Wie kommen Handel und Tourismus aus der Krise?
Podcast: Politik am Ring #2 vom 14. Dezember 2020
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Thema
In der zweiten Ausgabe von Politk am Ring diskutieren live in der Mediathek der Parlamentshomepage die Wirtschafts- bzw. Tourismussprecherinnen und -sprecher der fünf Parlamentsfraktionen unter dem Eindruck der Corona-Krise zum Thema: Weihnachtsgeschäft abgesagt? Wie kommen Handel und Tourismus aus der Krise?
Teilnehmer:innen der Diskussion
Abgeordnete:
- Karl Schmidhofer (ÖVP)
- Christoph Matznetter (SPÖ)
- Erwin Angerer (FPÖ)
- Elisabeth Götze (Grüne)
- Josef Schellhorn (NEOS)
Eingeladene Fachleute:
- Josef Baumgartner, Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
- Mike Peters, Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus an der Universität Innsbruck
Diskussion
Tourismussprecher Karl Schmidhofer (ÖVP) verwies auf das Bemühen der Regierung, den einzelnen Unternehmen zu helfen. "Wir dürfen hoffen, dass das Ersparte wieder in die Wirtschaft geht", sagte er. "Unterstützungen wie beispielsweise der Kinderbonus stärken das Familieneinkommen. Insgesamt aber sollte nach der gesundheitlichen Krise der Konsum wieder ansteigen.". Christoph Matznetter (SPÖ) wies unter anderem speziell auf die Probleme im Buchhandel hin. "Wir haben durch die Pandemie einen beschleunigten Systemwandel", sagte er. "Kleine Buchhändler haben schließen müssen, während Amazon liefern durfte. Das ist ein unfairer Wettbewerb. "Diese Regierung hat auf Angst gesetzt, man hat Menschen verunsichert", kritisierte Erwin Angerer (FPÖ). "Das hat zu einer Zweiklassengesellschaft geführt, denn es war immer viel zu bürokratisch und für Unternehmer sehr aufwändig, zu Geld zu kommen."
"Wir haben schneller reagiert als Deutschland, das Geld ist schneller geflossen", unterstrich Elisabeth Götze von den Grünen. "Gastronomie und Tourismus wurden gut unterstützt." Zum Thema Sonntagsöffnung verwies Götze darauf, dass dies die Zeit für Familien sei und internationale Studien zeigten, dass offene Geschäfte am Sonntag keine wirtschaftliche Relevanz hätten. Sepp Schellhorn (NEOS) kritisierte hingegen "chaotische Hilfsmaßnahmen". "Die Vorgaben für die Hilfen waren schleppend und viel zu bürokratisch", betonte er.
Für Josef Baumgartner vom WIFO ist derzeit kein Ende der Wirtschaftskrise abzusehen. "Auch das nächste Jahr ist noch unsicher, denn es ist noch nicht klar, wie sich die Impfungen auswirken werden", sagte Baumgartner. Für Mike Peters von der Universität Innsbruck führen die aktuellen Vorgaben zu großer Frustration bei Hoteliers, RestaurantbesitzerInnen und LiftbetreiberInnen. "Für die Gastronomieist das schwer zu managen und völlig unwirtschaftlich, denn die Planbarkeit ist ein zentraler Faktor."
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Transkript
Anmoderation: In dieser Folge von Politik am Ring, der Diskussionssendung des Parlaments, diskutiert Moderator Gerald Groß mit den Abgeordneten Karl Schmidhofer von der ÖVP, Christoph Matznetter von der SPÖ, Erwin Angerer von der FPÖ, Elisabeth Götze von den GRÜNEN und Josef Schellhorn von NEOS darüber, wie Handel und Tourismus aus der Krise kommen. Zu Gast sind Josef Baumgartner vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung und Mike Peters von der Universität Innsbruck. Das Gespräch haben wir am 14. Dezember 2020 im Dachfoyer der Wiener Hofburg aufgezeichnet.
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Gerald GROẞ (Moderator): Einen wunderschönen guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren, herzlich willkommen bei der bereits zweiten Ausgabe von „Politik am Ring“, dem Talkformat des Österreichischen Parlaments! Einmal im Monat diskutieren hier im Dachfoyer der Wiener Hofburg, des Ausweichquartiers des Österreichischen Parlaments, Abgeordnete der im Nationalrat vertretenen Parteien – die Fach- und Bereichssprecherinnen und -sprecher der jeweiligen Parteien – sowie Expertinnen und Experten zu einem aktuellen politischen Thema. Die letzte Nationalratssitzung dieses Jahres hat Ende der vergangenen Woche hier im Haus stattgefunden, sie war natürlich ganz vom Thema Corona geprägt, und das wird auch unsere Sendung wieder sein. Ganz konkret geht es um die wirtschaftlichen Auswirkungen von Corona unter dem Titel „Weihnachtsgeschäft abgesagt? Wie kommen Handel und Tourismus aus der Krise?“. Ich begrüße Sie hier – coronakonform! – am wahrscheinlich größten Moderationstisch Österreichs. Ich sitze hier nicht alleine, sondern bin von Abgeordneten umgeben, und ich darf Sie herzlich willkommen heißen. Ich begrüße ganz herzlich Josef Schellhorn – Sepp Schellhorn muss man eigentlich sagen, das haben wir vorhin ausgemacht, weil man ihn unter seinem ganz offiziellen Namen möglicherweise gar nicht kennt. (Abg. Schellhorn: Dann verwechselt man mich!) Er stammt aus einer Salzburger Gastronomenfamilie, betreibt selber den Seehof in Goldegg und noch einige andere Häuser in Stadt und Land Salzburg und ist seit Langem auch in der Interessensvertretung aktiv: Er war unter anderem zehn Jahre Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung. – Herzlich willkommen!
Josef SCHELLHORN (NEOS): Guten Abend!
GROẞ: Ich begrüße ihm gegenüber Karl Schmidhofer von der ÖVP. Auch er ist im Zivilleben Gastwirt, Hotelgeschäftsführer und Geschäftsführer von Skibetrieben und Bergbahnen. Er ist unter anderem auch Präsident des Steirischen Skiverbandes, wenn ich das richtig recherchiert habe, und er ist – wenn vielleicht bei Ihnen, meine Damen und Herren, beim Namen Schmidhofer der Groschen gefallen ist – tatsächlich mit Nicole Schmidhofer verwandt: Er ist der Onkel, wenn ich das richtig recherchiert habe. – Herzlich willkommen!
Karl SCHMIDHOFER (ÖVP): Guten Abend!
GROẞ: Ich begrüße des Weiteren Elisabeth Götze von den Grünen. Sie ist von ihrer Ausbildung her Betriebswirtin, hat beruflich überwiegend im akademischen Bereich – an verschiedenen Universitäten und Fachhochschulen in Österreich – gearbeitet, war vor dem Einzug in den Nationalrat Vizebürgermeisterin der schönen Wienerwaldgemeinde Eichgraben und ist in der Grünen Wirtschaft tätig. – Herzlich willkommen, Frau Götze! Ich begrüße Christoph Matznetter. Er ist Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes Wien und Vizepräsident der Wirtschaftskammer Österreich. Er ist ehemaliger Staatssekretär im Finanzministerium und im Zivilberuf Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. – Ebenfalls herzlich willkommen! Last, but not least, darf ich Erwin Angerer von der FPÖ herzlich willkommen heißen. Er stammt aus Kärnten, war im Zivilberuf zunächst Bautechniker, dann EDV-Techniker, war in verschiedenen Firmen im Vertrieb tätig und ist Wirtschaftssprecher der FPÖ. – Herzlich willkommen! Die Stimmung in der Wirtschaft – wie ist sie? So einfach ist das gar nicht auf den Punkt zu bringen, denke ich. Vielleicht kann man sich mit dem saloppen Wort durchwachsen behelfen, denn natürlich gibt es auf der einen Seite Branchen wie etwa den Lebensmittelhandel oder den Sportartikelhandel, in denen in den vergangenen Monaten die Kassen geklingelt haben und wohl noch immer klingeln, aber auf der anderen Seite gibt es Unternehmen, die nur dank der Krisenhilfe der Regierung überhaupt über die Runden kommen. Manche haben wahrscheinlich das heurige Jahr ohnedies bereits abgeschrieben und hoffen, im nächsten Jahr vielleicht durchstarten zu können. Wir haben uns bei Betroffenen umgehört und dies im folgenden Film zusammengefasst.
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Es folgt eine Videoeinspielung:
Sonja Völker (Unternehmerin): Es kann sich in Wirklichkeit nicht ausgehen, dass wir annähernd auf den Umsatz kommen, den wir in den letzten Jahren hatten, aber man muss halt das Beste daraus machen.
Eugen Fischbacher (Hotelier): Man kann heute die Schulden stunden – es wird aber irgendwann schlagend. Wenn ich es bis dato, bis jetzt nicht verdiene, wie soll ich es in Zukunft verdienen?
Sprecher: Wir erleben gerade eine Vorweihnachtszeit, die vom Kampf gegen die Coronapandemie geprägt ist – eine Ausnahmesituation, auch für die Wirtschaft. Die Regierung verspricht rasche Hilfe.
Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Im Speziellen den Firmen, die nicht in die Pleite gegangen sind, wird rasch, relativ zielgerichtet – hundertprozentig passgenau kann das nicht sein – und letztendlich großzügig geholfen, und sie werden unterstützt. Das ist zum allgemeinen Besten – es ist ja nicht nur eine Gönnerhaftigkeit.
Sprecher: Der Handel darf zwar nach dem zweiten harten Lockdown dieses Jahres wieder aufsperren, es gelten aber weiter Einschränkungen. Einige Branchen kommen besser durch die Krise als andere: Im Fachhandel mit Nichtnahrungsmitteln gibt es in den ersten neun Monaten des Jahres 2020 ein Umsatzminus von 2,9 Prozent. Besonders stark treffen die Rückgänge Geschäfte, die mit Bekleidung und Schuhen handeln. Diese Unternehmen verbuchen einen Umsatzrückgang von 20,7 Prozent. Im Lebensmittelhandel hingegen kommt es zu einem Zugewinn von 8,4 Prozent. Ein weiterer Gewinner ist der Versand- und Interneteinzelhandel mit einem Umsatzplus von 12,5 Prozent. Unter anderem will die Regierung mit Fixkostenzuschüssen und Umsatzersatz helfen.
Finanzminister Mag. Gernot Blümel, MBA: Wir haben im Handel Ertragsdaten in sehr anderer Höhe als beispielsweise im Dienstleistungsbereich, und deswegen haben wir uns dafür entschieden, eine möglichst gerechte und faire Lösung zu finden. Wir haben drei verschiedene Abstufungen des Umsatzersatzes: 20, 40 und 60 Prozent. Bei körpernahen Dienstleistungen, zum Beispiel Friseuren, Masseuren, Kosmetikern et cetera, werden wie bei den anderen Dienstleistungen 80 Prozent des Umsatzes im Vergleichszeitraum ersetzt.
Sprecher: Hotels und Restaurants bleiben weiter geschlossen, zumindest bis zum 6. Jänner nächsten Jahres. Bei Beherbergungsunternehmen und in der Gastronomie kommt es bereits im Zeitraum von Jänner bis September 2020 zu einem Umsatzminus von 5,4 Prozent. Nun ist für sie auch das Geschäft in den Weihnachtsferien abgesagt.
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GROẞ: Ich möchte gleich mit Ihnen, Herr Abgeordneter Schellhorn, beginnen: Sie waren in der Vergangenheit immer wieder einer der schärfsten Kritiker der Regierungspolitik in Sachen Coronahilfen. Einmal haben Sie Bundesminister Blümels Abwicklung der Maßnahmen insgesamt als chaotisch bezeichnet. Machen Sie es sich damit nicht zu einfach? Ist nicht auch viel Gutes passiert, und muss man nicht ehrlicherweise sagen, dass es viele Unternehmen einfach nicht mehr geben würde, wenn es diese Hilfen nicht gegeben hätte?
SCHELLHORN: Chaotisch war es zumindest – das muss man sagen – bis in den November hinein, weil die Hilfen sehr schleppend und die Vorgaben extrem bürokratisch waren. Zu dieser Kritik stehe ich noch immer, weil wir immer auch die Verquickungen mit der Wirtschaftskammer – beim Härtefallfonds für die Einpersonenunternehmen – und all diese Themen als extrem bürokratisch und nicht zielführend gesehen haben. Wir als Oppositionspartei haben auch immer wieder den Vorschlag gemacht, das doch über die Finanzämter abzuwickeln, damit es schneller läuft und auch die Datensicherheit gewährleistet ist. Dazu stehen wir. Man muss aber auch sagen, dass im November die Hilfen – dieser ominöse 80-prozentige Umsatzersatz vor allem für die touristischen Betriebe – sehr schnell gelaufen sind. Warum? – Weil Herr Bundesminister Blümel sich wahrscheinlich auch der Opposition angenommen hat und die Abwicklung über die Finanzämter – über Finanzonline – hat stattfinden lassen. Das Ansuchen war schnell und sehr kurz – in 5 Minuten hatte man das Ansuchen abgewickelt –, und dann floss auch das Geld, was wichtig war, denn wir müssen auch sagen, dass es für viele Betriebe nicht mehr möglich gewesen wäre, das 14. Monatsgehalt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszubezahlen.
