Teure Wohnträume: Wie garantieren wir leistbares Wohnen?
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Thema
Der Traum vom Eigenheim scheint für viele ÖsterreicherInnen immer schwieriger erfüllbar zu sein. Steigende Nachfrage und ein begrenztes Angebot lassen die Immobilienpreise weiter steigen. Unter hohen Kosten leiden aber auch viele BewohnerInnen von Mietwohnungen. Wer keine Chance auf eine geförderte Wohnung hat, muss oft einen großen Teil seines Einkommens für die Miete aufwenden. Wie kann und soll die Politik leistbares Wohnen garantieren?
Teilnehmer:innen der Diskussion
Abgeordnete:
- Johann Singer (ÖVP)
- Ruth Becher (SPÖ)
- Philipp Schrangl (FPÖ)
- Nina Tomaselli (Grüne)
- Johannes Margreiter (NEOS)
Eingeladene Fachleute:
- Gabriele Etzl, Deloitte Legal
- Elke Hanel-Torsch, Mietervereinigung Österreichs
Diskussion
Etzl führte einleitend aus, dass ein Grund für steigende Preise in Ballungszentren die derzeitige Zinssituation sei, die Wohnungen als Anlageform attraktiv mache. Im ländlichen Bereich sei der Preisanstieg eine neuere Erscheinung, die auch mit der Pandemie zu tun habe.
Abgeordneter Johannes Margreiter, Bereichssprecher für Bauten und Wohnen der NEOS, stellte Wohnen als zentrales Grundbedürfnis in unserer Gesellschaft dar, weshalb die Politik gefordert sei, ein Angebot zur Verfügung zu stellen, am besten in Form eines dualen Systems analog zum Gesundheitswesen oder zur Bildung: Es solle ein öffentliches Angebot, ein privates Angebot und auch Übergangs- und Mischformen geben. Speziell für junge Familien oder einkommensschwache Bevölkerungsgruppen müsse eine adäquate und solide Wohnversorgung gewährleistet sein, das könne man nicht dem Markt überlassen.
Die Bereichssprecherin für Wohnen und Bauten der SPÖ Ruth Becher betonte, dass die SPÖ die einzige Partei sei, die sich öffentlich dazu bekenne, dass der Staat eingreifen müsse, um Rahmenbedingungen für leistbares Wohnen zu schaffen. Wohnen sei ein Grundrecht und Basis für die Teilhabe an der Gesellschaft.
Vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten sei die Rolle der Politik am Wohnungsmarkt zu kurz gekommen, denn sie müsse einen Interessenausgleich schaffen, kritisierte Abgeordnete Nina Tomaselli, Bereichssprecherin für Wohnen und Bauten der Grünen. Es konkurrierten am Wohnungsmarkt Menschen, die ausschließlich wohnen wollten, mit InvestorInnen. Einerseits müsse das Grundrecht Wohnen geschützt werden, wenn nötig auch mit unorthodoxen Maßnahmen, andererseits sei natürlich auch das Interesse legitim, dass ein Investmentprodukt Gewinn abwerfe – jedoch gebe es kein Recht darauf, dass man seine Rendite unbegrenzt steigere.
Der Staat müsse eingreifen, weil Wohnraum ein begrenztes Gut sei, zeigte sich Philipp Schrangl, Bereichssprecher für Bauten und Wohnen der FPÖ, überzeugt. Dieser Bereich könne daher nicht so gut durch den Markt reguliert werden wie andere. Die schwarz-blaue Koalition habe relativ schnell reagiert und das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz modernisiert und treffsicherer gemacht. Manche falschen Maßnahmen der Politik verteuerten hingegen das Wohnen, anstatt es leistbarer zu machen.
Das System in Österreich sei ein gutes und dämpfe Kosten, nicht von ungefähr würde man von anderen Ländern darum beneidet, entgegnete der Bereichssprecher für Wohnen und Bauten der ÖVP, Johann Singer. Auf der einen Seite gebe es einen freien Markt und auf der anderen Seite einen geförderten Markt mit Einschränkungen, da habe der Staat schon eingegriffen.
Dass Eigentum schwerer leistbar sei als früher, darüber waren sich die DiskutantInnen einig. Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Wiener Mietervereinigung, identifizierte zwei Schrauben, an denen man drehen müsse: Einerseits werde beim Neubau ein bisschen am Bedarf vorbei gebaut, denn es gebe trotz reger Bautätigkeit sehr viel unleistbaren Neubau. Andererseits beziehe sich das Mietrechtsgesetz auf klassische Altbauten, 60% der privaten Mietwohnungen fielen aber nicht mehr in den Vollanwendungsbereich hinein und hätten keinen Preisschutz mehr. In Österreich seien derzeit fast 600.000 Menschen laut EU-Definition mit Wohnkosten überbelastet, wendeten also mehr als 40% ihres Einkommens dafür auf.
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Transkript
Anmoderation: In dieser Folge von Politik am Ring, der Diskussionssendung des Parlaments, diskutiert Moderator Gerald Groß mit den Abgeordneten Johann Singer von der ÖVP, Ruth Becher von der SPÖ, Philipp Schrangl von der FPÖ, Nina Tomaselli von den GRÜNEN und Johannes Margreiter von NEOS, wie die Politik leistbares Wohnen garantieren kann. Zu Gast sind Gabriele Etzl vom Unternehmensberater Deloitte und Elke Hanel-Torsch von der Mietervereinigung Österreich. Das Gespräch haben wir am 17. Jänner 2022 im Dachfoyer der Wiener Hofburg aufgezeichnet.
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Gerald GROẞ (Moderator): Guten Abend und herzlich willkommen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie bei der ersten Ausgabe von „Politik am Ring“ im neuen Jahr. Der Traum von den eigenen vier Wänden wird für viele Österreicherinnen und Österreicher immer schwieriger erfüllbar. Steigende Nachfrage auf der einen Seite und ein begrenztes Angebot auf der anderen lassen die Immobilienpreise immer weiter steigen. Die hohen Kosten betreffen nicht nur Häuser und Eigentumswohnungen, sondern auch Mietwohnungen. Wer keine Chance auf eine geförderte Wohnung hat, muss oft einen großen Teil seines Einkommens für die Miete aufwenden. Soll die Politik leistbares Wohnen garantieren? Ja, muss sie es vielleicht sogar? Und wenn ja, wie? Darüber wollen wir heute diskutieren, und zwar mit folgenden Abgeordneten: Johannes Margreiter von den NEOS, Ruth Becher von der SPÖ, Nina Tomaselli von den Grünen (TOMASELLI: Guten Abend!), Philipp Schrangl von der FPÖ (SCHRANGL: Guten Abend!) sowie last, but not least Johann Singer von der ÖVP. Herzlich willkommen Ihnen allen! Außerdem freue ich mich auf zwei Expertinnen in dieser Sendung, Gabriele Etzl von Deloitte Legal und Elke Hanel-Torsch von der Mietervereinigung Österreich. Bevor wir mit unserer Diskussion loslegen, möchten wir Sie gerne ins Thema einführen. Wir haben uns im Folgenden einmal angesehen, wie die Österreicherinnen und Österreicher derzeit überhaupt wohnen und welche aktuellen Marktentwicklungen es gibt. Eines gleich vorweg: Schnäppchen gibt es derzeit kaum, und, wenig überraschend, die Nachfrage in und um die Ballungsräume sowie in ländlichen Regionen mit guter Anbindung ist derzeit groß, nicht zuletzt wegen Corona. Was die Situation noch verschärft, ist, dass institutionelle und private Anleger immer öfter in Betongold investieren.
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Es folgt eine Videoeinspielung:
Sprecher: Rund vier Millionen Hauptwohnsitze gibt es in Österreich. Die durchschnittliche Wohnnutzfläche der gesamten Privathaushalte beträgt 100 Quadratmeter. Etwas weniger als die Hälfte besitzt ihre Wohnung oder das Haus, in dem sie wohnt. 43 Prozent der Bewohner und Bewohnerinnen mieten ihre Immobilien, 17 Prozent der Mietwohnungen sind Gemeindewohnungen, 39 Prozent entfallen auf von Genossenschaften beziehungsweise gemeinnützigen Bauträgern vermietete Wohnungen. Die übrigen 44 Prozent sind andere, meist private Hauptmietwohnungen. Der Wunsch nach dem Eigenheim ist derzeit groß. Gabriele Etzl beobachtet im Auftrag des Beratungsunternehmens Deloitte die Entwicklung auf dem Markt.
Mag. Gabriele Etzl (Deloitte Legal): Natürlich ist der Markt in den Ballungszentren am gefragtesten. Wir haben gesehen, dass Eigentumswohnungen in Wien gefragt sind, allerdings auch in Salzburg, Innsbruck und Graz. Sehr gefragt sind auch Einfamilienhäuser, insbesondere im Umland von Ballungszentren und auch in ländlicheren Gebieten, die eine sehr, sehr gute Anbindung haben. Und was eine neuere Entwicklung ist, ist, dass die Immobilienpreise auch am Land steigen. Das war in den letzten Jahren ja nicht der Fall – da sind sie eher gesunken –, und insofern ist das für Menschen, die sich ein Eigenheim neu anschaffen wollen, tatsächlich noch eine gute Alternative, und darum steigen auch hier die Preise ein bisschen.
Sprecher: Grund für den Preisanstieg sind nicht nur die Menschen, die Häuser oder Wohnungen kaufen, um selbst darin zu wohnen.
Mag. Gabriele Etzl: Die Preise am Eigentumsmarkt haben in den letzten Jahren angezogen, weil der Wohnmarkt einerseits für institutionelle Investoren eine interessante Assetklasse geworden ist, allerdings auch für Private – die Zinsen auf Sparbüchern und auf Konten sind sehr gering. Es ist in Österreich sehr viel Geld auch privat im Umlauf und liegt auf Sparbüchern herum, insofern ist der Kauf von Eigentumswohnungen eine sehr interessante Alternative für Investments geworden, einerseits, weil ja die Preise steigen, was man auch beobachtet, und andererseits, weil es natürlich auch Ertrag in der Vermietung bringt.
Sprecher: Auch Michael Pisecky, Branchensprecher der WKO, weiß: Schnäppchen gibt es am Eigentumsmarkt nicht mehr.
Michael Pisecky (WKO Fachverband Immobilien- und Vermögenstreuhänder): Es ist wirklich so, dass dieser Zug ins Umland mittlerweile sehr weite Radien erreicht hat, das heißt, die Bereitschaft zur Distanz ist gewachsen, auch durch Homeoffice – man braucht vielleicht nicht so oft ins Büro fahren, man kann von zu Hause arbeiten. Man kann also heute sagen, dass mit Ausnahme ganz weniger Regionen im gesamten Österreich Einfamilienhäuser sehr, sehr gefragt sind, es gibt kaum mehr Regionen, wo es mehr Angebot als Nachfrage gibt. Das heißt, Einfamilienhäuser sind österreichweit sehr gefragt und haben auch eine sehr starke Preisentwicklung hinter sich.
Sprecher: Weil zur Zeit massiv in Immobilien investiert wird, kommen viele Mietwohnungen auf den Markt.
Michael Pisecky: Allein in Wien beispielsweise ist es so, dass mittlerweile über 60 Prozent der neu gebauten Wohnungen von Investoren gekauft werden und somit als Mietwohnungen auf den Markt kommen, was wirklich dazu führt, dass es ein gerüttelt Maß, ein sehr hohes Angebot an Mietwohnungen in den Städten gibt.
Sprecher: Diese sind aber nicht für alle Wohnungsuchenden leistbar.
Michael Pisecky: Es gibt ausreichend Wohnungen. Jetzt kann man dann noch schauen, ob die Preise und die Region zusammenpassen, aber es gibt einmal genug Wohnungen. Und man muss bei den Wohnungen auch sehen, dass sie natürlich eine Top-Ausstattung und auch sehr gute Lagen haben sowie dementsprechend auch sehr modern und gut beieinander sind, was natürlich auch seinen Preis hat.
Sprecher: Top ausgestattete Wohnungen in bester Lage – für die meisten Menschen ein Traum. Doch für viele, die derzeit auf der Suche nach erschwinglichen Mietwohnungen sind, zum Beispiel aber keinen Anspruch auf Gemeindewohnungen oder andere Förderungen haben, ist es schwierig, überhaupt Wohnungen zu finden, die sie sich auch leisten können.
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GROẞ: Ich begrüße jetzt hier bei uns im „Politik am Ring“-Studio Mag. Gabriele Etzl, die Expertin, die wir bereits vorhin im Beitrag gesehen haben – wenn auch im Beitrag mit Brille. – Frau Etzl, Sie sind Rechtsanwältin, Immobilienexpertin und Partnerin bei Jank Weiler Operenyi, Deloitte Legal. Schön, dass Sie heute für uns Zeit haben. Sie unterrichten außerdem Immobilienrecht an unterschiedlichen Institutionen wie zum Beispiel an der Universität Wien. Frau Etzl, vielleicht jetzt nur eine ganz kurze Frage, bevor wir einmal zu den Abgeordneten gehen: Sie haben eine langjährige Expertise in diesem Bereich – wie angespannt ist denn die Situation im Moment aus Ihrer Sicht tatsächlich?
Mag. Gabriele ETZL: Die Preise sind in den letzten paar Jahren insbesondere in den Ballungszentren stark gestiegen. Das hat mehrere Gründe: Einerseits ist es die derzeitige Zinssituation, die es unattraktiv macht, das Geld am Sparbuch liegen zu lassen, und Immobilien sind halt eine attraktive Anlageform, wenn man das Gefühl hat, dass die Zeiten schlechter werden. Andererseits sind auch Fonds auf den Markt gekommen, sodass es attraktiv ist, Wohnungen zu kaufen. Das hat die Preise natürlich schon nach oben getrieben. Man hat ja bis in die Neunzigerjahre eine eher moderate Preissteigerung gesehen, und seit 2000, seit 2008, seit der Finanzkrise, steigen die Preise halt überdurchschnittlich hoch im Vergleich zu früher. Im ländlichen Bereich war der Preisanstieg eher moderat, und das ist eine neuere Erscheinung, dass auch dort die Preise steigen.
