (SPÖ)
- Gerhard Kaniak (FPÖ)
- Bedrana Ribo (Grüne)
- Gerald Loacker (NEOS)
Eingeladene Fachleute:
- Andreas Sönnichsen (Medizinische Universität Wien)
- Hans-Peter Hutter (Medizinische Universität Wien)
- Waltraud Haas-Wippel (Geriatrische Gesundheitszentren)
Diskussion
"Es wäre wichtig gewesen, die Schulen offen zu lassen", sagte Umweltmediziner Hans-Peter Hutter, der als Experte der Medizinischen Universität zur Diskussion eingeladen war. Er warnte aber vor den Folgen der COVID-19-Pandemie und mahnte Maßnahmen ein, die verhindern, dass das Gesundheitssystem überlastet wird. Andreas Sönnichsen, ebenfalls von der Medizinischen Universität Wien, sprach sich vehement gegen eine Schließung von Schulen aus. "Die Sache ist extrem komplex: Wirklich wirksam ist es nur, wenn ein Bündel von Maßnahmen eingesetzt wird", erklärte Josef Smolle (ÖVP) - "Wir haben nach 14 Tagen des 'Lockdown-light' immer noch nicht die Wirkung, die wir brauchen. Philip Kucher (SPÖ): "Es sei notwendig, Entscheidungen zu treffen, aber die richtigen. Es ist der falsche Schritt, Kinder zu bestrafen."
Gerhard Kaniak (FPÖ): "Solange man nicht weiß, was man tut und welche Konsequenzen das hat, solange kann man keine geeigneten Maßnahmen treffen." Laut Bedrana Ribo (Grüne) wisse man um das Problem der sozial benachteiligten Kinder und "es sei nicht so, dass es keine Daten und Fakten gäbe", so Ribo. "Der Hauptausschuss hat am Mittwoch den Lockdown mit 20 Uhr bis 6 Uhr verlängert, und am Sonntag hat er wieder getagt, bevor man überhaupt gewusst hat, wie gut der erste Lockdown funktioniert hat. Besser wäre es gewesen, abzuwarten", sagte Gerald Loacker von den NEOS.
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Transkript
Anmoderation: In der ersten Folge von Politik am Ring, der Diskussionssendung des Parlaments, diskutiert Moderator Gerald Groß mit den Abgeordneten Josef Smolle von der ÖVP, Philip Kucher von der SPÖ, Gerhard Kaniak von der FPÖ, Bedrana Ribo von den GRÜNEN und Gerald Loacker von NEOS darüber, ob Pandemiebekämpfung und Pflegereform ein Widerspruch sind. Zu Gast sind Andreas Sönnichsen von der Medizinischen Universität Wien, Hans-Peter Hutter von der Medizinischen Universität Wien und Waltraud Haas-Wippel von den Geriatrischen Gesundheitszentren. Das Gespräch haben wir am 16. November 2020 im Dachfoyer der Wiener Hofburg aufgezeichnet.
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Gerald GROẞ (Moderator): Guten Abend meine Damen und Herren. Herzlich willkommen bei der ersten Ausgabe von Politik am Ring. Ich begrüße Sie hier aus dem Dachfoyer der Wiener Hofburg, die Hofburg ist ja das Ausweichquartier des österreichischen Parlaments während der Generalsanierung des historischen Hauses am Ring. Übrigens, ziemlich genau unter uns befindet sich der provisorische Sitzungssaal des österreichischen Parlaments. Ja, die Plenarsitzungen des Nationalrates, die sind ja öffentlich und werden auch im Fernsehen übertragen, aber die Arbeit in den Ausschüssen zum Beispiel ist nicht öffentlich und genau diese Arbeit wollen wir mit dieser Sendung Politik am Ring auch vor den Vorhang holen. Wir wollen sie sichtbarer machen und transparenter machen. Wir wollen Ihnen - wenn Sie so wollen - einen Blick in den Maschinenraum der österreichischen Demokratie geben, meine Damen und Herren. Für die erste Sendung haben wir uns vorgenommen, dem aktuellen Thema Nummer 1, aber auch einem der brisantesten gesellschaftspolitischen Themen dieser Zeit gerecht zu werden. Nämlich der Pandemiebekämpfung auf der einen Seite und auf der anderen Seite dem Thema Pflegereform. Und ich begrüße dazu die Vertreterin und Vertreter der Parteien. Ich beginne zu meiner Linken mit Philip Kucher von der SPÖ. Er ist Gesundheitssprecher seiner Partei, herzlich willkommen. (KUCHER: Guten Abend.) Ihm gegenüber sitzt Josef Smolle von der ÖVP, er ist Mitglied des Gesundheitsausschusses, herzlich willkommen. (SMOLLE: Guten Abend.) Ich gehe wieder zurück auf die andere Seite, Gerhard Kaniak von der FPÖ, Gesundheitssprecher seiner Partei und heute hier in Vertretung der Sozialsprecherin Belakowitsch, die glaube ich jetzt zur gleichen Zeit im Nationalen Sicherheitsausschuss ist, wenn ich es mir richtig gemerkt habe? (KANIAK: Ja, so ist es.) Dann begrüße ich auf der anderen Seite Bedrana Ribo von den Grünen, sie ist Pflege- und Sozialsprecherin ihrer Partei, herzlich willkommen. (RIBO: Und SeniorInnensprecherin.) Und SeniorInnensprecherin, das auch noch, vielen herzlichen Dank fürs Kommen. Und ich begrüße Gerald Loacker von den NEOS, er ist Gesundheitssprecher seiner Partei. Wie können die Herausforderungen wie fehlende Pflegekräfte, Kostensteigerungen beim Pflegegeld sowie die eben lange im Raum stehende Pflegereform angesichts der Corona-Pandemie überhaupt bewältigt werden? Stellen Pandemiebekämpfung und Pflegereform vielleicht sogar einen Widerspruch dar? Darüber wollen wir heute reden. Aber bevor wir in die Diskussion mit den Gesundheitssprechern, beziehungsweise den Vertretern der Parteien einsteigen, stimmen wir uns mit einem Film ein und wollen ein wenig den Boden aufbereiten.
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Es folgt eine Videoeinspielung:
Sprecher: Seit rund acht Monaten ist in Österreich wenig so wie es war. Corona beherrscht unser Leben. Momentan erleben wir einen zweiten Lockdown. Restaurants, Freizeit- und Kultureinrichtungen sind geschlossen. Kontakte zu Freunden und Familie finden nur eingeschränkt statt. Es gibt abendliche Ausgangsbeschränkungen, der Mund-Nasenschutz ist schon seit längerem zu unserem ständigen Begleiter geworden.
Person 1: Prinzipiell belastet mich am meisten, dass ich keine anderen Menschen treffen soll oder kann.
Person 2: Da ich im Theaterbereich arbeite, ist es natürlich die Schließung der Kulturstätte im Moment und die Unsicherheit wie es weitergeht.
Person 3: Für mich ist es eher so, dass ich mir Gedanken über die Leute, die älter sind, die betroffen sind, mache. Man macht sich natürlich Gedanken, dass irgendwer es nicht überlebt.
Sprecher: Ältere Menschen trifft die Pandemie besonders hart. Bis zum 10. November 2020 gibt es insgesamt 171.682 bestätigte Fälle von COVID-19 Infektionen. Davon sind 146.864 infizierte unter 65 Jahre alt. 24.818 sind älter als 65 Jahre. Das sind 14%. Bei den COVID-19 Todesfällen schauen die Verhältnisse ganz anders aus. Bis zum 10. November 2020 gibt es insgesamt 1471 Tote. Davon waren 85 Personen unter 65 Jahre alt. 1386 Verstorbene waren älter als 65. Das sind 94%. Der Schutz der älteren Menschen bedeutet eine Gratwanderung zwischen Isolierung und Nähe.
Monika Honeder: Die größte Herausforderung war sicher diese rasche Kommunikation und das gut abzufangen, das Unverständnis zunächst, was passiert da, was kommt da auf uns zu, warum musste es jetzt so sein, warum kann ich meine Mama nicht besuchen, warum soll ich nicht rausgehen.
Sprecher: Doch ohne Corona Pandemie ist die Pflege eines der dringendsten Themen unserer Zeit. Die Lebenserwartung steigt. Experten schätzen, dass bis zum Jahr 2030 zu den 127.000 bestehenden Pflegerinnen und Pfleger in Österreich rund 100.000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt werden. Die Regierung präsentiert die Pflegereform im Jänner 2020 deshalb als erstes Vorhaben mit einem Besuch in einem Pflegeheim.
Sebastian Kurz: Es kann niemand etwas dafür, wenn er pflegebedürftig wird, genauso wenig wie wenn er an Krebs oder an einer anderen Erkrankung erkrankt.
Sprecher: Die Corona Pandemie stoppt Teile des Vorhabens. Doch die Pflegereform kann nicht warten.
Hanna Mayer: Vielleicht kann man gerade die COVID-19 Pandemie auch dafür hernehmen, noch einmal genau darauf zu schauen, was an Pflege braucht es, welche Systeme können aufgebaut werden, wo wird Pflege überall wirksam, wo wäre es vielleicht auch noch besser gewesen in der Situation, wenn Pflege mehr Handlungsfreiheit gehabt hätte.
Sprecher: Anfang Oktober setzt der Gesundheitsminister einen neuen Impuls und erteilt den Startschuss für eine umfassende Pflegereform. Die Fixpunkte sollen bald auf dem Tisch legen.
Rudolf Anschober: ..in Etappenschritten war im Lauf des Jahres 2021 basierend auf einen inhaltlichen Konsens, der im Jänner da sein sollte.
Sprecher: Danach soll es an die Umsetzung gehen, trotz oder gerade wegen der anhaltenden Pandemie.
Monika Honeder: Also die Pandemie kann eine große Chance sein, Pflege endlich sichtbar zu machen und zu sagen okay, wer war denn wirklich da in dieser Zeit. Ja, und es war die Pflege und die Betreuung. Und zwar zu 100 %. Also ich sehe das als große Chance, wenn man es sehen will.
Sprecher: Parlament und Regierung sind gefordert, diese Chance zu ergreifen. Für die Betroffenen jedenfalls ist klar, Pandemiebekämpfung und Pflegereform dürfen kein Widerspruch sein.
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GROß: Und wie es mit der Pandemiebekämpfung aber auch dem Thema Pflege und Pflegereform in Österreich weitergehen soll, darüber wollen wir diskutieren. Wir haben bis 22:30 Zeit und wie Sie sehen habe ich in dieser Zeit auch Flankenschutz gewissermaßen bekommen und es ist alles Corona konform, wir haben ja glaube ich den größten Moderationstisch zumindest österreichweit, wage ich jetzt einmal zu behaupten, ohne das überprüft zu haben. Ich habe hier zu meiner Linken Andreas Sönnichsen sitzen, herzlich willkommen. Er kommt von der medizinischen Uni Wien und ebenfalls von der Medizin Uni Wien sein Kollege Hans-Peter Hutter. Ich werde Sie im Detail gleich noch vorstellen, aber nur für den Moment so viel. Ich möchte gern mit den Damen und Herren Abgeordneten beginnen. Es war ja gestern zwar Sonntag, aber trotzdem war das Parlament nicht untätig in Zeiten wie diesen, da muss es auch manches Mal der Sonntag sein. Der Hauptausschuss hat getagt und es wurde der neue verschärfte Lockdown, über den wurde abgestimmt, er wurde genehmigt. Allerdings im Gegensatz zum ersten Lockdown, ohne den berühmten Schulterschluss, von dem wir ja am Beginn gesprochen haben, sondern nur mehr mit den Stimmen von ÖVP und Grünen, also den Vertretern der Regierungsfraktionen. Die SPÖ hat diesmal die Zustimmung verweigert, da sie die Umstellung der Schulen auf Fernunterricht ablehnt. Gegen diese Maßnahme laufen auch die NEOS und die FPÖ Sturm. Im Gegensatz zu den Blauen, die auch gegen den Lockdown sind, halten Rote und Pinke die Notbremse für grundsätzlich notwendig. Ich möchte daher, Herr Loacker und Herr Kucher, einmal mit Ihnen beginnen und Sie fragen oder Ihnen sagen, das Schulthema, das ist ja gestern - wenn ich richtig informiert bin - gar nicht zur Abstimmung gestanden, warum dann die Verweigerung Ihrer Zustimmung?
Gerald LOACKER (NEOS): Also, in dieser Verordnung steht eigentlich alles drinnen, außer die Schulen, und es ist dann leicht zu sagen, ja das macht dann der Unterrichtsminister und wir machen alles von Sport, über die Religionsgemeinschaften, den Handel und das Privatleben in der Familie, nur die Schulen nicht und daher müsst ihr mitstimmen. Es ist natürlich ein Paket einer gemeinsamen Regierung und daher ist es gemeinsam anzuschauen. Was man nur schon auch sehen muss, der Hauptausschuss hat am Mittwoch getagt und hat - ich sag jetzt einmal - den ersten leichten Lockdown mit der 20 Uhr-Sperrstunde verlängert. Und schon am Sonntag tagt er wieder, bevor eigentlich beurteilt werden kann wie gut die Maßnahmen wirken, die am 3.11. in Kraft getreten sind. Weil es immer 14 Tage dauert, vom Beginn einer Maßnahme bis sie die Auswirkungen in den Zahlen tatsächlich sehen. Also hätte man jetzt noch abwarten müssen und vielleicht Mitte, vielleicht Ende dieser Woche entscheiden, ob verschärfte Maßnahmen notwendig sind.