GROẞ: Herr Angerer, Sie haben kritisiert, dass die türkis-grüne Regierung mit ihren Coronamaßnahmen eine Zweiklassengesellschaft in der österreichischen Wirtschaft geschaffen habe. Wie haben Sie das denn gemeint?
Erwin ANGERER (FPÖ): Vielleicht vorausgeschickt: Aus unserer Sicht sollten Verantwortungsträger in einer schwierigen Situation Vertrauenswürdigkeit und Sicherheit ausstrahlen, und es braucht Planbarkeit. Diese Regierung hat von Anfang an auf Panik, Verunsicherung und Angst gesetzt. Man hat Bilder gezeigt, die die Menschen verängstigt haben. Man hat nicht gesagt: Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme, und wir werden diese Krise schon überstehen! – Man hat die Wirtschaft und auch die Menschen in diesem Land schwerst verunsichert, und ich glaube, das war der große Fehler. Dass man eine Zweiklassengesellschaft erzeugt hat, bezieht sich auf die Förderungen oder Unterstützungen, die ja am Anfang alles anderes als das waren, was Herr Kogler in dem Beitrag gesagt hat: „rasch, [...] zielgerichtet [...] und großzügig“. Es war immer bürokratisch und sehr aufwendig für die Unternehmer, überhaupt zu etwas zu kommen, und dann haben die Kleinen – EPUs und KMUs – vor allem im ersten Zeitraum mit 500 Euro Almosen empfangen. In der zweiten Welle hat es dann geheißen: Jetzt gibt es 1 000 Euro! – Es ist also alles nicht so geflossen, wie es gesagt worden ist: Es wird keiner zurückgelassen, koste es, was es wolle! – Das waren die Aussagen, passiert ist es ganz anders. Es gibt in dieser Krise – das hat man ja auch in Ihrem Beitrag gesehen – einfach Branchen, die massiv betroffen sind, und wiederum andere Branchen, die Gewinne machen. Dazwischen gibt es noch welche, die überhaupt durch den Rost fallen und gar nichts bekommen. Es sind Hilfspakete geschnürt worden – Sepp Schellhorn hat eines erwähnt, das am Schluss, im November, gut funktionieren hat –: Die Gastronomie hat einen Umsatzersatz von 80 Prozent bekommen, aber die gesamten Zulieferer für die Gastronomie kriegen bis heute gar nichts. Herr Blümel denkt gerade darüber nach, dass er auch den Zulieferern helfen möchte. Das heißt, die ganze Zulieferbranche, die die Gastronomie beliefert – angefangen von der Molkerei über den Bäcker bis zu den Getränkehändlern –, bekommt zurzeit gar nichts.
GROẞ: Das ist ja etwas, was auch Sie, Herr Matznetter, in der Vergangenheit immer wieder kritisiert haben. Sie haben aber auch gesagt, dass man zum Beispiel zur Stärkung der österreichischen Handelsunternehmen die internationalen Onlinehändler stärker besteuern müsste. Dafür brauche es, haben Sie gesagt, eine grundlegendere Form des Steuersystems mit voller Transparenz bei Amazon und Co. Mit Verlaub: Wird das nicht zu wenig sein?
Dr. Christoph MATZNETTER (SPÖ): Wir müssen Folgendes sehen: Wir haben – durch die Pandemie getriggert – einen wirklichen Systemwandel beschleunigt. Wir haben einen stationären Handel, der Zug um Zug immer stärker unter Druck gerät, und eine technologische Veränderung, die natürlich laufend erfolgt, wurde jetzt beschleunigt. Ich möchte anhand von ein paar Branchen aufzeigen, was es heißt, wenn heute beispielsweise eine österreichische Buchhandlung einfach gesperrt wurde, und zwar zu einer Hauptgeschäftszeit – dem Weihnachtsgeschäft. Gleichzeitig boomt der Onlinehandel, bei dem die Wertschöpfungskette aus dem Ausland kommt. In Wahrheit zahlt der kleine Buchhändler schon mehr Steuern als ein Riesenkonzern wie Amazon, dessen Hauptaktionär Jeff Bezos schon nach dem ersten Lockdown um 26 Milliarden Dollar reicher war – einfach nur durch die Entwicklung. Ehrlich gesagt: Dem kann man nicht länger zuschauen, das ist ein unfairer Wettbewerb. Dass dann auch noch Absurditäten kamen, wie dass die Regierung dem Buchhändler selbst verboten hat, dass die Bücher vom Kunden kontaktlos abgeholt werden können, fällt nur noch unter kafkaeske Randerscheinungen einer überbordenden Bürokratie. Die Kollegen haben recht, wenn Sie sagen: viel zu viel Bürokratie! Manche Dinge sind besser geworden, und ich teile die Einschätzung, dass dieser Umsatzersatz, der ja von den Deutschen abgekupfert wurde – wir haben das alle verlangt –, diesmal von der Regierung geschaffen wurde. Copy and Paste sind nicht ganz gelungen – ein paar Sachen nicht –, aber das hat besser funktioniert. Der Fixkostenzuschuss hat ehrlich gesagt nicht funktioniert. Es sind immer noch drei von sechs Monaten für Fixkostenzuschuss Phase eins, der Antrag für den Fixkostenzuschuss Phase zwei ist für die Leute nicht ausfüllbar. Bei den indirekt Betroffenen gibt es Branchen, die überhaupt nichts bekommen. Ich bleibe bei dem Beispiel, das zwar nicht aus dem Handel, aber gleichartig ist: Reisebüros. Was ist mit ihnen? Sie sind nicht geschlossen worden, sie bekommen keinen Umsatzersatz. Sie haben maximal drei Monate Fixkostenzuschuss Phase eins bekommen – lächerlich! –, und Fixkostenzuschuss Phase zwei bekommen sie vielleicht einmal. Andere Branchen von indirekt Betroffenen – das wurde schon angesprochen – haben bis heute nichts, sondern nur Ankündigungen. So sehr man Gernot Blümel schätzen mag: Seine Ankündigung ist nicht als Liquidität für den Betrieb verwertbar.
GROẞ: Jetzt ist es ja so, dass wir hier bei „Politik am Ring“ mehr als nur den Austausch der ohnehin schon bekannten Standpunkte anbieten wollen. Ich weiß, dass, wenn ich die Vertreter der Regierungsparteien frage, natürlich die Versuchung groß ist, zunächst einmal die Linie und die Politik der Regierung zu verteidigen, aber ich darf vielleicht Sie, Frau Götze, ansprechen und gleich zu Beginn daran erinnern, was Vizekanzler Kogler in unserem Beitrag gesagt hat: großzügig und unbürokratisch – es ist bereits zitiert worden – beziehungsweise treffsicher, wobei er die Treffsicherheit auf das eingeschränkt hat, was es eben möglich ist, und er hat ja auch eingestanden, dass es hundertprozentig nie möglich sein wird. Ganz selbstkritisch: Wobei würden Sie denn heute anderes vorgehen, beziehungsweise welche Dinge würden Sie anders machen?
Dr. Elisabeth GÖTZE (Grüne): Wir müssen sehen, dass es die größte Gesundheitskrise ist, die wir mindestens seit dem Zweiten Weltkrieg gesehen haben. Wir haben sehr schnell darauf reagiert – das muss man trotz allem sagen –, auch im Vergleich zu Deutschland ist bei uns das Geld zum Teil viel rascher geflossen. Wir haben es geschafft, einen Großteil der Unternehmen durch die Krise zu bringen. Wir haben Rückgänge von über 40 Prozent bei Insolvenzen. Das heißt nicht, dass es den Unternehmen gut geht, aber unter den gegebenen Umständen: as good as it gets! Wir haben es, glaube ich, so weit ganz gut gemeistert. Wenn Sie jetzt fragen, was wir besser machen würden: Vielleicht war es zuerst zu langsam, jetzt ist es vielleicht zu schnell, manche sagen, jetzt ist es zu viel – das haben wir auch schon gehört. Es ist einmal zu viel, dann zu wenig, zu spät, zu schnell. Ich glaube, was im Moment gut funktioniert, ist, dass die Unternehmen in Gastronomie und Tourismus gut unterstützt werden. Angesprochen wurden schon die indirekt Betroffenen, auch für sie wird es noch vor Weihnachten eine Lösung geben – auch daran arbeitet man sehr rasch.
GROẞ: Herr Schmidhofer, wir haben die Gesundheitskrise noch lange nicht überwunden, und ich denke, es ist viel zu früh, um Entwarnung zu geben, auch wenn sich durch die bevorstehenden Impfungen so etwas wie ein Licht am Ende des Tunnels abzeichnet, aber ist es aus Ihrer Sicht denkbar, dass wir in einem Jahr vielleicht die Gesundheitskrise überwunden haben, uns dann aber mit einer massiven Wirtschaftskrise herumschlagen müssen?
SCHMIDHOFER: Zunächst einmal hat uns in der Wirtschaft diese Pandemie natürlich sehr, sehr stark getroffen. Dass man nicht gleich einmal die fertigen Pläne dafür, wie wir unterstützen, in der Schublade hat, ist, glaube ich, auch klar. Die Regierung hat sich von Anfang an bemüht – auch mit Sondersitzungen, wir waren sogar sonntags im Parlament –, den einzelnen Unternehmerinnen und Unternehmern zu helfen. Weil Sie ansprechen, was danach sein wird: Das Erste ist einmal, dass wir diese Gesundheitskrise in den Griff bekommen, und für danach wird ja parallel schon gearbeitet: Wir haben einen Run auf die Investitionsprämie in der Höhe von zwei und jetzt aufgestockt drei Milliarden Euro. Das löst nachhaltige Investitionen aus. Wir stehen jetzt bei 22 Milliarden Euro, die investiert werden. Das hilft den Betrieben draußen natürlich, und nicht – weil das immer gesagt wird – den großen, sondern wir helfen insbesondere den Kleinst-, den Klein- und den Mittelbetrieben. Für sie macht der Kuchen von dieser Investitionsprämie 72 Prozent aus, 28 Prozent für die großen. Das heißt, das hilft natürlich dem kleinen Unternehmer, auch in Zukunft zu investieren, damit die Wirtschaft in Österreich insgesamt am Laufen bleibt.
GROẞ: Ich sage Danke für diese erste Runde. Es ist der Punkt, an dem ich gerne unseren ersten Experten herzlich willkommen heißen und vorstellen möchte: Dr. Josef Baumgartner ist Volkswirt und Senior Economist am Wirtschaftsforschungsinstitut. Er hat seinen Schwerpunkt unter anderem auf der Erstellung mittelfristiger Prognosen und wirtschaftspolitischer Simulationen mit dem Wifo-Macromod, einem ökonometrischen Modell der österreichischen Wirtschaft. Was sagt denn dieses Modell jetzt, beziehungsweise können Sie – die nächste Wifo-Prognose wird, glaube ich, am 18.12. veröffentlicht – schon eine aktuelle Einschätzung geben und ein wenig vorwegnehmen?
Mag. Dr. Josef BAUMGARTNER (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung): Ich kann das noch nicht wirklich veröffentlichen, weil es noch nicht fertig und noch im Entstehen ist. Es wird diese Woche abgeschlossen. Bei der generellen Entwicklung gehen wir schon davon aus, dass die Wirtschaftsentwicklung heuer mindestens minus sieben Prozent betragen wird – das heißt, dass die Wirtschaft deutlich schrumpfen wird. Die Arbeitslosigkeit wird im Jahresschnitt auf um die 410 000 Personen ansteigen, das sind fast 110 000 Personen mehr als im Vorjahr. Es ist die größte Wirtschaftskrise, die wir beobachten, seitdem wir vernünftige ökonomische Aufzeichnungen haben. Es ist noch nicht wirklich ein Ende abzusehen – das ist das Problem. Das nächste Jahr ist noch sehr unsicher, weil noch nicht wirklich klar ist, wie es weitergehen wird – ob die Impfungen wirklich die Entspannung bringen, die jetzt erwartet und erhofft wird. Wenn man sich ansieht, wie zurückhaltend die Bevölkerung auf die Frage reagiert, ob sie sich impfen lässt, dann erkennt man, dass die Hoffnung möglicherweise etwas übertrieben ist.
GROẞ: Wir haben ja jetzt schon die Erfahrung zweier Lockdowns. Wenn Sie den ersten und den zweiten Lockdown aus wirtschaftlicher Sicht miteinander vergleichen: Wie unterscheiden sie sich? Der zweite ist in den Auswirkungen gewissermaßen milder ausgefallen, wenn ich das richtig sehe.
