Reporter mit Grenzen
Podcast: Politik am Ring #22 vom 12. Dezember 2022
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Thema
Chat-Affären zwischen Politik und Medien zeigen, wie sehr diese Bereiche in Österreich miteinander verflochten sind. Mit einem neuen Mediengesetz will die Regierung Qualität und Transparenz im Journalismus fördern. Kritikerinnen und Kritiker sehen im Gesetzentwurf alles andere als einen Neustart der heimischen Medienpolitik.
Wie kann Österreichs Journalismus unabhängig von politischen Einflüssen werden?
Teilnehmer:innen der Diskussion
Abgeordnete:
- Kurt Egger (ÖVP)
- Christian Drobits (SPÖ)
- Dagmar Belakowitsch (FPÖ)
- Eva Blimlinger (Grüne)
- Henrike Brandstötter (NEOS)
Eingeladene Fachleute:
- Anneliese Rohrer, Journalistin
- Simon Kravagna, fjum – forum journalismus und medien wien
Diskussion
Der Mediensprecher der ÖVP Kurt Egger betonte eingangs die Professionalität zwischen Journalist:innen und Politiker:innen. Jie Mediensprecherin der Grünen Eva Blimlinger hingegen sah eine Abnahme der Professionalität im Journalismus, da durch die Medienveränderungen nun jede:r Einzelne mitgestalten könne. Mittlerweile sei ein großes Misstrauen zwischen Journalist:innen und Politiker:innen entstanden, ebenso ließen sich eine zur Polarisierung führende "Verhaberung" sowie Interventionen feststellen.
Dagmar Belakowitsch, Klubobmannstellvertreterin der FPÖ, kritisierte zuvorderst die zunehmenden "Bewertungsjournalisten" – jene, die nicht objektiv berichteten, sondern Werturteile abgäben, wie zum Beispiel auf Twitter aktive ORF-Journalist:innen. Man müsse solche "Politikaktivisten" stoppen, nicht zuletzt, weil die Medien durch die Presseförderung von der Bevölkerung finanziert werden. Christian Drobits von der SPÖ, Mitglied im Verfassungsausschuss, sah nicht in der Nähe der Personen ein Problem, auch könne man nicht von Unabhängigkeit sprechen, da es schließlich Abhängigkeiten gebe. Es müsse allen klar sein, und das sollte im Zentrum dieser Diskussion stehen, "dass eine starke Demokratie nur mit einer starken Presse bestehen kann." Auch die Mediensprecherin der NEOS Henrike Brandstötter meinte, sie sehe die Nähe nicht per se als kritisch, solange diese nicht "ungustiös" werde, wie manche Fotos von Feiern beweisen würden.
Für die geladenen Expert:innen Anneliese Rohrer und Simon Kravagna gibt es keine Notwendigkeit für neue Regelungen. Es seien die Medien, so Kravagna, die sich zu überlegen hätten, wie sie ihre Unabhängigkeit sichern können. Es sollte nicht sein, dass ein Naheverhältnis zur Politik karrierefördernd sein oder finanzielle Vorteile bringen könne, und die Schuld hierfür liege eben nicht nur aufseiten der Politiker:innen. Nicht Nähe brauche man für eine gute Geschichte, sondern Vertrauen, so Kravagna. Rohrer betonte in Richtung Brandstötter: "Alles, was wir brauchen, ist Courage, alles, was wir brauchen, ist Rückgrat". Die Politiker:innen sollten endlich aufhören, die Journalist:innen zu vereinnahmen, und umgekehrt sollten sich die Journalist:innen gegen eine solche Vereinnahmung zur Wehr setzen. Was in den letzten Jahren abhandengekommen sei, so Rohrer, sei "vor allem die Aufrichtigkeit und das Bemühen um Distanz". Von den Politiker:innen wünsche sie sich Authentizität und Ehrlichkeit.
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Transkript
Anmoderation: In dieser Folge von Politik am Ring, der Diskussionssendung des Parlaments, diskutiert Moderator Gerald Groß mit den Abgeordneten Kurt Egger von der ÖVP, Christian Drobits von der SPÖ, Dagmar Belakowitsch von der FPÖ, Eva Blimlinger von den GRÜNEN und Henrike Brandstötter von NEOS darüber, wie Österreichs Journalismus unabhängig von politischem Einflüssen werden kann. Zu Gast sind die Journalistin Anneliese Rohrer und Simon Kravagna vom Forum Journalismus und Medien Wien. Das Gespräch haben wir am 12. Dezember 2022 im Dachfoyer der Wiener Hofburg aufgezeichnet.
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Gerald GROẞ (Moderator): Guten Abend und herzlich willkommen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie bei der letzten Ausgabe von „Politik am Ring“ im Jahr 2022, und diese Ausgabe hat einen durchaus provokanten Titel: „Reporter mit Grenzen“. Nicht zuletzt die Chataffären zwischen Politik und Medien haben ja gezeigt, wie sehr diese beiden Bereiche in Österreich miteinander verflochten sind. Mit einem neuen Mediengesetz will die Regierung gegensteuern, Qualität und Transparenz im Journalismus fördern, wie es heißt, aber Kritikerinnen und Kritiker sehen im Gesetzentwurf alles andere als einen Neustart der heimischen Medienpolitik. Wir stellen daher die Frage: Wie kann Österreichs Journalismus unabhängig von politischen Einflüssen werden? Darüber wollen wir hier diskutieren, und zwar mit Eva Blimlinger von den Grünen – schönen guten Abend! (BLIMLINGER: Schönen guten Abend!) –, Henrike Brandstötter von den NEOS – ebenfalls schönen guten Abend! (BRANDSTÖTTER: Guten Abend!) –, mit Kurt Egger von der ÖVP – herzlich willkommen! (Egger: Schönen guten Abend!) –, Christian Drobits von der SPÖ – schönen guten Abend! (DROBITS: Guten Abend!) – und mit Dagmar Belakowitsch von der FPÖ – herzlich willkommen! (BELAKOWITSCH: Guten Abend!) Außerdem begrüße ich Anneliese Rohrer, Journalistin – herzlich willkommen, schön, dass Sie da sind! (ROHRER: Guten Abend!) – und Simon Kravagna, Forum Journalismus und Medien und ebenfalls früher Journalist – herzlich willkommen! (KRAVAGNA: Guten Abend!) Bevor wir in die Thematik des Gesetzes beziehungsweise des Medienpaketes, um das es heute geht, einsteigen, möchte ich über das Thema des Verhältnisses zwischen Medien und Politik ganz allgemein sprechen. In der Theorie ist das ja alles ganz einfach. Auf der Seite der Demokratiewebstatt des österreichischen Parlamentes kann man zu diesem Thema Folgendes lesen: „Politik und Medien beeinflussen sich gegenseitig und profitieren voneinander. Die Politik liefert den Medien die Inhalte, mit denen Zeitungen“ zum Beispiel „verkauft und Einschaltquoten erzielt werden. Umgekehrt brauchen die PolitikerInnen die Medien, um die Menschen mit ihren Inhalten zu erreichen. Die Art der Berichterstattung beeinflusst auch das Bild der PolitikerInnen in der Öffentlichkeit.“ So weit so gut, könnte man sagen. – Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, jetzt fragen: Wie würden Sie das Verhältnis Politik – Medien beschreiben, vor allem aus dem eigenen Erleben heraus? Herr Egger, ich beginne mit Ihnen, weil für Vertreter der Kanzlerpartei dieses Verhältnis ja vielleicht besonders delikat und manches Mal auch besonders herausfordernd ist.