GROẞ: Herr Kucher, waren es bei Ihnen, also der SPÖ, dieselben Beweggründe oder gab es darüber hinaus noch mehr? Sie müssen sich immerhin den Vorwurf jetzt gefallen lassen, als SPÖ jetzt nicht mehr eine staatstragende Partei zu sein.
Philip KUCHER (SPÖ): Wissen Sie, das mit dem Schulterschluss hör ich sehr oft und das kommt dann meistens ganz kurz bevor wichtige Entscheidungen anstehen, der Schulterschluss hört aber meistens kurz danach auf und es wird dann nicht mehr weiter diskutiert und wir waren glaub ich am Anfang der Krise auch bereit ganz viele Maßnahmen auch parteiübergreifend alle gemeinsam auf einem Weg, dass wir gesagt haben, wenn es um die Gesundheit der Menschen geht, dann müssen wir ja nicht darüber streiten, da sollten wir gemeinsam wirklich an einem Strang ziehen und auch jetzt stehen wir vor einer schwierigen Situation, wo wir natürlich versuchen auch die Maßnahme so gut wie möglich zu treffen und alle miteinander auch mittun müssen. Der Punkt ist nur, dass, wenn ganz viele Expertinnen und Experten jetzt Tage und Wochen lang auch in den Medien warnen und sagen, bitte dreht die Schulen nicht zu, die Kinder spielen im Infektionsgeschehen keine große Rolle, wir wirklich parteiübergreifend und von allen Experten hören, bitte macht das nicht. Wir sind am Montag drei Stunden lang in einer Videokonferenz gesessen mit dem Gesundheitsminister, mit allen Expertinnen und Experten, alle haben gesagt, bitte dreht die Schulen nicht zu. Und dann kann die Politik nicht einfach so willkürlich Entscheidungen treffen und Sie haben es vielleicht noch in Erinnerung, diese Dame hat gesagt, wenn man das warum beantworten kann, im ersten Film, den wir gehört haben, warum darf man nicht an die frische Luft gehen, warum darf man die Eltern nicht besuchen, die Mutter nicht besuchen, ich habe die Erfahrung, wenn man das Warum erklärt, trägt die Bevölkerung fast alle Maßnahmen auch wirklich mit. Nur, wenn beliebig entschieden wird und der Sebastian Kurz dann einfach sagt, weil er es im Sommer ein bisschen verschlafen hat, möchte er jetzt Härte markieren, dann führt das dazu, dass ganz ganz viele Menschen glauben, dass da beliebig entschieden wird und Beliebigen kostet Vertrauen und Vertrauen ist doch in einer Krise das aller aller wichtigste, deswegen sag ich noch einmal, es ist notwendig, dass wir Entscheidungen treffen, aber die richtigen und klugen Entscheidungen und da dürfen dann nicht die Kinder dann zum Handkuss kommen, die am allerwenigsten dafür können, wenn eben alle Expertinnen und Experten sagen, das ist der falsche Schritt, die Kinder jetzt zu bestrafen.
GROẞ: Vielleicht ist das der Punkt, wo ich die beiden Experten, die bei uns hier sitzen herein holen würde und gerne einfach mal die Probe aufs Exempel machen. Auch unsere Experten, Herr Professor Hans-Peter Hutter ist studierter Landschaftsökologe und Landschaftsgestalter, das hat er auf der Bodenkultur studiert und hat aber auch Medizin studiert und ist daher Umweltmediziner, wie man so gemein hin sagt, zumindest kriegt er diesen Titel, wenn er im Fernsehen auftritt. Er ist Oberarzt und stellvertretender Leiter der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin am Zentrum für public health der Med Uni Wien. Wie schaut es jetzt aus mit diesem Schulthema, weil das so heiß umstritten ist, da gibts wirklich unterschiedliche Zugänge, gibts medizinische Evidenz, wie man so schön sagt, dass Kinder keine Spreader oder zumindest keine Superspreader sind?
Hans-Peter HUTTER (Medizinische Universität Wien): Fangen wir einmal so an, Nummer 1, ganz wichtig ist, dass uns klar ist, wir müssen hier eingreifen und diese Epidemie eindämmen, ich glaub das ist uni sono und jetzt geht es darum wie und welche Maßnahmen wir verwenden. Aus meiner Sicht, ich hab das eben auch besprochen mit vielen anderen, ist kurz zu sagen, wir haben auch gesehen, dass es wichtig wäre die Schulen offen zu lassen, vor allem, wenn es um die Volksschulen und die Hauptschulen geht, als ultima ratio eine Sperre, ja, aber eben bis erst die verschiedensten Möglichkeiten der Maßnahmen, die man in einer Schule treffen kann, ausgereizt sind. Es beginnt eben wirklich bei den gestaffelten Beginn Zeiten, dass man doch mehr Räume findet, die Lüftungsstrategie und nicht zuletzt der „Schutz der Lehrer vor den Kindern“ und auch dass man Kinder schützt, weil ja auch die Lehrerinnen und Lehrer etwas hineintragen können. Das heißt FFP2-Maske und zugleich - das muss ich auch gleich sagen, weil man gesagt hat man versteht die Lehrer nicht -, da gibt es tolle Sachen schon, da gibts Innovationen, dass man mit Mikrofon arbeitet, also das wär kein Problem gewesen, aber jetzt kommen wir auch dazu wie die Schulen aufgestellt sind, wenn man bisschen hinhört hat man auch gehört, manche haben sich sehr gut vorbereitet, bei manchen schleift es. Dann gibt es natürlich auch die Frage, wie kommen die Schülerinnen und Schüler dort hin überhaupt, denn die Schulen haben ja gesagt, naja bei uns ist eh alles perfekt, aber wenn sie dann raus gehen stehen sie dann beieinander. Also das braucht ein großes System, damit das mit der Schule lauft, aber nach wie vor sehen wir die Evidenz so. Es ist selbstverständlich, dass die Kinder eine gewisse Viruslast haben, die ist plus minus ähnlich gleich wie bei den Erwachsenen, aber was ist der Unterschied, nämlich, dass sie weniger ansteckend sind im Sinne, dass sie weniger Personen anstecken. Warum das so ist, da gibt es viele Überlegungen, das 8-Minuten-Volumen ist geringer beziehungsweise die Distanz ist automatisch größer. Nachdem sie immer asymptomatisch sind, sie erkranken ja Gott sei Dank nicht, es gibt natürlich aber auch Ausnahmefälle, ist auch das, was sie als Virus abgeben, geringer. Es gibt Überlegungen, nicht dass sie null Risiko sind, das muss man auch einmal sagen, das haben sie glaube ich auch gesagt, aber, dass sie kein relevantes Risiko darstellen im Gesamten dieser Epidemie. Das ist einmal das eine, wenn man es virologisch anschaut, wenn man public health bedenkt, muss man halt auch über den Tellerrand schauen. Es ist ja dann noch rausgekommen, auch ein bisschen jetzt wie die Maßnahmen getroffen wurden, Betreuungseinrichtung braucht man, weil es eben hier zur Notsituationen kommt und das sehen wir halt auch. Nicht zuletzt haben verschiedene psychosoziale Einrichtungen gesagt, man muss auch diese Komponente sehen, und daraus folgt, Evidenz gibt es, dass sie eine geringe Rolle spielen, nicht null, das muss man auch sagen, aber dass da die Nachteile auch zu berücksichtigen sind, die sich aus psychosozialem Stress ergeben. Und das Gesamtpaket heißt Balance halten zwischen Eindämmung, das ist für uns keine Frage, wir brauchen Maßnahmen, aber natürlich auch, dass man die gesellschaftlichen Folgen hier ganz klar mit berücksichtigt.
GROẞ: Vielen Dank fürs erste. Herr Professor Sönnichsen, sie sind gelehrter - wenn ich so sagen darf - Allgemeinmediziner und sind seit 2018 Professor für Allgemeinmedizin mit der Leitung der Abteilung für Allgemein- und Familienmedizin im Zentrum für public health der medizinischen Universität Wien, wie Professor Hutter auch beschäftigt und betraut. Wie ist denn ihr Zugang zu diesem Thema Kinder?
Andreas SÖNNICHSEN (Medizinische Universität Wien): Also im Grunde genommen unterscheiden wir uns gar nicht viel, nur, dass ich den Schwerpunkt insofern anders setze, dass ich die Verhältnismäßigkeit nicht für gegeben halte. Heißt was? Herr Hutter hat ausgeführt, dass die Kinder eine untergeordnete Rolle in dieser Pandemie spielen, er hat ausgeführt, dass Kinder weniger dieses Virus weitergeben und übertragen als Erwachsene und wir sehen daher eigentlich keine zwingende Notwendigkeit jetzt diese Schulschließung zu forcieren, was vorher auch schon angeklungen ist, da man noch gar nicht sehen kann, welche Maßnahmen, die am 3. November gesetzt wurden, jetzt greifen. Man hat eigentlich hier voreilig Entscheidungen getroffen zu Ungunsten der Kinder, die in dieser Pandemie wirklich die Gestraften sind, weil sie sind weder wesentliche Überträger noch sind sie selber von der Erkrankung betroffen und wir induzieren aber ein großes psychosoziales Problem besonders in sozial schwächeren Familien, die jetzt mit der Kinderbetreuung belastet werden, was zu einer Zunahme von häuslicher Gewalt führt, was zu psychischen Störungen bei den Kindern führt, was letztendlich natürlich familiäre Auswirkungen hat, die sicherlich nicht mit dem Ende der Pandemie - so es das hoffentlich bald geben wird - dann einfach vorbei sind und weggewischt werden können. Das heißt die Verhältnismäßigkeit ist einfach nicht gegeben.
GROẞ: Vielen Dank für den Moment, ich komme wieder zurück zur Opposition. Herr Kaniak, Ihnen geht es nicht nur um das Thema oder die Problematik der Umstellung der Schulen auf Fernunterricht, sondern sie sind ja überhaupt gegen den Lockdown, aber ist es eine verantwortungsvolle Haltung, ehrlich gesagt, wie sonst sollte man die Lage in den Griff bekommen?
Gerhard KANIAK (FPÖ): Das ist genau die Frage, wie soll die Pandemie in den Griff bekommen werden und was ist eigentlich das Ziel und wie können wir dieses Ziel erreichen? Wir haben im Frühling ohne Kenntnis oder mit einer sehr sehr schlechten Datenlage uns dazu entschieden, dass wir auch diesen nationalen Schulterschluss mit tragen, weil die Szenarien, die damals auf dem Tisch gelegen sind einfach wirklich furchteinflößend waren. Wir hatten keine anderen Informationen und die Handlungen, die dann gesetzt wurden, die wurden im besten Wissen und Gewissen getätigt. Jetzt sind wir aber allerdings ein dreiviertel Jahr später und das Erschütternde für mich und für unsere Partei ist, dass wir jetzt, obwohl wir ein dreiviertel Jahr Zeit gehabt hätten, die Datenlage noch immer eine Katastrophe ist, sowohl was die Fallzahlen anbelangt als auch was die Kapazitäten anbelangt. Als auch was die Effektivität der Maßnahmen anbelangt. Und wenn sie so im Nebel herum navigieren, also herum stolpern, muss ich schon fast sagen, und einfach dann Maßnahmen treffen, wo sie selber vor der laufenden Kamera sagen, wie es Bundeskanzler Kurz auch gemacht hat, dass er gar nicht weiß, was diese Maßnahmen bringen sollen, er hofft halt, dass damit die Fallzahlen zurückgehen, da muss ich sagen, dann ist es keine ausreichende Basis dafür so schwerwiegende Maßnahmen zu treffen und die Grund- und Freiheitsrechte, aber auch das Recht auf Bildung der Kinder zum Beispiel, das Recht auf gesellschaftliche Kontakte aller Bürger, so stark einzuschränken, und das ist eigentlich unser Hauptkritikpunkt und es freut mich, dass die beiden Experten das auch - zumindest was die Schüler anbelangt - auch so gesehen haben. Solange man nicht weiß was man tut und welche Konsequenzen das hat, solange man keine objektive Abwägung von Nutzen und Risiko hat beziehungsweise von Nutzen und Schaden von Maßnahmen treffen kann, so lang kann man diese Maßnahmen verantwortungsbewusst auch gar nicht treffen und das ist der Vorwurf, den wir der Bundesregierung machen und warum wir diese übereilten Maßnahmen, die keine ausreichende Evidenz haben, auch ablehnen.
GROẞ: was war denn dann, Frau Abgeordnete Ribo, die Basis auf der diese harten Maßnahmen wie der Abgeordnete Kaniak gesagt hat getroffen worden sind? Und welche Experten oder welche Expertinnen haben Sie gehört, wenn wir jetzt mitnehmen, dass alle Experten der Meinung sind, dass Schülerinnen und Schüler keine Rolle spielen.