BAUMGARTNER: Ja, der erste Lockdown, wenn man es Woche für Woche mit dem Vorjahr vergleicht: Wir haben heuer einen wöchentlichen Wirtschaftsindikator entwickelt, mit dem wir mit ungefähr ein, maximal zwei Wochen Verzögerung versuchen, die aktuelle wirtschaftliche Lage abzuschätzen, und nach dem ist zum Tiefpunkt Mitte April die Wirtschaftsleistung ungefähr um knapp 25 Prozent unter dem Vorjahreswert gelegen. Jetzt im Herbst haben wir die letzte Lockdownwoche als letzte Beobachtung. Das ist sozusagen der vermutete Tiefpunkt. Da sind es knapp 15 Prozent. Das heißt, es sind schon zehn Prozentpunkte Unterschied: dass der jetzige Lockdown kein derartig tiefes Cut wie der erste Lockdown im zweiten Quartal in die wirtschaftliche Entwicklung gerissen hat. Was ist der Grund dafür, dass es dieses Mal nicht ganz so tief gegangen ist? – Das kommt zum einen aus der Sachgütererzeugung, in der es keine Einschränkungen in den Lieferketten wie im ersten Lockdown gegeben hat – als zum Teil die Produktion einfach stillgestanden ist, weil Vorprodukte gefehlt haben, und insgesamt dadurch die Produktion sehr eingeschränkt war. Das haben wir in der aktuellen Situation nicht. Das Zweite ist die Bauwirtschaft, die im ersten Lockdown zum Teil auch stillgestanden ist. Das ist jetzt im zweiten Lockdown auch nicht der Fall. Das heißt, der produzierende Bereich war vom zweiten Lockdown fast nicht betroffen. Es hat sich vor allem wieder auf den Dienstleistungsbereich beschränkt: persönliche Dienstleistungen, Handelsdienstleistungen mit Ausnahme der systemrelevanten Bereiche und eben die Dienstleistungen im Bereich Gastronomie, Hotellerie und Veranstaltungswesen.
GROẞ: Ich möchte Sie nicht unterbrechen, ich möchte nur an diesem Punkt vielleicht wieder einen Blick hinaus in die Wirtschaftswelt Österreichs machen und Betroffene zu Wort kommen lassen. Es sind ja sehr gegensätzliche Bilder, die uns in den vergangenen Tagen geliefert wurden: leere abendliche Einkaufsstraßen, leere Plätze, auf denen in normalen Jahren die Stände der Christkindelmärkte und Punschhütten die Kaufwilligen und Adventsgestimmten in Scharen angelockt haben, und auf der anderen Seite Warteschlagen vor den Portalen großer internationaler Möbelhäuser, von Autos der Paketdienste verstopfte Straßen und so weiter und so fort. Wie geht es dem Handel in der eigenen Einschätzung? Wer sind die Verlierer, wer die Gewinner? Und welche Hilfen braucht es?
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Es folgt eine Videoeinspielung:
Sonja Völker: Wir waren in sehr freudiger Erwartung, weil Weihnachten ja unser wichtigstes Geschäft im ganzen Jahr ist, und wir waren alle motiviert. Die Enttäuschung nach den paar Tagen ist ein bisschen gegeben, weil es leider nicht so ein Ansturm oder so ein Kommen war, wie wir uns das gewünscht und auch gebraucht hätten.
Sprecher: Sonja Völker versucht trotzdem, optimistisch zu bleiben. Die Unternehmerin hat fünf Geschäfte für Kindermode und Papierwaren in Wien. In ihren Innenstadtgeschäften fehlen die Touristen und auch die Angestellten aus den Büros, die jetzt im Homeoffice sind. Außerdem machen ihr die Auflagen schwer zu schaffen.
Sonja Völker: In dieses Geschäft hier dürfen vier Personen. Das ist ohnehin noch ein großes (erheitert). In den Papeterien habe ich ein richtiges Problem, sie sind nämlich teilweise sehr klein, und ich darf nur zwei bis drei Personen reinlassen, was auch bei diesen kleinpreisigen Sachen für mich eine große Einschränkung ist. Wir zählen da sonst vor Weihnachten richtig viele Menschen, die Kleinigkeiten wie Weihnachtskarten kaufen. Wir können durch diese Einschränkung eigentlich gar nicht den Umsatz erreichen, den wir brauchen oder sonst haben.
Sprecher: Noch kann Sonja Völker alle ihre MitarbeiterInnen halten, hat niemanden in Kurzarbeit geschickt.
Sonja Völker: Der bürokratische Aufwand bei dieser Kurzarbeit ist unglaublich. Für den Fixkostenzuschuss hatte ich nur ein Minus von 38 Prozent, und 40 Prozent hätte ich gebraucht. Das ist natürlich ärgerlich, weil ein Minus von 38 Prozent zum Vergleichszeitraum schon auch gewaltig ist. Jetzt bekommen alle einen Umsatzersatz – natürlich gestaffelt, je nach Ware und Branche –, das ist eine gute Hilfe.
Sprecher: Doch was sie vor Weihnachten am dringendsten bräuchte, ist Zeit, um ihre Ware zu verkaufen.
Sonja Völker: Jeder Tag vor Weihnachten zählt, und umso wichtiger wäre es aus meiner Sicht gewesen, dass man sagt: Diese zwei Sonntage geben wir dem Handel. – Ich spreche nicht von einer prinzipiellen Sonntagsöffnung. Meine Mitarbeiter – Entschuldigung, ich weiß, sie hätten sich darum gestritten. Sie bekommen am Sonntag das Doppelte bezahlt, und ich habe nicht verstanden, dass die Gewerkschaft sofort laut schreit: Nein, um Gottes willen! – Da geht es um das Zusammenhalten!
Sprecher: Für die Gewerkschaft sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zurzeit ohnehin schon genug gefordert.
Roman Hebenstreit (Gewerkschaft Vida): Wir hören niemanden, der nach Sonntagsarbeit schreit, vor allem deshalb nicht, weil der Druck ohnedies schon groß genug ist und sie ja oftmals extrem dadurch gefordert sind, zum Beispiel Kinderbetreuung und ihr privates Leben zu organisieren. Wenn man ihnen noch dazu vor Weihnachten wieder einmal einen Sonntag nehmen möchte – das sind Herausforderungen, die sich die meisten Menschen gar nicht vorstellen können. Das ignoriert die Politik tatsächlich sichtbar. Sie sagen: Das wird schon irgendwie gehen, und die müssen schon. – Ja, ja, es wird irgendwie gehen, aber es wächst der Zorn auf die Maßnahmen, die getroffen werden, es schrumpft das Vertrauen in die Politik, und der Unmut und dieses Gefühl, ungleich und ungerecht behandelt zu werden, wachsen für uns spürbar.
Sprecher: Auch wenn sie an den kommenden Sonntagen nicht öffnen darf, hofft Sonja Völker nun darauf, dass ihre Kunden in den kommenden Tagen den Weg in ihre Geschäfte finden – und dass sie dieses Jahr doch noch mit einem blauen Auge überstehen wird.
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GROẞ: Herr Matznetter, sie bräuchte mehr Zeit, um ihre Waren zu verkaufen. Diese zwei Sonntage sind angesprochen worden. Sie haben wahrscheinlich damit gerechnet, dass ich Sie darauf ansprechen werde: Die SPÖ ist dagegen, die Gewerkschaft ist massiv dagegen. Auf der anderen Seite ist der Vorschlag von Wirtschaftskammerpräsidenten Mahrer gekommen. Wohnen da in Ihrer persönlichen Brust zwei Seelen, und wäre das nicht der Zeitpunkt gewesen, einmal über den eigenen Schatten zu springen?
MATZNETTER: Ich tue mich leicht, ich antworte genauso wie der frühere Wiener Bürgermeister Michael Häupl und der jetzige Bürgermeister Michael Ludwig: Es ist ja nicht so, dass Österreich am Sonntag zu ist. In Fremdenverkehrsgemeinden gibt es Sonntagsöffnungen, der jeweilige Landeshauptmann ist berechtigt, das zu erlassen, und der Wiener Bürgermeister – also auch der jetzige – würde sich jeder Regelungen anschließen, die eine entsprechende Einigung der Sozialpartner hat. Das ist typisch etwas, was klar in den Schoß der Sozialpartnerschaft gehört. Wir haben gehört, was die Ansprüche sind, und vielleicht haben wir die Chance, auch über jene Menschen zu reden, die bis jetzt bis auf das Klatschen nichts bekommen haben – die Systemerhalter –, und es waren Zigtausende, ja Hunderttausende, die im Handel ein ganz schwieriges Jahr hinter sich haben. Wir haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesehen, die mit Maske arbeiten müssen, die die versprochenen Extratausender nicht bekommen haben. Ich verstehe und meine, dass es in den Verhandlungen Aufgabe der Sozialpartner ist, eine Lösung vorzuschlagen, und ich bin überzeugt davon, dass der Wiener Bürgermeister, wenn es die Lösung gibt, so wie in manchen anderen Gemeinden Österreichs den Sonntag auch temporär freigeben würde.
GROẞ: Ich möchte ganz kurz zu diesem Thema die Runde machen: Sonntagsöffnung, beziehungsweise vor allem diese beiden Sonntage jetzt.
SCHMIDHOFER: Es wurde grundsätzlich schon angesprochen, dass diese Sonntagsöffnung in den Tourismusorten ja schon immer möglich war – das wollte ich nur anmerken. Wir haben jetzt noch die zwei Samstage vor Weihnachten von 18 auf 19 Uhr verlängert, das wurde kurzfristig von der Wirtschaftsministerin gemacht, und abgestimmt – da bin ich bei Herrn Kollegen Matznetter – wird es natürlich Möglichkeiten geben. Wenn sich die Sozialpartnerschaft einigen kann, dann kann es eine Lösung in diese Richtung geben.
GROẞ: Herr Angerer.
ANGERER: Ich glaube, außergewöhnliche Situationen brauchen außergewöhnliche Lösungen, aber das braucht natürlich auch ein entsprechend flexibles und gutes Management. Das haben wir leider in dieser Bundesregierung nicht. Ich glaube, wenn man den Mitarbeitern in den Betrieben beispielsweise angeboten hätte, dass der Sonntag steuerfrei ist und sie auch persönlich etwas davon haben, wenn sie am Sonntag arbeiten, dann hätte man beiden geholfen. Dann hätte man den Unternehmern geholfen, dass sie offen haben können, und auch den Mitarbeitern einen Anreiz gegeben, indem sie am Sonntag eine Belohnung dafür bekommen.
So ähnlich hat man es bei den Helfern bei unseren Tests, die wir gestern und vorgestern in Kärnten durchgeführt haben, gemacht: Da hat man gesagt, das sei für diese Helfer steuerfrei. Heute habe ich aber gehört, dass es jetzt schon Bedenken gibt, ob das wirklich so ist, ob sie nicht das Geld, das sie gestern bekommen haben, doch versteuern müssen, weil es keine gesetzliche Grundlage für diese Steuerfreiheit gibt. Das Zweite ist: Es steht im Raum, dass wir gestern Schwarzarbeiter in unseren Gemeinden angestellt hätten. Ich weiß es nicht. Das sind Dinge, die einfach bei einer Pressekonferenz verkündet werden, ohne dass man darüber nachdenkt, was danach passiert, und das ist einfach Missmanagement.
GROẞ: Frau Götze.
GÖTZE: Also, klar ist: Wenn, dann braucht es eine Sozialpartnereinigung, und die sehe ich im Moment nicht. Man muss schon auch sehen, dass Sonntage ja auch Zeiten für die Familie sind, Zeiten sind, sich um die Kinder zu kümmern. Es gibt eine aktuelle Studie der Johannes Kepler Universität, die zeigt, dass das Weihnachtsgeschäft in Summe um voraussichtlich nur 2 Prozent zurückgehen wird. Also insofern, glaube ich, muss man da schon abwägen, ob es das wirklich wert ist, den Sonntag aufzugeben.
GROẞ: Ist es das wert, Herr Schellhorn?
SCHELLHORN: Wir diskutieren hier jetzt nur über zwei Sonntage in dieser Weihnachtszeit und weil es die Coronapandemie gibt – das muss man einmal sagen! –, und wenn Herr Matznetter und Herr Schmidhofer darüber diskutieren, dass es eine sozialpartnerschaftliche Einigung geben muss, dann muss man sagen, die zwei Sonntage sind de facto futsch, weil es nicht darum geht. Es ging ja auch darum, eine Entzerrung im Handel herbeizuführen, dass in Geschäften auch das Anstehen sozusagen ein bisschen entzerrt wird. Ich denke – da muss ich Frau Kollegin Götze ein bisschen widersprechen –, ich kann mir nicht vorstellen, dass das Weihnachtsgeschäft im Handel nur um 2 Prozent einbricht. Da muss ich einfach auch einmal den Tourismus und die touristische Kraft anführen und welche Kraft der Tourismus allein in der Stadt Wien hat. Hier gehört auch der Städtetourismus mit einbezogen, und es ist auch enorm wichtig zu betonen, dass das Shoppen zu den touristischen Motiven gehört. Wir haben ja generell eine andere Haltung – und zu der stehen wir nach wie vor –, nämlich dass es möglich sein muss, in den kommenden Jahren eine sozialpartnerschaftliche Einigung herbeizuführen, damit auch an Sonntagen geöffnet werden kann.
GROẞ: Vielen Dank. – Wieder zurück zu Ihnen, Herr Dr. Baumgartner vom Wifo: Jetzt steht diese Frage im Raum, dieser Rückgang im Handel von 2 Prozent wurde von Abgeordnetem Schellhorn angezweifelt. Ist das denkbar, was sagen Sie dazu?