GROẞ: Diese neuere Erscheinung hat sicher auch mit Corona zu tun – dass halt viele jetzt einfach raus aufs Land wollen, in dieser Situation.
ETZL: Genau, vollkommen richtig.
GROẞ: Dann möchte ich einmal eine erste Runde mit den Damen und Herren Abgeordneten hier machen. Dazu möchte ich auf meine Eingangsfrage zurückkommen, die ich am Beginn schon gestellt habe, nämlich: Soll die Politik überhaupt leistbares Wohnen garantieren? Ist das eine Aufgabe der Politik, oder könnte man sagen – und da schaue ich gleich Ihnen ins Auge, Herr Margreiter; jetzt werden Sie sagen, das sei vielleicht ein bisschen klischeebehaftet –: Der Markt regelt doch ohnedies alles, oder?
Dr. Johannes MARGREITER (NEOS): Der Markt regelt sehr viel und dem Markt kann man vieles überlassen. Nur, beim Wohnen stellt sich die Situation grundsätzlich anders dar: Wohnen ist in unserer Gesellschaft ein ganz zentrales Grundbedürfnis. In unserer Gesellschaft kann man arbeitslos sein, insolvent sein, von mir aus auch vorbestraft sein, man ist immer noch Mitglied der Gesellschaft. Wenn man keine Wohnung mehr hat, dann ist man sehr schnell draußen. Diejenigen also, die unter der Brücke wohnen, kommen dann auch sehr schwer wieder zurück. Das heißt also, die Politik, die öffentliche Verwaltung sind da extrem gefordert, dass wir ein Grundwohnangebot zur Verfügung stellen, sodass wirklich jeder eine Wohnversorgung hat, damit unsere Gesellschaft funktioniert. Das kann man nicht nur dem Markt überlassen, da ist es also sicher notwendig, dass die Politik eingreift. Mir schwebt da immer so ein duales System vor, so ähnlich, wie wir es aus dem Gesundheitswesen kennen – auch ein zentrales Bedürfnis –, oder aus dem Bildungswesen: Da gibt es ein öffentliches Angebot, das über Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge finanziert ist, daneben gibt es überall ein privates Angebot, und dann gibt es noch diese Übergangs- und Mischformen. Und im Wohnen muss man auch in erster Linie einmal die Politik fordern, dass speziell für junge Familien, die einkommensschwach sind, oder generell für jene Bevölkerungsschichten, die halt nicht so einkommensstark sind, eine adäquate und solide Wohnversorgung gewährleistet ist. Ich werde da nicht viel Überraschung auslösen, wenn ich aus Sicht der NEOS sage, dass wir natürlich schon sehr zurückhaltend sind, wenn es darum geht, dass man private Eigentümer in die Pflicht nimmt, diese öffentliche Aufgabe zu lösen. Da und dort wird es Übergangsbereiche geben, ganz generell aber würden wir schon sagen – es wird ja den Dienstnehmern und Dienstgebern jeweils der Wohnbauförderungsbeitrag abgeknüpft, da ist sehr viel Geld zur Verfügung –: Dieses Geld muss zweckgewidmet verwendet werden, damit wirklich ein adäquater Wohnungsbestand, ein leistbarer Wohnungsbestand da ist.
GROẞ: Vielen Dank. – Frau Becher, ich nehme an, in dem Fall ist es auch nicht sehr schwierig, vorherzusehen, wohin Sie sozusagen tendieren. Ich nehme an: weniger Markt und mehr Staat, mehr Regulierung?
Mag. Ruth BECHER (SPÖ): Also wenn wir auf den Titel der Sendung zurückgreifen – leistbar sind die Wohnungen natürlich nicht mehr für den Großteil der Menschen, und um leistbares Wohnen zu garantieren, muss der Staat aus meiner Sicht, aus unserer Sicht eingreifen, denn Wohnen ist ein Grundrecht. Wohnen muss jeder, und wie der Kollege schon gesagt hat: Man ist Teil der Gesellschaft. Der Staat muss also eingreifen, und ich glaube, wir sind die einzige Partei, die sich auch öffentlich dazu bekennt, dass der Staat eingreifen muss, um für das Wohnen die Rahmenbedingungen zu schaffen. Das ist für uns das Wohnrecht, das der Staat regulieren muss und wo er klare Bedingungen schaffen muss, damit die Menschen wieder leistbar wohnen können.
GROẞ: Frau Tomaselli, auf Ihrer Website habe ich den Eintrag gefunden: Es ist kein Naturgesetz, dass Wohnen zunehmend nicht mehr leistbar ist, sondern es ist eigentlich die Untätigkeit der Politik. Nur, da müssen Sie sich auch selber bei der Nase nehmen: Jetzt sitzen Sie ja in der Regierung und könnten ja sehr wohl tätig sein.
Mag. Nina TOMASELLI (Grüne): Natürlich ist es ein Appell an mich selber oder genauso an uns alle, denn tatsächlicherweise ist vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten die Rolle der Politik am Wohnungsmarkt zu kurz gekommen. Das liegt tatsächlich an Folgendem – Sie haben es eh eingangs auch gesagt –: Der Wohnungsmarkt ist eben kein Supermarkt und man kann dort nicht irgendeine Schulbuchökonomie anwenden. Das muss man akzeptieren, und wenn man es akzeptiert hat, kann man auch zum nächsten Schritt übergehen, nämlich, dass die Politik einen Interessenausgleich schafft. Was meine ich damit? Die Problematik ist doch jetzt folgende: dass Menschen, die ausschließlich wohnen wollen, am Wohnungsmarkt mit Investoren konkurrieren. Es gibt es auf der einen Seite das legitime Interesse des Grundrechts Wohnen, auf der anderen Seite aber selbstverständlich auch ein Interesse, dass ein Investmentprodukt Gewinn abwirft. Es gibt auf der einen Seite ein Grundrecht auf Wohnen – das ist essenziell –, aber es gibt kein Recht darauf, dass man seine Rendite ewig weit vergrößert. Ja, da sind wir Grünen auch der Meinung, dass der Staat eingreifen, auch auf unorthodoxe Maßnahmen zurückgreifen muss. Politik, gerade, wenn es um so ein Thema wie das Wohnen geht, darf auch einmal weh tun – zumindest Einzelnen –, was die Maßnahmen anbelangt. Und wenn Sie mich fragen – wir sitzen in der Regierung, das stimmt, wir haben da auch schon einige Maßnahmen, gerade, was das leistbare Wohnen anbelangt, auf Schiene bringen können –: Ist es genug? – Nein, ist es selbstverständlich nicht, denn die Preise steigen weiterhin. Ja, das wissen wir, da muss es noch Maßnahmen geben. Ich bin aber sehr optimistisch, dass wir demnächst solche auch noch präsentieren können.
GROẞ: Okay, da werden wir ja dann heute noch auf die Details zurückkommen, nehme ich an oder hoffe ich zumindest. Herr Schrangl, die FPÖ ist ja vor den Grünen in der Regierung gesessen. Offensichtlich ist es Ihnen nicht gelungen, nachhaltig genug Vorsorge zu treffen, dass die Preisspirale nicht immer weiter nach oben geht.
Mag. Philipp SCHRANGL (FPÖ): Nein, da muss ich Sie leider ein bisschen korrigieren, denn ganz im Gegenteil hat nämlich die schwarz-blaue Koalition relativ schnell etwas gemacht, und zwar genau in dem Bereich, wo der Staat auch eingreifen kann: Die schwarz-blaue Koalition hat relativ schnell das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz modernisiert und treffsicherer gemacht, um eben sozial schwächeren Menschen Möglichkeit auf Wohnraum zu geben. Es ist aber vollkommen richtig: Der Wohnmarkt ist seit 2008, seit der Krise, in einer Schieflage und – unsere Expertin hat das ja auch vorhin gesagt – die Leute haben immer mehr in Betongold investiert. Da muss man schon schauen und muss auch der Staat irgendwo eingreifen, weil Wohnen eben nicht allein durch den Markt reguliert werden kann, weil Wohnen ein begrenztes Gut ist. Wohnen und Wohnraum gibt es eben nicht unendlich, man kann kein unendliches Angebot darbringen, und daher kann sich auch der Markt nicht so gut regulieren, wie er das vielleicht woanders kann. Die Politik muss also eingreifen und die Politik greift auch sehr oft ein, nur leider manchmal sehr falsch, und dadurch verteuert sie das Wohnen. Gerade in Wien zum Beispiel – weil Sie die SPÖ gefragt haben, was möglich wäre – glaube ich, dass die SPÖ ein großer Wohnkostentreiber ist, zum Beispiel über die Gemeindewohnungen, wo die Betriebskosten immer mehr steigen, wo ein Sanierungsstau im Gemeindebau offenkundig ist. Alle Zeitungen berichten davon, dass im Gemeindebau ein Sanierungsstau von 5 Milliarden Euro da ist – das betrifft zwei von drei Wohnungen –, und da finde ich es sehr schade, dass eine Partei, die sozial im Namen hat, die Ärmsten der Armen, die eben im Gemeindebau leben, dann in so unsanierten Wohnungen lässt. Weil Sie gesagt haben, die FPÖ muss etwas tun: Ja, leider hat in Wien vor allem die SPÖ es auch verabsäumt, Investoren aus dem gemeinnützigen Wohnbau rauszuhalten. Und da hat die schwarz-blaue Koalition, hat der Bund es im Jahr 2019 mit der Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetznovelle übernehmen müssen, die Wiener Aufsicht quasi unter Kuratel zu stellen und zu schauen, dass eben Investoren nicht in diesen gemeinnützigen Sektor eindringen. Das heißt, Schwarz-Blau hat es sehr schnell geschafft. Wir hätten auch noch viel mehr geschafft, wir haben ein sehr gutes Regierungsprogramm gehabt, hätten auch im Mietrecht noch einiges weitergebracht, wo ich dann noch später dazukommen werde. Da muss man sagen: Die Grünen waren bisher ein bisschen schwach, ich hoffe, dass da noch einiges kommt, ich bin auch gespannt. Ich freue mich auch, wenn wir jetzt darüber diskutieren können – Schwarz-Blau war schnell.
GROẞ: Okay, vielen Dank. Frau Becher hat sich schon gemeldet, weil sie natürlich reagieren will, lassen wir aber Herrn Singer zuerst einmal sein grundsätzliches Statement zu diesem Thema machen! Man hat den Eindruck, Herr Singer, so wichtig ist Ihnen das Thema in der Tat nicht mehr, wie es vielleicht schon einmal war. Hat das nur mit Corona zu tun, oder ist leistbares Wohnen nicht ganz oben auf Ihrer Prioritätenliste?
Johann SINGER (ÖVP): Herr Groß, ich darf generell dazu sagen, dass wir diese Entwicklung, die heute schon angesprochen wurde, in Richtung zusätzlicher Kosten sowohl für die Eigentümer als auch für die Mieter – Frau Etzl hat das sehr, sehr gut ausgeführt – natürlich sehen. Auf der anderen Seite darf ich schon darauf hinweisen, dass wir mit den Blauen und jetzt mit den Grünen entsprechende Regierungsabkommen hatten beziehungsweise haben, die sehr viele Punkte vorsehen. Ich darf auch sagen und Kollegen Schrangl Recht geben, dass wir zum Beispiel im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz zur Sicherung der Leistbarkeit des Wohnens doch einiges vorangebracht haben und dass wir jetzt mit den Grünen mit dem Wohnungseigentumsgesetz einige Schritte weiter vorangekommen sind. Herr Groß, ich darf aber zur Systematik des österreichischen Wohnungsmarktes vielleicht noch einmal grundsätzlich sagen: Wir haben auf der einen Seite den privaten, den gewerblichen Wohnungssektor und auf der anderen Seite den geförderten, mit den gemeinnützigen auf der einen Seite natürlich genauso wie mit den Gemeindewohnungen, insbesondere in Wien, die auf der anderen Seite einen sehr geförderten, sozial geförderten Aspekt darstellen. Das hilft uns in Österreich sehr, die Kosten einfach auch abflachend sehen zu können, und ich glaube, wir sind uns in dieser Runde einig, dass wir froh und in gewisser Weise auch stolz sein dürfen, weil viele andere Länder uns um dieses System beneiden. Ja, ich weiß, wir haben viele Kostensteigerungen zu bewältigen, in Summe aber ist dieses österreichische System kostendämpfend, und bin ich sehr froh darüber, dass wir über viele Jahre diese Systeme weiterentwickelt haben: auf der einen Seite diesen freien Markt und auf der anderen Seite den geförderten Markt, in dem es Einschränkungen gibt, in den der Staat schon eingegriffen hat. In Summe denke ich, wie gesagt, auch im Vergleich: Ich darf hier vielleicht eine Studie der Arbeiterkammer heranziehen, in der Vergleiche zwischen Berlin, Paris, London und Wien gemacht wurden, in der auch ganz klar festgehalten wurde, ja, die Systematik Österreichs im Wohnbau hilft, für leistbareres Wohnen zu sorgen.
GROẞ: Okay – vielen Dank für diese erste Runde. Ich habe gesehen, es gibt – oder gäbe – schon die eine oder andere Reaktion. Ich will ja ungern eine beginnende Diskussion gleich im Keim ersticken, aber vielleicht können Sie es sich für die nächste Runde merken, ich möchte jetzt nämlich sehr gerne Frau Etzl in unsere Diskussion hereinholen. Sie soll uns ja gewissermaßen auch noch ein bisschen Stoff und Material für diese Diskussion liefern. Frau Etzl, wenn wir immer sagen, Wohnraum ist knapp – und wir haben das jetzt auch schon mehrmals getan –, gleichzeitig aber wissen, dass in den vergangenen Jahren so viele Baugenehmigungen wie noch nie ausgestellt worden sind, wie passt denn das zusammen? Wie können Sie diesen Widerspruch erklären, diesen tatsächlichen oder vermeintlichen Widerspruch?