Kurt EGGER (ÖVP, Mediensprecher): Also ich bin jetzt schon einige Zeit im politischen Umfeld tätig, und wenn ich diesen Zeitraum betrachte, dann hat sich die Kommunikation insgesamt verändert. Wir haben es auf der einen Seite mit sozialen Medien zu tun, bei denen man die Möglichkeit hat, selber seine Botschaften anzubringen, und auf der anderen Seite hat man die Möglichkeit, über veröffentlichte Meinungen seine Botschaften an die Wählerinnen und Wähler zu bringen. Ich erlebe das Verhältnis zwischen Politik und Journalismus sehr, sehr professionell – persönlich sehr, sehr professionell –, bei dem es einfach darum geht, zu schauen: Wo sind die Fakten, was sind die Überlegungen dahinter, wie kann man dementsprechend auch die Analysen an den Mann bringen oder an die Frau bringen? Aus meiner Sicht ist das eine Situation, die natürlich jetzt nicht immer ganz einfach zu betrachten ist, aber insgesamt hat sich da das Verhältnis nicht wesentlich verändert.
GROẞ: Wenn Sie von professionellem Verhältnis sprechen, was meinen Sie dann? Was ist für Sie dann ein professionelles Verhältnis?
EGGER: Also ein professionelles Verhältnis ist für mich, dass es eine gewisse Distanz gibt, dass man diskutiert: Wie sieht man selber die Situation, wie sieht der Journalist die Situation, wie kann das die Bevölkerung sehen? Und wenn das dementsprechend abgewogen ist, dann kann das aus meiner Sicht auch so veröffentlicht werden.
GROẞ: Frau Blimlinger, jetzt könnte man sagen: Also gewissermaßen eh alles in Butter! – Sehen Sie als Vertreterin der kleinen Regierungspartei das auch so? Früher, als Oppositionspolitikerin, haben Sie da mitunter auch durchaus sehr – wie soll man sagen? – kritische Worte gefunden.
Eva BLIMLINGER (Grüne, Mediensprecherin): Ja, ich war ja als Politikerin nie in der Opposition, aber in anderen Funktionen meines Lebens immer wieder mit Medien konfrontiert – sei es als Rektorin oder auch während der Österreichischen Historikerkommission, also in unterschiedlichen Positionen damit konfrontiert –, und es hat sich aus meiner Sicht massiv verändert, weil wir ja nicht mehr einfach nur von journalistischen Medien sprechen. Also man kann sagen, bis vor zehn Jahren, 15 Jahren – aber eigentlich zehn Jahren – waren Medien journalistische Medien, die in einem professionellen Umfeld und professionell gestaltet waren. Und auch da gab es natürlich das schwierige Verhältnis zwischen Politiker, Politikerin und Journalisten, das auch nicht immer eines war, bei dem man sagt, es hat keine Verhaberungen gegeben und es wurde nicht interveniert. Also wenn man es historisch sieht, hat es das natürlich in der einen oder anderen Form immer wieder gegeben. Was aber der wesentliche Unterschied zu heute ist, ist, dass der Großteil der Medien keine journalistischen Medien mehr sind, sondern Medien, die von jedem Einzelnen, jeder Einzelnen mitgestaltet werden können. Und dann gibt es – ich sage jetzt einmal so – Bereiche wie Twitter, die insbesondere von Journalisten und Journalistinnen genützt werden, aber nicht als Journalist, also sozusagen als Gestalter eines Mediums, sondern wo die eigene Position abseits des Mediums, für das man eigentlich arbeitet, formuliert wird. Also das sind die beiden Bereiche, und das macht den Umgang mit den Medien, denke ich, für Politiker und Politikerinnen auch viel schwieriger, weil man nicht mehr eine Situation vorfindet, in der Medien klar gestaltet sind, sondern es gibt eine Vielzahl von Medien, in denen man sich oder in denen sich Politiker und Politikerinnen bewegen müssen und da natürlich, das wissen wir alle, in Fettnäpfe treten, das Falsche über Twitter rauslassen, und dann selbstverständlich sozusagen die Journalisten und Journalistinnen das aus dieser Art von Medien – sagen wir jetzt einmal soziale Medien, wobei ich ehrlich sagen muss, dass ich noch nie verstanden habe, warum das soziale Medien heißt, was daran sozial sein soll, bleibt mir verborgen - -
GROẞ: Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass Sie mir jetzt sehr elegant ausgewichen sind, indem Sie sehr - -
BLIMLINGER: Nein, warten Sie! Wenn Sie mich zu Ende reden lassen, dann sage ich das schon. Und dass dann natürlich eine Situation und auch ein großes Misstrauen zwischen Journalisten, Journalistinnen und Politikerinnen, Politiker entsteht, nämlich ein Grundmisstrauen, dass einen das Gegenüber – nämlich der Journalist, die Journalistin – linken will. Und aus diesem sozusagen Belauern heraus entstehen natürlich einerseits die absurdesten Situationen, und auf der anderen Seite haben wir dann diese massive Intervention oder Verhaberung, bei der man den Chefredakteur oder die Chefredakteurin anruft und sagt: Das da muss aus der Zeitung weg, das wollen wir nicht! Also genau diese Situation, das ist sozusagen innerhalb der journalistischen Medien polarisiert - -
GROẞ: Jetzt ganz konkret: Haben Sie das auch schon gemacht? Haben Sie schon Chefredakteure oder Chefredakteurinnen angerufen (BLIMLINGER: Nie in meinem Leben!) und das verlangt?
BLIMLINGER: Außerdem bin ich zu unwichtig, als dass man auf mich hören würde. Aber ich habe noch nie angerufen als Politikerin – als Rektorin habe ich das ein, zwei Mal gemacht.
GROẞ: Okay. Und Sie haben verlangt, dass etwas nicht geschrieben wird?
BLIMLINGER: Nein! Ich habe nicht verlangt, das etwas ist, ich habe nur gebeten, dass man die Berichterstattung - - Das war, um es konkret zu sagen, die Besetzung der Akademie durch Flüchtlinge, und da ging es um die Frage, ob die Polizei räumen soll oder nicht, und da war mein oder unser Begehr – das des Rektorats –, dass man die Situation möglichst deeskaliert, um eine friedliche Räumung ohne Polizei sozusagen zu ermöglichen. (GROß: Okay!) Das war der Kern meines Anrufs, und das ist auch gelungen.