BAUMGARTNER: Na ja, unsere Schätzungen sind schon, dass das Handelsvolumen insgesamt doch deutlich stärker zurückgehen wird, und vor allem gibt es eine sehr starke Verlagerung in den Onlinehandel. Das heißt, insgesamt mag das Handelsvolumen nicht so stark einbrechen, aber die Wertschöpfung, die in Österreich bleibt, wird deutlich zurückgehen, weil beim Onlinehandel sozusagen der Teil der Wertschöpfung vom Vertrieb in Österreich bleibt, aber insgesamt fallen die Gewinne woanders an.
GROẞ: Damit sind wir auch schon beim Thema Gewinner und Verlierer; der Onlinehandel ist ganz offensichtlich ein Gewinner. Das betrifft natürlich die ganz großen internationalen Händler, aber auch kleine, die sich bei uns möglicherweise in einer Nische etablieren konnten – Start-ups, wenn ich zum Beispiel an Markta und Ähnliches denke. Wer sind denn sonst noch jeweils die Gewinner und die Verlierer?
BAUMGARTNER: Im Onlinehandel sind es ganz eindeutig die großen internationalen Händler – Amazon, Zalando und wie sie alle heißen –, die massiv Marktanteile gewonnen haben und auch wenn die Pandemie vorbei ist wahrscheinlich nur mehr einen kleinen Teil dieser Marktanteilsgewinne wieder verlieren werden. Der große Verlierer ist also der stationäre Handel insgesamt, und dort im Speziellen, wie auch schon im Beitrag angesprochen, der Bereich Bekleidung. Der hat nach dem ersten Lockdown mehr oder weniger versucht, mit einem vorgezogenen Sommerschlussverkauf zu retten, was zu retten ist – es hat nur nicht wirklich geklappt. Die Umsätze sind deutlich eingebrochen, und auch sozusagen die Verlängerung des Sommerschlussverkaufs in den August hinein hat diese Umsatzlücken nicht wirklich gefüllt. Gewinner sind Produkte, die eine lange Lebensdauer haben und vor allem auch nicht saisonal irgendwie abgewertet werden, solche, die ich auch noch drei Monate später verkaufen kann, wie Möbel, wie Elektronik und so weiter, insbesondere Dinge, wo man im Lockdown auch draufgekommen ist – man verbringt mehr Zeit zu Hause, mehr Zeit im Homeoffice –, was da an zusätzlichen Anschaffungen bei der Computerausstattung und so weiter notwendig ist, aber auch Waren wie: Man sitzt zu Hause am Sofa und sieht, okay, das Teil ist doch schon 20 Jahre alt, vielleicht ist es jetzt an der Zeit, ein neues Sofa zu kaufen. – Diese Dinge haben nach dem Lockdown wirklich geboomt.
GROẞ: Sehen Sie eigentlich die Gefahr, dass in diesem heurigen Jahr einfach Investitionen von privaten Haushalten getätigt worden sind – weil sie Sportgeräte, das berühmte Fahrrad, vielleicht sogar ein zweites Fahrrad, angesprochen haben –, die möglicherweise dann nächstes Jahr fehlen werden? Man kauft sich dann ja wahrscheinlich kein drittes Fahrrad mehr im nächsten Jahr.
BAUMGARTNER: Na ja, es ist schon zu erwarten, dass dieser Mehrkonsum, der heuer in diesen Bereichen für dauerhafte Konsumgüter stattgefunden hat, Vorziehkäufe schon für die nächsten Jahre waren. Wie Sie eben gesagt haben: Man kauft sich nicht jedes Jahr ein neues Fahrrad – das wird dann vielleicht doch erst wieder in fünf Jahren der Fall sein –, man kauft sich nicht jedes Jahr eine neue Küchenausstattung oder neue Sitzmöbel. Bei dieser Nachfrage hat es natürlich auch in der Lieferung Engpässe gegeben, die hat sich insbesondere im Möbelhandel eigentlich noch über das gesamte Jahr hingezogen. Das wurde jetzt ein bisschen vom zweiten Lockdown unterbrochen und dürfte im ersten Quartal dann wieder weitergehen.
SCHELLHORN: Eines muss man ja ansprechen – ich habe gestern auch mit einem Salzburger Modeunternehmer gesprochen –, und das ist schon die fatale Kommunikation. Wie Sie richtigerweise gesagt haben, fand der Sommerschlussverkauf sehr schnell statt, man musste die Lager leer räumen. Dann wurde kommuniziert, wir sind eh bei den Besten dabei – „Licht am Ende des Tunnels“–, und die Unternehmer haben auch darauf vertraut, was die Regierung von sich gegeben hat, und haben wieder für den Winter eingekauft beziehungsweise gab es ja schon die Order vom Jahr davor. Das muss man schon auch sagen: Diese fatale Kommunikation hat auf der einen Seite Hoffnung geweckt, dass wir das überstanden haben – leider ist es ganz anders gekommen –, und was Sie gesagt haben, ist auch völlig richtig: Eines muss man schon auch betrachten: Im Jahr 2021 fehlt es einfach auch enorm an Kaufkraft. Das heißt also, bei einer immer weiter steigenden Arbeitslosigkeit ist der Konsum nicht mehr so vorhanden und die vorgezogenen Einkäufe werden nächstes Jahr nicht getätigt, also hier muss man vonseiten der Regierung vor allem daran denken, dass man für die mittelbar, nicht für die unmittelbar Betroffenen, also für die mittelbar Betroffenen endlich ein Projekt, eine Stütze ins Leben ruft, die ihnen das Überleben sichert. Frau Völker hat es auch richtig gesagt: Es ist einfach auch für ihre Mitarbeiter dementsprechend ganz anders zu sehen. Sie beschäftigt noch alle, sie hat nur 38 Prozent Umsatzeinbruch, aber wie ist das dann im Frühjahr?
GROẞ: Ich möchte dann auch noch einmal auf das Thema Kaufkraft zurückkommen. – Frau Götze, Sie wollten noch etwas ergänzen?
GÖTZE: Ich wollte nur sagen: Dass uns die Gesundheitskrise so getroffen und dass es gesundheitlich so einen Rückschlag gegeben hat, war jetzt nicht unbedingt abschätzbar (Abg. SCHELLHORN: Doch! Sie haben schon im Sommer von der zweiten Welle gesprochen!), das hat aber ganz Europa betroffen. Dass es so heftig kommt, damit haben wir nicht wirklich gerechnet, und insofern war schnell zu reagieren. Ich glaube, das Wichtigste ist – und darüber sind wir uns einig –, dass die Gesundheit wieder in Ordnung kommen muss, denn wenn wir nicht gesund sind, werden die Menschen nicht einkaufen gehen, dann werden sie nicht – wir sprechen nachher über den Tourismus und die Gastronomie – ausgehen können. Also das muss wieder in Ordnung kommen und das ist zu überbrücken, und ich glaube, das ist ganz gut gelungen. Wenn es um Saisonware geht, dann gibt es sehr wohl den Fixkostenzuschuss, durch den auch saisonale Ware entsprechend abgegolten wird. Das ist keine optimale Lösung, aber es gibt für diese Situationen sehr wohl Unterstützung.
GROẞ: Okay, an diesem Punkt kommt ein Aspekt zur Sprache, der bis jetzt vielleicht noch zu kurz gekommen ist: Corona ist natürlich auch eine soziale Krise. Die wirtschaftlichen Folgen dieser Krise sind, das ist ganz klar, ungleich verteilt: Homeoffice gibt es vor allem für die gut bezahlten Professionals, arbeitslos sind schlecht bezahlte Arbeitskräfte in Handel, Gastronomie und Tourismus. Darauf haben in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder vor allem natürlich die Arbeiterkammer und die Gewerkschaft zunehmend aufmerksam gemacht. Der Vorsitzende der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft Vida Roman Hebenstreit beschreibt das im „Politik-am-Ring“-Interview folgendermaßen:
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Es folgt eine Videoeinspielung:
Roman Hebenstreit: Natürlich entsteht bei vielen Beschäftigten gerade in den Niedrigentlohnerbranchen, die jetzt systemrelevant sind, großer Unmut. Die sehen natürlich nicht selten, dass die Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen entsprechend ausgestaltet sind; die hören: 80 Prozent Unterstützung, die hören: Fixkostenzuschuss, et cetera. Auch ein arbeitender Mensch hat Fixkosten und bekommt dafür keine Unterstützung, und in der Regel ist man, wenn man in Kurzarbeit ist – gerade in den Niedrigentlohnerbranchen – halt sehr oft weit, weit unter dem Einkommen, das man davor hatte, weil man ja eines nicht vergessen darf: Gerade in diesen Branchen geht es oft um regelmäßig geleistete Überstunden, um Trinkgelder, um Diäten – all diese Dinge werden in der Kurzarbeit nicht ersetzt. Mehr und mehr Menschen, die ganz einfach enorme Existenzängste und Zukunftsängste haben, wenden sich an uns, und da ist der Unmut, dieses vermeintliche Gefühl der Ohnmacht und auch dieses vermeintliche Gefühl, dass es sich da einige Unternehmen richten, aber sie diejenigen sind, die draufzahlen und keine Perspektiven mehr haben, Existenzängste haben und sich um ihre Kinder, um ihre Familien, um ihre Eltern Sorgen machen, schon ein sehr großer.
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GROẞ: Frage an den Experten vom Wifo: Ist es tatsächlich auch eine soziale Krise, und was sagt der Experte zu dieser Wahrnehmung des Gewerkschafters?
BAUMGARTNER: Es ist tatsächlich so, dass in jenen Haushalten oder bei jenen Personen, die arbeitslos geworden sind, oder in jenen Haushalten, in denen vielleicht sogar zwei Personen arbeitslos geworden sind, das verfügbare Haushaltseinkommen sehr stark zurückgegangen ist und die Unterstützungsmaßnahmen, die es hier gegeben hat, das nur zum Teil abdecken. Also in den Bereichen tut sich eine Lücke auf. Auf der anderen Seite gibt es die Professionals, die Sie angesprochen haben, die im Prinzip sozusagen zu Hause im Homeoffice weiter arbeiten, mehr oder weniger das normale Gehalt beziehen, aber in ihren Aktivitäten eingeschränkt sind, das heißt, wo mittlerweile durch Zwangssparen eigentlich relativ viel Geld auf der hohen Kante liegt und insofern in den nächsten Monaten – wenn sich die Pandemiesituation entspannt – von dieser Seite her zumindest gesamtwirtschaftlich mit einer zusätzlichen Nachfrage zu rechnen ist. Wir gehen nämlich davon aus, dass im heurigen Jahr die Sparquote auf fast oder über 15 Prozent ansteigen wird, und das kommt im Grunde daher, dass der Konsum so stark zurückgeht und weniger stark von der Einkommensseite her. Wie schon gesagt, sind aber in jenen Haushalten, die wirklich in die Arbeitslosigkeit gekommen sind, in denen die Lohnersatzrate bei 55 Prozent liegt, die sozialen Probleme natürlich gravierend.
GROẞ: Eine nicht sehr leichte Aufgabe, die da auf die Regierung zukommt, Herr Schmidhofer, wenn man sich vorstellt, auf der einen Seite den Konsum wieder anzukurbeln, gleichzeitig möglicherweise aber bei all diesen Einschränkungen, die es auch in der Zukunft noch geben wird, die Kaufkraft zu heben: Wie soll das alles gelingen?
SCHMIDHOFER: Es ist ja von Experten Baumgartner gesagt worden, dass natürlich Guthaben aufgebaut wurden, und da hoffen wir sehr stark, dass die, wenn es wieder gut möglich ist, dann auch in die Wirtschaft gehen. Das ist das eine. Das andere ist: Dass auch die Arbeitslosen mit dem Programm, das die Regierung gemacht hat, unterstützt wurden, ist, glaube ich, auch klar, und der Kinderbonus und all das, was begleitend gemacht wurde, stärkt natürlich auch die Familien hinsichtlich ihres Gesamteinkommens. Letztlich sind die Wirtschaft und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer natürlich gleichermaßen betroffen, auch die vielen kleinen Betriebe – das muss man ja auch einmal hernehmen: Ein Familienbetrieb ist vom Einkommen her genauso betroffen wie ein Mitarbeiter, der jetzt angesprochen wurde. Ich glaube, es ist generell wichtig, einen positiven Blick zu haben bei all dem, was angesichts der Herausforderungen jetzt zu machen ist, aber insgesamt denke ich, dass, wenn wir die gesundheitliche Geschichte in den Griff bekommen, auch der Konsum wieder möglich sein wird.
GROẞ: Herr Angerer hat sich zu Wort gemeldet; dann folgt Sepp Schellhorn.