ETZL: Also es ist richtig, wie Sie sagen: Es gab in den letzten Jahren so viele Baugenehmigungen wie noch nie – das waren 2020 in Wien über 77 000, 2019 waren es 83 000, das sind lauter Stadterweiterungsgebiete, wo sehr, sehr viel investiert wird, auch sehr, sehr viel neu gebaut wird und sehr viele Wohnungen auf den Markt kommen. Die haben einen sehr, sehr hohen Standard, den auch die Wiener Bauordnung vorschreibt. Es sind sehr, sehr gut ausgestattete Wohnungen, die gerade in Bau sind. Da gibt es genug Angebot, und ich sehe da jetzt keine Wohnungsknappheit. Zusätzlich haben wir in Wien seit 2018 eine neue Widmungskategorie geförderter Wohnbau, die vorsieht, dass auf zwei Dritteln der Umwidmungsgebiete mit einer Nutzfläche von über 5 000 Quadratmetern gefördert errichtet werden muss. Das bedeutet, dass der Kaufpreis oder der Grundkostenanteil nur 188 Euro für den Ankauf betragen darf, und die Miete ist beschränkt, weil um eine Wohnbauförderung angesucht werden muss. Das muss man auch bereits bei der Baubewilligung nachweisen. Damit ist die Miete wieder beschränkt, derzeit auf ein bisschen über 5 Euro. Es gibt auch eine Veräußerungsbeschränkung: Derjenige, der diese geförderten Wohnungen errichtet, darf 40 Jahre lang die Wohnungen, also das Gebäude, nicht verkaufen. Das ist ein sehr, sehr starkes Instrument einer Regulierung und auch einer Preissenkung. Andererseits sind in Wien über 60 Prozent der Mietwohnungen tatsächlich nicht auf dem freien Markt, sondern gefördert – Gemeindewohnungen, Genossenschaftswohnungen. Also zu sagen, wir haben Wohnungsknappheit, ist, glaube ich, so nicht ganz richtig.
GROẞ: Vielleicht ein wichtiger Punkt oder ein Hinweis: Wir wollen heute hier ja nicht ausschließlich über Wien diskutieren, obwohl natürlich das Thema in einer Zwei-Millionen-Stadt besonders virulent ist und wir von hier senden. Aber natürlich: Erstens kommen die Abgeordneten aus unterschiedlichsten Bundesländern und kennen die Situation dort zum Teil auch sehr genau, und vor allem stellt sich das Problem ja auch, wie wir schon gehört haben, in allen Ballungsräumen. Es ist in Salzburg genauso drängend wie zum Beispiel in Innsbruck, oder was immer uns jetzt einfällt. Daher versuchen wir immer auch, die Bundesländer mitzureflektieren. Was ist denn Ihrer Meinung nach noch einmal der Grund oder was sind die Gründe für die hohen Mieten und das zumindest in bestimmten Segmenten geringe Angebot?
ETZL: Das hat mehrere Gründe: Einerseits sehen wir ja tatsächlich steigende Baukosten, überproportional hohe Baukosten, und das ja nicht erst seit einem oder zwei Jahren, sondern die gab es schon davor, nur war das halt unter dem Medienradar. Andererseits gibt es hohe Kosten beim Grundstücksankauf, höhere Kosten, und das spiegelt sich ja andererseits auch in der Miete wider. Wir sprechen da hauptsächlich von Neubauwohnungen, also die höheren Preise betreffen ja Neubauwohnungen mit sehr, sehr hoher Ausstattung – Herr Pisecky hat das vorhin ja auch angesprochen. Daneben gibt es natürlich auch noch andere Wohnungen, die bei Wohnungsmietern durchaus nicht so beliebt sind. Ich kenne selbst Vermieter, die ihre Wohnungen nicht vermieten können, weil diese eben nicht so attraktiv sind und die Mieter andere Wohnungen haben wollen.
GROẞ: Was ist der Grund dafür? Warum finden sie die nicht so attraktiv?
ETZL: Weil sie nicht so gut ausgestattet sind – das sind ältere Wohnungen, und man will einen bestimmten Wohnstandard haben. Das ist jetzt tatsächlich eine Sache von Angebot und Nachfrage, es treffen eben oft Angebot und Nachfrage nicht zusammen. Es gibt durchaus auch billigere Wohnungen, schlechter ausgestattete Wohnungen, die kein Neubau und nicht so gut ausgestattet sind, die sind natürlich billiger, nur sind sie eben weniger attraktiv. Das Zweite ist: Es gibt im Altbau durchaus auch die Richtwertmieten, und möglicherweise ist auch das ein Grund dafür, dass die Vermietung von Wohnungen, die dem Richtwert unterliegen – das ist ein Mietzins von in Wien derzeit 5,81 Euro pro Quadratmeter –, nicht so attraktiv ist. Wenn man befristet vermietet, kommt noch einmal ein Befristungsabschlag von 25 Prozent dazu. Das mag unter Umständen auch ein Grund sein.
GROẞ: Da haben Sie jetzt auch schon gewissermaßen ein Reizthema angesprochen – oder vielleicht sogar mehrere –, daher würde ich gerne an diesem Punkt einmal einen Schnitt machen und vielleicht einmal in die Runde der Abgeordneten schauen, ob es jetzt schon etwas zu sagen gibt und wo etwas unter den Nägeln brennt. – Ja, offensichtlich, ich beginne jetzt einmal bei Ihnen, Frau Becher, weil Sie sich schon als Allererste gemeldet haben.
BECHER: Ich muss, glaube ich, zuerst einmal auf meinen Kollegen reflektieren und bin hier - -
GROẞ: Auf Herrn Schrangl, er hat die Gemeindewohnungen angesprochen – ich wiederhole es nur ganz kurz noch einmal, damit es auch wieder in unserem Bewusstsein ist: Preistreiber, hat er gesagt, sind die Gemeindewohnungen, und es gibt in den Gemeindewohnungen einen Sanierungsstau.
BECHER: Ich bin sehr verwundert, dass in der Runde der Wohnbausprecher hier jetzt eine Ländersache angesprochen wird, aber natürlich ist es auch ein wichtiger Bereich. Ich möchte dazu nur kurz sagen: Die Gemeindewohnungen unterliegen natürlich auch dem Mietrechtsgesetz, sie sind also nicht günstiger als andere Wohnungen, sondern unterliegen der gleichen Gesetzgebung. Zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, WGG, das hier angesprochen wurde, durch das es eine angebliche Verbilligung gab: Also da muss ich ganz vehement widersprechen, denn in diesem Gesetz sind die wirklich günstigen Auslaufannuitäten abgeschafft worden. Es hat ja dazu in der letzten Periode, als das beschlossen wurde, viele Diskussionen gegeben.
GROẞ: Vielleicht eine Bitte noch oder auch ein Appell, weil Sie natürlich alle die Topexperten zu diesen Themen sind - -
BECHER: Ich erkläre es gleich, ja.
GROẞ: Wenn Sie mit solchen Fachbegriffen wie zum Beispiel Auslaufannuitäten operieren, dann sehen Sie bei mir schon ein großes Fragezeichen, und ich nehme an, bei vielen unserer Zuschauerinnen und Zuschauer auch.
BECHER: Das ist nämlich der Unterschied: Man zahlt als Genossenschaftsmieter sehr lange die Darlehen zurück. Wenn das letzte Darlehen zurückgezahlt ist, kann die Genossenschaft diesen Betrag dann noch fünf Jahre einbehalten, und dann muss die Miete auf die tatsächlichen Mietkosten fallen. Das sind die günstigsten Wohnungen in ganz Österreich überhaupt. Unter der sozialdemokratischen Regierung sind bei der vorletzten Reform diese Auslaufannuitäten, also diese Möglichkeit der Einbehaltung der hohen Miete, abgeschafft und unter Schwarz-Blau wieder eingeführt worden. Das heißt, dass die Genossenschaften dann viele, viele vordergründige Problemstellungen anstellen, damit sie das weiter einführen und weiter einheben können. Wir werden dann aber wahrscheinlich später darüber sprechen. Jetzt möchte ich vielleicht noch über die Gründe sprechen, warum aus meiner Sicht die Mieten so hoch sind und auch der Eigentumsbereich so teuer ist: weil natürlich die Renditen da sind. Für Anleger und Eigentümer sind die Renditen, die bei Mieten zu erzielen sind, natürlich sehr verlockend, und das hat in den letzten Jahren zu einer enormen Spekulation geführt. Das weist die Nationalbank nach. Die Auslandsinvestitionen von Immokonzernen sind enorm gestiegen – das kann man auf der Homepage der Oesterreichischen Nationalbank nachlesen –, und die Mieten natürlich auch, weil es ja sehr interessant ist. Es werden zum Teil Wohnungen gebaut, gar nicht, um darin zu wohnen, sondern für Anleger; darin zu wohnen ist gar nicht mehr so wichtig. Die, die es sich leisten können, sind ein ganz, ganz kleiner Bereich bei den Menschen. Die meisten Menschen, die Wohnungen suchen, können sich die angebotenen Mietwohnungen ganz einfach nicht mehr leisten. Also die Neuverträge sind das wirkliche Problem und machen die hohen Mieten aus.
GROẞ: Vielen Dank. – Herr Margreiter, und es haben sich inzwischen alle zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.
MARGREITER: Ich denke, wir sollten die Diskussion ein bissel herunterbrechen. Es ist ja wirklich zu dieser Themenwahl zu gratulieren: leistbares Wohnen, anschließend an die letzte Politik-am-Ring-Sendung, in der es um den Luxus Heizen ging, das passt ja trefflich zusammen. Ich kann aus meiner Berufspraxis berichten: Es brennt den Menschen unter den Nägeln. Die Menschen haben jetzt am Jahresbeginn die Vorschreibungen für die Betriebskostenakonti bekommen, zu Zigtausenden, in denen Steigerungen drinnen sind, wie es sie noch nie gegeben hat. Das bringt Haushaltsbudgets durcheinander, da bahnt sich ein riesiges Problem an. Wenn wir jetzt über leistbares Wohnen reden, dann müssen wir schon auch einmal anschauen, dass die Frage der Leistbarkeit immer zwei Komponenten hat, nämlich einerseits, was das, was man gern hat, jetzt kostet, und andererseits, welche Mittel man dafür zur Verfügung hat. Da sollten wir – diese schlagwortartige Diskussion wie das leistbare Wohnen werden viele wahrscheinlich schon gar nicht mehr hören können – schon auch einmal schauen, wie sich denn die Löhne im Vergleich zu den Wohnkosten entwickelt haben, wie sich die Löhne im Vergleich zur allgemeinen Preisentwicklung entwickelt haben. Da sollte doch die Politik einmal hinschauen und sagen: Was können wir denn da tun, um die Haushaltseinkommen zu stärken? – Da komme ich mit einer alten NEOS-Forderung daher: Schauen wir uns die Lohnnebenkosten an! Mir ist schon klar: Weder die Sozialversicherung noch der Finanzminister können groß auf Einnahmen verzichten. Vielleicht müssen wir sie gar nicht absolut senken, sondern nur relativ im Sinne eines Moratoriums, dass man sagt: Frieren wir die Lohnnebenkosten mit 31.12.2021 ein und machen wir ein Moratorium für drei Jahre, fünf Jahre, in denen alle Lohnsteigerungen eins zu eins den Lohnempfängern zugutekommen, damit diese wieder mehr Kaufkraft haben, damit sie wieder ein bisschen Luft zum Atmen haben, wenn sie die Wohnkosten zahlen müssen! Dann müssen eben die Sozialversicherungen und von mir aus auch der Finanzminister in ihren Bereichen ein bissel sparen und können keine Budgetzuwächse haben, aber ich sage: Die öffentlichen Haushalte tun sich leichter damit, zu sparen, als die privaten Haushalte. Ich wäre sofort in der Lage, einen Initiativantrag dazu zu schreiben, welche Gesetze man ändern muss, damit man das technisch-legistisch umsetzt. Ich denke doch, dass damit den Haushalten in dieser sich anbahnenden wirklich kritischen Situation wegen der exorbitant steigenden Energiepreise sehr, sehr geholfen wäre. Da kriegen wir ein veritables Problem, das muss unbestritten sein.
GROẞ: Okay. – Herr Schrangl, bitte.
SCHRANGL: Kollegin Becher hat die Auslaufannuitäten angesprochen und gesagt, dass die FPÖ diese wieder eingeführt hat. Aus gutem Grund: Wie die Expertin uns gerade gesagt hat, wollen die Leute eben nicht in abgewohnten Wohnungen wohnen und suchen diese auch nicht. Wenn man von Auslaufannuitäten spricht, muss man ja einmal sagen, worum es dabei geht: Da geht es um Gebäude am Ende ihrer Lebensdauer, das heißt, Gebäude aus den Sechzigerjahren, die schlecht oder gar nicht thermisch saniert sind, bei denen es einen Sanierungsstau gibt. Da hat eben die FPÖ ermöglicht – unter anderem hat uns auch der rote, also sozialdemokratisch dominierte Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen dafür gelobt, dass wir das tun, weil wir damit mehrere Dinge ermöglichen –, dass es keine Erhöhung bei den Wohnkosten gibt, sondern die Miete bleibt gleich, und die Miete bleibt gleich, damit man thermisch sanieren kann, damit man eben unter anderem das Luxusgut Heizen vielleicht ein bisschen nach hinten verschieben kann, weil es vielleicht neue Fenster gibt, weil die Wohnungen oder die Häuser vielleicht thermisch saniert werden, was wiederum auch der Umwelt zugutekommt, weil man vielleicht auch von einem Gas- oder Ölbrennwertgerät auf eine Wärmepumpe umsteigt. Ich möchte da aber die ÖVP nicht ganz rauslassen, denn wir sprechen immer vom gemeinnützigen Wohnraum und haben noch nicht von den Privaten gesprochen. Leider hat das ÖVP-Finanzministerium 2010 nämlich die Abschreibung auf Sanierungen für Private abgeschafft – das war damals eine rot-schwarze Regierung –, und daher haben Private leider keinen Anreiz mehr. Daher müsste man so etwas wieder einführen, damit Private einen Anreiz bekommen und auch die Altbauten sanieren, damit auch dort wieder eine Nachfrage herrscht. Weil Sie immer sagen, wir sollen die Bundesländer mit hineinbringen: Dort, wo die FPÖ Verantwortung hat, nämlich in Oberösterreich mit dem Wohnbauressort, haben wir die höchste Sanierungsquote. Das heißt, dort wird am meisten saniert, am meisten thermisch aufgewertet, und das heißt, dort haben wir dann auch die niedrigsten Betriebskosten beim Heizen und so weiter.