GROẞ: Okay. – Frau Belakowitsch, das Misstrauen, von dem Frau Blimlinger jetzt gesprochen hat, war bei der FPÖ gegenüber den etablierten Medien, nenne ich sie jetzt einmal, immer sehr groß (BELAKOWITSCH: Mhm!), und das war auch der Grund, warum man sehr früh einerseits auf die sozialen Medien gesetzt hat und gleichzeitig aber auch eigene Medien – gerade im Internet – etabliert hat. Wie würden denn Sie dieses Verhältnis aus heutiger Sicht beschreiben, auch nach dem, was jetzt aktuell passiert ist, oder ganz konkret zum Beispiel auch seit Ibiza?
Dagmar BELAKOWITSCH (FPÖ, Klubobmann-Stellvertreterin): Na, ich glaube, wir haben ja jetzt in den letzten Jahren erkannt, wie Teile der Politik mit Teilen der Medien hier wirklich sehr eng sind. Jetzt hat die Kollegin Blimlinger ja schon gesagt, anzurufen beim Chefredakteur, um etwas hineinzubringen oder herauszubringen, um eine Berichterstattung so zu gestalten, wie man sie gerne hätte, also diese Verhaberung, die gibt es in weiten Bereichen – vor allem ist das natürlich meistens im Bereich der Regierungsparteien so, das ist das eine. Und das Zweite, und das ist, glaube ich, ein ganz großes Thema, das wir schon haben, ist: Wir haben natürlich eine Entwicklung – eine mediale Entwicklung –, die sich in den letzten Jahren verändert hat. Wir haben die sogenannten sozialen Medien, wir haben Onlinemedien, das heißt, wir sind 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag sozusagen mit Medien konfrontiert. Das ist sicherlich ein ganz großes Problem, weil das natürlich auch dazu führt, dass Leute oder die Bürger draußen ja ihre Informationen aus den Medien beziehen. Auf der anderen Seite muss man sagen, was wir auch haben, das sind natürlich sehr viele Journalisten, die sozusagen Bewertungsjournalisten sind, die nicht einfach berichten, sondern die ein Werturteil abgeben. Also ich denke jetzt zum Beispiel daran, dass es in Österreich Journalisten gibt, die am Küniglberg arbeiten, und wenn diese aber auf Twitter ihre politischen Meinungen kundtun, dann sind das keine journalistischen Meinungen, sondern dann sind das Politaktivisten – und ich glaube, das muss man auseinanderhalten –, die aber ohne jegliche demokratische Legitimation hier politische Botschaften weitersetzen. Ich glaube, sehr gut und sehr klug hat das beispielsweise die „New York Times“ gelöst, weil dort die Journalisten auf Twitter tatsächlich überhaupt nichts posten dürfen – also ich glaube, sie dürfen Katzenfotos posten oder so. Also sie dürfen tatsächlich keine Meinung abgeben, weil sie natürlich in einen Konflikt geraten könnten, und ich glaube, da sollten wir in Österreich auch hin – dass es wieder so ist –, weil wir ja eines auch nicht vergessen dürfen: Ich meine, woher haben denn diese Journalisten teilweise den Bekanntheitsgrad? Also ich sage jetzt einmal so: Der Anchorman der „ZIB 2“, der jeden Tag in meinem Wohnzimmer ist – und nicht nur in meinem, sondern in den Wohnzimmern von Millionen Menschen –, weil er halt jeden Tag moderiert, hat ja seinen Bekanntheitsgrad aufgrund des Mediums, und diesen Bekanntheitsgrad nützt er dann in anderen Bereichen. Gleichzeitig darf man auch nicht vergessen, und das ist schon auch etwas, was man den Journalisten auch einmal deutlich sagen muss: Wir haben natürlich auch Journalisten, die auch von der Bevölkerung bezahlt werden, die über Gebühren finanziert werden, die über Medienförderung finanziert werden. Das heißt, sie werden sehr wohl über die öffentlichen Gelder finanziert, und trotzdem glauben Sie dann, als Politaktivisten ihre Meinung kundgeben zu müssen, und ich glaube, das ist das Problem. Darum ist das auch ein sehr ambivalentes Verhältnis zwischen Politik und Journalismus.
GROẞ: Okay, vielen Dank. – Ich mache weiter mit Ihnen, Herr Drobits, und versuche es vielleicht einfach – um diese Frage nicht so ganz allgemein im Raum stehen zu lassen – mit einer ganz konkreten, zugespitzten Frage: Wann waren Sie das letzte Mal mit einem Journalisten, einer Journalistin auf ein Bier oder einen Kaffee?
Christian DROBITS (SPÖ, Mitglied Verfassungsausschuss): Also die Nähe zu den Journalisten und Journalistinnen hat man immer – also auf ein Getränk gehen, auf einen Kaffee gehen, das ist gerade in einem kleinen Umfeld wie im Südburgenland durchaus gegeben und möglich, und das ist auch nicht das Problem. Ich meine, das Problem ist, dass das Verhältnis zwischen Medien und der Politik natürlich schwierig ist – das hat bereits Bruno Kreisky gesagt: dieses Verhältnis ist ein schwieriges –, aber das sind zwei kommunizierende Gefäße, die im Endeffekt miteinander im Interesse der Demokratie arbeiten müssen.
GROẞ: Entschuldigung, wenn ich da einhake, aber wenn Sie kommunizierende Gefäße sagen, heißt das Geben und Nehmen?
DROBITS: Nein, das heißt einfach, auch wirklich im Sinne der Fairness für die Demokratie etwas zu machen, denn wir haben ja das Gebot, dass eine starke Demokratie nur mit einer starken Presse bestehen kann, und für mich ist es schon so: Die Medienlandschaft und die Medien sind für mich ein äußerster Pfeiler und Baustein unserer Demokratie. Deshalb behaupte ich auch, dass der politische Einfluss und auch die Möglichkeiten im Verhältnis zwischen den Medien und der Politik - - Man kann nicht sagen, dass das unabhängig ist! – Ich sage, das ist vielleicht unabhängiger, und die Abhängigkeiten sind gegeben, aber entscheidend ist es, ob es eine Nähe ist, in der man miteinander fair umgeht, oder ob es zu einem Thema wird – was meine Kolleginnen und Kollegen angesprochen haben –, dass es zu einer scheinbaren Verbandelung kommt oder Verhaberung kommt. Dann haben wir dieses Bild, das wir derzeit haben: Dieses Bild, bei dem kein guter Eindruck gemacht wird und wo vielleicht sogar der Generalverdacht besteht, dass alle Medien oder alle Journalisten und alle Politiker schlecht sind. Ich glaube, das ist das Wesentliche, und diese Grenzen müssen wir setzen. Deshalb behaupte ich also: Der Kaffee, das Kaffeetrinken– oder das, was Sie angesprochen haben, das Biertrinken – ist per se nicht schlecht, es geht nur immer darum, wie weit man diese Abhängigkeiten dann in weiterer Folge ausübt und formuliert.