ANGERER: Ich glaube, die Hoffnung der Regierung wird nicht aufgehen, solange sie ihre Angst-und-Panikmache-Politik nicht aufgibt, weil die ja dazu geführt hat, dass die Leute total verunsichert sind und dass wir heute eine Sparquote von 15 Prozent haben. Ja, selbstverständlich: Jemand, der kann, spart jetzt und gibt das Geld nicht aus, und das würgt wiederum unsere Konjunktur und unsere Wirtschaft ab. Wir haben aber auch einen Lösungsvorschlag gemacht, und zwar einen ganz einfachen, den haben wir schon über Monate mehrfach im Parlament eingebracht, und zwar ist das der Österreichtausender, der 1 000-Euro-Gutschein für jeden Österreicher. Damit hätten wir viele Probleme lösen können, vor allem auch soziale Probleme, indem wir Menschen, die eben unverschuldet in diese Notlage gekommen sind, heute sofort geholfen hätten. Dieser Gutschein – kein Bargeld! – müsste dann auch innerhalb einer gewissen Zeit eingelöst, sprich investiert werden, und würde damit auch wieder in der Wirtschaft ankommen. Bis heute hat man das von Regierungsseite verweigert, x-mal abgelehnt, in den Ausschüssen vertagt und im Parlament abgelehnt. Mittlerweile kommen ja vonseiten der Sozialpartner, auch von den Vertretern des Handels, ähnliche Forderungen. Nur ist es jetzt natürlich schon, sagen wir so, fünf Minuten nach zwölf und nicht mehr fünf Minuten vor zwölf. Man ist einfach auf Vorschläge, vernünftige Vorschläge der Opposition nicht eingegangen. Man hat das ganze Jahr den Schulterschluss gefordert, aber den Schulterschluss hat es nur vonseiten der Oppositionsparteien – und da kann ich alle mit ins Boot nehmen: ob es die SPÖ war, ob es die NEOS waren oder wir – gegeben, vonseiten der Regierung nie. Auch bei der letzten Nationalratssitzung, dann bin ich schon fertig, hat man es wieder gesehen – weil Frau Götze gerade mit dem Kopf gewackelt und gesagt hat, es ist nicht so –: Sogar an den letzten beiden Sitzungstagen haben wir x Gesetzesvorlagen im Parlament einstimmig beschlossen; keine einzige Gesetzesvorlage einer Oppositionspartei ist von Ihnen beschlossen worden.
GROẞ: Herr Schellhorn hat sich gemeldet: Ich möchte Sie, Herr Schellhorn, bei dieser Gelegenheit aber auch gleich fragen – Stichwort Konjunkturmaßnahmen –: In welche Bereiche muss man denn investieren?
SCHELLHORN: Ich glaube, das Wichtigste ist jetzt, dass der Kostenfaktor Arbeit entlastet wird, dass die Mitarbeiter mehr verdienen, also mehr Netto haben und brutto weniger kosten. Ich glaube, das wären Konjunkturmaßnahmen, um Beschäftigung anzukurbeln, und gleichzeitig, um Mitarbeiter auch Geld verdienen zu lassen, indem sie mehr vom Brutto bekommen. – Das ist die erste wichtige Maßnahme. Die zweite: Ich halte nichts von dem, was Herr Hebenstreit gesagt hat, weil er vergessen hat, dass die Unternehmer nichts ohne Mitarbeiter machen können. Das heißt, wir alle sitzen in einem Boot, und da, das muss man ganz ehrlich sagen, war auch die Kurzarbeit ein Beitrag vieler Unternehmer, aller Unternehmer, dass sie die Kurzarbeit dementsprechend lange in Anspruch genommen haben. Dass es natürlich kein sozusagen Geschäft ist, dass man Unternehmern Kurzarbeitsentschädigungen gibt, das kann ich Ihnen mit einem Beispiel von mir sagen: In einem Betrieb habe ich in den Monaten, in denen ich meine Mitarbeiter in Kurzarbeit beschäftigt habe, Lohnausgaben von 450 000 Euro gehabt und Kurzarbeitshilfen bei knapp, also nicht einmal 200 000. Das heißt also, uns ist es wichtig, dass wir die Mitarbeiter halten, weil uns auch bewusst ist, wohin die Reise gehen kann, wenn sie arbeitslos sind. Das oberste Prinzip dieser Regierung müsste jetzt eigentlich sein zu sagen, wir müssen jetzt neue Ziele für 2021 setzen, damit wir den Kostenfaktor Arbeit dramatisch entlasten. – So sehen Unternehmen bei niedrigeren Umsätzen auch eine Chance, weiter Beschäftigung zu garantieren.
GROẞ: Frau Götze, bitte ganz kurz, weil ich dann noch eine Frage an Herrn Matznetter habe.
GÖTZE: Ich wollte noch auf Herrn Angerer replizieren, weil er gemeint hat, dass die Opposition so konstruktiv wäre. Ich erinnere mich, dass von Ihrem Klubobmann beziehungsweise von Ihrer Kollegin sehr wohl geraten wurde, nicht zu den Tests zu gehen – das wurde dann revidiert –, und dass der Test in der letzten Nationalratssitzung lächerlich gemacht wurde, weil mit einem Cola nachgewiesen wurde, dass Cola Corona hätte. Also insofern denke ich mir: Wer da die Bevölkerung verunsichert oder in der Bevölkerung Verunsicherung erzeugt, sei jetzt einmal dahingestellt.
GROẞ: Zurück zum Thema Wirtschaft – Stichwort Steuerungsmaßnahmen. Herr Matznetter, da möchte ich Sie Folgendes fragen: Der Staat hätte ja die Möglichkeit, zum Beispiel auch über Vergaben in eine bestimmte Richtung zu lenken und zu steuern. Der Staat gibt im Jahr 30 bis 35 Milliarden Euro aus, indem er Aufträge in dieser Höhe vergibt, da könnte man ja sagen, wir bevorzugen Unternehmen, die zum Beispiel ältere Menschen beschäftigen, die jetzt möglicherweise durch Arbeitslosigkeit in einer schwierigen Situation sind, die Kinderbetreuung organisieren und so weiter und so fort. Sind Sie dafür?
MATZNETTER: Bevor ich auf die Frage eingehe – weil ich in der Runde vorhin nicht zu Wort gekommen bin: Ich meine, ich muss teilweise die Kritik schon ernst nehmen, weil dass wir nicht einmal in so einer Krise reagieren, über die sogar Dr. Baumgartner zu Recht gesagt hat, es gibt 110 000 Arbeitslose mehr im Jahresschnitt und ganze Familien – und Sie haben das richtig beschrieben –, in denen beide Einkommensbezieher dann plötzlich arbeitslos werden – und wir sind mit 55 Prozent Nettoersatzrate diesbezüglich eines der schlechtesten Länder in Europa?! Warum wir das nicht wenigstens für die Zeit der Pandemie auf international übliche 65 oder 70 Prozent – wir haben 70 Prozent Nettoersatzrate beantragt, gemacht wurde nur eine Einmalzahlung – anheben, verstehe ich nicht! Ich verstehe es wirklich nicht! Das hätte nämlich gerade bei den Ärmsten mehr Kaufkraft hergestellt und hätte mehr Chancen geschaffen, etwas zu machen. Die Gutscheine sind ja in manchen kleinen Teilen gemacht worden. Ich erinnere nur an den Wiener Gastrogutschein – eine Idee, die der dortige ÖVP-Wirtschaftskammerpräsident Ruck mit dem SPÖ-Bürgermeister Ludwig gemacht hat –, der irrsinnig gut weggegangen ist und für die Gastronomen in der Stadt wirklich eine Hilfe war. Das nur als Nachsatz zu vorhin. Sie haben vollkommen recht betreffend die Steuerungsmaßnahmen: Man muss den Versuch unternehmen, regionale Wirtschaftskreisläufe stärker zu fördern. Da sind wir durchaus auch im Gespräch mit der Regierung, glaube ich, und es gibt ein Bemühen um die Frage, was wir tun können. Wir haben nur ein paar Schwierigkeiten dabei: Wir sind Mitglied der Europäischen Union, das heißt, wir können mit dem Vergaberecht nicht einfach sagen: Hey, wir nehmen eine österreichische Firma!, das funktioniert nicht. Das ist so nicht möglich, sondern wir müssen andere Schwerpunkte setzen, und da kann man die Frage Ökologie und Klimaschutz, da kann man natürlich die Frage des sozialen Umgangs des Betriebes einbeziehen – zum Beispiel, wie viele Lehrlinge beschäftigt sind; da gab es schon einige Versuche in der Vergangenheit –, und ich glaube, da müssen wir uns auch bemühen, regionale Wertschöpfungsfaktoren in einem stärkeren Ausmaß auch beim öffentlichen Beschaffungswesen hineinzubringen. Da gibt es Ansätze! Ich erinnere nur daran, dass man in der Vergangenheit gesagt hat, der Zement für den Semmeringtunnel muss mit der Eisenbahn transportiert werden, dann müssen wir schauen, ökologisch zu argumentieren, beispielsweise: Wie lange sind die Transportwege? Ich glaube, das ist zu schaffen. Der Kern ist nur, uns verarmt ein Teil der Bevölkerung! Wir müssen dringend gegensteuern, denn wir können nicht als Opfer der Krise in breiten Bevölkerungsschichten 100 000 Arbeitslose mehr haben und dann am Ende die Kosten für die Budgetsanierung wieder jenen umhängen, die zu den Verlierern zählen. Insofern war das auch unsere harte Kritik an der Pensionskürzung im Zusammenhang mit den langen Versicherungszeiten nach 45 Jahren: Die ersten Kürzungen, die es gibt, treffen Pensionisten. Ehrlich gesagt, das geht so nicht!
GROẞ: Herr Schmidhofer, ich möchte ohnedies diese Runde mit Ihnen abschließen. Ich weiß noch nicht, was Sie sagen wollen, aber ich habe eine Frage betreffend einen Themenkomplex für Sie, den wir heute noch gar nicht explizit angesprochen haben, nämlich die Digitalisierung. Auf der einen Seite sprechen wir ständig davon, dass Corona möglicherweise etwas bewirkt hat, dass es eine Art von Innovationstreiber gewesen ist, vielleicht in vielen Unternehmen und Organisationen einen Digitalisierungsschub gebracht hat, wenn man sich aber auf der anderen Seite Kaufhaus Österreich anschaut, sage ich nur, dass das leider zu einer Lachnummer geworden ist. Da hat sich vielleicht gezeigt, dass wir doch noch nicht so gut sind, wie wir das gerne wären. Gilt es hier, in dem Bereich schlicht und einfach noch mehr zu tun?
SCHMIDHOFER: Zum Kollegen Angerer betreffend Gutscheine. – Ich darf darauf verweisen, dass die Bundesregierung etwas angedacht hat: Aufgrund dessen, dass es keine Weihnachtsfeiern für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben kann, wird es einen Gutschein geben, steuerfrei, also die Möglichkeit geben, dass ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen 365-Euro-Gutschein steuerfrei sozusagen zukommen lassen kann.
ANGERER: Was hilft das dem Arbeitslosen?
SCHMIDHOFER: Auch das ist letztlich eine Kaufkraftsteigerung, genau, worüber wir vorhin gesprochen haben: dass das Familieneinkommen höher ist und damit eingekauft werden kann. Zur zweiten Frage: Von dieser Investitionsprämie, von den 2 Milliarden Euro – jetzt 3 Milliarden – geht schon rund 1 Milliarde in die Digitalisierung beziehungsweise Ökologisierung, das wird ja dann für die Unternehmungen mit 14 Prozent gefördert, und da erwarten wir uns insgesamt auch einen Impuls in Österreich, dass die Digitalisierung, damit auch die Onlinemöglichkeiten, sozusagen auf den aktuellen Stand gebracht werden. Und wenn Sie mich direkt auf das Kaufhaus Österreich ansprechen, auch eine klare Antwort: Das ist natürlich im Entstehen, da können wir jetzt noch nicht mit den Großen mithalten. Die sind eine Entwicklungszeit von Jahren voraus, sind professionalisiert. Da haben wir Nachholbedarf, das muss sich natürlich noch verbessern. Lassen Sie mich auch noch eines sagen: Die österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmer sind ja auch selber tüchtig! Da gibt es sehr viele, die auch schon den digitalen Verkauf sozusagen forcieren. Ich kenne sehr viele Branchen, sogar bei uns am Land, wo kleine innovative Unternehmen schon bei der ersten Krise im Frühjahr, schon beim ersten Lockdown sofort ein Portal für die heimischen Unternehmerinnen und Unternehmer rund um Murau sozusagen geschaffen haben.
SCHELLHORN: Das zehnmal schlechter war als das Kaufhaus Österreich.
SCHMIDHOFER: Wir haben da Bedarf, wir müssen da nachschärfen, da gebe ich der Runde und auch Ihnen vollinhaltlich recht.
GROẞ: Dann sage ich vielen herzlichen Dank für diese Runde beziehungsweise diese Runden. Ich sage auch Ihnen, Herr Dr. Baumgartner, herzlichen Dank für Ihre Expertise. Wir switchen jetzt das Thema – beziehungsweise wechseln wir nicht das Thema, sondern wir erweitern es gewissermaßen um den Aspekt des Tourismus. Ein ungewohntes Bild ergibt sich ja auch, was ganz konkret den Skitourismus betrifft: Es gibt – vor allem im Süden – ausreichend Schnee, aber die Lifte stehen still und dementsprechend leer sind die Pisten. Die österreichischen Skigebiete dürfen zu Weihnachten wieder öffnen, allerdings wird das nur die Einheimischen freuen, denn sämtliche Unterkünfte müssen, so wie die Restaurants, noch bis 6. Jänner geschlossen bleiben. Rund um die Weihnachtszeit kommen dann noch Einreisebeschränkungen dazu, die mit zehn Tagen Quarantäne für jeden Ankommenden verbunden sind. Heulen und Zähneknirschen also in Westösterreich.