GROẞ: Okay, vielen Dank. – Dann lassen wir die beiden Sprecher der Regierungsparteien jetzt noch zu Wort kommen! – Frau Tomaselli.
TOMASELLI: Jetzt ist ja sehr viel gefallen, und ich versuche, das jetzt irgendwie nochmals auf das Wesentliche herunterzubrechen – oder auf das, von dem wir denken, dass es das Wesentliche ist. Worauf wir uns politisch schon einigen sollten, ist doch Folgendes: Wohnen ist ein Grundrecht, Spekulation aber nicht. Was meine ich damit? – Alles, was Frau Etzl vorhin aufgezählt hat, sind doch nur die Symptome dafür oder die Ergebnisse dessen, dass ein angeblicher Markt völlig außer Rand und Band geraten ist. Da geht es gar nicht so sehr um den Mietpreis im Neubau – es ist klar, dass dort die Miete höher ist, weil die Baukosten ja auch höher sind, aber Sie sehen gerade in den Ballungszentren, wo eine große Nachfrage an leistbarem Wohnraum besteht, dass zum Beispiel Gebäude, die eben älter und in schlechtem Zustand sind, trotzdem einen hohen Preis haben. Das ist, finde ich, der Beweis überhaupt für die Spekulation. Weil Sie zum Beispiel das Wiener Umland ansprechen – das betrifft aber gar nicht nur Wien, das kann ich im Übrigen jedem empfehlen: Schauen Sie bei der Statistik Austria nach, wie viele Baufertigstellungsmeldungen es in Ihrer Gemeinde gibt! Da kommt eine bestimmte Zahl raus, und dann wissen Sie: Die durchschnittliche Haushaltsgröße beträgt in Österreich 2,2 Personen, da müssen Sie nur das mal 2,2 nehmen, und dann müssten Sie feststellen, dass Ihre Gemeinde eigentlich um diese Zahl wächst. Das tut sie aber gar nicht. Wieso tut sie es nicht? – Weil tatsächlich diese Investorenwohnungen gebaut worden sind und leer stehen. Sie stehen leer, das ist Bauspekulation in Reinkultur, und das ist tatsächlich das Ergebnis davon, dass Wohnen schlichtweg zur Ware geworden ist, dass Wohnraum nach dem Renditeprinzip gebaut wird, und da muss sich die Politik entscheiden: Wollen wir das, ja oder nein? Falls ja: In welcher Form und bis wohin wollen wir es zulassen? Falls nicht, muss man natürlich Maßnahmen ergreifen. Dann, Kollege Margreiter: Ja, eh, die Betriebskosten sind hoch, die Energiepreise sind gestiegen, aber das trifft bitte nicht den Kern des Problems.
GROẞ: Dieses Thema Spekulation, Wohnungen, die leer stehen, weil sie letztlich als Anlageobjekte dienen, Stichwort Leerstandsabgabe, die immer wieder sehr kontroversiell und natürlich sehr emotional diskutiert wird – ich werde Frau Etzl dann auch noch dazu befragen –: Warum soll man dem nicht nähertreten? Nur weil der Verfassungsgerichtshof irgendwann in den Achtzigerjahren einmal gesagt hat, das ist nicht verfassungskonform?
SINGER: Wir haben das Thema Leerstand in das Regierungsprogramm mit den Grünen aufgenommen, das heißt, wir werden versuchen, in dieser Legislaturperiode Antworten zu finden. Herr Groß, Sie haben es schon angesprochen, die Expertinnen und Experten diskutieren dieses Thema sehr unterschiedlich. Wir kennen zum Beispiel die Aussagen von Werner Doralt, dem Steuerrechtsexperten, von Robert Musil, wir kennen Wolfgang Amann – das sind also Experten, die dieses Thema sehr, sehr kritisch sehen, weil es natürlich verschiedene Aspekte gibt, die zum einen einmal sagen, was denn überhaupt eine Leerstandswohnung ist, was das bedeutet. Das ist, wenn man sich das im Detail anschaut, zum einen gar nicht so einfach. Zum anderen stellt sich die Frage, ob eine Abgabe wirklich ein Instrument ist, um dem Leerstand entsprechend entgegenzutreten. Zusammenfassend: Ja, der Leerstand kann ein Thema sein, das ist regional unterschiedlich, nicht überall gleich. Wie gesagt: Wir haben im Regierungsprogramm festgelegt, auch entsprechende Antworten zu finden. Herr Groß, ich darf vielleicht kurz noch ein anderes Thema anschneiden, weil Sie gesagt haben, dass wir auch die Aspekte der Bundesländer mitberücksichtigen sollen und es nicht alleine sozusagen um diese Wiener Problematik geht. Warum sage ich das? – Weil gerade in Salzburg, Tirol, Vorarlberg die Frage von Nachfrage und Angebot eine sehr wesentliche ist, und zwar weil die entsprechenden Wohnungen und Grundstücke, die notwendig wären, nicht mehr zur Verfügung stehen. Es ist, glaube ich, in dieser Runde klar, dass wir auch dieses Thema ansprechen müssen. Meines Erachtens gibt es da zum Beispiel auch – und wir haben das im Regierungsprogramm auch vereinbart – die Baurechtsfrage mitzudiskutieren. Wir haben die Vertragsraumordnung drinnen, die heute auch schon kurz angesprochen wurde, wir haben zum Beispiel auch Fragen der Nachverdichtung drinnen, um das Angebot entsprechend zu erhöhen, das dann auch der Nachfrage entspricht, und für mich ist auch ein wesentlicher Teil, dass wir in unserer Diskussion auch die westlichen Bundesländer mitberücksichtigen, um hier auch den Menschen dort vor Ort eine entsprechende Antwort geben zu können.
GROẞ: Übrigens dazu - -
TOMASELLI: Herr Groß, ich möchte nur ganz kurz etwas zur Leerstandsabgabe ergänzen. In den westlichen Bundesländern Vorarlberg, Tirol und Salzburg mit jeweils einer schwarz-grünen Landesregierung gibt es bereits eine Einigung darauf, dass eine Leerstandsabgabe eingeführt wird.
MARGREITER: Na, also in Tirol sicher nicht, nein.
GROẞ: Aber zumindest in Salzburg, glaube ich, ist das schon sehr weit - -
TOMASELLI: In Tirol gibt es einen Landesregierungsbeschluss dazu (MARGREITER: Na!), in Vorarlberg eine Entschließung des Vorarlberger Landtages.
GROẞ: Okay. Herr Margreiter ist da nicht so sicher, aber lassen wir das vielleicht einmal so stehen. Übrigens passt zu dem, was Sie, Herr Singer, gesagt haben, eine Meldung, die ich heute den „Salzburger Nachrichten“ entnommen habe, ganz gut, nämlich dass die Gewinnerin der Impflotterie in Salzburg – eine junge Frau, die ein Haus gewonnen hat – sich über dieses Haus sehr freut, aber sie findet kein passendes beziehungsweise vor allem auch leistbares Grundstück für dieses Haus. Frau Etzl, betreffend Leerstandsabgabe – ich möchte noch einmal darauf zurückkommen, weil das natürlich auch ein rechtliches Thema ist. Ich habe das schon angedeutet: In den Achtzigerjahren, in denen es das ja in Wien gegeben hat, ist sie dann aus rechtlichen Überlegungen vom Verfassungsgerichtshof gekippt worden. Ist es denkbar, so etwas sinnvoll auf Bundesebene einzuführen, und auf der anderen Seite: Wie stehen Sie dazu?
ETZL: Also jetzt einmal, weil hier immer herumgeistert, Anlegerwohnungen würden immer leer stehen und gekauft werden, um leer zu stehen, um als Spekulationsobjekt zu dienen: Das ist nicht meine Wahrnehmung, denn wir arbeiten sehr viel mit Mandanten, auch mit Immobiliendevelopern zusammen, mit Immobilienentwicklern, also Immobilienfachleuten, die Häuser kaufen, um sie zu vermieten. Die müssen ja auch Mieterträge erwirtschaften, sonst funktioniert diese Kreislaufwirtschaft nicht. Dass jetzt die Investoren alles zusammenkaufen, um es leer stehen zu lassen, das stimmt einfach nicht – also ich kenne kein einziges Objekt, bei dem es so ist. Das mag vielleicht vereinzelt so sein, aber das ist jetzt, glaube ich, nicht das Hauptproblem, warum Wohnungen teuer sind oder warum es einen Leerstand gibt. Zur Leerstandsabgabe generell; es ist so: Wenn das jetzt über die Länderebenen hinaus auf Bundesebene gehoben wird, dann braucht es ja einen sachlichen Grund, um eine Leerstandsabgabe einzuführen – also das ist ja dann ein Eingriff in das Volkswohnungswesen, der sehr, sehr bedeutend ist und regulatorische Zwecke haben muss.
GROẞ: Wie hoch müsste die denn sein, um überhaupt auch lenkend zu wirken?
ETZL: Ja, dazu müsste man die Judikatur im Detail anschauen, aber was schon der Fall ist: Sobald es Bundessache wird, muss es einen Lenkungseffekt haben, und ob das der Fall ist oder ob das dazu geeignet ist, weiß ich nicht. Und es gibt ja auch verschiedenste Gründe, warum es einen Leerstand gibt: einerseits weil halt Wohnungen unattraktiv sind, andererseits ist vielleicht auch die Angst vor der Befristung der Wohnungen ein Thema, denn wenn ich eine Wohnung vermiete, dann ist die Mindestbefristung nach MRG – das ja anwendbar ist, sobald es über ein Einfamilien- oder Zwei-Objekt-Gebäude hinausgeht – so: Ich muss dann eine Wohnung zumindest für drei Jahre vermieten. Wenn ich sie kürzer vermieten will, geht das nicht – beziehungsweise habe ich als Vermieter dann das Problem, dass ich einen unbefristeten Vertrag habe und den Mieter nur mehr loswerde, wenn er die Miete nicht zahlt oder wenn er sich grob ungehörig aufführt, also wenn er einen Verstoß gegen das MRG setzt. Das ist eine sehr, sehr starke Keule auch für Vermieter, weil ich eigentlich nicht vermieten kann, sobald ich nicht über drei Jahre kalkulieren will. Es mag verschiedene Gründe haben, warum es einen Leerstand gibt: weil ich ein Haus renovieren will, es abverkaufen will, weil ich halt für eine Wohnung vorsorgen will für meine Kinder, die irgendwann einmal studieren, oder weil sie einfach unattraktiv ist und weil diese Wohnungen keiner haben will. Dann wäre ich gezwungen, zu reinvestieren, damit ich die Wohnungen wieder attraktiv mache. Das muss man sich ja alles durchüberlegen! Es ist ja nicht nur so, dass es einen Leerstand gibt, weil die Vermieter das leer stehen haben wollen. Das ist einfach nicht - - Das mag vielleicht manchmal zutreffen, aber das ist nicht der Hauptgrund für den Leerstand.
GROẞ: Okay. Vielen Dank an dieser Stelle. Wir kommen gleich noch einmal zu Ihnen zurück, möchten Ihnen aber jetzt an dieser Stelle noch einen Beitrag zu einem Spezialthema zeigen, nämlich zum Thema Eigentum. Glücklich, wer kaufen kann!, könnte man sagen oder sollte man meinen. Entsprechende Mittel, finanzielle Mittel in Form von Erspartem, Ererbtem oder Geborgtem – die Kredite sind ja günstig –, sind mit Sicherheit ein Riesenvorteil, aber noch immer keine Garantie, dass man seinen Wohntraum auch wirklich verwirklichen kann. Private – auch das haben wir bereits gehört – stehen da nämlich in einem gnadenlosen Wettbewerb mit institutionellen Investoren, wie wir gleich sehen werden.
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Es folgt eine Videoeinspielung:
Sprecher: Ivana Vilar lebt mit ihrer Familie in einer Mietwohnung im 22. Bezirk in Wien. Der große Traum der Familie ist, ein Eigenheim zu besitzen. Obwohl sie 600 000 Euro zur Verfügung hätten, haben die Angestellte und ihr Mann nach drei Jahren auf der Suche beinahe resigniert.
Ivana Vilar (Angestellte): Weil der Frust schon relativ groß ist, muss ich ehrlich gestehen, also weil wir merken, dass wir nicht die Einzigen sind, und weil wir einfach merken, dass es relativ schwierig ist, auch an etwas Vernünftiges zu kommen und etwas Vernünftiges kaufen zu können, ja? Baugründe werden ja gar nicht aufgeschlossen, die Preise schießen in die Höhe, also vor allem jetzt in den letzten Jahren, wir kommen da gar nicht nach. Wir würden es uns – ja, natürlich! – weiterhin wünschen, aber wir können aufgrund der Lage nicht mehr so optimistisch sein, und ich oder wir wollen ja auch die Kinder nicht enttäuschen.
Sprecher: Trotzdem bestimmt die Suche einen großen Teil ihres Lebens. Täglich scannt Ivana Vilar die Immobilienplattformen. Dass die Familie bei der Suche in Konkurrenz zu Bauträgern steht, frustriert die zweifache Mutter.