Bedrana RIBO (GRÜNE): Ja, vielleicht fange ich erst mal so an, weil hier immer wieder die Rede war, dass die Schulen geschlossen sind. Die Schulen sind nicht geschlossen, die Schulen sind weiterhin offen, das ist mir ganz wichtig, auch hier klar zu kommunizieren, die Schulen sind und bleiben weiterhin offen, d.h. es wird eine Betreuung angeboten, es werden Lernstationen eingerichtet, wo Kinder auch unterrichtet werden können, und vor allem der Aspekt, den sie vorher gesagt haben, das ist mir persönlich auch sehr wichtig, dass Kinder aus benachteiligten Familien nicht sozusagen einfach, dass wir die verlieren, das ist uns als Grünen auch ganz wichtig gewesen, vor allem auch diesen Kindern, die Möglichkeit zu geben, weil eben die Eltern eventuell sprachlich nicht in der Lage sind den Kindern zu helfen, dass diese Kinder weiterhin in die Schule gehen können. Dass auch Lehrer die Möglichkeit und Lehrerinnen die Möglichkeit haben die Kinder extra in die Schule zu holen, damit diese Kinder - wie eventuell im ersten Lockdown der Fall war bei einigen Kindern-, das wissen wir leider, dass die eben etwas benachteiligt wurden, da hat man genau in der jetzigen Zeit geschaut, dass das nicht wieder passiert. Also noch einmal, die Schulen sind nicht geschlossen, die Schulen werden auch nicht geschlossen, die Schulen bleiben offen, natürlich distance learning in der Oberstufe und viele andere Maßnahmen, die befolgt werden, die sind klar und auch klar kommuniziert worden. Weil sie sagen, dass alle Expertinnen und Experten der Meinung sind, dass diese Maßnahmen nicht die richtigen sind. Ich erinnere noch einmal, dass auch unser Minister beziehungsweise die Regierung sich auch von Expertinnen und Experten hohen Ranges beraten lässt und ich möchte da bitte nicht einfach sagen, dass diese Experten nicht Recht hätten, es ist schwierig.
GROẞ: Können Sie sagen, die haben sozusagen, sind anderer Meinung als zum Beispiel Professor Sönnichsen u Professor Hutter?)
HUTTER: Die haben eben eine beratende Rolle und die haben eben auch aufgrund von Daten und Fakten, und es ist nicht so als gäbe es keine Daten und Fakten. (LOACKER: Die Ampelkommission des Ministers hat ausdrücklich erklärt, dass man die Schule nicht schließen soll. Es findet kein Unterricht statt, es findet nur Betreuung statt.) Ich würde gerne zu Ende sprechen und dann bitte der Kollege Loacker. Wie gesagt, also es ist nicht so, dass diese Expertinnen und Experten nicht einfach Wissen hätten und aufgrund von diesen Daten sind auch Entscheidungen gefallen. Was auch wichtig ist, weil immer wieder gesagt wurde es wurden diese 14 Tage nicht abgewartet. Am 3. November war der Light Lockdown und dann hat man nicht 14 Tage gewartet bis man sieht, wie die Maßnahmen wirken. Es ist so, ob man jetzt nach zwölf Tagen oder nach 14 Tagen entscheidet spielt, glaube ich, nicht so eine Rolle, die Zahlen haben ja für sich gesprochen, die Zahlen waren dermaßen hoch, wir waren fast bei 10.000 Neuansteckungen pro Tag und wir konnten die Rufe, die Hilferufe aus der Medizin, Hilferufe aus der Pflege, aus vielen gesundheitlichen Bereichen, nicht einfach ignorieren. Also bitte, ich erinnere noch einmal, dass es ganz viele Hilferufe gab, wo ganz viele Medizinerinnen und Mediziner, anerkannte Mediziner, auch gesagt haben, wir können nicht mehr, wir stehen am Limit. Beispiel: Vorarlberg. Wir sind schon bei 95% der Kapazitätsauslastung. Das möchte ich auch noch einmal in Erinnerung rufen.
GROẞ: Dann fragen wir aber vielleicht den Herrn Abgeordneten Smolle, der ja selber auch Mediziner ist, ein Kollege von ihnen, Dermatologe an der Universität in Graz. Sie waren glaube ich sogar auch Rektor der Universität, also kennen Sie sich auch ein bisschen aus, aber es ist schon ein Faktum, dass angesprochen worden ist, dass bei der Ampelkommission die Empfehlung war, die Schulen offen zu lassen beziehungsweise eben den Unterricht an den Schulen weiter zu führen und eigentlich das Bundeskanzleramt beziehungsweise der Vertreter des Bundeskanzleramts sich dort der Stimme enthalten hat. Also sozusagen, was war denn tatsächlich die Basis oder die Grundlage, auf der diese Entscheidung gefallen ist.
Josef SMOLLE (SPÖ): Ich glaub man muss einmal vorausschicken, dass das in der Wissenschaft gerade bei so komplexen Systemen nicht so funktioniert, dass man sagen kann, Maßnahme X bringt so viel Prozent, Maßnahme Y so viel Prozent und deshalb machen wir die Entscheidung Z. So ist es leider nicht, die Sache ist extrem komplex, ich denke, dass seit Beginn der COVID-19 Pandemie etwa 70.000 wissenschaftliche Publikationen erschienen sind, die sich mit verschiedenen Aspekten davon befassen und was sich unterm Strich herauskristallisiert ist, dass es einerseits Evidenz für verschiedene Einzelmaßnahmen gibt, dass sich aber außerdem im internationalen Vergleich gezeigt hat wirklich wirksam ist es nur, wenn man ein möglichst breites Bündel von Maßnahmen einsetzt. Dann gehen die Zahlen runter. Macht man es halbherzig, macht man es teilweise, zieht sich das oft extrem in die Länge und man erreicht nicht das, was man erreichen will. Was den Zeitlauf betrifft, ist es tatsächlich so, dass die Zahl der Spitalspatientinnen, die Zahl der Intensivpatienten und -patientinnen, die hat eine mehrwöchige Verzögerung. Aber die mittlere Inkubationszeit, die hat man anfangs auch für länger eingeschätzt, ist bei 5-6 Tagen. Und man hat beim ersten Lockdown im Frühjahr bereits nach einer Woche eine deutliche Wirkung gesehen. Jetzt haben wir schon gut 14 Tage und wir erreichen nicht die Wirkung, die wir wollen. Und was uns auch bewusst sein muss, es genügt nicht, die Kurve jetzt abzuflachen, das wird noch unsere Intensivmedizin kräftig fordern. Wir müssen weit weit hinunter kommen, um uns auch Luft zu schaffen für die kommenden Monate. Und das war letztlich der Grund, dass die Regierung die Entscheidung getroffen hat, machen wir jetzt wirklich einen möglichst vollständigen Lockdown im Bewusstsein all dieser Ambivalenzen, die sie auch hier genannt haben, was die Schulen betrifft, puffern das ab, Betreuungsmöglichkeiten etc. und schauen, dass wir rasch weit mit den Zahlen hinunterkommen und damit eine gute Basis schaffen, um über die kommenden Monate gut weiter zu kommen. Und eigentlich die Erfahrung, je kompletter die Maßnahmen, desto erfolgreicher ist die Wurzel für diese Entscheidung.
GROẞ: Vielen Dank fürs Erste, ich möchte gerne die Gelegenheit nutzen, die nächsten Minuten in den Dialog zu treten, mit Professor Sönnichsen und Professor Hutter vielleicht, und Herr Hutter Sie beginnen, ob sie eine Erklärung dafür haben was der Grund dafür war, dass wir vom Musterschüler zum Negativrekordhalter geworden sind.
HUTTER: Ja, da gibt es schon ein paar Hypothesen dazu. Vom Europameister zum letzten Platz, ich denke da gibt es mehrere Geschichten dazu, aber eine ist sicherlich, dass uns der Reiseverkehr im Sommer definitiv da hineingeritten hat. Ich denke es ist unterschätzt worden, die Importe, die wir gehabt haben. Es gab zu wenig, glaube ich, da Berücksichtigung, wie man mit dem umgeht und ich denke, dass das eine Basis war von unentdeckten Infektiösen, dessen Folge dann letztendlich dieser starke Anstieg war. Aber, egal wie es war, ich denke alle haben jetzt etwas bearbeitet, nämlich dass es an Evidenz fehlt, wir wissen, dass wir was machen wollen und dann kommt es natürlich immer wenn man nicht genau weiß welche Maßnahmen tatsächlich zugkräftig sind, dann macht man es halt so, probieren wir es halt etwas, was ganz knallhart ist, weil da wissen wir auf jeden Fall da passiert dann am wenigsten. Aus meiner Sicht ist jetzt der Zeitpunkt da, zumindest wir haben das schon vorher mal überlegt, dass man eine langfristige Sichtweise hier unbedingt notwendig braucht. Wir kommen am 7. Dezember dann wieder zurück, wir wissen dann eh wie es dann ausschauen wird, da muss irgendein Präventionskonzept schon einmal für die nächsten Wochen her, dass es nicht zu solchen Sachen kommt, wie wir im Fernsehen gesehen haben. Aber wir brauchen eine langfristige Perspektive, es wird uns noch Wochen und Monate beschäftigen. Das müssen wir ganz klar wissen. Wir werden ja nicht immer hoffentlich diese Situation haben, dass wir dann wieder runtergehen, dann ist es wieder unten, dann steigt es wieder an, dann machen wir das nächste. So dass wir auf jeden Fall eine gänzlich neue Überlegung hier ansetzen, wo wir differenziert auch mehr im Detail sind, und ich denke ich weiß wie es geht. So. Das ist nicht schlecht. Und zwar wie folgt: ein ganz ein wichtiger Punkt sind zwei Dinge, das testen, das ist ja klar, das müssen wir machen, dann können wir auch reden, wie man das testen macht, zielorientiert, dort einige Gruppen mit Kontakthäufigkeit, das kann man alles machen. Aber das Um und Auf ist, das muss ich noch einmal erklären, das müssen Sie wirklich ernst nehmen, ist diese Nachverfolgung, wenn die kapituliert in irgendeinem Bundesland, weil es nicht mehr geht, ist es ein Wahnsinn, weil es dann so ist, dass wir viele haben die uns durch die Lappen gehen. Die wir dann vielleicht mit Testen erwischen, aber das wirst du nicht machen können.
GROẞ: Aber würde das nicht für die App sprechen? Für die funktionierende auf jeden Fall.
HUTTER: Das würde für die App sprechen, kann man sich überlegen wie man die App verbreitet, aber wenn es die App jetzt nicht gibt dann brauchen wir viele, die mitmachen, dann brauchst du ein wirklich effizientes optimiertes, ich weiß, dass es bis 100% nicht gehen wird, aber ein Nachverfolgungssystem, das uns folgendes bringt: Erstens, wir haben wenige die uns durchschlüpfen. Gut. Das zweite ist aber, wenn es gut gemacht ist und dann ist das was wir alle hier denken, wo beginnen diese Infektionsketten, nämlich wo starten sie. Weil man jetzt hier sagt Familie und Freizeit, dann ist Freizeit für den einen, der geht in die eine Bibliothek, für den anderen, er geht in einen Sportverein. (GROẞ: Garagenparty.) Garagenparty, das wird ja hoffentlich nicht, naja gut. Garagenparty lass ich mal außen vor, weil dann wissen wir was da passiert, aber es ist wichtig, dass klar, ganz klar die Quelle und ganz klar die Position fest gemacht ist, das sind die Infektionsketten. Wenn wir das wissen, das können wir analysieren, das ist nicht so, dass wir nichts machen können, dann ist es so, dann kannst du das Maß schneidern auf österreichische Verhältnisse. Da nutzen uns weniger Daten von irgendwo her, die man kulturell mit uns nicht vergleichen kann. Und wenn wir das haben, denke ich mir, kann man das für alle Zeiten, das genauer machen. Und wenn man langfristig denkt, dann ist das der nächste Schritt, der zu tun ist. Nachverfolgung muss ganz klar aufgestockt und verbessert werden, da sparen wir uns auch viel Geld in irgendwelche anderen Sachen, wenn man das da hinein steckt.
GROẞ: Herr Sönnichsen, Sie haben Warnungen vor der Überforderung des Gesundheitssystems eher für übertrieben in der Vergangenheit gehalten, ich erinnere an das ZIB2-Interview, das damals für sehr viele Reaktionen auch gesorgt hat. Tun sie das noch immer?