GROẞ: Mhm, vielen Dank. – Frau Brandstötter, Sie kennen ja beide Seiten. Sie waren journalistisch tätig, Sie waren zum Beispiel auch in der PR tätig und sind jetzt Politikerin. Das heißt, diese Grenzen, von denen gesprochen wurde, diese Firewalls, die es gibt oder nicht gibt: Wie haben Sie diese empfunden und wie sollten sie Ihrer Meinung nach sein?
Henrike BRANDSTÖTTER (NEOS, Mediensprecherin): Also ich habe nie gemeinsam mit Chefredakteuren und Politikern auf Einladung von Lobbyisten gefeiert. Diese Fotos und Berichte waren ja auch tatsächlich sehr ungustiös, und das ist genau die Art und Weise, wie Politik und Medien nicht miteinander kommunizieren sollten und das sind auch nicht die Orte. Dass sie miteinander kommunizieren, dass wir in einem kleinen Land leben, wo man einander teilweise auch kennt, vielleicht auch freundschaftlich zugetan ist, sich wertschätzt, das ist überhaupt nicht das Problem. Das Problem ist der Umgang miteinander – das ist Punkt eins. Punkt zwei ist: Natürlich machen Medien heutzutage immer wieder Politik, aber auch Politik macht Medien. Man darf auch nicht außer Acht lassen, dass mittlerweile auch alle Parteien eigene Medien betreiben – in unterschiedlicher Qualität, aber doch. Wir alle sind, wie Kollegin Blimlinger das vorhin auch festgestellt hat, heutzutage Autorinnen und Autoren. Das heißt, wir haben auch die Möglichkeit, über die sozialen Netzwerke selbst zu kommunizieren. Das schafft neue Handlungsfelder, und da müssen wir uns auch darüber unterhalten, wie wir eigentlich miteinander tun und wie wir miteinander umgehen. Wir müssen anscheinend auch Regeln schaffen und darüber sprechen, wie wir besser, wertschätzender, demokratiestabilisierender miteinander kommunizieren.
GROẞ: Frau Rohrer, ich habe, als ich im ORF begonnen habe, auch politische Berichterstattung zu machen, einen Chef gehabt – der im Übrigen nicht mehr lebt –, der mir damals den guten Tipp gegeben und gesagt hat: Du musst es so sehen wie im Zoo, oder halte dich sozusagen an die Regel wie im Zoo: Nicht füttern, nicht reizen, nicht in den Käfig gehen! Das war also sozusagen der Tipp für den Umgang mit der Politik. Würden Sie meinen, das war ein guter Tipp?
Anneliese ROHRER (Journalistin): Zuerst würde mich die Frage interessieren, welches Tier er Ihnen zugeordnet hat.
GROẞ: Na ja, ich war der Besucher im Zoo, nicht? Das heißt, sozusagen wie der Besucher im Zoo, so soll man es auch mit der Politik halten. Also man soll sozusagen nicht füttern, nicht reizen. – Also als Bild finde ich das ja schon irgendwie spannend, nicht? Es geht sozusagen darum: Was verspreche ich möglicherweise einem Politiker, einer Politikerin, wie weit provoziere ich?
ROHRER: Sagen Sie mir noch schnell das Jahr!
GROẞ: Das waren die späten Achtziger.
ROHRER: In den Achtzigern?
GROẞ: Späte Achtzigerjahre, ja. (ROHRER: Na ja, das - -!) Aber welche Tipps haben Sie den jungen Kolleginnen und Kollegen für den Umgang mit Politik gegeben? Denn eines ist ja auch klar: Wenn ich Politiker nicht kenne, wenn ich Politiker:innen nicht treffe, dann kriege ich keine Informationen. Das heißt, ein gewisses, ich will jetzt nicht sagen: Naheverhältnis, aber sozusagen eine Kommunikation ist ja notwendig.
ROHRER: Aber, Herr Groß, dass eine Kommunikation notwendig ist, darüber brauchen wir überhaupt nicht zu reden (GROẞ: Genau! Aber wie legt man diese Kommunikation an?), aber man muss über die Art und Weise reden (GROẞ: Genau, genau!), wie sie stattfindet, und da hat sich natürlich schon etwas geändert – abgesehen davon, dass kein Journalist einen Politiker anfüttert, nur so viel zum Füttern. Es war ja eigentlich immer umgekehrt, und da wurden auch Regeln geschaffen, dass das nicht mehr stattfinden kann oder nur über einen Kaffee und was weiß ich. Ich komme auf das von Frau Brandstötter zurück: Das ist das Übel. Wir brauchen keine Regeln mehr! Das ist nicht notwendig! Sie wollen Regeln aufstellen – was mich bei Ihrer Ausrichtung wundert: Sie wollen Regeln aufstellen –, wie man miteinander umgeht. Alles, was wir brauchen, ist Courage, alles, was wir brauchen, ist Rückgrat. Wir brauchen überhaupt keine Regeln. Wir brauchen Journalisten, die, und das halte ich wirklich für das Schlimmste - - Die schlimmste Entwicklung in der letzten Zeit ist diese – ich weiß jetzt nicht, wann das eingesetzt hat, ob mit Faymann oder vorher – spontane Verhaberung, dieses Du. Junge Journalisten – ich war ja auf der FH, ich habe das ja gesehen – und Journalistinnen kommen zu irgendeinem Politiker, und das erste, was er sagt, ist: Wir sind per Du. – Die junge Journalistin oder der junge Journalist hat nicht das Standing und hat auch nicht den Mut, zu sagen: Das kommt überhaupt nicht in Frage! (BRANDSTÖTTER: Ja, dafür bräuchten wir Regeln!) Dieses Du, dieses massenhafte Du erzeugt natürlich schon von vornherein ein Verhältnis, das in der Öffentlichkeit mit Misstrauen gesehen wird und das die Glaubwürdigkeit beider untergräbt. Also ich brauche keine Regel, ich brauche nur Politiker, die aufhören, zu versuchen, irgendwelche Journalisten zu vereinnahmen, und ich brauche Journalisten, die sagen: Na, mit Sicherheit nicht!
BRANDSTÖTTER: Also ich würde gerne ad hoc darauf reagieren, wenn das möglich ist. (GROẞ: Ja!) Mit Regeln ist nicht ein Gesetzeswerk, das man schreibt, gemeint, sondern dass wir darüber sprechen müssen, wie wir miteinander umgehen, weil es anscheinend ganz viel Bedarf dafür gibt. Auch Sie sagen, Sie wollen nicht, dass ein Du einfach spontan angeboten wird, und das ist etwas, über das wir sprechen müssen.