Ivana Vilar: Ja, also ich glaube, ich spreche für viele Familien, die sich in einer ähnlichen oder gleichen Situation befinden, und ich glaube auch, dass viele Familien beobachtet haben, dass an und für sich zurzeit die Bauträger und auch die Investoren und die Anleger hier wirklich zum Zug kommen, ja, und die Familien da leider den Kürzeren ziehen, wenn man das so sagen darf. Ein irrsinnig großer Wunsch ist es, da einfach nicht weiter zuzuschauen, nicht wegzuschauen, sondern sich dieser Problematik auch anzunehmen, die Familien zu sehen, die sich in dieser Situation befinden – also nicht nur wir, sondern auch andere Familien –, und eventuell auch die Verkäufe zu regeln – also ich weiß jetzt nicht, inwieweit es möglich ist, da politisch tätig zu werden.
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GROẞ: Dann geben wir diese Frage gleich weiter an Sie, Frau Etzl: Ist es möglich, da politisch tätig zu werden, ist es aber aus Ihrer Sicht auch sinnvoll?
ETZL: Nein, also das wäre meines Erachtens ein viel zu massiver Eingriff ins Eigentum. Das, was man sich überlegen muss, ist: Wie schaffe ich es, günstiges Wohnen, also günstigen Wohnraum, zur Verfügung zu stellen, damit diejenigen, die nicht so einkommensstark sind, auch Wohnungen haben. Da sehe ich eher die Gemeinden und die Genossenschaften in der Pflicht, um das auch bieten zu können, aber dass man jetzt Preise auf Liegenschaften reglementiert, das halte ich für nicht sachgerecht. Das wäre meines Erachtens ein viel zu massiver Eingriff ins Eigentum. Weil angesprochen wurde, dass die Bauträger die großen Konkurrenten derjenigen seien, die Einfamilienhäuser bauen wollen. – Das sehe ich nicht so, weil Bauträger ja meistens Wohnungen, Häuser mit mehreren Wohnungen bauen, also die sind nicht die Konkurrenten der Einfamilienhäuser, und es ist halt so, dass bestimmte Umwidmungsgebiete für Mehrobjektgebäude geschaffen werden und nicht für Einfamilienhäuser. Da müsste man sich halt woandershin orientieren, wo es dann tatsächlich Umwidmungen für Einfamilienhäuser gibt oder halt ein bissel weiter aus Wien hinaus, wo das dann tatsächlich auch möglich ist.
GROẞ: Okay. Dann sage ich einmal vielen Dank, Frau Etzl, für Ihre Expertise, die Sie uns zur Verfügung gestellt haben. Schauen wir noch einmal in die Reihen der Abgeordneten oder auf die Bänke der Abgeordneten, wo es da noch Wortmeldungen beziehungsweise Ergänzungen oder Widerspruch gibt. – Bitte sehr! Beginnen wir jetzt vielleicht einmal bei Herrn Singer, der heute sonst immer als Letzter drankommt.
SINGER: Ja, ich darf grundsätzlich sagen, dass uns die Möglichkeit zur Eigentumsbildung natürlich sehr wichtig ist, das heißt also, dass Menschen auch die Möglichkeit haben, zum Beispiel ein Einfamilienhaus zu errichten, und ich darf als Bürgermeister, der ich auch bin, sagen, dass wir natürlich mit der Flächenwidmung da auch entsprechende Möglichkeiten auf Gemeindeebene haben, dass man damit allerdings, und das ist auch ganz klar, kaum Einfluss auf die Kosten nehmen kann. Warum? – Weil man natürlich Verkäufer haben muss, die Gründe zur Verfügung stellen, und natürlich richtet sich jeder Verkäufer grundsätzlich nach den Möglichkeiten des Marktes, und dadurch ergeben sich die entsprechenden Preise. Allerdings kann man aus der Sicht der Gemeinde über die Raumordnung schon auch insofern eingreifen, als dass wir ganz genau festlegen, welche Verbauung in welchen Gebieten möglich ist. Aber ich darf noch einmal darauf zurückkommen, was mir sehr wichtig ist, dass wir den Menschen wirklich Wohnraum zur Verfügung stellen können, und zwar einen Wohnraum entsprechend den Bedürfnissen. Ich bin auf der einen Seite sehr überrascht, auf der anderen Seite freue ich mich sehr darüber, dass gerade in den Bundesländern Tirol und Salzburg Modelle entwickelt wurden, um dort auch sozusagen die entsprechenden Grundreserven zu nutzen, um ganz interessante Projekte zu entwickeln, damit auch junge Familien entsprechend die Möglichkeit haben, sich Eigentum zu schaffen.
GROẞ: Danke schön. Frau Tomaselli.
TOMASELLI: Nun, tatsächlich ist, was den Häuserbauwunsch anbelangt, der sicher sehr groß in Österreich. Ich glaube, es belegen ja mehrere Umfragen: Wenn man die Menschen fragt, wie Sie am liebsten wohnen würden, wenn Geld keine Rolle spielt und die Möglichkeiten und Beschränkungen keine Rolle spielen, ich glaube, dass 80 Prozent oder wahrscheinlich sogar noch mehr die Leute das mit: Ein Haus im Grünen!, beantworten würden, und auf der anderen Seite steht eben tatsächlich die Realität dem Eigentumswunsch entgegen. Ich komme aus dem Bundesland Vorarlberg, wo: Schaffe, schaffe, Hüsli baue!, quasi das Motto des Landes ist, und das hat sehr lange gegolten, also auch dieses Versprechen hat sehr lange gegolten. Es war sicher noch vor 25, 30 Jahren sogar einer Arbeiterfamilie noch möglich, ein Haus zu bauen. Heutzutage ist das verunmöglicht worden, also quasi: Sie haben noch zwei Möglichkeiten, sich das zu leisten: Entweder Sie erben das Haus oder Sie gewinnen es eben in der Impflotterie. Ich glaube aber dennoch, dass wir Eigentum, und das schließt ja nicht nur ein Haus mit ein, sondern auch eine Wohnung, jetzt nicht auch komplett zu verteufeln brauchen – überhaupt nicht! –, aber wir müssen eben der Realität ins Auge sehen. Ich glaube: Wer, wenn nicht die Politik, ist dafür zuständig, auch entsprechend der Bedürfnisse der Bevölkerung Maßnahmen zu ergreifen? In der Raumordnung gibt es ein ganzes Klavier, sage ich, das man spielen kann, aber ja, nochmals, auf der anderen Seite müssen wir das eben auch wieder einfach entflechten, dass Personen, Menschen mit legitimem Wunsch nach leistbarem Wohnen konkurrenzieren müssen mit Investoren. Da braucht es natürlich auch andere antispekulative Maßnahmen, und selbstverständlich, tatsächlich ist es so, das klingt paradox, aber wenn man bei der Mietrendite etwas eingreift, dann hat das natürlich auch einen sehr beruhigenden Effekt auf den Grundstücksmarkt, und das wiederum senkt auch die Wohnkosten für Privatpersonen, die sich Eigentum in Form von Wohnung oder auch Haus anschaffen wollen.
GROẞ: Danke schön. Herr Margreiter.
MARGREITER: Ich muss da jetzt einmal eine Lanze brechen, weil Kollegin Tomaselli ständig die Spekulation so hinstellt. Wir müssen schon wissen, was Spekulation ist; das ist ja nicht per se etwas Schlechtes. Wenn heute Unternehmer in Erwartung eines Gewinnes ein Risiko eingehen, lebt die Wirtschaft davon! Das ist der Motor, der vieles antreibt. Lassen wir da bitte die Kirche im Dorf! Das ist ein schlagwortartiges Wording, das uns überhaupt nicht weiterhilft, ja? Schauen wir der Tatsache ins Auge! Was also das - -
TOMASELLI: Wo gibt es das Recht, dass man 16, 17, 18 Euro pro Quadratmeter Miete inklusive Betriebskosten zahlen muss? Das ist Spekulation! Das ist Spekulation!
MARGREITER: Schon, aber da sage ich genau: Ihr seid jetzt in der Regierung! Ihr könntet seit zwei Jahren Maßnahmen treffen, aber ihr habt ja nicht einmal im Regierungsprogramm etwas Gescheites drinnen. Was ich da unter „Schaffung von leistbarem Wohnraum“ lese, da wird mir ja schlecht. Das sind ja wirklich nur Schlagworte, die da aneinandergereiht werden: „Transparentes, nachvollziehbares Mietrecht für Mieterinnen und Mieter sowie Eigentümerinnen und Eigentümer“. – Hauptsache, es ist gegendert, aber inhaltlich gibt es gar nichts her, also da vermisse ich jeden Lösungsansatz, und es ist einfach zu billig, herzugehen und zu sagen: Die bösen Spekulanten! Ja, tut etwas, macht etwas, und halt auch wirklich nicht nur mit einer Leerstandsabgabe! Das ist reine Showpolitik, ähnlich wie das Bestellerprinzip bei der Maklergebühr: Das alles sind Dinge, die sind so ein Tropfen auf der Herdplatte: Da macht es: Zisch!, und weg ist es. Wenn man wirklich etwas tun will, dann wird man da und dort wirklich – und da braucht es halt den politischen Mut dazu – ein paar heilige Kühe schlachten müssen, gerade im Bereich der Bodenpolitik, und da wird man den Leuten reinen Wein einschenken müssen und sagen müssen: Das mit dem Eigenheim, das ist jetzt einmal nicht ein vorrangiges politisches Thema! Das vorrangige politische Thema ist angesichts explodierender Wohnkosten, und da gehören halt die Energiekosten dazu, weil die Leute eine Heizung brauchen – da bin ich total am Kern des Problems betreffend das leistbare Wohnen - - Dann wird man da halt wirklich etwas unternehmen müssen, was in die Masse geht, wodurch es gelingt, günstigen Wohnraum, leistbaren Wohnraum zu schaffen, und da muss man sich das halt speziell im Raumordnungsrecht einmal anschauen, was da in den Bundesländern alles schiefläuft und was da von den Bundesländern an rechtlichen Möglichkeiten nicht genützt wird.
GROẞ: Okay, vielen Dank.
TOMASELLI: Aber, Herr Margreiter, dann müssen Sie den Zuschauerinnen und Zuschauern auch den reinen Wein einschenken, was das Mietmodell der Neos ist, das nämlich Folgendes besagt: dass plötzlich alle Verträge jederzeit kündbar sind mit zwölf Monaten Kündigungsfrist. (MARGREITER: Überhaupt nicht wahr!) – Na, selbstverständlich! Das kann man auf der Homepage nachlesen. (MARGREITER: Wir werden auf das Mietrecht noch zu sprechen kommen!) Sie finden, es ist für Mieterinnen und Mieter zumutbar, dass, wenn der Eigentümer, die Eigentümerin ... wechselt, dass man jemanden auf die Straße setzen kann.
GROẞ: Okay, lassen wir jetzt vielleicht einmal Herrn Schrangl etwas zum Thema Eigentum sagen.
SCHRANGL: Ja. Also ich bin da voll bei unserer Expertin Frau Mag. Etzl, wenn sie sagt, der Investor ist nicht immer das Schlechteste. Auch ich bin in meinem Brotberuf Jurist, und ich merke auch in meinem Brotberuf, dass der Investor ja quasi auch eine Rendite haben will, und die will er nicht nur aus dem Wiederverkauf, sondern er vermietet das. Ich glaube, und das haben Sie auch richtig angesprochen, die Leerstände, und die sehe ich auch, also das muss man schon zugeben, bestehen eher durch Menschen, die eine Wohnung von den Großeltern oder von ihren eigenen Eltern erben und sich dann im Mietrechtsdschungel nicht auskennen und sich fürchten, weil es ja eigentlich nicht stimmt, diese Wohnung oder dieses Haus dann nicht für die Enkerl oder für die Kinder nutzen zu können. Aber ich kann nur aufrufen: Gehen Sie zu einer Expertin im Wohnrecht oder zu einem öffentlichen Notar in Ihrer Heimatgemeinde, in den Bundesländern und lassen sich beraten! (TOMASELLI: Das ist Eigenwerbung, Herr Kollege!) Es gibt auch die Möglichkeit, dass Sie vermieten. Und man darf auch nicht ganz vergessen, dass der Staat schon ganz ordentlich zugreift: Wenn so eine Familie sich ein Eigenheim kaufen will, dann greift der Staat noch einmal 4,6 Prozent des Kaufpreises in Form der Grunderwerbsteuer und Eintragungsgebühr ab. Diesbezüglich hätte die schwarz-blaue Regierung – und dann kam leider ein Video, und Sebastian Kurz hat Neuwahlen ausgerufen – in ihrem Regierungsübereinkommen auch gehabt, dass Familien und Erstkäufer diese Grunderwerbteuer – 3,5 Prozent des Kaufpreises – und die Eintragungsgebühr – 1,1 Prozent des Kaufpreises – erlassen worden wäre, die hätte der Staat also nicht eingehoben, und das hätte natürlich schon tatsächlich etwas gebracht. Da hätte die Politik auch etwas machen können, damit eben junge Familien einen Vorteil gegenüber einem Bauträger haben und am Markt konkurrenzfähig bleiben.
GROẞ: Frau Becher.
BECHER: Ich glaube, ich möchte wieder auf das Grundproblem zurückkommen. In dem Beitrag wurde gezeigt, wie schwierig es ist, Wohnungen und auch Eigentum zu finden, und es ist tatsächlich so, dass sich die Situation in den letzten Jahren enorm verschärft hat. Die Preise sind in die Höhe geschnalzt bei den Eigentumswohnungen, bei den Althäusern. Das hat natürlich mit der Spekulation, die genannt wurde, zu tun, und die Frau hat den Appell an die Politik gerichtet, ob man nichts dagegen tun kann. Na, natürlich kann man etwas dagegen tun, und wir als Politiker sind auch aufgefordert, da etwas zu tun! Wir haben ein Modell eines fairen Mietrechtes entwickelt, denn es wurde schon gesagt: Wenn die Mietpreise eingefangen werden und klar nachvollziehbar sind - - Und ich glaube, das ist das Wesentliche! Niemand will ein Einheitsmodell haben, mit dem es von der Wohnung im ersten Bezirk bis zu einem kleinen alten Haus, das nicht renoviert wurde, überall die gleiche Miete gibt, sondern es muss fair sein, es muss klar nachvollziehbar sein. Das wirkt sich natürlich auch auf die Eigentumspreise aus, die dann letztendlich günstiger werden, und die Familie hätte dann auch wieder die Chance – und viele Familien hätten wieder diese Chance –, sich ein Eigentum zu leisten, weil dadurch auch die Grundstückspreise billiger werden.