SÖNNICHSEN: Das tue ich eigentlich noch immer. Und auch wohl begründet, es ist so, dass die Mediziner sich da auch durchaus nicht ganz einig sind. Also es ist zum Beispiel vor ein paar Tagen vom Herr Wenisch, der ja das KFJ Spital in Wien, hier die COVID-Intensivstationen leitet, ein Interview publiziert worden und er hat da eigentlich klar dafür plädiert die Strategie zu ändern, nämlich dahingehend, dass man diejenigen vor Infektionen schützt, die tatsächlich auf den Intensivstationen landen. Und das sind in erster Linie die älteren Menschen. Tatsächlich ist es so, wir haben eine Belastung auf den Intensivstationen, wir haben auch eine Belastung durch stationäre Aufnahmen, aber wenn man sich jetzt - in Österreich gibt es diese Daten nicht - Zahlen des Robert-Koch-Instituts anschaut, die jede Kalenderwoche während des Winterhalbjahrs ihren Influenzareport herausgeben, und da werden auch die stationären Aufnahmen aufgeführt wegen severe acute respiratory infection, den SARI, und wenn man sich da die Kurven anschaut und vergleicht zwischen 1819, 1920 und jetzt 2020 dann sieht man diese Kurven sind eigentlich ziemlich identisch. Und wir sind jetzt in Deutschland, und in Österreich ist es relativ ähnlich, mit den SARIS ungefähr bei der Hälfte des sowieso Normalen und parallel zu den SARIS haben wir noch die Intensivbetten, da gibt's in Deutschland leider auch noch keine Vergleichszahlen, weil es das Intensivregister erst seit diesem Jahr gibt.
GROẞ: Aber der Hilferuf dieser Kolleginnen, Ihre Kollegen und Kolleginnen aus Tirol zum Beispiel via Video, beeindruckt sie der gar nicht?
SÖNNICHSEN: Also man hört da sehr Widersprüchliches, ja. Meine Frau arbeitet auch in der Klinik und die erzählt sozusagen aus der Klinik, wir warten eigentlich mit leeren Intensivstationen auf die Patienten, dass sie kommen. Also ich sage ja nicht, dass man nichts machen soll, nur das Konzept würde ich sagen muss ein anderes sein und da würde ich dem Herrn Hutter widersprechen, das contact tracing und die Massentests, die wir jetzt ein halbes Jahr durchgeführt haben, die haben eigentlich dazu geführt wo wir jetzt sind. Ist jetzt zwar von der Theorie her sehr schön, wenn das funktionieren würde, aber wir haben eigentlich im letzten halben Jahr gelernt, leider das funktioniert so nicht. Oder wir begeben uns halt in ein Jojo zwischen Lockdown und wieder lockern und wieder Lockdown und die Frage ist nicht, ob man nicht dem Herrn Wenisch folgen soll, der ganz klar sagt, Leute, wir müssen die schützen, die tatsächlich die Intensivstationen füllen und wir müssen auch hier die älteren Menschen mit in die Eigenverantwortung nehmen, dass sie eben, wenn sie Kontakte haben, konsequent ihre FFP2-Maske aufsetzen, dass sie die Kontakte mit Fremden auf kurze Zeit begrenzen, den Abstand wahren und damit würden wir es alleine schon schaffen, dass wir die Intensivstation schon nicht mehr überlasten.
GROẞ: Da haben wir jetzt zwei unterschiedliche Konzepte, ich möchte das gerne einmal so stehen lassen, aber sie, Herr Hutter, trotzdem fragen oder mit zwei Zahlen konfrontieren, die ich mir heraus geschrieben habe: 13. November, 9860 Infizierte, 15. November, also einen Tag vor Inkrafttreten des harten Lockdowns, 4600 Infizierte. War dann der Lockdown tatsächlich alternativlos?
HUTTER: Ja, das sind die Zahlen, wir orientieren uns aber vor allem, wir berechnen damit, wir haben einen Parameter, der nennt sich 7-Tage-Verdoppelungswert, das ist ein Wert, der den Anstieg der Anzahl von Infizierten angibt und er gibt an in wie vielen Tagen wird es eine Verdoppelung geben. Und wenn man sich das anschaut, sieht man, vor ein paar Tagen eine Bremsung. Bedeutet einmal, so wie Sie es gesagt haben, es bremst, die Anzahl der Infizierten bremst, man sieht es, die Maßnahmen, die gesetzt worden sind, was ja schon gemacht wurde, dass die greifen. Das ist keine Frage. Aber es ist natürlich klar, dass die das nicht runter bremsen. Es gibt ein Plateau, und dann sinkt das so ab, soweit sind wir noch nicht. Wir sehen eine Bremsung, die ist klar und wir haben natürlich diesen lack, diese verspätete Ankunft dieses positiven Effekts auf der Intensivstation und den Spitälern, gut, da stimme ich wirklich nicht ganz über ein, dass es eh so ist wie immer, weil so eine Situation, also ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir so eine Situation in Österreich gehabt haben, wo Kollegen so Botschaften abgeben und wenn man sich im AKH umsieht, schaut es halt so aus wie es ausschaut. Aber, ein ganz wichtiger Punkt, ich bin dann auch gleich fertig: Sie haben gesagt, das mit den Massentests und mit der Nachverfolgung, dass das nicht hingehauen hat. Das hat wirklich nicht hingehaut, weil wir gesehen haben, dass die Nachverfolgung ausgesetzt ist. Die hat dann von so und so viel Prozent auf einmal nur mehr 50 gehabt, wo man nachverfolgbar war und dann 27 %. Das ist ja genau das Problem, dass wir jetzt eben sehen, dass es wichtig ist, dass man diese Nachverfolgung deutlich mehr wahrnimmt im Sinne, dass man die ausrüstet, wenn man das macht, und wenn man es gut macht, wissen wir und es hat am Anfang ja auch funktioniert, weil da war eben die Zahl so klein da konnte man es ja nachverfolgen, aber man hat dann denke ich mir, dass auch unterschätzt, dass es mehr wird und dann sind einem die durchgegangen. Das System, es ist nicht die Nachverfolgung falsch, sondern es ist die Qualität des Systems, dass es zu wenig NachfolgerInnen gab.
GROẞ: Wir sind, obwohl wir viel Zeit haben, 90 Minuten, sind schon sehr weit fortgeschritten, daher möchte ich appellieren an die Länge, oder die Kürze besser gesagt Ihrer Antwort, es gebe ja noch ein paar Themen, die ich gerne mit Ihnen auch noch besprechen würde, bevor wir zu Ihnen auf der politischen Ebene kommen. Vielleicht Herr Hutter bleibe ich gleich bei Ihnen, weil sie das vorher angesprochen haben mit den Massentests, ganz kurz. Das, was jetzt angekündigt worden ist, diese Massentests nach dem slowakischen Vorbild um das einmal so schlagwortartig zu sagen befinden Sie das für gut oder nicht?
HUTTER: Also Nummer eins, es gibt ja erst am Ende der Woche ein tatsächliches Konzept, wie es gemacht wird. Es ist schon durchgedrungen, dass es zum Beispiel Gruppen gibt, die jetzt einmal vorgezogen werden, was ich wichtig finde, wenn es zum Beispiel die Lehrer betrifft oder Personengruppen sind, die eine große hohe Kontakthäufigkeit haben, dann ist es sinnvoll, damit man weiß wie es dort ausschaut. Ich denke alles testen muss ein Ziel haben, eine Hypothese und auch ein Konzept, dass mir sagt wenn ich hier diese und diese Personenzahl messe, was habe ich dann für ein Konzept dahinter, mit dem ich arbeiten kann.
SÖNNICHSEN: Ja, das ist ein großartiges Experiment. Ich würde sagen, wenn man das als Studie machen würde würde ich das befürworten, man müsste es erst durch die Ethikkommission kriegen, das ist vielleicht gar nicht so einfach, denn wir schicken Menschen auch reihenweise in Quarantäne und wir wissen eigentlich nicht, ob das wirklich sinnvoll ist oder nicht. Es ist ein Experiment. Man kann das machen, ich bin eher skeptisch und zwar deswegen, weil der Antigen Test, da er ja da verwendet werden soll, eine eingeschränkte Sensitivität hat, d.h. da gehen uns eine Reihe von Infektiösen, die vielleicht noch in dem Vorstadium sind, in der Inkubationsphase, sozusagen durch die Lappen und die tragen das Virus weiter in die Welt. D.h., wenn man dieses Konzept weiter verfolgt, dann müsste man letztendlich diese Massentests alle 14 Tage bis alle vier Wochen wiederholen. Wir rotten damit das Virus ja nicht aus. Und ich glaube das ist überhaupt das Problem des Versagens des contact tracings und der Massentests, die Epidemie ist zu breit in der Bevölkerung angekommen. Sie ist zu breit, wir wissen bei sehr sehr vielen Neuinfizierten gar nicht woher sie es haben. Und deshalb ist das contact tracing so schwierig.
GROẞ: Dann sage ich an dieser Stelle vielen herzlichen Dank Herr Hutter und Herr Sönnichsen. Herr Smolle, Sie haben sich zu Wort gemeldet, gibt es eigentlich eine Chance aus diesem Teufelskreis möchte ich fast sagen zwischen Lockdown Lockerung Lockdown Lockerung heraus zu kommen außer durch eine Impfung?
SMOLLE: Also ich glaube, dass die Impfung auf jeden Fall ein Silberstreifen am Horizont ist, die Herausforderung ist, wir müssen einen Weg finden, eine Balance wie wir das Virus in Schach halten und damit leben können. Weil wirklich eradizieren, völlig auslöschen werden wir es nicht können. Was die Intensivstationen betrifft, da muss ich wirklich appellieren, dass wir nicht in den Fehler des Präventionsparadox sonst verfallen, dass wir die Gefahr erst wahrhaben, wenn wirklich die Katastrophe eingetreten ist. Es ist 5 vor 12 und ich sage ich habe in meinen langen 30 1/2 Jahren, die ich als Arzt arbeite schon etliche Epidemien erlebt, aber eine Situation wie sie jetzt auf den Intensivstationen ist, haben wir noch nie gehabt. Und man kann sich sehr einfach ausrechnen, wie sich das weiter entwickelt, wenn man jetzt nicht entsprechend einschritte und ich glaub das müssen wir uns wirklich vor Augen halten.
GROẞ: Frau Ribo ganz kurz.
RIBO: Ganz kurz zu den Massentests, also ich glaube egal wie man jetzt dazu steht ob so oder so also das möchte ich jetzt gar nicht diskutieren sondern einfach, dass es jetzt schon gruppenspezifische Testungen ja gibt. Es ist ja nicht so, dass wir jetzt einfach nur willkürlich testen, sondern es gibt jetzt schon, dass zum Beispiel das Pflegepersonal getestet wird, dass auch das Schulpersonal getestet wird, wir haben jetzt schon eine Art gruppenspezifische Testungen, die eben schon seit dem Beginn der Pandemie im Laufe sind. Also es gibt ja eine Teststrategie, die wird ja weiter verfolgt, also abgesehen davon ob Massentestung ja oder nein.
GROẞ: Dann komme ich noch zu den Vertretern der Opposition, auch da verbunden mit dem Appell der Bitte um Kürze und vor allem denken Sie daran, blicken wir in die Zukunft, wie kann es weitergehen?
KUCHER: Ich finde diese konstruktive Art und Weise wie wir diskutieren und auch Vorschläge erarbeiten wichtig und es wäre aber umso zentraler für alle Parteien, dass es auch wirklich umgesetzt wird. Der Punkt ist nur, Professor Hutter hat gesagt wir brauchen eine langfristige Strategie, da stimme ich Ihnen jetzt zu, aber es ist ja nicht so als müssten wir alle mit der Lupe schauen und einmal auch in der Bevölkerung überlegen müssen, was funktioniert denn eigentlich nicht in Österreich, sondern uns allen fallen jede Menge Punkte auf, die katastrophal leider im Krisenmanagement funktionieren und der zentrale Punkt ist nämlich, das kann am Anfang einer Pandemie durchaus der Fall sein, dass da Fehler passieren. Und es wird auch nie perfekt funktionieren. Nur jetzt im Herbst, in der zweiten Welle völlig unvorbereitet als Regierung da wieder hinein zu stolpern, nämlich in diesem Bereich der Kontaktpersonennachverfolgung. Wir haben 100-tausende Menschen, die verzweifelt eine Arbeit suchen und im November kommt die zuständige Arbeitsministerin drauf zu überlegen, ob man nicht den arbeitslosen Menschen einen Job anbieten könne als Kontaktpersonennachverfolger. Wissen Sie was ich meine. Kontaktpersonennachverfolgung, Datenbasis zum Beispiel, die nicht gestimmt hat, dass wir bis vor ein paar Wochen nicht einmal gewusst haben wie viel Intensivbetten es in Österreich gibt. Also da gibt es schon ganz ganz viele Punkte und ich bitte wirklich, setzen wir uns zusammen und schauen wir wirklich, dass die immer gleichen Baustellen, die seit Sommer eigentlich bekannt sind, endlich gelöst werden und dabei wäre es wichtiger glaube ich weniger Pressekonferenzen als Regierung zu geben und weniger zu inszenieren als wirklich intensiver auch zu arbeiten.
GROẞ: Herr Kaniak bitte.