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Es folgt eine Videoeinspielung:
Eugen Fischbacher: Wir sind am Anschlag, wir sind komplett an der Grenze! Wir haben jetzt in zwei Generationen ordentlich etwas aufgebaut, haben gekämpft, haben gearbeitet und in (mit den Fingern schnippend) so einem Wimpernschlag, in so einem Augenblick kann das aber alles kaputt sein.
Sprecher: Eugen Fischbacher führt vier Betriebe im Salzburger Tourismusort Flachau. Seit einigen Tagen hat er Gewissheit: Seine Hotels und Restaurants müssen zumindest bis zum 6. Jänner nächsten Jahres geschlossen bleiben. Ob er danach aufsperren kann, ist noch ungewiss. Er hat Verständnis für die Maßnahmen, doch diese Unsicherheit macht ihm neben allem anderen schwer zu schaffen.
Eugen Fischbacher: Es tut weh, es sind schlaflose Nächte, es sind Existenzängste. Das Schlimmste ist diese absolute Nicht-Planbarkeit, das heißt, wir wissen einfach nicht, was sein wird. Es ist nichts absehbar, nicht einmal ein Quäntchen, sondern es ist das Schweigen im Walde; es wird irgendwann im Dezember wieder evaluiert werden. Wenn wir das jetzt einmal durchexerzieren, wenn wir am 7. Jänner aufsperren: Wir brauchen eine Vorlaufzeit, das heißt, ich müsste meinen Mitarbeitern, damit das alles funktioniert, spätestens am 17. Dezember sagen: Du kannst jetzt kommen! Du gehst halt zehn Tage in Quarantäne, damit wir – gesetzt den Fall – am 7. Jänner zu arbeiten beginnen können. Also für mich ist das, ganz ehrlich gesagt, überhaupt nicht verständlich, wie so etwas funktionieren soll, und ich kann auch nicht hintanhalten, dass ich sage: Wer sich das ausgedacht hat, hat keine Ahnung von der Praxis, weil das nicht funktioniert!
Sprecher: Zehn seiner Mitarbeiter haben bereits das Handtuch geworfen: Sie suchen Jobs in anderen Branchen. Die Bergbahnen sollen schon zu Weihnachten wieder aufsperren, allerdings ohne Aussicht auf Gäste von auswärts, weil Hotels und Gastronomie weiter geschlossen bleiben.
Ing. Wolfgang Hettegger (Vorstandsvorsitzender Snow Space Salzburg Bergbahnen AG): Wir sehen es mehr als aufsperren müssen.
Sprecher: Bergbahnbetreiber Wolfgang Hettegger sieht enorme Kosten auf sich zukommen.
Wolfgang Hettegger: Wir als Region beziehungsweise gerade Innergebirg in Salzburg lebt vom Bettengast. Wir haben 80 Prozent Bettengäste und 20 Prozent Tagesgäste. Wenn man uns einen Seilbahnbetrieb ohne Bettengast ermöglicht, dann ist das schon der erste Dolchstoß, aber damit kann man noch leben. Wenn dann aber der Tagesgast durch das Fehlen der Gastronomie am Berg auch noch ausgesperrt wird – stellen Sie sich vor, bei minus 5 Grad am Berg zu sein, sich wärmen zu wollen, menschliche Grundbedürfnisse zu haben, und das geht dann nicht –, dann ist das der zweite Dolchstoß, und wir liegen am Boden.
Sprecher: Der von der Regierung zugesagte Umsatzersatz ist für ihn ein Tropfen auf den heißen Stein.
Wolfgang Hettegger: Wir sind ein Unternehmen, das 60 Millionen Umsatz macht, und das ist mit 800 000 gedeckelt. – Ich glaube, diese Zahl sagt alles.
Sprecher: Bis zu 50 Prozent Umsatzersatz soll es im Dezember für Hoteliers wie Eugen Fischbacher geben. Damit kommt er nicht durch, sagt er. Von der Politik ist er enttäuscht.
Eugen Fischbacher: Es wird uns gepredigt, die Lage ist ernst. Wenn die Lage ernst ist, dann muss ich das auch als politischer Vertreter – ganz gleich, welcher Couleur ich angehöre – so wahrnehmen, dann habe ich das Beste für alle zu machen. In einer Situation wie dieser muss man zusammenstehen, da muss man zusammenhelfen. Wenn man betroffen ist, von der ganzen Situation wirklich betroffen ist, und man hört und sieht dann, wie da eigentlich politisch gefightet wird – aber wirklich nur um Eitelkeiten, da geht es um Persönlichkeiten! –, das ist nicht auszuhalten, da fühle ich mich dann sehr verlassen.
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GROẞ: Im „Politik-am-Ring“-Studio begrüße ich dazu jetzt unseren nächsten Experten, Professor Mike Peters. Er ist Professor am Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus an der Uni Innsbruck, und ist ein ausgewiesener Tourismus-Experte – und nicht nur das: Am Beginn seiner beruflichen Karriere hat er selber eine Restaurantfachmannlehre absolviert und selber Praxis in der Hotellerie gesammelt, also er weiß tatsächlich, wovon er spricht, und das nicht nur auf akademischem Niveau. Deckt sich eigentlich das, was wir jetzt gehört haben, diese Stimmung, mit Ihren Untersuchungen, mit Ihren Befragungen, die Sie zuletzt durchgeführt haben?
Univ.-Prof. Dr. Mike PETERS (Universität Innsbruck): Ja, beiden muss ich zustimmen, ja. Vor allen Dingen betreffend die neuesten Entwicklungen – das heißt, wie wir eben gehört haben, Bergbahnen, ja, die dürfen aufmachen, aber keine Gastronomie am Berg und die Hotels sind zu –, also da widerspricht sich natürlich sehr viel. Für eine Destination ist das sehr auch schwer zu managen. Es ist ein Zugeständnis für die Einheimischen. Das ist schön, aber es ist natürlich für sehr viele Bergbauern eigentlich völlig unwirtschaftlich. Der andere Punkt, die Planbarkeit, ist ein sehr wichtiger Punkt. Diese Angst, was bei der nächsten Pressekonferenz passiert, kommt immer wieder, bei allen Gesprächen. Was wird angekündigt? – Die Hotels können nicht von heute auf morgen aufsperren. Wenn Sie bedenken, diese großen Seilbahnbetriebe haben teilweise bis zu 200 oder sogar 500 Mitarbeiter, je nachdem, ob sie gastronomische Betriebe dabei haben. Die stehen nicht von einem Tag auf den nächsten plötzlich da. Diese Planbarkeit ist also sehr wichtig. Das passiert im Moment natürlich auch durch die Reisewarnungen, da ist nicht nur die Politik hier bei uns verantwortlich, sondern auch die Sendemärkte. Die Betriebe bekommen sozusagen immer wieder einen Dämpfer, und so kommt irgendwo auch diese Frustration zustande.
GROẞ: Ist die Saison noch zu retten?
PETERS: Zu retten nicht, wir können nie an die Zahlen herankommen, die wir hatten, natürlich nicht. Wir haben alle gehofft, dass es jetzt Mitte Jänner irgendwann losgehen kann – dann hätte man noch mit zwei blauen Augen davonkommen können. Auch das schaut jetzt nach dem Shutdown, wie ihr es hier nennt, in Deutschland als starkem Sendemarkt aber wieder sehr schlecht aus. Ich denke, dass wir noch ein Auge brauchen und noch ein drittes blaues Auge kriegen werden. Ich hoffe, dass wir dann im März, April vielleicht mit den Gletscherskigebieten noch die letzten Einnahmen machen können. Mehr können wir nicht retten. Für Tirol sehe ich da also wirklich schwarz.
GROẞ: Herr Schmidhofer, müssen Sie nicht den Kolleginnen und Kollegen aus der Branche recht geben, die der Regierung jetzt vorwerfen, dass sie schlechter behandelt worden sind als zum Beispiel der Handel? – Obwohl sie Konzepte vorgelegt haben, gab es einfach diesen harten Lockdown.
SCHMIDHOFER: Ich verweise einmal zurück auf die Sommersaison. Da haben wir nach dem ersten Lockdown trotz der Maßnahmen doch noch passable Zahlen erreichen können – nicht in allen Bundesländern gleich, das sage ich ganz offen dazu. Kärnten, die Steiermark und das Burgenland haben traditionell mehr Inländeranteil und waren bei den Nächtigungen besser, im Westen war es natürlich etwas schlechter. Dann haben wir die Stadthotellerie, die natürlich besonders betroffen ist. Da haben wir Ausfälle von 80 bis nahezu 100 Prozent, also Totalausfälle. Da sind wir von Reisewarnungen abhängig gewesen, auch was die Wintersaison anbelangt. Wenn das Reisen nicht möglich ist, ist das natürlich für Skigebiete, die 80, 90 Prozent internationale Gäste haben, ein Problem. Ich glaube, dass alle Maßnahmen, die von der Regierung getroffen wurden, um abzufedern, geholfen haben. Wir haben für die Beherbergung, für die Gastronomie Steuersenkungen bei der Mehrwertsteuer gehabt, die auch verlängert werden, wir wurden natürlich auch durch die Kurzarbeit abgefedert, und letztlich ist auch die Seilbahnwirtschaft selber mit Konzepten gekommen. Das ist im Sommer gut gegangen. Außer in Sankt Wolfgang haben wir da wenig Zwischenfälle gehabt. Es wurden auch die MitarbeiterInnen ständig getestet, da hat es ein Testprogramm gegeben. Da sind wir gut durchgekommen. Jetzt zum Winter: Zur Öffnung am 24. Dezember habe ich gerade heute in einem größeren Skigebiet bei uns in der Steiermark ein Gespräch gehabt. WC-Anlagen können organisiert werden, das kann gesichert werden, und die Hütten und Betriebe überlegen sich dort auch wirklich ganz gute Pläne, was den Gassenverkauf, das Take-away direkt vor Ort betrifft. Da wird man mit bestmöglichen, übergreifenden Konzepten schauen, dass man das einigermaßen gut rüberbringt. Dass es das große Geschäft für den Tourismus nicht geben wird, Herr Peters, da bin ich natürlich bei Ihnen. Wir hoffen aber – und Sepp Schellhorn, du warst in dieser kleinen Runde bei der Tourismusministerin auch dabei –, alles zu unternehmen, dass es möglich ist, aufzusperren. Vielleicht gelingt es uns. Es gibt dann noch den ganzen Februar, der stark gebucht ist, es gibt den März, es gibt Ostern, und ich sage ganz offen dazu: Der Frühjahrskilauf in Österreich ist eine ganz besondere Spezialität. Wenn die Leute und die Gäste jetzt im Vorwinter weniger Möglichkeiten haben, vielleicht greifen sie dann noch auf das Angebot zu. Da sind wir aber wie gesagt von den Zahlen, von der Gesundheit, von der Entwicklung der Pandemie abhängig.
GROẞ: Sie haben Abgeordneten Schellhorn selber schon angesprochen, Sie haben aber wahrscheinlich nicht gehört, wie er mehrmals geseufzt hat – tief geseufzt hat –, während Sie gesprochen haben. Ich habe es hier aus dieser Distanz aber noch gehört. Warum eigentlich, Herr Schellhorn?
SCHELLHORN: Ich habe nach Luft gerungen. Ich muss Kollegen Schmidhofer ein bisschen widersprechen. Der Sommer hat sich natürlich ganz anders verhalten. Der Winter ist viel abhängiger von Gästen, die nicht aus Österreich kommen, das ist einmal der eine Punkt. Nur 25 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher fahren Ski. Das mit dem Binnenmarkt abdecken zu können, ist also ein Irrglaube. Dann muss man sagen: Nach dem ersten harten Lockdown war natürlich Frühling, Sommer, frische Luft und Draußensein. Jetzt verhält es sich ganz anders, weil wir viel verunsicherter sind. Ich möchte darauf zurückkommen, was Eugen Fischbacher gesagt hat, nämlich zur Planbarkeit – der Herr Professor hat es auch völlig richtig gesagt –: Vielleicht gelingt es uns, mit Februar aufzusperren. Diesen Mut muss die Regierung jetzt haben: uns zu sagen, wann wir aufsperren dürfen! Ich als Unternehmer muss natürlich – Eugen Fischbacher hat es gesagt – am 17. Dezember meine Mitarbeiter informieren, ob ich am 7. Januar aufsperren darf oder nicht. Diese Unsicherheit muss man den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nehmen, und die Regierung braucht endlich auch den Mut. Der Herr Gesundheitsminister könnte sagen, bei einer Inzidenz von 250, 150, 100 – er soll uns einfach nur eine Zahl nennen – wird es so weit sein, dass wir aufsperren können. Wenn die Zahl aber nicht sinkt, haben wir ein Problem. Im Februar – und rechnen wir von mir aus noch die zwei Märzwochen dazu – mache ich 42 Prozent meines ganzen Winterumsatzes. Die werden diesen Winter aber nicht machbar sein, weil – und das ist der springende Punkt – unser Hauptmarkt, die Deutschen, die von den 75 Prozent der ausländischen Gäste immerhin 50 Prozent der Nächtigungen abdecken, gar nicht kommen werden, weil sie die Quarantänebestimmungen einhalten müssen. Es gibt das Abkommen – und ich habe mich da bei Außenminister Schallenberg auch informiert –, dass das bis zum 30.3. nicht wegkommen wird. Das heißt, selbst wenn ein deutscher Gast zu mir kommt, eine Woche bleibt und bei der Rückreise einen negativen Test hat, muss er zu Hause in die Eigenquarantäne gehen, und das ist das Problem. Angesichts dessen, dass wir einen so geringen Österreichermarkt haben, streut Kollege Schmidhofer den Unternehmerinnen und Unternehmern Sand in die Augen – das ist der Punkt!