ROHRER: Ja, ja, sprechen schon, aber keine Regeln.
GROẞ: Aber lassen Sie mich, Frau Rohrer, vielleicht noch ein anderes Zitat bringen. Mein früherer Kollege Robert Hochner, der leider auch sehr früh verstorben ist – im Jahr 2001 –, hat einmal über die österreichische Innenpolitik folgenden legendären Satz geprägt. Er hat gesagt, die österreichische Innenpolitik ist wie „ein nicht enden wollender Heuriger, der von Pressekonferenzen unterbrochen wird“, nicht? Mich hat das jetzt ein bisschen erinnert, wie Sie das von der österreichischen Kleinheit gesagt haben, wo man halt ständig irgendwie aufeinanderpickt: Auch Wien ist ja irgendwie eine überschaubare Stadt, zumindest die Innenstadt, dort, wo Politik stattfindet. Hat es mit dieser Kleinheit zu tun, nur mit dieser Kleinheit? Oder hat es auch mit bestimmten Strukturen zu tun, die einfach unserem Land immanent sind? Warum ist das Verhältnis zwischen Medien und Politik bei uns ein anderes als zum Beispiel in Deutschland?
ROHRER: Das hat mit der Kleinheit zu tun, aber nicht im Vergleich zu Deutschland, weil zum Beispiel – nur als Anschauungsbeispiel – in Deutschland die Politiker zur Bundespressekonferenz kommen – sie kommen hin!
GROẞ: Also sie werden von den Journalisten eingeladen.
ROHRER: Bei uns trappeln die Journalisten gnadenhalber zum Ministerrat oder zu irgendwelchen Pressekonferenzen (Moderator GROẞ: Zu Hintergrundgesprächen!) – das ist überhaupt eine neue Entwicklung – und die Politiker treten auf und geben als Großtat irgendwelche Informationen – im besten Fall, meistens ist es einfach Gerede, aber im besten Fall teilen Sie dann Informationen mit. Das ist eine Mentalitätsgeschichte. Alles andere hat natürlich mit der Kleinheit des Landes zu tun, weil jeder irgendwann mit irgendjemandem in der Sandkiste gespielt hat. Das ist gerade aktuell sehr prominent zu diskutieren: wer da wen kennt und Jugendfreund und so. Aber auch da brauche ich keine Regeln, ich brauche nur Rückgrat und ich brauche nur Anstand. Und wenn ich mit jemandem in der Sandkiste gesessen bin und der kommt in eine bestimmte Position, dann sage ich: Pass auf, wir sind Freunde, aber jetzt haben wir verschiedene Rollen. Ja, die Kleinheit macht es schwieriger, man sieht es ja auch im Journalismus, die Journalisten, die Kollegen in der - - ich sage jetzt nicht Provinz, aber in den Bundesländern sind ja mit den Bundespolitikern viel schärfer, als sie es mit Landespolitikern sind, und umgekehrt. Natürlich bin ich schärfer mit Leuten in Wien als mit Leuten in Graz, die ich dann vielleicht auf der Straße treffe, das ist menschlich, aber es ist nicht die Tragödie. Was abhandengekommen ist, muss ich ehrlich sagen, ist die Aufrichtigkeit, vor allem die Aufrichtigkeit, und das Bemühen um Distanz.
GROẞ: Das heißt, ein bisschen liegt es schon auch an den Journalistinnen und Journalisten. Herr Kravagna, Hajo Friedrichs, um noch eine Legende, eine Journalistenlegende zu zitieren – er war ein ganz berühmter Tagesthemenmoderator, er ist schon lange gestorben –, hat einmal den Satz gesagt, zum Umgang Journalismus oder Medien und Politik: „Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken“. Würden Sie sagen, dieser Satz wird heutzutage bei uns gelebt?
Simon KRAVAGNA (Fjum – Forum Journalismus und Medien Wien): Der Satz ist bekannt und auch sehr gut. Gelebt wird er nicht richtig, ja, das stimmt. Aber Sie wollten es ein bisschen persönlicher: Wie wird man so per Du mit Politikern? Das hat jetzt nicht nur damit zu tun, dass man das Duwort angeboten bekommt und man dann da nicht rauskann, sondern das sind möglicherweise so Generationen, die miteinander aufwachsen, das ist einfach so. Ist Herr Vilimsky – Entschuldigung – noch Generalsekretär? – Nein? Aber auf jeden Fall bin ich mit dem langjährigen Generalsekretär der FPÖ, Harald Vilimsky, per Du – also wenn er zuschaut: Hallo Harald! Wie ist das entstanden? Wir waren beide damals sehr jung, er war Pressesprecher in Wien und ich war junger Politikredakteur bei einem Magazin. Und wenn zwei 25-Jährige sich treffen, dann sind sie in der Regel nicht per Sie heutzutage. Und es wäre auch ein bisschen komisch, im Nachhinein zu sagen: Und ich bin jetzt eigentlich mit dir wieder per Sie. Also ich glaube nicht, dass das Duwort das Problem ist, und ich glaube auch nicht, dass wir dafür Regeln brauchen. Ich habe kein besonderes Naheverhältnis zu Herrn Vilimsky, nur weil ich per Du bin. Wenn man sich übrigens aus dem gleichen Ort kennt, wird man dann auch nicht plötzlich per Sie sein, das halte ich für ein bisschen lebensfremd. Journalistinnen und Journalisten haben aber das Problem – oder Medien, sage ich einmal –, dass es in den letzten Jahren so war, dass ein sehr nahes Verhältnis zur Politik eigentlich eine Karriere begünstigen konnte. Und es gab ja einige bekannte Fälle in letzter Zeit, die auch mit Rücktritten – würde man sagen in der Politik – geendet haben. Da war es, würde ich sagen, in beiden Fällen so, dass das ja auch in den jeweiligen Medien gern gesehen war, dass diese Personen so eine enge Beziehung zur Politik hatten, das tat diesen Medien in der einen oder anderen Weise auch gut, man bekam exklusive Informationen oder auch möglicherweise andere Mittel, die dem Medium oder zumindest dem Eigentümer durchaus gefallen haben.
GROẞ: Wo ist da die Grenze eigentlich?
KRAVAGNA: Das ist nicht die Schuld der Politiker und Politikerinnen, sondern die Medien müssen für sich selber überlegen, wie sie ihre Unabhängigkeit sichern. Das ist nicht passiert, im Gegenteil, es war für gewisse Medien sehr günstig, eng mit der Politik zu sein, finanziell, aus finanziellen Gründen, oder auch für einzelne Karrieren sehr günstig, ein sehr enges Verhältnis - -
GROẞ: Oder manchmal vielleicht auch einfach nur für eine gute Geschichte, denn letztlich geht es ja auch um die Geschichte, und eine Exklusivgeschichte zu bekommen setzt mitunter auch eine gewisse persönliche Nähe voraus?