KANIAK: Ich kann dem was Herr Kucher gesagt hat nur zustimmen, es ist ein aus meiner Sicht massives Versäumnis der Bundesregierung, weder wurde die Teststrategie des Ministers Anschobers umgesetzt, weil das was notwendig gewesen wäre, flächendeckend diese Querschnittsuntersuchungen, Querschnittcreenings, um wirklich die Dunkelziffer zu erheben, um wirklich die Verbreitungswege nachzuverfolgen, einfach nicht stattgefunden haben, das hat man nach dem Frühling wieder gleich sein lassen, und die personellen Aufstockungen im Bereich contact tracing hat man auch über den gesamten Sommer verabsäumt, da wurde das Bundesheer in Assistenz geschickt, statt dass man versucht Kapazitäten aufzubauen für den Herbst und die da erwartete Welle. Noch ganz kurz zu den Kliniken, weil das hat der Professor Sönnichsen ganz richtig gesagt, ich sehe das auch so und ich kenne die Zahlen aus Deutschland, im Endeffekt ist das was geschieht im Bereich der schwerwiegenden Atemwegsinfekte im klinischen Bereich nichts Außergewöhnliches, das haben wir in den vergangenen Jahren, alle 2, 3 Jahre, immer wieder so schwere Wellen. Was verabsäumt wurde ist, dass hier auch im personellen Bereich ausreichend Reservekapazitäten geschaffen wurden, über Personalmanagement und was uns auch - ein letzter Punkt - ganz wichtig ist, wir schießen uns damit natürlich auch massiv selber ins Knie mit der Strategie der Quarantänemaßnahmen gegen Bedienstete im Gesundheits- und Pflegebereich, ich höre, dass in bestimmten Krankenhäusern 30 % der Mitarbeiter im Krankenstand oder in der Quarantäne sind, dann wundert es nicht, dass die Verbliebenen überlastet sind.
GROẞ: Ok, vielen Dank, Herr Loacker.
LOACKER: Man kann das Virus nicht wegtesten, wir müssen uns immer überlegen, wenn wir Massentestungen machen, was tun wir dann mit den Ergbenissen, die was wir daraus ableiten. Und, was der Regierung fehlt, ist ein Plan dafür wie wir miteinander leben, arbeiten und lernen können, auch wenn uns das Virus noch viele Monate lang begleitet. Weil was uns voraus steht ist ein dritter Lockdown im Februar, weil wenn sie jetzt alles zumachen, alles schließen, dann am 7. Dezember alles auf, dann sind wir im Februar wieder bei alles zu, nur werden es die Unternehmen nicht überleben, was völlig außer Betracht bleibt, Arbeitslosigkeit und Konkurse schlagen auch auf die Gesundheit und verkürzen das Leben auch. Und was man machen müsste, wäre die Alten- und Pflegeheime besser zu schützen. 37 % der Verstorbenen waren Insassen von Alten- und Pflegeheimen.
GROẞ: Vielen Dank, wir machen einen Themenwechsel, oder vielleicht sollte ich besser sagen eine Themenerweiterung. Wir kommen zur Pflege. Die Brisanz des Pflegethemas war ja schon in den vergangenen Jahren, Stichwort Pflegenotstand, unbestritten. Jetzt aber ist sie schlicht und einfach nicht mehr zu leugnen. Wir haben uns auch hier im Vorfeld umgehört und umgesehen wie Österreicherinnen und Österreicher von diesem Thema betroffen sind und damit umgehen, als Pflegende, aber auch als zu pflegende, familiär oder professionell beziehungsweise auch akademisch. Schauen wir uns den folgenden Film an:
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Es folgt eine Videoeinspielung:
Sprecher: Pflege hat viele Gesichter. Rund 80 % der Menschen mit Pflegebedarf werden zu Hause von Angehörigen gepflegt, meist übernehmen Frauen diese Aufgabe. Vinzent und Laurenz Stoisser sind hier die Ausnahme. Zusammen mit ihrer Mutter kümmern sie sich um ihren Vater, der vor 3 Jahren die Diagnose Demenz erhalten hat.
Vinzent Stoisser: Das heißt wir versuchen vor allem die sportlichen Aktivitäten zu übernehmen, aber beispielsweise auch Übernachtungen zu ermöglichen, das heißt der Vater lebt teilweise sogar bei mir oder meinem Bruder tageweise. Einfach um da die ganze Morgensituation, Abendsituation zu erleichtern, das verursacht ja alles Stress. Deshalb versuchen wir so gut es geht hier zu unterstützen. Der 60 jährige Andreas Stoisser ist sportlich, immer noch aktiv, ab und zu kümmern sich auch ehrenamtliche Helfer, so genannte Buddies, um ihn.
Andreas Stoisser: Ich habe in der Zwischenzeit einfach so einen Buddy, wenn ich irgendwo etwas zu organisieren haben, dann geht das einfach, weil es im Umfeld einfach wirklich Leute gibt, die da auch mitgehen.
Sprecher: Die Familie wünscht sich mehr Unterstützung für Betroffene. Vor allem die Finanzierung oder dieses Angebot zu unterstützen, sowohl Selbsthilfe für Betroffene und Aktivitäten für Betroffene, aber auch für Angehörige.
Raphael Schönborn leitet eine Selbsthilfeorganisation für Menschen mit Demenz und findet, dass Familien und vor allem Frauen zu lange alleine gelassen wurden. Schönborn: Das ist natürlich praktisch, wenn es hier keinen lauten Aufschrei gibt, weil es das kostengünstigste ist, wenn es Frauen machen im Verborgenen, dann ist das das kostengünstigste, nur wird sich das nicht mehr lange so ausgehen, wenn wir versuchen diese Strategie länger zu fahren, dann wird es hier einfach immer mehr widrige Umstände geben, die es jetzt auch immer mehr schon gibt.
Weil sie keine Angehörigen mehr hat und nicht mehr alleine sein will, beschließt die heute 89 jährige Elfriede Nowak vor rund 10 Jahren in das Pensionistenwohnheim Penzing zu ziehen.
Elfriede Nowak: Also leicht ist das natürlich nicht, das wäre gelogen, wenn ich sagen würde, das ist mir leicht gefallen. Aber man muss dann immer die Plus und Minus, Vorteile und Nachteile abwägen. Und wenn man sich das reiflich überlegt, dann muss man halt auch den Mut haben loszulassen. Elfriede Nowak bereut ihre Entscheidung nicht. Mit dem Pfleger Remzo Hafizovic versteht sie sich besonders gut. Er ist seit rund 6 Jahren in dem Job tätig, der für ihn mehr Berufung als Beruf ist.
Remzo Hafizovic: Ich hab schon als Jugendlicher gespürt, dass ich dieses soziale Komponente besitze und dass ich den Menschen gerne helfe. Doch in den letzten Jahren haben sich die Aufgaben massiv verändert. Die besondere Herausforderung in dem Beruf ist, in den letzten Jahren ist der Pflegebedarf der Bewohnerinnen und Bewohner, die zu uns kommen, massiv gestiegen, es kommen immer mehr Menschen mit verschiedenen Suchtproblemen, also Suchtproblematik, mit psychiatrischen Erkrankungen, zu uns, also das sind zur Zeit Erschwernisse, die unseren Beruf auf jeden Fall erschweren.
Sprecher: Ein großes Problem besteht für Remzo Hafizovic darin, dass sich immer weniger junge Menschen für den Beruf als Pflegerin oder Pfleger interessieren. Die lebenslustigen Elfriede Nowak ist auch nach zehn Jahren im Wohnhaus ein großer Fan des Pflegepersonals.
Elfriede Nowak: Ein kurzer Blick nur, ein Lächeln und es passt schon.
Sprecher: Es passt auch zwischen Radka Simeonova und dieser 59 jährigen Wienerin. Die Bulgarin betreut die Frau seit November letzten Jahres in deren Wohnung und zwar 24 Stunden am Tag. Wir sind minimum 14 Tage 24 Stunden, kannst du nicht ruhig schauen, weil egal..aber ich bin nie eine Sekunde ruhig, wenn ich schaue, weil sie kann aufstehen, stürzen oder so, du hast keine Ruhe, das ist eine riesige Verantwortung. Früher war Radka Simeonova Physiotherapeutin. Seit 7 Jahren arbeitet sie in der 24-Stunden-Betreuung, weil sie in ihrem Heimatland Bulgarien keinen Job mehr findet. Sie kränkt das schlechte Image der Betreuuerinnen. 60, 70 % der Leute meinen, ach das ist eine arme Frau, das ist eine Putzfrau, das macht mir nichts, verstehen sie mich, weil wir sind zu Taten, jeden Tag. Mario Tasotti vermittelt mit seiner Agentur Betruungskräfte wie Radka Simeonova. Auch er hat klare Forderungen an die Politik. Tasotti: Ein Punkt wäre, dass dringend die Förderungen im Bereich der 24-Stunden-Pflege erhöht werden, die stehen nach wie vor bei 550 Euro, was der gleiche Wert ist, der ursprünglich 2007 fixiert wurde. Damit PersonenbetreuerInnen höhere Honorare beziehen können, das kann nicht allein Last der Familien sein, die eh schon mehr als Familien, die ihre Personen in stationären Einrichtungen unterbringen, zum Handkuss kommen.
Sprecher: Radka Simeonova ist trotz aller Schwierigkeiten glücklich mit ihrer Arbeit. Radka Simeonova: Ja solchen Menschen.. ich will immer etwas schweres machen. Und wenn man Erfolg hat, und das sieht man, denk ich mir ich mach etwas Schönes.
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GROẞ: Auf der menschlichen Ebene scheint ja vieles zu funktionieren, ja das meiste sogar und das deckt aber vielleicht die strukurellen Mängel und Probleme zu. Genau darüber möchte ich jetzt mit unserem nächsten Gast sprechen. Ich begrüße an meiner Seite Frau Waltraud Haas-Wippel, herzlich willkommen.
Waltraud HAAS-WIPPEL (Geriatrische Gesundheitszentren): Schönen guten Abend.
GROẞ: Frau Waltraud Haas-Wippel ist Pflegedienstleiterin der Geriatrischen Gesundheitszentren, sie ist akademische Pflegemanagerin, diplomierte Krankenpflegerin, Lehrbeauftragte für Pflegewissenschaften und jetzt auch Mitglied der Pflege-Task-Force der Bundesregierung. Frau Haas-Wippel, was sind denn die größten Baustellen, wo muss denn die Politik sofort handeln im Pflegebereich?
HAAS-WIPPEL: Man hat jetzt wirklich gesehen, dass die COVID19-Pandemie wie eine Lupe auf diese Problemstellungen raufgezeigt hat, und es braucht einen Reformturbo, also es ist jetzt endlich mal notwendig die Strukturen österreichweit in einer einheitlichen Systematik mit einer einheitlichen Koordinierung und Steuerung durchzubringen und zwar sind auch Bund, Land, Gemeinde und die Städte gefordert und es braucht diese einheitliche Struktur, aber es braucht auch die Rahmenbedingungen, die gleich sind. Das heißt, es geht um den Personalschlüssel, es kann nicht sein, dass der Personalschlüssel je nach Bundesland unterschiedlich ist, das ist eine Ungleichstellung sowohl für die Pflegenden aber auch für .. (GROẞ: Können Sie uns da sagen wie groß da die Bandbreite ist?) Über 100 %, nämlich in der Quantität über 100 %, es gibt da vom Rechnungshof einen Bericht mit einem Musterpflegewohnheim, wo in einem Bundesland für 71 Betreuende 22 Pflegepersonen sind und in einem anderen Bundesland sind es 46, also doppelt so viel. Und nicht nur in der Quantität, sondern auch die Qualifikation ist unterschiedlich. Von einem Qualifikationsschlüssel von rund 20 % Diplomierten bis rund 50 % Diplomierten. Und das spielt sich durch alle Settings, also nicht nur in den Pflegewohnheimen, auch bei den mobilen Diensten gibt es diese Unterschiedlichkeiten bei der Betreuungsintensität, bei der Betreuungsdichte und auch bei der Finanzierung. Also da braucht es jetzt wirklich ein echtes Bemühen und einen Mut, diese Pflegereform auf die Beine zu stellen und zwar so rasch als möglich.
GROẞ: Genau. Ein Thema ist das Ausbildungsthema, wie schaut es denn da aus beziehungsweise was schwebt ihnen da vor, was muss da getan werden?