GROẞ: Vielen herzlichen Dank für diese Runde.
Lange Zeit, meine Damen und Herren, hat es ja eine einfache Formel dafür gegeben, was die Aufwendungen für das Wohnen betrifft: ein Drittel des Einkommens, hat man immer gesagt. Mit dieser Gleichung lag man dann auch meist richtig. Damit ist es nun freilich vorbei. Meist muss man schon die Hälfte seines Einkommens einsetzen, um seine Vorstellungen von angenehmem Wohnen tatsächlich verwirklichen zu können. Und selbst wenn es am Geld nicht scheitert, braucht es immer noch ein Quäntchen Glück und vor allem Schnelligkeit, wie unser folgendes Beispiel zeigt.
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Es folgt eine Videoeinspielung:
Jill Kutsch (Wohnungssuchende): Man muss unfassbar schnell sein, am besten noch am gleichen Tag die Wohnung besichtigen. Dann kommt dazu, dass es entweder sehr, sehr marode Wohnungen sind für einen leistbaren Preis, ja, oder aber total überzogene Wohnungen: für 36 Quadratmeter 800 Euro kalt. Sehen zwar nett aus, aber wer soll sich das heute noch leisten mit einem Nettoeinkommen von 1 600, 1 800 Euro? Das funktioniert einfach nicht mehr.
Sprecher: Jill Kutsch kommt gerade von einer Wohnungsbesichtigung. Seit drei Monaten sucht sie eine neue Wohnung. In ihrer jetzigen Bleibe, in der sie seit April 750 Euro für 45 Quadratmeter zahlt, will sie nicht mehr wohnen.
Jill Kutsch: Hier funktioniert einmal in der Woche regelrecht vier Stunden lang das Warmwasser, die Heizung nicht. Die Sockenleisten fallen ab. Meine Badewanne ist verkalkt. Im Wintergarten gibt es Fliesen, die zersprungen sind. Ja, das sind alles so kleine Sachen, die dem Wert der Wohnung nicht gerecht werden.
Sprecher: Auch Johannes Csiky ist auf der Suche. Wegen Corona ist er aus Italien nach Österreich zurückgekehrt und hat in Niederösterreich eine günstige Mietwohnung gefunden. Doch drei Stunden täglich nach Wien zu pendeln ist für ihn keine Option mehr.
Johannes Csiky (Wohnungssuchender): Gefunden hätte ich einiges, nur die Preisklassen sind halt dementsprechend, also man startet bei 50 Quadratmeter teilweise bei 800 Euro. Dann muss man Glück haben, dass man es auch noch provisionsfrei, also ohne Maklergebühr, findet – ich meine, es sind halt doch Extrakosten von drei Monatsmieten, sage ich jetzt einmal, die halt in Zeiten wie diesen jetzt natürlich nicht so einfach aufzubringen sind. Und ja, wenn einmal eine günstige Wohnung da ist: Na ja, 30, 40 Bewerber.
Sprecher: Wer eine günstige Wohnung auf dem privaten Markt findet, kann sich glücklich schätzen. Jill Kutsch sieht regelmäßig, wie versucht wird, mit der Not von Wohnungssuchenden Geschäft zu machen.
Jill Kutsch: Gestern wurde auch eine Wohnung angeboten, auch mit einem Wasserschaden, auch generalsanierungsbedürftig. Da sollte man die Miete für drei Jahre im Voraus zahlen. Das wären auch 23 000 Euro gewesen.
Sprecher: Dabei ist Jill Kutsch durchaus bereit, für eine schöne Wohnung einen großen Teil ihres Gehalts einzuplanen.
Jill Kutsch: Maximal mit allem Drum und Dran – also mit Strom, Gas, Warmwasser, Heizung und Internet – maximal 850 Euro, was die Hälfte meines Gehalts ist. Also dieser Spruch, ein Drittel des Gehaltes, das funktioniert schon lange nicht mehr.
Sprecher: So wird Jill Kutsch weiter die Immobilienplattformen und Anzeigen durchforsten, um für sich und ihre zwei Katzen endlich ein neues, warmes und leistbares Zuhause zu finden.
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GROẞ: Und ich begrüße jetzt Frau Mag. Elke Hanel-Torsch bei uns im Studio. Herzlich willkommen! Sie ist Juristin und seit 2016 Vorsitzende der Wiener Mietervereinigung, und, das sage ich auch dazu, seit 2021 Vorsitzende der SPÖ Margareten. Sie ist aber heute dezidiert nicht in ihrer politischen Funktion hier, sondern als ausgewiesene Expertin im Bereich Mietrecht und Wohnen. Frau Hanel-Torsch, Sie haben uns jetzt aufmerksam zugehört. Es ist ja schon vieles am Tisch. Wie haben Sie die bisherige Diskussion empfunden? Wo sind sozusagen die entscheidenden Punkte, bei denen Sie sagen: Da zahlt es sich aus oder das müsste man weiter verfolgen?
Mag. Elke HANEL-TORSCH (Mietervereinigung Österreichs): Ja, für mich war es bis jetzt eine sehr spannende Diskussion, und was mich besonders gefreut hat, war, dass, glaube ich, alle VertreterInnen der politischen Parteien gesagt haben: Ja, die Politik muss eingreifen, ja, Wohnen muss leistbar werden. – Ich glaube, da waren sich einmal alle einig, es scheitert, glaube ich, noch ein bisschen am Wie: Wie könnte das funktionieren? Und da aus meiner Sicht und aus der Praxis - - Sie haben gesagt, ich bin seit 2016 Vorsitzende der Mietervereinigung. – Das stimmt, aber ich bin natürlich schon viel, viel länger in diesem Bereich tätig, nämlich schon seit 2006, habe auch jahrelang selbst die Mieterinnen und Mieter beraten und vor Gericht vertreten und kenne die Probleme daher ganz gut. Ich glaube, es sind zwei Schrauben, an denen man drehen müsste, nämlich auf der einen Seite beim Neubau. Das ist heute auch schon mehrfach gefallen, und das wurde auch gesagt: Es wird ein bisschen am Bedarf vorbei gebaut. Ja, es gibt Neubau, aber es gibt halt sehr viel unleistbaren Neubau. Das können sich sehr, sehr viele Menschen nicht leisten. Ich glaube also, auf der einen Seite müsste man an dieser Schraube drehen, und auf der anderen Seite müsste man am Mietrechtsgesetz drehen. Das Mietrechtsgesetz ist ein Gesetz, das für die klassischen Altbauten gilt, sage ich jetzt einmal, aber das werden immer weniger, und wenn wir uns das anschauen, sehen wir: 60 Prozent der privaten Mietwohnungen fallen überhaupt nicht mehr in diesen Vollanwendungsbereich hinein, sprich, die haben keinen Preisschutz mehr. Diese Säulen des Mietrechts waren ja damals der Kündigungsschutz und der Preisschutz, und das hat man damals eingeführt, um eben sozusagen gegen Mietwucher et cetera vorzugehen. Jetzt fallen eben ganz, ganz viele Gebäude nicht mehr in diese Kategorie hinein, und ich glaube, da müsste man sich etwas überlegen, was man da machen könnte. Ganz kurz vielleicht noch zum Einspieler, weil die Dame gesagt hat, sie wäre bereit, bereits 50 Prozent des Einkommens für die Wohnkosten auszugeben: Laut einer EU-Definition ist man bereits dann von den Wohnkosten überbelastet, wenn man um die 40 Prozent des Einkommens rein für die Wohnkosten ausgeben muss. Und vielleicht eine Zahl: In Österreich sind es jetzt schon fast 600 000 Menschen, die mit diesen Wohnkosten überbelastet sind. Ich glaube auch, dass sogar diese 40 Prozent sehr hoch angesetzt sind, weil man sich dann ja nur zu überlegen braucht: Dann bleibt halt nicht mehr allzu viel für das restliche Leben über, und man will halt vielleicht doch einmal in den Urlaub fahren, sich ein neues Auto anschaffen et cetera, und ich glaube, da kommen derzeit ganz, ganz viele Menschen an ihre Grenzen. Wir merken es auch in der Beratung, also gerade die Pandemie hat dieses Problem noch einmal verschärft. Viele Menschen haben den Job verloren, sind in Kurzarbeit geschickt worden, und schauen halt jetzt, wo sie was einsparen können, und kommen auch darauf, dass sie teilweise einfach zu viel bezahlen. Es wird am privaten Wohnungsmarkt einfach zu viel verlangt.
GROẞ: Übrigens hat die Agenda Austria heute ganz aktuelle Zahlen auf Basis der Statistik Austria herausgegeben und errechnet, dass – das zeigt sich da – Mieten in Gemeindewohnungen in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt um 35 Prozent gestiegen sind, Genossenschaftsmieten um 41 Prozent, private und andere Mieten um 61 Prozent. Österreichweit sind laut Agenda Austria die Mieten von 2010 bis 2020 mehr als doppelt so stark angestiegen wie die Inflationsrate – also nur um auch irgendwie die Brisanz dieses Themas sozusagen noch einmal zu belegen. Sie oder eigentlich weil Frau Etzl hat schon dieses Thema des Richtwerts angesprochen. Ich möchte noch einmal darauf zurückkommen, weil natürlich auch das so ein emotionales Thema ist oder eines, das extrem kontroversiell diskutiert wird. Sie haben da eine klare Meinung, die auch der Meinung der Frau Etzl widerspricht. Wofür stehen Sie in dieser Frage?
HANEL-TORSCH: Na ja, prinzipiell ist das Richtwertsystem per se ja kein schlechtes System, das Problem ist nur, es hat jetzt mittlerweile überbordend - -
GROẞ: Vielleicht erklären wir es ein bisschen. Es betrifft ja in erster Linie nur - -
HANEL-TORSCH: - - den privaten Altbau oder den Altbau, sage ich jetzt einmal so. Vereinfacht gesagt gilt es für Gebäude, die vor 1945 errichtet worden sind. Es ist so: Man geht immer von der mietrechtlichen Normwohnung aus. Für die wird einmal ein Richtwert ermittelt, das ist pro Bundesland unterschiedlich – den höchsten Richtwert, den gibt es in Vorarlberg, den günstigsten gibt es im Burgenland –, und zu diesem Richtwert kommen Zu- und Abschläge. Das heißt, immer wenn ich etwas besser habe als diese Normwohnung, kriege ich einen Zuschlag zum Richtwert, den ich als Vermieter verlangen kann, und wenn etwas schlechter ist, einen Abschlag. Der bekannteste Abschlag, der heute schon gefallen ist, ist der Befristungsabschlag von 25 Prozent – der wird bei den Vermieterinnen und Vermieter aber fast nie eingehalten; dazu gibt es eine Studie der Arbeiterkammer, auch unsere Erfahrung in der Praxis zeigt das –, und der höchste Preistreiber bei den Zuschlägen ist der sogenannte Lagezuschlag: dass ich nur aufgrund dessen, dass sich die Wohnung in einer bestimmten Lage befindet, einen Lagezuschlag verlangen kann. Da beobachten wir jetzt, dass in gewissen Bezirken in Wien der Lagezuschlag 5, 6, 7, 8 Euro pro Quadratmeter ist, und da kommen dann noch einmal der normale Richtwert und die übrigen Zuschläge dazu. Da sieht man, das geht in eine Richtung, die einfach eine falsche Entwicklung ist – jetzt aus Sicht der Mietervereinigung und für die vielen Mieterinnen und Mieter, die einfach keine Wohnung mehr finden.
GROẞ: Dann wollen wir vielleicht einmal diese beiden Themen einfach auch hier in die Runde werfen, wenn ich das so salopp sagen darf. Wie ist denn Ihre jeweilige Position zum Thema Richtwert beziehungsweise auch zu diesem Lagezuschlag? Gibt es den Lagezuschlag außerhalb Wiens eigentlich auch noch in einzelnen Bundesländern? Ja, also wahrscheinlich überwiegend in den Städten. – Bitte. Wer beginnt? Herr Margreiter.
MARGREITER: Ja. Ich habe jetzt gerade ein sehr interessantes Verfahren hinter mir in meiner Berufspraxis.
GROẞ: Als Rechtsanwalt?
MARGREITER: Als Rechtsanwalt. Da ist es eben genau um diese Fragen gegangen. Und ich stelle halt fest - - Ich bin seit 35 Jahren in der Branche tätig, und vom Richtwertsystem, das wir jetzt halt haben, halte ich wirklich nicht viel, gelt, weil es ist ein System, in dem die Sachverständigen sehr gut verdienen, weil es ihre Verfahren sind, und wo zum Schluss – wie beim Hornberger Schießen – nicht viel Gescheites herauskommt. Letztlich sieht man auch, dass da halt da die Kraft des Marktes dahinter ist, wenn man sagt, in gewissen Lagen ist eine Wohnung halt so teuer. Und da schließt sich für mich der Kreis zu meinem Eingangsstatement, dass ich sage: Natürlich hat die Politik die Aufgabe, leistbares Wohnen vorzuhalten, aber das kann sie nicht an die privaten Vermieter delegieren. Das heißt also, es geht schon darum, dass im Hinblick auf die einkommensschwachen Bevölkerungsschichten meines Erachtens in erster Linie die öffentliche Hand gefordert ist, dafür Sorge zu tragen. Wien ist ein wunderschönes Beispiel – mit 230 000 Gemeindewohnungen –, wo das funktioniert. Ich würde behaupten, dass die Tatsache, dass Wien in den Rankings betreffend lebenswerteste Stadt immer wieder ganz weit oben platziert ist, mit dem zu tun hat, dass da ein funktionierendes System da ist. Ich glaube, dass natürlich da und dort immer Verbesserungsbedarf besteht. Beim Mietrecht würde ich meinen, dass es nicht zielführend ist, die privaten Eigentümer da jetzt so quasi - -, sie müssten da eine Aufgabe der öffentlichen Hand erfüllen. Das geht nicht.