KRAVAGNA: Ein Vertrauen, keine Nähe, würde ich sagen. Also ich würde behaupten, ich war zehn Jahre innenpolitischer Journalist und habe aus allen politischen Lagern Geschichten, wie man so schön sagt, bekommen, und da geht es dem Absender in der Regel darum, ob er sich darauf verlassen kann, dass diese Geschichte sozusagen prominent platziert wird, und nicht, ob ich ein besonderer Vertrauensmann bin.
GROẞ: Dann sage ich an dieser Stelle einmal vielen Dank für diese Runde. Wenn es jetzt unmittelbar noch etwas zu ergänzen oder zu erwidern gibt, dann machen wir das bitte ganz kurz noch, bevor wir dann zum Thema Medienpaket kommen. Frau Blimlinger, ganz kurz bitte.
BLIMLINGER: Zwei Punkte möchte ich sagen: Diese Geschichte, dass die Journalisten und Politiker dieses Naheverhältnis oder sozusagen diese fehlende Trennung haben – also wir sind übrigens auch per Du und ich werde jetzt nicht Sie sagen –: Das ist aber traditionell so. Dafür paradigmatisch steht meiner Meinung nach die Biographie von Franz Kreuzer, der in der „AZ“ begonnen hat, im ORF Chefredakteur war und dann Gesundheitsminister war. Also das ist ja nicht so etwas Neues, wie auch die Parteimedien ja nicht neu sind, sondern die haben halt alle irgendwie irgendwann einmal kein Geld mehr gehabt und konnten sich als Printprodukt nicht mehr verbreiten, dann hat es eine Pause gegeben, würde ich sagen, so von acht bis zehn Jahren, und jetzt gibt es die digitale Onlineversion und jetzt machen halt alle Parteien sozusagen, wie wenn es wieder eine „AZ“ oder einen „Express“ oder was auch immer gibt, deswegen werden Parteizeitungen nicht besser – wiewohl zur Ehrenrettung der „AZ“: Das war einmal eine gute Zeitung – das hat dann aber irgendwann einmal aufgehört –, obwohl es eine Parteizeitung war. Also das sind so Entwicklungen, wo ich sage, die Parteizeitung an sich ist nicht das Problem. Noch ein letzter Satz zum Du: Das Du ist eigentlich ein Beamtendu, denn ich sage Du, alle Sektionschefs und die Beamten und Beamtinnen waren untereinander immer per Du, und zwar mit Amtstitel dann, aber immer per Du.
ROHRER: Ja, wenn sie bei der SPÖ waren oder wenn sie beim CV waren, natürlich.
BLIMLINGER: Hat es früher andere Beamte gegeben? (Heiterkeit.)
ROHRER: Jetzt wird das Du aber eingesetzt.
GROẞ: Bevor wir jetzt noch zum Thema: Wie begrüßen wir einander?, kommen, denn das war ja in den letzten Tagen auch mitunter Thema der innenpolitischen Berichterstattung, möchte ich jetzt einen harten Schnitt machen und tatsächlich zum Medienpaket kommen. Anfang Oktober hat sich die Bundesregierung ja nach Gesprächen mit Branchenvertreterinnen und -vertretern und Fachleuten auf ein solches, ein Medienpaket nämlich, geeinigt. Was sieht es vor? – Zum Beispiel verschärfte Transparenzbestimmungen bei der Inseratenvergabe öffentlicher Stellen und eine neue Medienförderung. Letztere soll Rahmenbedingungen unterstützen, die die Qualität des Journalismus steigern.
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Es folgt eine Videoeinspielung:
Sprecher: Medienvielfalt und unabhängiger Journalismus sind für eine funktionierende Demokratie unerlässlich. Doch die Vielfalt ist durch die wirtschaftliche Krise traditioneller Printmedien bedroht. Die Unabhängigkeit ist nicht zuletzt durch die Chataffäre und den Rücktritt zweier Chefredakteure in Misskredit geraten. Mit einem neuen Medienförderungsgesetz verspricht die Bundesregierung:
Susanne Raab (Medienministerin, ÖVP): Die Medien in ihrer ureigensten Aufgabe, nämlich des unabhängigen Journalismus, zu unterstützen, die Medienvielfalt in Österreich abzusichern und somit den Medienstandort zu stärken und selbstverständlich hundertprozentige Transparenz und Nachvollziehbarkeit walten zu lassen, wenn der Staat und die Medien kooperieren, insbesondere in Form von Einschaltungen, Stichwort Inserate.
Sprecher: Zu lange, so die Kritik, hätte die Politik versucht, über Inserate Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen.
Thomas Hofer (Politikberater): Ich glaube, es ist absolut legitim und eigentlich überfällig, dass es da jetzt zu größeren Transparenzrichtlinien kommen soll. Das ist tatsächlich etwas, was es eigentlich schon vor vielen Jahren hätte geben müssen, denn es ist ja beileibe nicht der erste Skandal, den wir diskutieren. Vor etwa zehn Jahren war das schon einmal der Fall, dass es da ähnliche – auch wenn damals andere Vorzeichen geherrscht haben – Vorwürfe gab. Damals hat man nicht gehandelt. Und das ist wie immer in der Politik, wenn es einen Missstand gibt, wenn es ein Problem gibt, das man nicht angeht, dass einen das dann doppelt so heftig quasi gerade in einer Krisenzeit wie der jetzigen einholt.
Sprecher: Eine Deckelung von öffentlichen Inseraten wird es aber auch in Zukunft nicht geben.
Stefan Kappacher (ORF-Journalist): Ein wichtiger Punkt wäre, wenn man im Medientransparenzgesetz auch eine Deckelung für öffentliche Inserate vorsehen würde. Man kann dieses Problem der Abhängigkeit der Medien von öffentlichen Geldern, von der Politik letztendlich nicht wirklich lösen, das wird bestehen bleiben.
Sprecher: Neben dem Ende der Inseratenkorruption verspricht die Bundesregierung, auch Qualitätsjournalismus zu fördern. Profiteure dieses Gesetzentwurfs wären vor allem die großen Verlage, so Kritiker.
Stefan Kappacher: Was fehlt, ist eine Lobby für journalistische Start-ups, die haben eben keine Möglichkeit, Druck zu machen. Das hat auf der anderen Seite der Zeitungsverband, der ist eine sehr mächtige Organisation, und die setzt natürlich ihre Interessen durch. Diese Interessen sind auch wichtig und natürlich jetzt brennend angesichts der Teuerung, die die Zeitungen massiv trifft, die wollen jetzt natürlich eine Entlastung für sich herausholen, das tun sie auch; die Jungen schauen da ein bisschen durch die Finger, die neuen, die innovativ tätig sein wollen.