GROẞ: Herr Angerer.
ANGERER: Auf die fehlende Planbarkeit habe ich schon in meinem Eingangsstatement hingewiesen. Die Gastronomie in Österreich kann einem angesichts dessen, was man mit ihr macht, einfach nur noch leidtun. Ich möchte auf drei Punkte eingehen. Vielleicht fangen wir mit dem kleinsten an, den Kollege Schmidhofer schon erwähnt hat: Stichwort Take-away – das war auch Thema im letzten Nationalrat, ich habe dazu einen Antrag eingebracht. Der Skihüttenwirt darf jetzt dann Take-away anbieten, sprich, man darf reingehen und etwas kaufen und darf es draußen konsumieren. Draußen heißt, man muss 50 Meter von dort weggehen, wo man das Produkt gekauft hat. Es ist auch nicht definiert, ob das von der Hütteneingangstür, vom Grundstück, von der Küche weg gilt – keine Ahnung. Nun kennen wir viele Skihütten: Wenn man 50 Meter von einer Skihütte weggeht, dann steht man entweder mitten auf der Skipiste oder man ist vielleicht schon abgestürzt, oder man braucht Flügel, weil man irgendwo am Rand steht. Es hat sich auch wieder keiner etwas dabei gedacht, als diese Regel eingeführt wurde. Das Zweite: Der Vizechef der Österreichischen Hoteliervereinigung hat heute gesagt: 20 Prozent der Gastronomiebetriebe, der Hotelbetriebe werden nicht durch diese Krise kommen. Das heißt, man geht davon aus, 20 Prozent werden es einfach nicht überleben. – So, da sind wir mittlerweile schon. Und bei den Liften, muss ich sagen, befürchte ich, dass es eiskaltes Kalkül und ein Plan dieser Regierung ist, zu sagen, die Seilbahnen und Lifte dürfen aufsperren, dürfen am 24. Dezember den Betrieb eröffnen. Damit sind sie nicht geschlossen, damit gibt es keinen Anspruch auf irgendeine Vergütung oder Unterstützung durch den Bund. Das heißt, es wird ihnen dann vielleicht gleich gehen wie schon jetzt den nicht direkt betroffenen Betrieben, dass sie keinen Umsatz machen, aber nichts bekommen. Ich würde mir wünschen, dass man da vonseiten der Regierung eine klare Aussage kriegt, sodass es für die Liftbetriebe eine Planbarkeit gibt.
GROẞ: Vielen Dank. Herr Matznetter!
MATZNETTER: Das Kafkaeske rund um die Skihütten will ich gar nicht weiter kommentieren, es ist einfach hoppertatschig und hilflos, wie das gemacht wurde. Natürlich hätte man sich das vorher überlegen müssen, und es stimmt, was Kollege Schmidhofer gesagt hat: Die Wintertourismuswirtschaft hat ja Vorschläge, wie man es abwickeln kann, ausgearbeitet. Es ist ja nicht so, dass nichts da gewesen wäre. Was mich aber am meisten stört, ist, dass man dem Lufthansa-Konzern innerhalb von eineinhalb Wochen eine halbe Milliarde Euro, 450 Millionen, ohne irgendwelche Auflagen gegeben hat – die haben, nachdem sie die Förderung bekommen haben, am nächsten Tag verkündet, dass sie 1000 qualifizierte Menschen auf die Straße setzen –, keine Mitsprache, keine Anteile, wie es sich zum Beispiel die Deutschen gesichert haben. Dort hat man das Geld. In anderen Bereichen wird das passieren, was schon prognostiziert worden ist, nämlich österreichweit werden 20 Prozent der Hotellerie nicht überleben können, in der Stadthotellerie 50 Prozent, 60 Prozent. Wie lange halten die das durch? – Das darf man nicht vergessen. Gehen Sie zum Beispiel durch Wien – es ist leer! Die Hotels sind zu. Sie werden am Ende zwangsversteigert werden, und das heißt, das wird Einflüsse auf die Entwicklung der Grundstückspreise und damit auf die Sicherheiten der Unternehmen für ihre Betriebskredite haben. Das heißt, wir werden eine zweite Welle haben. Kollegin Götze hat vorhin erwähnt, dass die Pleiten zurückgegangen sind. Ich glaube, dass das wie bei einem Tsunami zuerst einmal das zurückgehende Wasser ist: Zuerst sinkt der Wasserspiegel und dann kommt die Welle. Dann werden die Arbeitslosenzahlen steigen und wir werden noch mehr Probleme haben. Wir werden nicht mehr in diesen Bereich zurückkommen, und ich fürchte auch im Bereich der Hotellerie, dass wir sie dauerhaft verlieren – so, wie das im stationären Handel der Fall ist.
SCHELLHORN: Im Städtetourismus nicht – vor dem 24. Dezember wird sich da überhaupt nichts rühren.
GROẞ: Lassen wir noch kurz Frau Abgeordnete Götze reagieren, bevor ich wieder zu Ihnen komme, Herr Professor Peters!
GÖTZE: Als Betriebswirtin verstehe ich absolut, dass die fehlende Planbarkeit ein Problem ist. Das kann ich gut nachvollziehen, wobei das ja auch der besonderen Situation geschuldet ist – es ist ja nicht so, dass das willkürlich passiert. Noch einmal zu den Seilbahnen: Die können natürlich Fixkostenzuschüsse in Anspruch nehmen. Insofern bleiben Sie, wenn Sie massiv verringerte Umsätze haben, nicht auf den ganzen Kosten sitzen, sondern bei 30, 40, 50 Prozent Umsatzrückgang würden sie entsprechend Anteile an den Fixkosten ersetzt bekommen. Da gibt es ja, neben anderen Instrumenten, ein sehr gutes Instrument. Es gibt auch den Verlustrücktrag, den alle Unternehmen in Anspruch nehmen können, das heißt, Gewinne aus den vergangenen Jahren können mit Verlusten von heuer gegengerechnet werden. Da gibt es eine Fülle von Instrumenten.
SCHELLHORN: Die steuerliche Komponente.
GÖTZE: Natürlich – man rettet Gewinne der letzten Jahre herüber und zahlt Steuern, die man sonst zahlen würde, nicht. Dann wollte ich noch sagen: Natürlich werden wir mit vermehrten Insolvenzen rechnen müssen. Was ich aber gemeint habe, ist: Im Moment schaffen wir es gut, die Unternehmen soweit hinüberzuretten. Es wird einen Aufholeffekt geben, es ist uns aber sehr wichtig, dass wir die Struktur der österreichischen Betriebe, diese kleinteilige Struktur, erhalten können. Deswegen – um den Unternehmen das zu sichern – gibt es diese vielen Instrumente. Was man aber auch sagen muss, ist, dass die Eigenkapitaldecke gerade in Tourismus und Gastronomie zum Teil relativ niedrig ist. Da müssen wir sicher auch ansetzen: dass wir da Unternehmen verstärkt unterstützen. Auch das wird kommen!
GROẞ: Herr Professor Peters, trauen Sie sich eine Einschätzung zu, wie die österreichische Tourismuslandschaft nach Corona ausschauen wird?
PETERS: Ja, ich glaube – auch aufgrund der Zahlen, die hier genannt wurden –, dass sich da einiges ändern wird. Ich sehe sehr langfristig auch dahin gehend eine gewisse Depression, dass es Auswirkungen auf die Mitarbeiter geben wird. Wir haben eh schon Fachkräftemangel, das heißt, unsere Österreicher zu motivieren, in dieser Branche zu arbeiten, war vorher schon schwierig. Das wird schlimmer werden. Zum Thema Nachfolge: Welches Kind will den Betrieb noch übernehmen, wenn man jetzt aus einer solchen Krise kommt? Weiters haben Sie das Stichwort Eigenkapitaldecke angesprochen – diese Situation verschärft sich natürlich. Ich glaube, es werden also all die Dinge, die vorher schon latent existiert haben und die ja auch schon diskutiert wurden, jetzt halt aufbrechen. Ich denke, wenn das Bilanzjahr einmal vorbei ist, Mitte nächsten Jahres, werden wir schon sehen, dass die Zahlen, die hier genannt wurden – 20 Prozent und bei der Stadthotellerie wahrscheinlich noch schlimmer – wahr werden. Der Tourismus wird erstarken. Wir haben vom IHS schon gehört, dass es so sein wird: Wenn die Grenzen offen sind, kann das im Sommer schnell umschlagen, und wir werden ab Sommer wahrscheinlich wieder sehr viele Gäste haben, gesetzt den Fall, wir bekommen die Impfung. Der Mensch will reisen, das zeigen viele Konsumentenbefragungen in unseren Sendeländern. Es wird im Sommer verhalten sein, bis zum nächsten Winter sehe ich dann aber die Entspannung. Vorher sehe ich sie nicht wirklich so, dass wir die Verluste irgendwie wieder wettmachen können.
GROẞ: Und im nächsten Winter – vorausgesetzt, es entwickelt sich so, wie Sie es jetzt beschrieben haben – wird dann wieder alles so sein, wie es war, oder wird es ein Umdenken geben?
PETERS: Auch da haben wir weltweit eine Umfrage in verschiedensten Destinationsmanagementorganisationen gemacht. – Jeder will. Jeder sagt: Ja, wir machen es anders, wenn das vorbei ist. Die Intention ist da. Ob das dann der Fall ist, wissen wir noch nicht – und wir haben sehr viele Tourismusverbände in ganz Europa befragt. Diese Bezeugungen bestehen zwar, ob das dann tatsächlich so sein wird, wenn das operative Radl wieder beginnt, wissen wir nicht.
GROẞ: Ist es angesichts der Strukturen, so wie sie auch beschrieben worden sind – wenn man sich also anschaut, wie groß die Häuser sind, wenn man die zum Teil niedrige Eigenkapitalausstattung bedenkt, wenn man sich zum Beispiel auch anschaut, auf welche Kapazitäten und Frequenzen die meisten Bergbahnen ausgelegt sind – überhaupt denkbar, ist es überhaupt möglich, kann man einfach mir nichts, dir nichts sagen: Wir machen jetzt sanften Tourismus?
PETERS: Wir haben die Kapazitäten da und die Kapazitäten wollen gefüllt werden, das ist natürlich das Problem, und diese Marktbereinigung, von der wir gesprochen haben, wird es zwar geben. Ich glaube aber auch, dass es Destinationen geben wird, die wirklich stark noch mehr auf Qualität statt Quantität setzen werden, die versuchen werden, höhere Preise zu verlangen, auch über den Sommer. Wir haben über den Sommer auch gesehen, dass die Preisdecke für das Bett nicht so schlecht war, auch weil die Nachfrage in manchen Gegenden sehr hoch war. Das wird aber nur für bestimmte Destinationen gelten. Ich glaube, die Masse wird erst einmal versuchen, die Verluste wettzumachen, die man wettmachen kann. Da würde ich mir jetzt die politische Weichenstellung wünschen. Wir haben die Investitionsprämien, die ja sicherlich in die richtige Richtung gehen. Ich bin da eher bescheiden, aber dass man in Richtung Nachhaltigkeit geht und vor allen Dingen auch diesen Digitalisierungsschub zumindest einmal mitnimmt und unterstützt, ist sicher ein vernünftiger Weg.
GROẞ: Eine Frage noch zu diesem Themenkomplex: Gibt es eigentlich, so wie wir das vorher beim Handel besprochen haben, auch da klare Gewinner und Verlierer, oder muss man sagen: Was den Wintertourismus anbelangt, sitzen alle im gleichen Boot?
PETERS: Im Moment, würde ich sagen, sitzen wir aufgrund der geschlossenen Grenzen alle im gleichen Boot. Die Hotels sind zu. – Im Sommer war das etwas anders.
GROẞ: Aber gibt es Unterschiede zum Beispiel betreffend die Familiengröße?
PETERS: Ja, wir sehen viele Familienunternehmen, und sicherlich ist es so, das muss ich schon sagen, dass es wichtig ist, dass das Familien sind, weil sie wirklich zusammenhalten. Vor allem die Destinationsnetzwerke halten sehr stark zusammen – das sehe ich sehr positiv –, auch bei den viel gescholtenen Paznaunern. Es ist extrem, wie da der Zusammenhalt gewachsen ist – wieder, muss man sagen, nach Galtür. Das ist schon schön zu sehen. Im Sommer hat sich aber gezeigt, dass es natürlich bezüglich Apartmenthäuser versus Hotellerie, Land versus Stadt, schon Gewinner und Verlierer gab. Die Gewinner haben aber halt weniger Verluste gemacht, sie haben deshalb nicht ein wahnsinniges Plus gemacht.