HAAS-WIPPEL: Ein ganz ein wichtiges Thema. Und dieses Thema der Ausbildung der Pflege, da möchte ich vielleicht einen Schwenk machen, ich habe jetzt die Problemstellungen vom Pflegesystem angesprochen, da gibt es wirklich absoluten Handlungsbedarf. Der Pflegeberuf selbst, die Profession Pflege, ist ja wirklich eine sinnvolle Tätigkeit, es ist ein schöner, ein toller Beruf, den ich hier schon über 40 Jahre erfüllen darf, und diese Sinnstiftung, die wir in diesem Büro erleben, Freude durch diese Selbstwirksamkeit, das ist ja etwas Schönes. Und warum haben wir einen Mangel, weil dieser schöne Beruf aufgrund der Personalsituation, der Rahmenbedingungen nicht von jungen Menschen so gesehen werden kann. Und da braucht es drei Stoßrichtungen, es bräuchte mal mehr Plätze auf der FH für das diplomierte Personal, es braucht natürlich Ausbildungen, die bezahlt werden, dann meine ich aber nicht nur die bezahlte Ausbildung, sondern es braucht auch ein existenzsicherndes Einkommen und ich denke mir da gibt es sehr viele andere Bereiche wie zum Beispiel bei der Polizei, da bekommt man die Ausbildung bezahlt und ein Entgelt und es muss existenzsichernd sein. Und gerade Einsteiger und für Umsteiger ist es ganz ganz wichtig. Und die dritte Schiene ist, dass wir wahrscheinlich mit unserem eigenen Pouvoir mittlerweile nicht auskommen können, da braucht es auch MigrantInnen. Und ich habe da auch erst letzte Woche ein Beispiel gehabt, eine Ukrainerin hat die Ausbildung in Tirol gemacht, sie ist diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin, registriert, also alles in Ordnung, könnte sofort beginnen, ist der Liebe wegen in die Steiermark gezogen und wollte bei uns im Pflegewohnheim anfangen. Die Situation ist die, dass sie nicht die Rot-Weiß-Rot-Karte bekommt, weil sie ist 41 und es ist ja so ein Punktesystem, da fällt sie leider bei der Punkteanzahl durch und sie hat natürlich keine Berufserfahrung. Sie bezieht eine tolle Ausbildung, wir brauchen sie, sie ist perfekt in der Sprache Deutsch und im Wort überall perfekt, nur sie bekommt nicht die Rot-Weiß-Rot-Karte. Und so einen ähnlichen Fall habe ich vor kurzem auch aus Griechenland gehabt, also EU Bürger, bei uns durfte er nicht arbeiten, in Deutschland ist er mit offenen Armen aufgenommen worden und arbeitet auf der Intensivstation. Also da muss man dann schon einmal das System überlegen, dass man diese Mitarbeiterinnen nicht verliert. Die wir dringend brauchen.
GROẞ: Wie stehen Sie eigentlich zum Thema Pflegelehre, weil das ja etwas ist was in der politischen Diskussion heiß und wild umstritten ist und man wird sicher auch noch darüber sprechen.
HAAS-WIPPEL: Pflegelehre ist aus Sicht der PflegeexpertInnen absolut ein no go. Das haben wir immer wieder vertreten, aber da werden Systeme neu hochgefahren, die man eigentlich nicht braucht, weil wir haben ja diplomiertes Personal, wir haben Pflegefachassistenten, Wir haben Pflegeassistentinnen und wir haben die Sozialbetreuungsberufe, auch da gibt es drei Berufsgruppen.
GROẞ: Aber nur damit wir es begründen, ein no go weil die Menschen zu jung sind, die eine Lehre beginnen?
HAAS-WIPPEL: Das ist sicher ein Kriterium, mit 15 Jahren schon einen so einen verantwortungsvollen Beruf, der ja auch bei aller tollen Arbeit auch natürlich seine Schattenseiten hat. Es ist ein schwerer und anstrengender Beruf, man würde sie verheizen, und dann hat man sich auch nicht überlegt wer sie ausbilden wird. Wir haben derzeit zu wenig Pflegepersonen. Wir haben Praxisanleiter wir haben Praxisanleiterinnen, die natürlich die Studentinnen und Schüler ausbilden. Aber ein Lehrberuf bedeutet ja enorme Unterstützung vor Ort, in der Lehre. Und diese Personalressourcen haben wir einfach nicht.
GROẞ: Dann fragen wir einmal in die Politik hinein, wie eigentlich die Einschätzung ist was das Thema Bereitschaft auch Reformen anzugehen in diesem Bereich betrifft. Jetzt gab es im Jänner ja diese große Ankündigung, es gibt seit einiger Zeit die Taskforce, also da ist schon einiges passiert, auf der anderen Seite könnte man sagen naja vielleicht ist im Moment gar nicht so eine gute Zeit. Weil wir sind ohnedies voll fokussiert auf das Gesundheitssystem sind, damit das nicht zusammenbricht, Geld fehlt schon so an allen Ecken und Enden wahrscheinlich, in Zukunft überhaupt, also wie ist da ihre Einschätzung? Ist ein wind auf opportunity da jetzt gegeben oder das Gegenteil? Frau Ribo sie nicken ganz begeistert.
RIBO: Ja ich fange gerne an. Also mir hat es im ersten Beitrag sehr gut gefallen, wie es geheißen hat, die Pflegereform kann nicht warten und das sehe ich genauso, die Frau Kollegin hat hier schon einiges erwähnt und es ist so, dass es in keinem Fall ein Widerspruch ist zu dieser Pandemie, in der wir uns jetzt befinden. Es ist eher eine Chance, weil die Pandemie genau wie sie vorher gesagt haben genau die Versäumnisse der Vergangenheit aufgezeigt hat. Also die Politik hat einfach viel zu lange weg geschaut und jetzt kommt eines nach dem andern ans Licht und jetzt heißt es zu handeln und wir haben schon in der Regierung vor der Pandemie uns darauf geeinigt, dass das Thema, dass die Pflegereform, ein gemeinsames großes Projekt ist und sein wird und wir sind jetzt gerade mitten drin, also ich bin auch ein Teil der „Taskforce Pflege“ und Zwischenergebnisse werden wir irgendwann Ende Oktober, ah Ende November präsentieren, es ist schon vieles getan, ich möchte jetzt nicht alles aufzählen, aber ich möchte einen Punkt erwähnen, der ein wesentlicher in dieser ganzen Thematik ist und das ist der Pflegekräftemangel. Wir haben schon gehört wir haben mittlerweile, bis 2030 werden wir in der Pflege bis 100.000 Menschen brauchen. Da reden wir von den nächsten zehn Jahren und da geht es eben darum zuerst einmal die Menschen, die in der Pflege sind auch dort zu behalten, denn wir wissen, dass es ein sehr anstrengender Job ist und es ist einfach auch körperlich und auch psychisch manchmal so, dass nicht alle dort lange bleiben können, viele Menschen. Dann gibt es eben auch das, wir müssen neue Personen finden, die sich für diesen Beruf entscheiden, also da geht es eben darum, dass man auch dem Beruf Attraktivität, und die Kollegin hat es genau richtig gesagt, in der Polizei haben wir auch sehr lange einen Mangel gehabt, bis es irgendwann geheißen hat, ja eine Ausbildung wird bezahlt und zwar ordentlich bezahlt mit 1800 €, wie schaut es jetzt aus, jetzt haben wir keinen Mangel da. Dann möchte ich auch die Arbeitsstiftung erwähnen, die mit 700 Millionen dotiert ist, dort ist die Pflege genau auch angeführt, d.h. jetzt gibt es auch die Möglichkeit für Umschulungen in der Pflege, also da wird eine Umschulung bezahlt und nicht nur die Schulung, sondern genau das, dass man sich das auch leisten kann, dass man nebenbei auch von dem Geld leben kann. Und die Nostrifizierungsgeschichte, da bin ich ganz bei Ihnen.
GROẞ: Okay machen wir an dieser Stelle vielleicht trotzdem einen Punkt, um auch die Herrn der Oppositionsparteien hier herein zu holen an diesem Punkt. Was davon unterstützen Sie beziehungsweise was würden Sie darüber hinaus noch für geboten halten oder vorschlagen? Herr Kucher.
KUCHER: Ich möchte ganz positiv beginnen, wenn diese Krise etwas Gutes hat, dass doch alle Parteien jetzt sagen wie wichtig ein öffentliches staatliches Gesundheits- und Pflegesystem ist. Und ich glaube das ist etwas wo man aufbauen kann. Jahre lang hat es ja geheißen das ist teuer, da müssen wir einsparen, vielleicht privatisieren. Jetzt müssen wir genau diesen Schulterschluss auch zum Anlass nehmen, dass sich wirklich etwas verbessert, weil grad im Pflegebereich haben Menschen wirklich schon über viele Jahre hinweg Übermenschliches geleistet und gerade in der Krise wäre es notwendig, dass wir sie nicht im Stich lassen. Was mir aber eben wichtig wäre, dass wir eben auch in dieser Woche, wir diskutieren ja jetzt gerade das Budget des Jahres 2021, dann nicht nur bei warmen freundlichen Worten bleiben für die Pflege, vielleicht applaudieren, sondern konkret Etwas tun. Und das ist so bisschen mein Kritikpunkt, dass zwar immer wieder gesagt wird wir müssen im Pflegebereich was machen, aber defacto nicht ein Euro konkret für Verbesserung der Arbeitsbedingungen vorgesehen ist und wirklich gar nichts passiert, Kurz tut jetzt wieder vertagen und ich glaube es wäre notwendig, dass man konkret für die Menschen, die Tag für Tag mit Kranken arbeiten wirklich was macht und nicht nur ein paar Mini Geschichtln und Ankündigungen, weil sonst wird sich nichts verbessern und konkret im kommenden Budget ist nichts vorgesehen, es ist die nächsten Jahre im Finanzrahmen auch nichts vorgesehen und vielleicht können wir heute als Basis dieser Diskussion auch einen Startschuss geben, dass wirklich konkret auch schon im kommenden Budget sich auch verbessert.
RIBO: Da möchte ich widersprechen, das stimmt nicht, für die Pflege gibt es 60 Millionen. Da habe ich mich sehr genau damit beschäftigt, es gibt 60 Millionen zusätzlich.
KUCHER: Wir reden von 1 Milliarde, die hier notwendig ist.
RIBO: Aber zu sagen, dass es nichts gibt, ist einfach hier nicht richtig. Es gibt 60 Millionen zusätzlich für die Pflege, unter diesen 60 Millionen werden zum Beispiel die community nursing eingesetzt.
KUCHER: Entschuldigung, wir können die Leute nicht im Stich lassen. Und der Punkt ist, wir bräuchten mindestens 1 Milliarde und es braucht aber beides, es braucht, das eine ist jetzt Werbung, die Regierung schaltet jetzt überall Fernsehspots und macht Werbung für Pflege, aber so lange es Krankenpflegerinnen gibt, die offen und ehrlich sagen, sie würden nie ihrer eigenen Tochter empfehlen noch einmal in diesen Beruf zu gehen, also solange wir nicht auch ein Signal setzen, dass die Politik konkret was tut, also nicht nur Werbung, sondern man muss konkret auch die Hoffnung wieder wecken, dass sich konkret an den Rahmenbedingungen etwas ändert.
GROẞ: Ganz konkrete Frage vielleicht Herr Kucher noch, ihr Parteifreund im Burgenland Landeshauptmann Doskozil hat dort pflegenden Angehörenden ein Modell geschaffen, sie anzustellen, ist es etwas, was ihnen vorschweben würde?
KUCHER: Das könnte ein Modell von vielen sein, ich glaube es ist dringend notwendig, dass man beginnt pflegenden Angehörige auch eine stärkere finanzielle Unterstützung zu geben.
HAAS-WIPPEL: Die pflegenden Angehörigen sind die Stütze in unserem System.
KUCHER: Wird sicher einen Widerspruch auf Seite der Regierungsparteien, nein ist kein gutes Modell.
RIBO: Für uns ist dieses Modell nicht das ideale, es ist eines von vielen, das man diskutieren könnte, aber da gibt es ganz klare Abhängigkeiten, d.h. man ist wirklich dort finanziell von dem, den man pflegt abhängig, also es ist sehr schwierig auch arbeitsrechtlich und sehr fraglich.
GROẞ: Ok, Herr Kaniak, wie lösen wir das Arbeitskräfteproblem in diesem Sektor. Ihre Partei will nicht einmal ausländische Kräfte in diesem Bereich rekrutieren.