Sprecher: Dass das Gesetz die zu große Nähe zwischen Journalisten und Politikern, oft Verhaberung genannt, verhindern könnte, glauben Insider nicht.
Michael Jungwirth (Stv. Chefredakteur „Kleine Zeitung“): Verhaberung ist aus meiner Sicht nicht, wenn man jemanden zu einem Mittagessen trifft, um sich über die Themen auszutauschen. Aber wenn das regelmäßig stattfindet und wenn das ins Private kippt, dann wird es wirklich sehr, sehr problematisch, weil dann Abhängigkeiten entstehen, und dann ist man als Journalist anfällig für Gefälligkeiten. Das ist ja die große Gefahr.
Sprecher: Eine Gefahr, die auch das beste Qualitätsjournalismusgesetz nicht wird beseitigen können . Aber wie sonst kann Österreichs Journalismus unabhängiger von politischen Einflüssen werden?
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GROẞ: Genau darum geht es bei uns heute in „Politik am Ring“. Ich denke, über die Ziele dieses Paketes sind wir uns alle einig und darüber müssten wir ja nicht diskutieren, aber reden wir sozusagen über die Etappen hin auf dem Weg zu diesem Ziel! Wir haben das in diesem Beitrag angesprochen: Es gibt natürlich schon genügend Kritik an diesem Vorhaben. Frau Rohrer, was ist denn Ihr Kernpunkt? Was sozusagen ist die größte Schwäche dieses Pakets?
ROHRER: Das ist sehr leicht zu sagen: Es ist die Verlogenheit. Wenn wir hier diskutieren, wie Journalismus unabhängiger vom politischen Einfluss werden soll, und man schaut sich die jüngsten Entscheidungen an, dann fragt man sich, warum eigentlich niemand an dieser Forderung erstickt: unabhängiger. Ich nehme nur die Geschichte mit der „Wiener Zeitung“: Ich war eigentlich fasziniert von der Tatsache, dass man sich getraut hat, die Verachtung, die die Politik jüngst den Medien und dem Journalismus gegenüber - -, in Formulierungen zu gießen und dann auch noch stolz zu präsentieren. Das, was mit der „Wiener Zeitung“ passiert – und warum die Grünen da mitmachen, weiß ich nicht, man wird es vielleicht erklären –, ist eigentlich der Beweis: Wir wollen keinen unabhängigen Journalismus, das wollen wir nicht! Und wenn wir jetzt diskutieren, wer unabhängiger werden soll, dann ist das eine unglaubliche Heuchelei. Wie kann ich von unabhängigem Journalismus reden, wenn ich die Ausbildung verstaatliche, wenn ich eine Tageszeitung, die gut ist, aber im Besitz der Republik – kann ja sein, warum nicht –, einstellen will, also den Journalismus an das Bundeskanzleramt ketten will? Das lege ich vor und dann rede ich von unabhängigem Journalismus?
GROẞ: Herr Kravagna, Sie haben in Ihrem Institut ja diese Gesetze auch ein bisschen unter die Lupe genommen, auch jetzt im Zuge der Begutachtung. Was sind denn einzelne Punkte, die Sie herausgreifen möchten, wo Sie sagen, das sind Schwächen?
KRAVAGNA: Wir reden immer über zwei verschiedene Dinge, die sich blöderweise überlagern. Wir reden immer über dieses Medium – älteste Tageszeitung der Welt, seit 1703 – und die traurige Tatsache, dass die Bundesregierung diese Zeitung zu Grabe tragen will. Das überlagert die Presseförderung an sich. Das sind zwei eigentlich unterschiedliche Materien. Aber diese Zeitung und diese Entscheidung der Bundesregierung sind schon ein Symbol – und auch die Verstaatlichung der Journalismusausbildung –, dass man da komplett in die falsche Richtung marschiert. Warum das die Bundesregierung will? Also ich kenne in der Medienlandschaft eigentlich niemanden, der es will, ich kenne in der Wissenschaft niemanden, der es will, ich kenne in der Kunst niemanden, der es will – mit Ausnahme wahrscheinlich jetzt von zwei Leuten hier kenne ich wirklich niemanden, der dafür wäre. Das ist mir ein wirkliches Mysterium. Aber – und jetzt kommen wir zum Gesetz – das Gesetz, das sozusagen die Presseförderung reformiert, hat durchaus auch positive Aspekte. Wir kommen leider noch gar nicht dazu, das zu bereden, weil wir immer über dieses Thema reden.
GROẞ: Dann kommen wir vielleicht in der weiteren Folge dazu und versuchen wir einfach, noch bei dem Thema „Wiener Zeitung“ zu bleiben, weil diese Frage jetzt auch so anklagend gewissermaßen im Raum steht, auf der einen Seite eben die Einstellung der Printausgabe der „Wiener Zeitung“ und der Umwandlung in ein Onlinemedium, wobei ja, glaube ich, noch nicht klar ist, wie oft das dann überhaupt auch „erscheinen“ soll – unter Anführungszeichen –, und gleichzeitig eben die Verstaatlichung, wie Sie gesagt haben, der Journalistenausbildung, weil eben die „Wiener Zeitung“ gewissermaßen eine Art Akademie für Journalistenausbildung wäre, die aber dann sozusagen in der Hand der Republik wäre, und die Politik würde dann sozusagen die Journalistinnen und Journalisten quasi ausbilden, wenn ich das richtig sehe. Ist das jetzt die Aufgabe des Staates?
EGGER: Ich bin jetzt seit einigen Monaten Mediensprecher der ÖVP und habe die Zeit in den letzten Wochen wirklich genutzt, um quer durch Österreich mit sehr vielen Stakeholdern zu sprechen, mit den Medienhäusern auf der regionalen Ebene, mit den Medienhäusern auf der nationalen Ebene, mit sehr vielen regionalen Blättern, und – Herr Kravagna hat es ja auch angesprochen – mir tut es einfach ein bisschen weh, wenn dieses Paket, das wir jetzt präsentiert haben, durch die Diskussion über eine einzige Zeitung überlagert wird und die österreichische journalistische Unabhängigkeit ausschließlich über dieses Medium definiert wird. Wenn ich den Herausgebern richtig zugehört habe, dann ist es vor allem darum gegangen, sich mit explodierenden Energiekosten zu beschäftigen, mit explodierenden Papierkosten, mit Überlegungen: Wie kann ich in Zukunft auch ein Produkt auf den Markt bringen, das ich verkaufen kann, das mir die Überlebensfähigkeit des Medienhauses sichert?, sprich: Wie schaut es aus mit einer Digitalvariante, die ich dementsprechend an Abnehmer bringen darf oder kann? Und wir haben, glaube ich, als Bundesregierung mit der Digitalförderung, mit der Qualitätsjournalismusförderung Grundlagen geschaffen, die dies zumindest unterstützen; die werden den Qualitätsjournalismus alleine nicht retten. – Erster Punkt. Zweiter Punkt: Man kann über die „Wiener Zeitung“ in dieser Form diskutieren, ja, aber daran festzumachen, ob jetzt das Bundeskanzleramt in die Ausbildung eingreift, halte ich für so weit von der Realität weg, dass ich die Diskussion schon sehr absurd finde, denn es war immer so, dass das Bundeskanzleramt beziehungsweise der oder die, der oder die für die Medien zuständig war, quasi über die Beteiligung Interessen an der „Wiener Zeitung“ hatte. Ich bin jetzt ewig dabei, ich habe das vorhin schon gesagt: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich ein Bundeskanzler, eine Bundeskanzlerin oder ein Minister, eine Ministerin in die Journalistenausbildung dort einmischt. Wir haben die Idee, dass wir in diesem Zusammenhang auch eine Möglichkeit bilden, in der Praxis zu lernen, aufgebaut auf eine grundlegende journalistische Ausbildung, wo man lernt, wie man recherchiert, wie man an die Dinge herangeht, und sich dementsprechend auch weiterbildet. Also das ist für mich total absurd, dass man das jetzt versucht, dort in diese Richtung zu bringen.