GROẞ: Frau Tomaselli und dann Herr Singer.
TOMASELLI: Ja, das sehe ich anders, das ist wenig überraschend. Schauen Sie, Herr Kollege Margreiter, Sie sagen, die Wohnungen in einer bestimmten Lage kosten halt nun einmal so viel, wie sie kosten, das ist marktbedingt. Das ist es natürlich selbstverständlich nicht. Es hat in den allermeisten Fällen mit öffentlichen Ausgaben zu tun, weil dort ein schöner Park ist, weil dort eine U-Bahn geplant worden ist, und, und, und. Das ist nicht die Leistung des Einzelnen, also des Marktes, sondern unsere Allgemeinleistung, dass wir Gebiete verschönern. Was ich schon glaube und was unser aller Ziel sein muss, ist, dass man natürlich wieder ein gesünderes Verhältnis zwischen Löhnen und Lohnkosten herbekommt. Sie haben es gesagt: Heute sind neue Zahlen über die Agenda Austria von der Statistik Austria veröffentlicht worden. Die besagen im Grunde genommen, dass die Inflation 20 Prozent ist und die Wohnkosten um 44 Prozent gestiegen sind. Was sie aber nicht dazugesagt haben – ich habe es extra für die heutige Sendung nachgeschaut –, die Löhne sind nur um 26 Prozent gestiegen. Was heißt das? – Das klassische Mietverhältnis wird immer mehr zu einem Abhängigkeitsverhältnis. Und selbstverständlich macht es da Sinn - - Ja, auch das ist eine politische Aufgabe, wie Sie gesagt haben, dass wir schauen, dass die Menschen mehr Einkommen haben. Aber auf der anderen Seite müssen wir bei der Miete natürlich genauso eingreifen. Das Grundprinzip des Richtwertsystems war ja eigentlich ein gutes. Es ist ja - - Ich glaube – Sie verbessern mich, weil Sie die Experten sind –, in den Grundzügen ist es Anfang der Achtzigerjahre entstanden. Da ist man irgendwie davon ausgegangen, jetzt fallen ja noch einige Gebäude bis 1955 – ich rechne immer bis 1955 –, die sind 25 Jahre alt - - Bis dorthin soll quasi eine freie Mietzinsbildung gelten, weil der Investor natürlich einen Amortisationszeitraum braucht – das stellen wir übrigens überhaupt nicht in Abrede –, aber dann ist das Gebäude sozusagen amortisiert, die Investition hat sich gelohnt, und dann muss der Staat eingreifen. Was man leider damals vergessen hat mitzubeschließen, ist, dass dieses Jahr 1955 sozusagen immer weitergeht. Und jetzt hatten wir - - Leider sind wir im Jahr 2022 und haben immer noch das Baujahr 1955. Im Grunde genommen, und das wäre auch das grüne Mietmodell - -, dass wir schon nach einem bestimmten Amortisationszeitraum, 25 bis 30 Jahre, mit einem moderaten Grundmietzins arbeiten, mit dem bundesländerabhängig – ich halte auch nichts vom Gießkannenprinzip – mit Zu- und Abschlägen gearbeitet wird, die aber im Gegensatz zum jetzigen Mietrechtsgesetz sauber, transparent und vor allem fair sind – nicht nur fair gegenüber dem Mieter, der Mieterin, auch fair gegenüber dem Investor, der Investorin, weil tatsächlicherweise hat ein Investor, der viel investiert, heutzutage nichts von seiner Investition – im Gegenteil, diejenigen, die wenig investieren, die wenig tun für den Erhalt des Gebäudes, die kriegen trotzdem gleich viel, weil es eben so eine Übernachfrage nach leistbarem Wohnraum gibt.
GROẞ: Herr Singer.
SINGER: Ich darf vielleicht zum einen mit der Thematik beginnen, dass wir schauen müssen, am Markt eine Ausgewogenheit zwischen Vermieter, den Eigentümern und den Mietern zu haben, dass also die Belastbarkeit da entsprechend aufgeteilt ist. Zum Zweiten müssen die Eigentümer auch in die Lage versetzt werden, die entsprechenden Sanierungen durchführen zu können, was ganz klar heißt, dass der Ertrag aus den Wohnungen auch das mitberücksichtigen muss, dass also der Wert der Wohnung zum einen erhalten bleibt - - Und wir haben jetzt auch verstärkt eben durch die klimatischen Themen, die wir diskutiert haben - -, auch diese Themen müssen hier Berücksichtigung finden. Was für mich noch wichtig ist, weil es auch im Film angesprochen worden ist, ist, dass wir bei 40, 50 Prozent des Bezuges für Wohnungen ausgeben müssen. Ich habe heute schon diese Studie der Arbeiterkammer angesprochen, im Vergleich mit verschiedenen Städten Europas, wo auf 27 Prozent abgestimmt ist. Das heißt also, offensichtlich ist das subjektive Empfinden teilweise ein anderes, als es die entsprechenden Expertinnen und Experten darstellen. Ich darf auf Kollegen Margreiter zurückkommen, der diese Transparenz, die wir im Regierungsprogramm festgehalten haben - - Ich sehe das auch so, Frau Hanel‑Torsch hat es schon ausgeführt, dass das Mietrecht zum einen kompliziert ist, zum anderen sowohl für die Vermieter als auch für die Mieter oftmals nicht nachvollziehbar ist. Das ist ein wichtiges Anliegen, dass wir im Regierungsübereinkommen drinnen haben, dass wir ein Mietrecht schaffen, das sowohl für die Vermieter als auch für die Mieter besser lesbar ist, verständlicher wird, damit wir nicht so oft die Gerichte einbinden müssen, und dass damit auch gewährleistet ist, dass für beide Seiten der Rahmen des Mietrechts auch entsprechend nachvollziehbar wird.
GROẞ: Danke schön. – Bitte.
SCHRANGL: Ja, ich glaube, wir haben da jetzt ein bisschen eine neue Koalition, weil ich mit sehr vielen Dingen, die die Grünen zum Beispiel gesagt haben, sehr stark übereinstimme.
GROẞ: Da können wir wirklich News machen mit dieser Koalition. (Heiterkeit.)
SCHRANGL: So ist es. Man muss dazu aber eines sagen: Der erste Vorschlag in diese Richtung kam von Kollegin Becher, die mit dem Universalmietrecht genau so eine Ausweitung des Vollanwendungsbereichs des Richtwerts vorgeschlagen hat, die das schon vor, glaube ich, fünf oder sechs Jahren (HANEL-TORSCH: Das war 2014!) – ja, genau –, also vor sieben Jahren vorgeschlagen hat. Ich habe mir das genauer angesehen und habe zumindest in diesem Punkt sehr zustimmend reagiert. Man müsste in Wahrheit, und das hat ja auch Frau Kollegin Tomaselli sehr gut gesagt, den Vollanwendungsbereich bis auf ein Gebäudealter von zum Beispiel 25 Jahren ausweiten, also weg von dieser starren Grenze 8. Mai 1955, 1945, Entschuldigung, gehen, oder eben für geförderte Wohnungen 1955, und das zu einer mitwachsenden Grenze machen. Man sagt also, sobald ein Gebäude älter als 25 Jahre ist, hat sich die Investition des Investors amortisiert, und jetzt kann er sich entweder freisanieren, das heißt, wenn er wieder etwas hineinsteckt und das zum Beispiel auf den neuesten Stand oder auf den neuesten thermischen Standard bringt, dann darf er wieder einen angemessenen oder freien Mietzins verlangen. Wenn er das nicht tut - - Unser großes Problem ist ja, das hat auch Mag. Etzl zuerst schon gesagt und, ich glaube, auch Frau Hanel-Torsch wird mir da zustimmen, wir haben ja nicht das große Problem quasi bei den Altbauten, die meistens eh sehr schön und gesucht sind, sondern eben bei den Sechzigerjahrewohnungen, die eben nicht thermisch ordentlich sind, die abgewohnt sind, die günstig aufgekauft werden können, aber sehr teuer vermietet werden können. Einen Punkt habe ich schon für Frau Tomaselli, und zwar, es ist ja nicht jeder Vermieter auch ein Investor, und daher möchten wir da ganz gern eine Grenze machen. Wir sind zum Beispiel für – das haben wir auch in Anträgen im Parlament schon formuliert – ein Befristungsverbot für institutionelle Anleger. Das heißt, wenn eine große Versicherung, ein großer Bauträger mit Hunderten Wohnungen - - Da gibt es eigentlich keine sachliche Rechtfertigung dafür, dass der befristet vermietet. Der will dort auch selber nicht wohnen. Wenn ich allerdings ein Vermieter bin und eben nicht Hunderte Wohnungen habe, sondern vielleicht nur eine, zwei oder drei, dann verstehe ich, dass der vielleicht sagt: Okay, ich möchte einmal schauen, wie das mit diesem Mieter ist, ob der ordentlich ist, ob ich den hier länger wohnen haben will! Ich finde, dem sollte man weiterhin die Möglichkeit geben, befristet zu vermieten. Und da kann man, und da stimme ich mit den NEOS wieder überein, auch ruhig eine kürzere Befristungsdauer einführen. Ich möchte noch etwas sagen, weil beim Richtwert von der Normwohnung gesprochen worden ist. Frau Hanel-Torsch, Sie berichtigen mich, falls ich da falsch liege, aber die Normwohnung ist ja die Normwohnung des Jahres 1994. Das heißt, in Wahrheit ist dieses Zuschlags- und Abschlagssystem total überholt. Da gibt es einen Zuschlag für eine Klingel – das war vielleicht 1994 toll, aber 1994 war ich neun Jahre alt, es gab noch kein Internet, und meine Familie hatte ein Vierteltelefon, falls das noch wer kennt. Das gibt es heutzutage alles nicht mehr. Wir sollten wirklich den Zu- und Abschlagskatalog durchforsten und auf ein modernes Maß bringen – also Zuschläge nicht mehr für die Klingel, sondern nur noch zum Beispiel für superschnelles Internet. Ja, das ist, glaube ich, ein politischer Prozess, in dem wir so etwas machen können.
GROẞ: Vielen Dank. Abschließend noch Frau Becher.
BECHER: Es ist jetzt sehr viel angesprochen worden. Ich möchte einen Punkt von der Einspielung aufgreifen, und das ist die Situation des jungen Mannes, der gesagt hat, er hat im städtischen Bereich keine Wohnung gefunden. Das ist eigentlich ein sehr dramatischer Befund, das ist eine sehr dramatische Situation, nämlich das Hin- und Herfahren – ich weiß nicht, 3 Stunden oder was, hat er gesagt, am Tag –, das sind ja enorme Infrastruktur- und Mobilitätskosten, die dadurch entstehen, die wieder die Allgemeinheit zahlt. Ich glaube, wenn man es auf den Punkt bringt, ist es notwendig, ein Mietrecht zu schaffen, die Rahmenbedingungen zu schaffen, das für alle gilt, ein - - Wir haben den Vorschlag des Universalmietrechts gemacht, das wirklich einen klar durchschaubaren Mietzins vorlegt, wo es auch Zu- und Abschläge gibt, die aber genormt sein müssen, die im Gesetz verankert sein müssen, dass jeder Mieter auch kontrollieren kann, ob die Miete korrekt ist oder nicht. Es wäre fair und transparent, auch für die Vermieter, denn in diesem Mietrecht würden thermische Sanierungen und alle Klimamaßnahmen natürlich belohnt. Ich glaube, man kann sagen, der Kern ist, wir brauchen ein Dach über dem Kopf, das sich jeder Mensch leisten kann.
GROẞ: Frau Hanel-Torsch, Sie haben sich diese Runde angehört und mit dem Expertinnenohr zugehört: Was war besonders interessant für Sie und was würden Sie als Expertin unterstützen? Was muss man weiterverfolgen? Wo sehen Sie einen Konsens, auf dem man aufbauen kann?
HANEL-TORSCH: Auf der einen Seite, das ist für mich ganz klar, was man weiterverfolgen sollte, ist diese Ausweitung des Anwendungsbereiches des Mietrechtsgesetzes. Ob man jetzt sagt 25 Jahre, 30 Jahre – ich glaube, das kann man dann noch in Einzelheiten diskutieren, das können sich die Parteien untereinander ausmachen, was da der angemessene Zeitraum ist, bis sich ein Gebäude nach der Errichtung amortisiert hat. Das ist, glaube ich, ein ganz, ganz wesentlicher Punkt. Der zweite Punkt, den ich auch spannend gefunden habe, sind Befristungen für Leute, die sich eine Wohnung nur als Objekt gekauft haben, die das vielleicht für die Enkerl aufheben wollen. Auch da finde ich, ja, ich glaube, da könnte man sich darauf einigen, dass GroßinvestorInnen vielleicht nicht befristet vermieten müssen. Bei Einzelpersonen kann man sicher sehr wohl Ausnahmen überlegen. Das ist auch etwas, was die Mietervereinigung fordert und auch vorschlägt. Ich glaube, das ist ein Lösungsansatz, wo man wirklich sagt, man kann den kleinen Vermieterinnen und Vermietern da unter die Arme greifen, aber bei den großen ist es nicht unbedingt notwendig – vor allem weil die kleinen ja auch meistens die sind, also zumindest ist das meine Erfahrung aus der Praxis, die eh bemüht sind, eine faire Lösung zu finden. Die wollen ja auch, dass sie Mieterinnen und Mieter haben, die das auf Dauer bezahlen können, während es dem Großinvestor in Wahrheit egal ist, wie oft sein Mieter, seine Mieterin wechselt. Da spielt es keine Rolle. Der kleine Private hat oft schon gern auch den persönlichen Kontakt, einen verlässlichen Mieter, eine verlässliche Mieterin. Und das erreicht man halt dann oft auch, wenn man den Preis so gestaltet, dass beide Seiten damit leben können. Ich glaube, das ist auch ein wesentlicher Punkt, der heute mehrmals gefallen ist. Es muss schon ein Ausgleich auf Vermieterseite und Mieterinnenseite sein. Aber die Frage ist: Wie schaffe ich den? Ich glaube, das schafft die derzeitige Gesetzeslage nicht, weil wenn jemand ein Haus über mehrere Generationen vererbt bekommt, hat er eben nichts zur Lage beigetragen, er hat da nichts investiert. Auf der anderen Seite, wenn er Sanierungsarbeiten macht, thermisch saniert et cetera, könnte man eben darüber diskutieren, dafür Zuschläge herzugeben. Also das sehe ich ganz genau so wie einige andere hier auch.