KANIAK: Ich glaube man kann das Pferd nicht von hinten aufzäumen, sondern man muss schon die Gesamtsituation anschauen und Frau Haas-Wippel hat es ja schon richtig gesagt, es braucht grundsätzlich eine Harmonisierung im Pflegebereich, was die Pflegekräfteschlüssel zum Beispiel anbelangt, aber auch was die sonstigen Rahmenbedingungen der Pflege anbelangt, das haben wir 2018, 2019 unter der Gesundheits- und Sozialministerin Hartinger-Klein schon begonnen, d.h. das was jetzt als großer Erfolg und großer Schritt verkauft wird, das ist eigentlich schon seit zwei Jahren im Prozess, der schon gestartet wurde, wo auch schon alle steakholder, alle Interessensvertretungen und alle Berufe ins Boot geholt wurden und diese Diskussion schon gestartet wurde. Leider Gottes war jetzt dazwischen zwei Jahre Stillstand und wir haben jetzt wieder ein dreiviertel Jahr gebraucht bis dieser Prozess wieder aufgenommen wurde und die Coronakrise hat uns natürlich gezeigt, wie abhängig wir von ausländischen Pflegekräften sind, vor allem im Bereich der 24-Stunden-Betreuung. Das ist natürlich etwas was jetzt akut geworden ist und wo wir gemerkt haben, dass wir hier strukturelle Veränderungen brauchen. Ich denke wir sollten uns auf folgende Dinge konzentrieren. Wir sollten auf jeden Fall schauen, dass wir Pflege der Menschen zu Hause ermöglichen und unterstützen. D.h. wir treten dafür ein, dass wir das Pflegegeld ab der dritten Pflegestufe um 50 % erhöhen wollen, dann kann man eben auch 24-Stunden-Betreuungskräfte zum Beispiel leichter finanzieren. Wir treten dafür ein, dass wir die Möglichkeit der Kurzzeitbetreuung ausbauen und auch finanziell erleichtern, damit wir die Angehörigen entlassen, auch ein ganz wesentlicher Punkt. Und ein weiteres mögliches Modell wäre die Schaffung von einer Art Betreuungsgenossenschaft, wo man sich auch nicht nur für langfristige Verträge eine Betreuungskraft sichern kann, sondern auch für kurzfristigen Bedarf für zu Hause Betreuungskräfte aus dieser Genossenschaft sozusagen zur Verfügung gestellt bekommen kann. Und was die Ausbildung anbelangt, sind wir doch jemand der auch der Meinung ist, dass auch eine Pflegelehre Sinn machen kann und zwar unter der Prämisse, dass man sagt, dass man Menschen früh heranführt aber nicht indem man sie überlastet und ihnen pflegerische Tätigkeiten aufantwortet, für die sie in diesem Alter noch nicht geeignet sind, sondern dass man sie sanft heranführt, Lehre ist auch eine bezahlte Ausbildung, man könnte früh anfangen Menschen in diesem Bereich einzuführen, ich kenne selber, ich betreue selber als versorgender Apotheke mehrere Altenheime und bin mit den Pflegedienstleiterininen doch in engem Kontakt und das was ich dort erlebe und erfahre ist, dass jede helfende Hand gebraucht wird. Und die alten Menschen brauchen ja auch sehr viel sozialen Kontakt, das ist nicht immer nur die körperliche Schwerstarbeit, zu baden oder sie zu heben oder palliativ zu begleiten.
GROẞ: vielleicht lassen wir Loacker noch zum Wort kommen, wo würden denn die NEOS ansetzen? Pflegelehre ist es soweit ich weiß nicht, das Modell Burgenland ist es auch nicht?
LOACKER: Also Frau Haas-Wippel hat verschiedene Dinge angesprochen, die wir durchaus teilen. Nämlich sehr viele Menschen kommen in Pflegeberufe als Berufsumsteiger und da ist diese bezahlte Ausbildung wesentlich und es könnten noch viel mehr Personen in Pflegeberufe kommen, die es sich leisten könnten umzusteigen. Also da gebe ich Ihnen vollkommen Recht und den Vorschlag unterstütze ich zu 100 %. Und dann ist ein ganz wesentlicher Punkt die zersplitterte Finanzierung. Das Pflegegeld kommt vom Bund, grundsätzlich ist Pflege ein Teil der Sozialhilfe und liegt bei den Ländern, 24-Stunden-Betreuung hat eine hochkomplexe Finanzierung, die die privaten Betroffenen oft gar nicht durchschauen, da wäre noch sehr viel zu regeln und dann möchte ich schon auf eines hinweisen, also dass der Herr Minister eine Taskforce eingesetzt hat ist nett, aber diese Bundesregierung hat so viele Taskforces eingesetzt in den zehn Monaten ihre Amtszeit, dass kein Regierungsmitglied die aufzählen kann und Sebastian Kurz hat 2018 verkündet einen Masterplan für Pflege und hat damals gesagt, bis zum Ende des kommenden Jahres werden wir ein genaues Modell ausarbeiten, dass mit 1. Jänner 2020 in Kraft tritt. Das haben wir nicht. Ich glaube dann was ich sehe.
GROẞ: Weil sie das konkrete Thema der Finanzierung beziehungsweise der Zuständigkeiten angesprochen haben. Wir haben in diesem Zusammenhang eine Grafik vorbereitet, die ich jetzt gerne einspielen würde. Grundsätzlich ist es so, dass in Österreich die neun Bundesländer für den Aufgabenbereich Pflege zuständig sind. Das Spektrum der Pflegeleistungen umfasst dabei stationäre Einrichtungen wie Alten- und Pflegeheime ebenso wie ambulante also zum Beispiel mobile Pflegedienste. Für diese Aufgaben haben die Länder im Jahr 2018 eine Summe von rund 2,3 Milliarden € netto ausgegeben. Zusätzlich schießt der Bund Mittel aus dem Pflegefond zu. Heuer werden das 399 Mio. € sein. Dazu kommt noch das Bundespflegegeld, 2019 hat es rund 460.000 Pflegegeldbezieher und -bezieherinnen gegeben. In Summe hat es 2,64 Milliarden € gekostet. Herr Smolle, das schreit richtiggehend nach Finanzierung aus eigener Hand und einer viel stärkeren und viel intensiveren Kompetenzbereinigung, oder?
SMOLLE: Es ist einmal so, dass wenn man von der Pflege spricht wir eigentlich von drei verschiedenen Bereichen dabei reden und ich glaub das muss man auseinander tun. Das eine ist die Pflege im Krankenhaus, auch das ist eine personelle Herausforderung. Das zweite ist Langzeitpflege, das dritte die Hauskrankenpflege im weitesten Sinn. Und wir haben uns jetzt auf den zweiten und ein bisschen auf den dritten Bereich fokussiert. Wir stehen als Regierung einmal eindeutig zu, dass Pflege daheim vorzuziehen ist gegenüber einer Institution und da würden wir entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. Das ist der Pflegebonus für zu Hause, das ist aber auch Kurzzeitpflege, Einrichtung eines pflegefreien Tags für pflegende Angehörige. Es sind 950.000 Menschen in Österreich pflegende Angehörige. Das ist der größte Dienstleistungssektor eigentlich den wir haben. Wir plädieren auch dafür, dass eine entsprechende Ausbildungsoffensive kommt, da kann ich mich an vieles anschließen, was hier auch genannt worden ist. Es ist ganz wichtig, die Wahrnehmung des Pflegeberufes in der Gesellschaft zu heben, gerade durch die Änderungen in der Ausbildung haben wir da eine gewisse Lücke, weil was ein Krankenpfleger ist, was eine Krankenschwester ist, das war in der Gesellschaft etabliert, da hat jeder etwas damit anfangen können. Mit gehobenen Dienst, Pflegefachassistenz, Pflegeassistenz, diese Begriffe sind nicht richtig durchgesickert. Es ist doch so, dass die Ausbildungen zur Pflegefachassistenz, Pflegeassistenz noch gar nicht in allen Ausbildungseinrichtungen in den letzten Jahren ausgeschöpft worden sind. D.h. hier ist durchaus noch viel zu tun. Und was bei der Pflegelehre ein wichtiger Punkt ist, wenn man das ansteuert, man will damit keinen vierten Pflegeberuf schaffen, sondern nur einen weiteren Ausbildungsweg Richtung Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz und ich glaube das muss man auch berücksichtigen. Finanzierung ist ein wesentlicher Punkt. Auch diese Taskforce jetzt. Es ist auf verschiedene kommunalen Ebenen aufgeteilt. Das muss aus einer Hand alles geplant und vereinheitlicht werden. Und auch auf diesem Weg ist man. Ich glaub ein wesentlicher Punkt des Diskussionsprozesses der letzten Monate, wo mehr als 3000 Personen sich aktiv eingebracht haben ist, und ich glaub das haben sie einmal gesagt, es wurde hier nicht über die Pflege, es wurde mit der Pflege gesprochen. Und ich glaube, dass das ein ganz entscheidender Schritt ist.
KUCHER: Herr Doktor Smolle, bei aller Wertschätzung, wenn alle Ärztinnen und Ärzte Österreichs vor einer Operation warnen würden, würde niemand von uns sagen wir machen diese Operation trotzdem. Und im Bereich der Pflegelehre, alle Fachgesellschaften, alle Institute für Pflegewissenschaften in Österreich, alle Expertinnen und Experten warnen vor einer Pflegelehre und sagen das passt in diesem Bereich nicht. Jetzt reden wir alle von Respekt gegenüber der Pflege und dann führt man eine Pflegelehre in Österreich ein, so kann man doch nicht arbeiten. Wir reden alle von Wertschätzung und da fahrt man dann drüber.
SMOLLE: In der Schweiz funktioniert es doch auch.
KUCHER: Nein, das ist ein ganz ein anderes Modell, und niemand von uns will doch bitte auf die Idee kommen, wenn man einen Mangel an Polizisten und Polizisten hat, dass man 15,16-jährige Burschen und Mädels in eine Polizeiuniform steckt und denen eine Waffe umhängt, also ich will nur aufzeigen, das ist in der Politik, wir reden alle von Wertschätzung und wie wichtig es ist der Pflege zu zu hören und real plant die Wirtschaftsministerin vorbei am Gesundheitsausschuss die Einführung einer Pflegelehre und warum macht das die Wirtschaftsministerin. Weil sie sparen möchte. Und weil sie auf diese Art und Weise hofft billige Arbeitskräfte zu bekommen.
SMOLLE: Also da möchte ich sie wirklich zurückweisen.
KUCHER: Die Frau Schramböck macht das, warum, was macht die Wirtschaftsministerin plötzlich in der Pflegereform.
RIBO: Ich finde es einfach sehr schade, wenn hier über Pflege, über Attraktivierung des Pflegeberufes, über die Wertschätzung der pflegenden Angehörigen oder der Menschen in der Pflege, wenn wir immer wieder bei der Pflegelehre landen. Das ist ein Teil von dem ganzen Thema. Wir reden jetzt hier über Pflegethemen, über die Pflegereform, über ganz diverse und unterschiedliche Maßnahmen, die man da setzen kann und die Pflegelehre steht im Regierungsprogramm drinnen, da ist man im Gespräch dabei und ich möchte noch einmal zurück auf das Thema Pflege und die Pflegereform und von mir auch auf die Finanzierung. Wie wir es schaffen, unser Pflegesystem weiterhin zu erhalten und das wirklich jeder im Alter, oder nicht nur im Alter, weil Pflege kann uns alle treffen, die richtige Pflege bekommt, die Qualität der Pflege, die wir alle verdienen. Und nicht immer nur in der Pflegelehre, also ich habe es immer wieder erlebt egal, wenn es um die Pflege geht, dass von der Opposition immer dieses eine Thema genannt wird.
KUCHER: Von allen Experten und Expertinnen, nicht nur von der Opposition.
GROẞ: Lassen wir vielleicht einmal die Frau Haas-Wippel Ihre Eindrücke sagen, nämlich von dieser Diskussion jetzt, nämlich auch wenn sie der Frau Abgeordneten und den Kollegen zugehört haben, was Sie für einen Eindruck von dieser Diskussion bekommen haben, wo können Sie mit, wovor würden sie auf jeden Fall warnen oder sagen, lasst die Finger davon?
HAAS-WIPPEL: So wie ich das jetzt verstanden habe besteht Konsens darin, dass wir wirklich eine Vereinheitlichung brauchen, das nehme ich jetzt mit, dass es wirklich eine Koordinierung und eine einheitliche Steuerung geben muss. In der Pflegelehre sind natürlich Unterschiedlichkeiten. Vielleicht nur ganz kurz, in der Schweiz ist es ein anderes System, das sind medizinisch diagnostische Berufe, heißen Fachkraft für Gesundheit, also das kann man nicht ganz vergleichen. Aber ich bin dafür, dass wir uns nicht nur auf die Pflegelehre spezialisieren, sondern wirklich den großen Wurf brauchen. Wir brauchen den Reformdurchbruch in der Pflege. Die Mitarbeiter brennen aus. Sie haben jetzt erschwerte Rahmenbedingungen. COVID-19 macht was mit den Kolleginnen und Kollegen. Sie haben erschwerte Rahmenbedingungen. Sie haben, die abgesondert werden und da gibt es auch Unterschiedlichkeiten von den verschiedenen Bezirksverwaltungsbehörden, das müsste vereinheitlicht werden. Ich habe eine Station, wo ich drei Diplomierte habe, die aus unterschiedlichen Bezirken kommen. Die eine wird sieben Tage in Quarantäne geschickt, die andere 14 Tage in Quarantäne geschickt und die dritte bekommt nur einen Verkehrsabsonderungsbescheid. Es braucht eine Einheitlichkeit. Ich glaub das ist ganz wichtig. Und was wir uns schon wünschen, wir brauchen in der Pflege und diese Mitarbeiter vor Ort arbeiten unter erschwerten Rahmenbedingungen wegen der Hygienemaßnahmen. Sie müssen sich vorstellen, sie haben eine Maske, Sie haben eine Brille, Sie haben eine Haube, Sie haben einen Mantel an, Sie haben Handschuhe an und müssen unter diesen Rahmenbedingungen arbeiten. Und viele Kolleginnen und Kollegen sind abgesondert und da braucht es einen Krisenpersonalpool. Wir haben das beim ersten Lockdown gesehen, es wurden Kuranstalten geschlossen, es wurden Reha-Kliniken geschlossen und diese Mitarbeiterinnen werden freigestellt. Und im Bereich der Pflegewohnheime hatten wir die Situation, dass Pflegewohnheime evakuiert werden mussten, weil das Personal abgesondert war und einfach keine sichere Pflege mehr gewährleistet war. Dann müsste man diese Krise als Chance nutzen und wirklich neue Instrumente schaffen, einen Krisenpersonalpool. Ich weiß, das ist schwierig, weil es unterschiedliche Dienstgeber sind, unterschiedliche Entgeltzahlungen bei den verschiedenen Trägern, aber wenn nicht jetzt in der Krise, dass man zu neuen Modellen kommt.