GROẞ: Frau Abgeordnete Götze, bitte.
GÖTZE: Ich möchte noch dieses Schlagwort von der Krise als Chance bemühen, um auch ein bisschen optimistisch in die Zukunft zu schauen. Ich denke schon, dass es für Österreich auch eine Chance sein kann, dass wir uns transformieren. Wir kommen jetzt zwar aus der Coronakrise, wir sind aber ja auch noch in der Klimakrise, da müssen wir auch etwas tun, und ich sehe schon eine Chance darin, diese auch bewältigen zu können, indem wir in die richtigen Dinge investieren. Sie haben gesagt, es gibt Touristiker oder Touristikerinnen – auch mir liegen dazu Zahlen vor –, die überzeugt davon sind, dass sie nachhaltiger werden wollen, dass sie eine andere Form des Tourismus anbieten wollen, und das wird auch von den Kundinnen und Kunden nachgefragt. Insofern sehe ich das für Österreich als Chance, dass wir uns anders positionieren. Heuer im Sommer waren viele Junge da, auch aus Deutschland zum Beispiel, die gesehen haben, wie schön es ist, in der Nähe Urlaub zu machen, wie fein es ist, zum Beispiel in den Bergen zu wandern. Insofern glaube ich schon, dass das auch eine Möglichkeit sein kann, um an neue Kunden und Kundinnen heranzukommen, die Natur schätzen, die es schätzen, wenn sie einen langsameren, entschleunigten Tourismus haben. Dazu haben wir alle ein tolles Angebot.
ANGERER: Ich möchte im Gegensatz zu Frau Götze vielleicht ein bisschen realistisch in die Zukunft schauen. Das Problem, das wir zurzeit haben, ist ja, dass Geld ausgeblendet, abgeschafft ist. Es redet ja keiner mehr über Millionen, sondern nur noch über Milliarden, und das spielt alles keine Rolle mehr. Irgendjemand wird die Rechnung aber bezahlen müssen, und das werden der Österreicher, die Österreicherin, die Unternehmer, die Arbeitnehmer in diesem Land sein. Was das heißt, zeigt uns die Regierung jetzt schon mit ersten Maßnahmen, indem man die NoVA erhöht, was die Familien massiv belastet, was die KMUs massiv belastet, und indem man hergeht und eine Flugabgabe einführt, was wiederum die Wirtschaft belastet, was den Einzelnen, der das Flugzeug halt auch einmal braucht und nicht gerade in Wien wohnt, belastet. Das ist ja eine Drohung, wenn man die Klimakrise gleich als nächstes heraufbeschwört, und es ist zu befürchten, dass noch einiges auf uns, sprich die Österreicherinnen und Österreicher, zukommen wird. Ich sehe da sehr realistisch in die Zukunft, denn unser gesamtes Wirtschaftssystem und unser gesamtes System im Staat sind auf Wachstum aufgebaut. Jetzt hat die Wirtschaft einen massiven Einbruch. Das Pensionssystem ist auf Wachstum aufgebaut, das Gesundheitssystem ist auf Wachstum aufgebaut. Alles funktioniert nur, wenn die Wirtschaft wächst, und das bricht jetzt zusammen. Da bin ich neugierig, was noch passieren wird.
GROẞ: Die Zeit ist sehr fortgeschritten. Frau Götze, ein Satz als Reaktion, bitte.
GÖTZE: Ökosoziale Steuerreform heißt: Wir brauchen eine Transformation. Natürlich müssen wir die Menschen entlasten, und das passiert auch. Es gibt Steuersenkungen.
ANGERER: Mit der NoVA!
GÖTZE: Die NoVA ist eine Reaktion auf das Ökologische. Teure Autos in dem Sinn, dass sie stinken oder die Luft verpesten, müssen einfach teurer werden, sonst geht es sich nicht aus.
GROẞ: Machen wir da noch weiter! Herr Schellhorn, Sie selber machen mit Ihren Betrieben ja schon seit jeher das Gegenteil von Massentourismus. Wie realistisch, um Angerer zu zitieren, ist denn dieses Reden von nachhaltigem Tourismus? Schaffen wir das?
SCHELLHORN: Es wird Zielgruppen dafür geben. Die gibt es, das ist unbestritten. Wenn ich aber noch einmal Herrn Fischbacher und seine Wortmeldung zitieren darf, dass in seinem unternehmerischen Tun eine enorme Unsicherheit vorhanden ist – und so geht es Tausenden Unternehmern im touristischen Bereich, vom Gastronomiebetrieb bis zur Hotellerie –, dann erscheint mir das jetzt ein bisschen weltfremd und zynisch. Der hat ganz andere Probleme. Ich glaube, dass wir auch die strukturellen Probleme angehen müssen. Wir hatten in Österreich in den letzten Jahren ein Wachstum, wir sind ja Tourismusweltmeister. Wir haben, gemessen an den Einwohnerzahlen, die meisten Nächtigungen, und so haben wir uns auch immer wieder bezeichnet: Jeder Wirtschafts- und Tourismusminister, die Tourismusministerin haben mit Stolz gesagt, wie viele Nächtigungen wir haben. Wir haben aber eines vergessen: die Rentabilität. Wir haben in Österreich 30 000 bis 40 000 Gästebetten zu viel! Das sind jene Betriebe, die nicht mehr zusperren können. Das sind wahrscheinlich Einzelpersonen, kleine Unternehmen, die Einzelpersonenunternehmen sind, die entweder ein Nachfolgeproblem haben, oder ein bilanztechnisches Problem in dem Sinn, dass ihr Buchwert fürs Haus einfach so gering ist. Bei einer Schließung würde aber der Verkehrswert schlagend werden und das heißt, sie können nur mehr Privatkonkurs anmelden. Man muss jetzt also strukturell etwas machen, diese strukturellen Möglichkeiten müssen wir jetzt nützen, müsste die Regierung nützen. Sanieren oder schließen – man muss eine Möglichkeit bieten, dass diese Unternehmen mit Anstand gehen können. Es braucht auch eine Möglichkeit der Eigenkapitalstärkung, das heißt, man sollte auch da Maßnahmen im steuerlichen Bereich setzen. Der dritte Punkt ist, dass wir schon über Nachhaltigkeit reden müssen, wir müssen uns aber die Frage stellen: Was wird nach Corona sein und welche Anreize setzt man? Zuerst aber muss man den Betrieben diese zwei Möglichkeiten bieten, nämlich entweder ihr bilanztechnisches Problem zu lösen, das hohe Fremdkapital vielleicht auch mit Beteiligungsmöglichkeiten eines KMU-Fonds von privater Hand in Eigenkapital umzumünzen – das kann man alles nach Luxemburger Modell steuern –, oder zu schließen. Und eines muss ich sagen – das ist mein letzter Satz, und (in Richtung Abg. Schmidhofer) du wirst mir beipflichten –: Gemessen an allen Alpenländern ist der Winterurlaub in Österreich immer noch am billigsten. Die Frage, warum das so ist, müssen wir uns stellen!
GROẞ: Ich muss auf die Uhrzeit achten, wir haben nur noch gute fünf Minuten. Herr Matznetter, sehen Sie diese Strukturbereinigung beziehungsweise Marktbereinigung, wenn man so will, auch?
MATZNETTER: Die wird kommen müssen, ohne sie wird es nicht gehen. Ich sehe nur die Gefahr ähnlich wie Kollege Angerer: Die Kosten und die Lasten der Krise werden auf den Schultern von Kleinunternehmern, Arbeitnehmern, Arbeitnehmerinnen und Pensionisten ausgetragen, und das ist das Furchtbare an dieser Krise! Sie dürfen nämlich die Zeche zahlen, während andere abkassiert haben. Ich sage ehrlich: Wenn da Maßnahmen kommen, werden wir auch in sehr radikaler Form auftreten. Wir werden alles prüfen, nicht nur das Nachdenken von Vizekanzler Kogler, sondern die Frage ist: Wann zahlen die, die in dieser Krise Vermögen erwirtschaftet haben? Wann zahlen die Konzerne, die Gewinne gemacht haben? – Wie bei der AUA: 450 Millionen Euro ohne weitere Bedingungen! Ich sage das in aller Deutlichkeit – das ist dann keine Streiterei, sondern da geht es um eine Grundsatzfrage –: Das kann nicht sein, dass diese Milliarden die breite Bevölkerung, die Kleinunternehmer tragen. Und ökosoziale Steuerreform in Ehren, Kollegin Götze, aber da muss es auch eine Kompensation geben. Das sehe ich noch nicht. Wir sehen nur die Belastungen für die kleine Wirtschaft, und wir sehen noch nicht, wie es finanziert wird.
GROẞ: Herr Schmidhofer, wenn ich das richtig höre und verstehe, kommt das dicke Ende erst?
SCHMIDHOFER: Herr Peters hat es schon angesprochen: Das Reisen wird wieder möglich sein und auch nachgefragt werden. Drum, Herr Kollege Matznetter: Der Flughafen Wien als internationale Destination ist sowohl für das Reisen, für den Tourismus wichtig als auch als Wirtschaftsstandort; und zu den Arbeitsplätzen, die da gesichert wurden – das muss ich einmal sagen –: Das war in Ordnung. Der zweite Punkt: Es gibt kein Land in Europa, das so viel für diese Covid-Krise zur Verfügung gestellt hat: 9,5 Prozent des BIP. Der Durchschnitt in Europa ist 5 Prozent. Das heißt, es wird insgesamt geholfen, und wenn die Wirtschaft angekurbelt wird, dann haben wir natürlich auch die Arbeitsplätze mit abgesichert. Herr Peters, Sie haben auch die Investitionsprämien angesprochen. Da komme ich auch wieder zu den Kleinen, das habe ich eingangs schon gesagt: Über 72 Prozent derer, die diese Prämie in Anspruch nehmen und nutzen, sind kleine und mittlere Unternehmungen. Da wird mit Digitalisierung, mit Ökologisierung, aber auch mit normalen Investitionen sozusagen in die Zukunft investiert, damit der Wirtschaftsstandort Österreich auch weiterhin abgesichert bleibt.
GROẞ: Vielen Dank. Herr Professor Peters, ich möchte Ihnen gerne das Schlusswort geben. Ich habe jetzt aus dieser Runde mitgenommen: Der österreichische Tourismus braucht einen Strukturwandel, er braucht aber wohl auch einen Imagewandel. – Ist beides machbar? Ist beides schaffbar? Sehen Sie und orten Sie überhaupt die Bereitschaft dafür?
PETERS: Ich greife noch einmal kurz die zwei Dinge auf: Investitionsprämien und, ganz wichtig auch, diese Marktaustrittsbarrieren. Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Punkt, den man aus der heutigen Runde mitnehmen sollte. Wenn da politisch etwas geschehen würde, wäre ich sehr dankbar, weil das einfach viele Betriebe im Markt hält, obwohl sie nicht im Markt sein wollen und dort auch nicht hingehören. Auch viele Nachfolgeproblematiken könnten damit gelöst werden. Image, weil Sie das auch angesprochen haben: Ja, wir haben einen starken Imageverlust erlitten, ich glaube aber, auch da werden wir wieder herauskommen, weil wir sehr viel in die Sicherheitskonzepte für den Tourismus hineinstecken – das wurde heute schon angesprochen. Allein in unseren Skigebieten, finde ich, gibt es sehr, sehr gute Vorschläge, auch übrigens für die Hütten und Ähnliches. Da muss ich sagen, habe ich aus anderen Branchen weniger gehört, da bemühen sie sich. Ein Problem sind natürlich die Kosten: Man braucht mehr Personal, man muss dafür sorgen, dass sich vor Ort, wenn die Menschen wirklich da sind, etwas tut. Ich glaube, wir kommen da raus, wir kommen aber eben, wie gesagt, mit diesen mehr als zwei blauen Augen raus. Wenn wir es schaffen, auf der einen Seite Marktaustrittsbarrieren zu mindern, auf der anderen Seite denjenigen Investitionsprämien zu geben, die dann, vielleicht mit einem anderen Konzept, durchstarten wollen, habe ich schon Hoffnung, dass wir zumindest in fünf bis sechs Jahren wieder da sind, wo wir waren, zumindest, was die Qualität anbelangt. Wir wollen nicht alles wiederholen – Après Ski und Co –, ich glaube, man sollte auch daraus lernen. Auch diese Zeit muss kommen, auch wenn wir jetzt natürlich wollen, dass die Gelder wieder hereinkommen. Wir sollten auch ein bisschen langfristig denken.
GROẞ: Dann sage ich vielen herzlichen Dank, Herr Professor, für Ihre Expertise. Frau Abgeordnete, meine Herren Abgeordneten, Ihnen danke ich für die spannende, lebhafte und konstruktive Diskussion. Meine Damen und Herren, bei Ihnen bedanke ich mich für Ihr Interesse, fürs Dabeisein. Ich und wir alle hier wünschen Ihnen für die nächsten Wochen alles Gute, natürlich schöne Feiertage und einen guten Rutsch! Wir sehen uns im Jänner wieder, am dritten Montag. Bis dorthin alles Gute, und vor allem: Bleiben Sie gesund! Auf Wiedersehen!