GROẞ: 90 Minuten sind viel für eine Diskussionssendung und trotzdem vergeht die Zeit immer rasend schnell. Ich hätte aber noch ein paar Fragen an Sie, Frau Hanel-Torsch, und angesichts der fortgeschrittenen Zeit versuche ich es schon einmal in der Fragestellung kurz zu machen und Ihnen ein paar Stichwörter zu liefern, mit der Bitte, sie einfach auch kurz zu beantworten. Stichwort Betriebskosten – damit sind Sie in der täglichen Praxis mit Sicherheit sehr oft konfrontiert –: Da sagen Sie, Katalog durchforsten, eine Gebühren- und Abgabenbremse muss her. Was konkret meinen Sie damit?
HANEL-TORSCH: Ich meine damit, dass im jetzigen Betriebskostenkatalog zum Beispiel die Grundsteuer auf die MieterInnen überwälzt werden kann. Das ist für mich aber so eine klassische Steuer, die mit dem Eigentum verbunden ist. Also es ist nicht ganz einsehbar, warum sie die MieterInnen zahlen sollen. Hausverwaltungskosten werden eins zu eins auf die MieterInnen überwälzt, obwohl sie nach der derzeitigen Gesetzeslage keine Möglichkeit haben mitzubestimmen, wer die Hausverwaltung denn überhaupt sein soll. Das wär so ein Beispiel. Auch die Versicherung könnte man sich anschauen, ob es sinnvoll ist, sämtliche Versicherungskosten auf die MieterInnen überzuwälzen, obwohl eigentlich das Eigentum des Eigentümers versichert wird. Das sind so die wesentlichen Punkte. Ich glaube, da könnte man schon eine gute Preissenkung erzielen.
GROẞ: Weil auch das Thema Flächenwidmung heute immer wieder ein Thema gewesen ist, auch an Sie die Frage: Wie groß ist der Hebel aus Ihrer Sicht, über die Flächenwidmung etwas zu machen?
HANEL-TORSCH: Ich glaube, das ist ein ganz, ganz richtiger und wichtiger Ansatz, den man da nehmen kann, um geförderten Wohnbau zu errichten und auch verpflichtend zu errichten. Und ich glaube, das ist auch wesentlich, um gegen diese Grund- und Bodenspekulation vorzugehen. Ich glaube, auf eine andere Art und Weise wird es schwierig sein. Also mir fallen dazu eben ein, diese Flächenwidmungsthematiken sind auf der einen Seite wichtig. Auf der anderen Seite, heute ist schon die Leerstandsabgabe gefallen, habe ich ein bisschen eine andere Meinung dazu als die Expertin vor mir, weil ich schon glaube, dass es ein Hebel sein kann. Ich glaube aber nicht, dass es in den Bundesländern ein Hebel ist, so wie es die Abgeordnete der Grünen heute erwähnt hat, weil da die Abgabe relativ gering ist, und dann hat sie keinen Lenkungseffekt. Und wenn sie höher sein sollte, dann muss es eben ein Bundesgesetz sein, dann können es die Länder nicht mehr machen, weil es sonst der Verfassungsgerichtshof wieder kippt.
GROẞ: Vielleicht noch eine kleine Ergänzungsfrage zum Thema Leerstandsabgabe. Es zeigt sich immer wieder, dass wir eigentlich gar keine validen Zahlen über die tatsächlichen Leerstände haben. Das heißt, wir wissen auch in Wien zum Beispiel nicht einmal ganz genau, wie viele leerstehende Wohnungen es tatsächlich gibt. Müsste man nicht dort auch einmal beginnen?
HANEL-TORSCH: Genau. Das wäre einmal der Beginn der ganzen Sache. Man müsste den Leerstand erheben, und zwar in allen Bundesländern, und darauf aufbauend dann überlegen: Brauchen wir das oder brauchen wir es nicht? Derzeit gibt es ja Schätzungen, die gehen sehr weit auseinander, muss ich auch offen sagen. Aber wenn es wirklich zutrifft, dass die höhere Zahl stimmen sollte, und die Schätzungen liegen, glaube ich, in Wien zwischen 25 000 Wohnungen und 100 000 Wohnungen, also es geht schon weit auseinander - - Das heißt, der erste Schritt wäre sicher eine Meldepflicht für leerstehende Wohnungen.
GROẞ: Noch einmal zum Stichwort Lagezuschlag: Dazu habe ich etwas Interessantes gelesen, nämlich von Ihnen, wo Sie sagen, Sie sind gegen den Lagezuschlag, könnten sich aber einen Zuschlag zum Beispiel für eine klimafreundliche Energieversorgung eines Hauses vorstellen. Das müsste Frau Tomaselli eigentlich auch gefallen. Was konkret meinen Sie damit?
HANEL-TORSCH: Eben genau das. Wenn der Eigentümer, die Eigentümerin Investitionen am Haus vornimmt – sei es, dass er zum Beispiel das Heizsystem austauscht - - Jetzt haben wir ja gerade das Problem mit dem Klimabonus, und wenn ich ein falsches Heizsystem habe, muss ich mehr zahlen. Gerade in Wien können sich die Menschen, gerade die Mieterinnen und Mieter, nicht aussuchen, wie sie heizen, ob das Gas ist oder nicht. Da könnte man doch sagen, wenn der Vermieter, die Vermieterin das auch ändert, auf eine andere Heizungsart umstellt, kann natürlich auch ein Zuschlag zur Miete verlangt werden. Das wäre eine Möglichkeit.
GROẞ: Bauvorschriften noch als eines der letzten Stichwörter: Immer wieder heißt es, es gibt zu viele Bauvorschriften und die machen in Wirklichkeit den Wohnbau so teuer. Ist das so?
HANEL-TORSCH: Das ist für mich schwer zu beurteilen. Ich glaube, es gibt sicher Vorschriften, die sinnvoll sind, und das sind all jene, die mit Sicherheit zu tun haben – ich sage jetzt einmal Brandschutz et cetera. Da würde ich vorsichtig sein, da den Expertinnen und Experten zu sagen, man soll da irgendwie einschränken und weniger machen. Wenn etwas passiert, glaube ich, sind wir alle froh, dass es das gibt. Bei anderen bautechnischen Vorschriften könnte man eventuell vielleicht darüber reden, das müsste man aber, glaube ich, mit anderen Expertinnen und Experten diskutieren, die aus der Branche kommen.
GROẞ: Sie sind für strenge Strafen bei Mietwucher, obwohl es ja so ist, dass, wenn jemand zu viel Miete verlangt, die Überteuerung oder das, was zu viel verlangt wurde, zurückbezahlt werden muss. Warum dann noch diese zusätzliche, sage ich jetzt einmal, Kriminalisierung?
HANEL-TORSCH: Kriminalisierung würde ich es nicht nennen, es können ja auch Verwaltungsstrafen sein. Das ist auch, weil es in der Praxis so ist. Gleich noch ein Fall: Ich habe einen Vermieter, der verlangt zu viel Miete, es ist ganz klar, also wirklich ein glasklarer Fall, Kategorie-D-Wohnung, viel zu viel. Er muss zurückzahlen und vermietet dann ein paar Monate später diese Wohnung wieder zum überteuerten Preis. Warum tut er das? – Weil er damit rechnet, dass der Nächste vielleicht nicht zur Schlichtungsstelle oder zum Gericht geht – ich glaube, da könnten Strafen schon entgegenwirken. Es ist auch so, dass die meisten Gesetze auch Rechtsfolgen zur Folge haben. Beim Mietrecht ist das ein bisschen anders und für mich nicht ganz einsehbar, warum.
GROẞ: Letztes Stichwort: Einkommensmonitoring. Wohnen die Richtigen im Gemeindebau, um es sozusagen auf den Punkt zu bringen?
HANEL-TORSCH: Ja, das ist immer wieder ein Thema, das viel diskutiert wird, von einigen politischen Parteien auch immer wieder aufgeworfen wird. Ich glaube, es braucht eine soziale Durchmischung im Gemeindebau, und ich stelle es mir irrsinnig schwierig vor, es zu kontrollieren, sage ich einmal – Punkt eins. Und Punkt zwei ist: Wenn es das dort gäbe und man sagt, es wird kontrolliert und man muss dann mehr bezahlen, wenn man plötzlich mehr verdient, müsste das rein theoretisch dann auch im privaten Sektor gelten. Wenn man den Job verliert, wenn man den Arbeitsplatz verliert, muss man dann vice versa weniger zahlen? – Das ist halt so eine Frage, die man dann diskutieren könnte.
GROẞ: Okay. Vielen herzlichen Dank für diese sehr flotte Beantwortung dieser Fülle an Fragen, noch zuletzt. Ich möchte zur Schlussrunde kommen und möchte das, wie so oft an diesem Punkt, in die Frage gießen: Wenn wir nur einen Hebel – ich bleibe bei diesem Begriff, der heute mehrmals gefallen ist – jetzt einmal schnell umsetzen müssten und wollten, was wäre dieser Hebel, zu dem Sie greifen würden, von dem Sie sagen, das wäre einmal das Allerwichtigste, was wir tun müssen, um tatsächlich Wohnen wieder leistbar zu machen?
BECHER: Jeder Mensch, der arbeitet, braucht natürlich ein Dach über dem Kopf, das ist ganz klar, und aus Sicht der SPÖ ist der Hebel dazu ein Mietrecht, das für alle Wohnungen gilt, die mit Gewinn vermietet werden können. Ich denke, dann werden die Preise wirklich auch für alle, auch im Eigentumsbereich, fallen.
GROẞ: Vielen Dank. – Herr Schrangl.
SCHRANGL: Ich möchte es vielleicht mit einem Wort oder einem Buch, das die NEOS vor der letzten Wiener Wahl herausgebracht haben, sagen, und zwar sprechen sie da vom „Immo-Sumpf“, also Immobiliensumpf, „in Wien“. Ich glaube, dass man relativ schnell viel machen könnte, wenn man diese Immobiliensümpfe trockenlegt und schaut, wer sich wo wie viel Geld, vielleicht auch unrechtmäßig, zuschanzt. Es wäre vielleicht auch ein kleiner Hit für Herrn Wiederkehr, das, was Sie damals versprochen haben, auch trockenzulegen, nämlich dass zum Beispiel Bauträgerwettbewerbe in Wien nur Scheinwettbewerbe sind. Dann, glaube ich, hätten wir sofort eine Reduktion und es würde niemand zu Schaden kommen.
GROẞ: Vielen Dank. – Herr Margreiter.
MARGREITER: Ich sehe es österreichweit. In Tirol ist die Situation ein bisschen eine andere als in Wien. In anderen Bundesländern, in den Ballungsräumen, haben wir überall das gleiche Problem. Für uns der wesentliche Hebel, wo man wirklich auch an Tabus herangehen muss, ist die Bodenpolitik, die Raumordnung. Da stellen wir uns vor, dass es ein Bundesrahmengesetz brauchen wird, um das knappe Gut Grund und Boden, das wir nicht vermehren können, so zur Verfügung zu stellen, dass es möglich ist, leistbaren Wohnraum zu schaffen.
GROẞ: Danke schön. – Frau Tomaselli.
TOMASELLI: Beim Wohnen gilt für mich immer das Motto: Es gibt nicht die eine Wunderwaffe, es gibt vielleicht eine Zauberformel, aber diese Zauberformel hat ganz viele Elemente. Das fängt bei der Raumordnung an und hört beim Mietrecht auf, das eine Ding aber, das gibt es nicht. Deshalb müssen wir jede Maßnahme, die uns angeboten wird, wenn sie dem Ziel dient, leistbares Wohnen zu ermöglichen, auch umsetzen.
GROẞ: Danke schön. – Herr Singer.
SINGER: Aus meiner Sicht ist die Baulandmobilisierung eine wichtige Angelegenheit; nachverdichten, Vertragsraumordnung, Baurecht, wenn ich noch drei Bereiche nennen darf. Auch für mich ist es wichtig, dass wir den Menschen den entsprechenden Wohnraum zur Verfügung stellen können, und das ist auch meine Motivation, für den Wohnraum, für das Wohnen entsprechend politisch tätig zu sein.
GROẞ: Vielen herzlichen Dank Ihnen, meine Damen und Herren, für diese spannende Diskussion mit vielen Übereinstimmungen, wie ich denke, in einzelnen Sachpunkten; natürlich auch mit vielen Unterschieden – das war klar –, mit einigen vielleicht durchaus überraschenden Verbindungen, die sich da aufgetan haben, um nicht gleich von Koalitionen zu reden, Herr Schrangl. Ihnen (in Richtung Hanel-Torsch) noch einmal herzlichen Dank für Ihre Expertise, und Ihnen, meine Damen und Herren, für Ihr Interesse und fürs Dabeisein. Wir sehen uns in einem Monat wieder. Bis dahin alles Gute und auf Wiedersehen!