GROẞ: Wie wichtig ist denn überhaupt das Thema Bezahlung?
HAAS-WIPPEL: Faire Bezahlung finde ich sehr wichtig, weil das natürlich mit dem Image und der Wertschätzung zu tun hat. Image korreliert immer mit Bezahlung. Dann würde ich sagen es braucht einmal generell eine bessere Bezahlung und dann braucht es für die Spezialistinnen und Expertinnen Zulagen. Wir haben hier 30 verschiedene ExpertInnen in verschiedenen Bereichen, ob das Wundmanagement ist, Schmerzmanagement, Aromatherapie, basale Stimulaition, kienestetics, da gibt es ja so viel. Und es sind die KollegInnen, die wirklich was in der Pflege bewirken, die brauchen dann auch eine Zulage. Das haben wir in unserem Haus eingerichtet und da haben wir Gott sei Dank auch, obwohl wir in der Langzeitpflege sind, keine Personalprobleme. Also es gibt Modelle, wo Mitarbeiter sich wertgeschätzt fühlen.
GROẞ: Ich möchte jetzt wieder zur Opposition blicken und Sie fragen Meine Herren, wie müsste denn eine Pflegereform ausschauen, dass sie zustimmen könnten?
KANIAK: Würde vorab gerne noch etwas ergänzen zu der Wertschätzung von Pflegekräften, nicht nur der monetäre Aspekt. Sondern auch der Bereich der rechtlichen Regelung der Kompetenzen ist glaube ich ein wesentlicher Punkt der Wertschätzung. Wir haben im Pflegebereich definitiv sehr sehr gut ausgebildete, sehr engagierte Personen, die aber im Alltag, und sie kennen ja das Leben in einem Altenheim, mit extrem viel Bürokratie, mit extrem viel Einschränkungen und im Endeffekt weit Ihre Kompetenz nicht einbringen dürfen, weil die rechtlichen Rahmenbedingungen das nicht vorsehen. Weil der Ärztevorbehalt zu hoch ist, weil andere Stellen dafür zuständig sind. Das ist auch ein Punkt über den wir diskutieren müssen, wenn wir über Anerkennung von Pflegekräften reden, dann müssen wir auch Kompetenzen und erlerntes Wissen anerkennen und dann müssen wir Handlungsmöglichkeiten schaffen, das erhöht auch die Zufriedenheit und die Verweildauer in diesem Beruf.
GROẞ: Da war eh schon viel drinnen jetzt, darüber hinaus, was muss so eine Pflegereform beinhalten, damit sie sagen, da gehen sie mit?
KANIAK: Ganz kurz zusammengefasst, wir haben das eh schon angefangen 2017 auch in dem Regierungsprogramm was die Freiheitlichen damals verhandelt haben, diese Vereinheitlichung, das ist auf jeden Fall ein ganz zentraler Punkt, d.h. wir brauchen ein staatlich finanziertes Pflegesystem, wir wollen eine Vereinheitlichung der Leistungen und der Pflegequoten, also der Personalquoten für die verschiedenen Bereiche und wir wollen eben diese auf der einen Seite Unterstützung für die Pflege zu Hause und diese dritte Ebene als ganz elementarer Punkt, das muss die Basis sein. So bleibt das System langfristig auch finanzierbar. Und dort wo es in die institutionellen Bereiche hineingeht, dort brauchen wir die Aufwertung und die Anerkennung für die Pflegekräfte und eine Reform der Ausbildung, mit einer Ausweitung der Kompetenzen und auch mit einer leistungsgerechten Honorierung natürlich.
LOACKER: Ja über das Gesagte hinaus eine Finanzierung aus einer Hand wäre wünschenswert, weil dann können Sie steuern, jetzt fließt ganz viel Geld, das nicht an Qualitätskriterien, nicht an Leistungskriterien geknüpft ist, wird Steuergeld ausgegeben ohne eine Zielrichtung zu haben, dann würden wir für selbstständige Pflegekräfte einen direkten Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse für die Leistungen einführen. Jetzt ist die Pflegekraft immer darauf angewiesen, dass der Arzt etwas verordnet und das ist auch eine Degradierung und eine Beleidigung dieser Experten in ihrem jeweiligen Fach. Und dann müsste man mehr hin arbeiten in moderne betreute Wohnformen, wo die Menschen, die nur zu einem Teil pflegebedürftig sind das noch selbst tun können was sie können und nur dort betreut werden wo sie es brauchen und da sind wir erst am Anfang, im Moment eine zu starke Heimorientierung in die großen Pflegeinstutitionen.
KUCHER: Ja ich glaube grundsätzlich mir ist es wichtig, dass wir auch allen Menschen, die Pflege brauchen und den Angehörigen, das wird immer eine emotionale Herausforderung sein, dass wir als Staat miteinander garantieren, wir lassen niemanden im Stich und wir sind für euch da und der Staat garantiert auch diese Leistungen und die Finanzierung. Das ist glaube ich ganz ganz wichtig das bereitzustellen. Uns ist wichtig als Sozialdemokratie, dass wir Pflegeservicestellen quer durch ganz Österreich haben und gemeinsam miteinander überlegen, ist die Betreuung in einem Heim die beste Möglichkeit, ist es die mobile Betreuung oder sozusagen eine Tagesbetreuung, wo man tagsüber ist, da gibt es ja unterschiedliche Formen. Also zu schauen was ist für die Menschen, die Pflege brauchen das Beste und nicht was ist das Billigste. Mehr Unterstützung vor allem für die pflegenden Angehörigen ist sehr sehr wichtig, eine Ausbildung. Und was eben so ist, eine Wertschätzung wo wir immer wieder reden über Menschen, die in der Pflege arbeiten, und auch vom Reden zum tun kommen und diese Wertschätzung nicht nur finanziell ausgedrückt wird, sondern vor allem in Planbarkeit, mehr Zeit für die kranken Menschen, dass man selbst auch als Pflegekraft gesund wird. Wir haben 10-tausende Menschen, müssen Sie sich vorstellen, die den Beruf erlernt haben und längst nicht mehr in diesem Beruf arbeiten, also müssen wir wirklich bei den Rahmenbedingungen besser werden. Mindeststandards, dass man nicht mehr alleine im Nachtdienst arbeitet, sondern immer im Team. Da gibt es ganz ganz viel was man tun kann, das wäre wichtig, dass auch miteinander konkret in Angriff zu nehmen.
GROẞ: Herr Smolle hat sich bereits gemeldet, ich komme gleich zu Ihnen. Ich möchte nur vorher noch einen kleinen Film abrufen, wir haben die Damen und Herrn für die Filme, die Sie schon gesehen haben, interviewt und auch gefragt wie sie sich die Zukunft der Pflege vorstellen und das waren nun die Antworten.
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Es folgt eine Videoeinspielung:
Stimmen aus der Pflege: Ich wünsche mir eine größere Differenzierung in den Rollen der Pflege und damit auch der Möglichkeiten im Gesundheitssystem unterschiedliche Dinge wahrzunehmen. Ich stelle mir größere Differenzierungen in der Betreuung und Pflege von älteren Menschen vor. Ich stelle mir auch eine größere Differenzierung in den Karrierewegen in der Pflege vor und mehr Ausbildung, mehr Forschung. Wir können manche Veränderungen eigentlich jetzt auch nur empfehlen, aber uns fehlen auch die Daten und Fakten.
Dort wo sie hingehört, im Bewusstsein der Menschen verankert, dass sie ein ganz natürlicher selbstverständlicher Bestandteil unserer Gesellschaft ist, dass es modern ist, dass es so zum guten Ton gehört in der Pflege tätig zu sein beziehungsweise auch ehrenamtlich sich zu engagieren Für Menschen, die einen brauchen. Das würde ich mir wünschen. Das ist den Stellenwert hat, den es verdient.
Aus meiner Sicht wäre wichtig, dass die Pflege und Betreuungsberufe mehr Anerkennung in der Gesellschaft bekommen, dass sie angesehener werden, ich glaube dass das durchdringt immer weniger, deswegen ist es zur Zeit schwer Menschen in die Pflege zu bewegen, dass sie die Berufe ergreifen.
Ich glaube, dass eben der Bereich der 24-Stunden-Betreuung eine Säule ist, auf die man auf alle Fälle zählen kann, das wird aber zu wenig sein. Es wird auch wichtig sein, dass wir auch in unsere Gesellschaft in Österreich auch ein Umdenken anstoßen können und dass wir uns überlegen wie wir den Job eines Betreuers oder eine Betreuerin so attraktiv machen können, dass wir auch aus eigenen Reihen bereit sind für unsere älteren Menschen zu sorgen. Ohne das wird es wahrscheinlich nicht möglich sein, den gesamten Bedarf der bestehen wird zu decken.
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GROẞ: Sehr klare Wünsche also, Frau Ribo, Pflegereform, wie sie die Regierung jetzt plant und umsetzen will. Wird sie diese Wünsche befriedigen?
RIBO: Ja es war dem Herrn Minister Anschober und uns und natürlich auch unseren Koalitionspartner immer wichtig, dass wir diese Pflegereform so angehen, dass wir nicht über die Menschen reden, sondern mit ihnen und so haben wir es auch angelegt. D.h. es gab diese Dialoge, es gab digitale Beteiligungsprozesse und jetzt diese verschiedenen Arbeitsgruppen und das sind genau die Punkte, die jetzt auch zum Teil von der Opposition aber auch natürlich von den Menschen in dem Video genannt wurden, die mit einfließen, die behandelt werden, und die dann in eine Zielsteuerungsgruppe auch politisch bewertet werden. Das ist ganz klar.
GROẞ: Herr Smolle, Können Sie den großen Wurf garantieren, das wäre dann in der Tat historisch, denn über kein Thema wird so lange gesprochen, nicht einmal über die Bundesstaatsreform.
SMOLLE: die Situation war noch nie so günstig wie jetzt für einen großen Wurf und ich bin da sehr optimistisch, wenn ich die ganze Diskussion Revue passieren lasse. Wir leben in der gleichen Welt, wir haben großteils die gleichen Ziele und manchmal habe ich das Gefühl wir sehen es aber von sehr unterschiedlichen Seiten. Oder wir kennen die Seiten nicht ganz. Pflegedrehscheibe steht bei uns im Programm, 500 community nurses genau zu diesem Zweck auf ganz Österreich ausgerollt. Oder zur Diskussion vorher, wie es geheißen hat Lockdown, hat natürlich gesundheitliche Folgen wie Arbeitslosigkeit, bankrott und so weiter, das ist niemanden wurscht. Die Regierung gibt 50 Milliarden € dafür aus. Das gesamte Gesundheitsbudget ist Teil der Rubrik Soziales, Arbeit, Gesundheit, Familie, das macht 48 % des gesamten Bundeshaushalts aus. Heißt, wir machen hier gemeinsam sehr sehr viel und ich würde mir wünschen, dass man das auch mehr gemeinsam mit der Oposition tragen können.
GROẞ: Vielen Dank, Frau Haas-Wippel, Ich möchte Ihnen das Schlusswort geben. Wir haben jetzt lange darüber gesprochen was alles passieren kann, was passieren soll, was passieren wird, was darf auf keinen Fall passieren diesmal?
HAAS-WIPPEL: Ich habe durch meine jahrzehntelange Tätigkeit wirklich schon viele Reformansätze erlebt, aber der Mut hat zum Schluss immer gefehlt. Ich wünsche mir wirklich, dass diese Reform umgesetzt wird, dass es einen Personalschlüssel gibt, der sich am tatsächlichen Bedarf in der Pflege orientiert, dass dadurch die Rahmenbedingungen für die Kolleginnen und Kollegen der Pflege verbessert werden. Ich wünsche mir neue Pflegeangebote wie die community nurse, das ist etwas was wir in Österreich brauchen, weil die Gesundheitskompetenz Nachholbedarf hat, wir sehen das in skandinavischen Ländern, da wird man mit gesunden längeren Jahren oder bleibt man gesund, weil die Gesundheitskompetenz schon zeitgerecht einsetzt. Also diese neuen Angebote der Pflege nutzen, einen wirklich entsprechenden Personalschlüssel, der sich am Bedarf orientiert und den Mut zu der Reform.
GROẞ: Dann sage ich vielen herzlichen Dank Ihnen allen hier im Dachfoyer der Wiener Hofburg. So schnell vergehen 90 Minuten, aber das kennt man ja aus dem Fußball, meine Damen und Herren. Diese Sendung ist auf der Website des Parlaments abrufbar und zwar dauerhaft, die nächste Ausgabe von Politik am Ring gibt es dann am 14. Dezember. Das Thema ist noch offen. Wir kommen übrigens immer am dritten Montag eines jeden Monats. Danke fürs dabei sein, meine Damen und Herren und bleiben Sie gesund.