GROẞ: Frau Blimlinger.
BLIMLINGER: Vielleicht sozusagen ein kurzer Rückblick, warum die „Wiener Zeitung“ überhaupt ein Thema ist: Tatsache ist, dass wir eine Richtlinie der EU umzusetzen hatten, die dazu führt, dass das Amtsblatt in dieser Form nicht mehr erscheint. Das heißt, Tatsache ist, dass österreichische Unternehmen die „Wiener Zeitung“ finanziert haben, wiewohl sie ja im Eigentum der Republik war; die Republik hat dazu nichts beigetragen, sondern die Unternehmer. Es ist also einmal überhaupt die Frage, ob das eigentlich immer so in Ordnung war. Tatsache ist, wir haben ein Vertragsverletzungsverfahren bekommen, weil wir das nicht zeitgerecht umgesetzt haben, weil wir in den letzten drei Jahren versucht haben, eine gute Lösung für die „Wiener Zeitung“ zu finden. Die „Wiener Zeitung“ hat unter der Woche, Dienstag bis Freitag, eine verkaufte Auflage von 8 000, und die Frage des Qualitätsjournalismus und Medienpluralismus muss ich dann schon irgendwie relativieren. Auch wenn wir großartig annehmen, dass sie 20 000 Leser und Leserinnen hat, ist sie sozusagen einfach ein Medium, das kaum gekauft und kaum gelesen wird, auch wenn es die beste Zeitung ist. Dritter Punkt – und das wissen Sie, Frau Rohrer, aus der Geschichte sehr genau –: Immer wenn ein Regierungswechsel war, ein anderer Kanzler war, oder auch manchmal sogar von der gleichen Partei, wurden Leute aus dem Bundespressedienst in der „Wiener Zeitung“ endgelagert – ich sage das wirklich so. Die waren dann dort Journalisten, und der Geschäftsführer und der Chefredakteur – da kann ich mir die weiblichen Formen sparen – wurden immer von jener Partei bestellt, die gerade regiert hat. Das heißt, da musste der Bundeskanzler sowieso nie eingreifen und die journalistische Unabhängigkeit war immer gewahrt. Und die Redaktion weiß seit 20 Jahren, dass es irgendwann mit dieser Zeitung zu Ende gehen wird, weil klar war, dass sich das Amtsblatt in dieser Weise nicht erhält. Das war immer sozusagen davon getragen, und das haben uns viele, auch jetzt von den Jungen, die erst seit ein paar Jahren dabei sind, erzählt, dass, als sie gekommen sind und gefragt haben: Na ja, wie lange wird es jetzt die „Wiener Zeitung“ noch geben?, die älteren Semester gesagt haben: Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, die wird es länger geben, weil wir sind eh immer gut politisch vernetzt; kommen die einen, sind die einen dran, kommen die anderen, sind die anderen dran. – Das hat also natürlich auch alles verhindert, und das hat schon mit Gusenbauer begonnen, der ein Digitalisierungskonzept wollte, das der Betriebsrat und die Redaktion abgelehnt haben. Das heißt, es ist schon auch ein Gutteil derjenigen, die dieses Medium, nämlich die „Wiener Zeitung“, gemacht haben und sich immer in der parteipolitischen Sicherheit gewogen haben, ein bisschen mitverantwortlich dafür, dass es sie nicht mehr gibt. Das ist also ein Punkt, den man bitte nicht wegdiskutieren darf. Das ist etwas, wo ich mich schon sehr wundere, dass man in einem Medium, das von Dienstag bis Freitag eine verkaufte Auflage von 8 000 hat, den Qualitätsjournalismus, den Medienpluralismus in Österreich und ich weiß nicht, was noch alles, gefährdet sieht. Einen Satz oder zwei Sätze noch zur Aus- und Weiterbildung: Man kann natürlich darüber diskutieren, ob der Staat eine Ausbildung zur Gänze finanzieren soll oder sozusagen auch dafür verantwortlich ist. Das macht er in vielen Bereichen, wie zum Beispiel bei der Lehrer:innenausbildung, die über die Pädagogischen Hochschulen geht, die nachgeordnete Dienststellen sind – da regt sich komischerweise niemand auf –, da kann der Minister jederzeit in die Ausbildung der Lehrer und Lehrerinnen, der Pädagogen eingreifen. (KRAVAGNA: Aber die Lehrer sind doch angestellt beim Staat, die Journalisten Gott sei Dank noch nicht!) – Nein, nicht alle Lehrer, also entschuldige einmal! (KRAVAGNA: Die meisten!) – Sie waren aber jetzt bei der „Wiener Zeitung“ angestellt, die der Republik gehört hat. Also wo ist da der Unterschied, bitte? Also es ist schon der Staat auch, natürlich in mittelbarer Form und nicht in unmittelbarer Form. Das ist also ein Punkt, den ich nicht ganz nachvollziehen kann. Was das neue Produkt betrifft, gibt es da eine Gruppe, die aus der Redaktion kommt, aus anderen Bereichen in der „Wiener Zeitung“, die sich sehr genau überlegen will, wie diese einerseits Onlineschneise, andererseits eben andere Printprodukte sein können oder nicht.
GROẞ: Vielen Dank dafür. Ich würde jetzt vorschlagen, dass wir das Thema „Wiener Zeitung“ vorerst einmal ad acta legen und trotzdem versuchen, noch über die anderen Punkte dieses Paketes, die ja nicht unwesentlich sind, zu reden. Da möchte ich jetzt der Oppositionspolitikerin und dem Oppositionspolitiker in die Augen schauen und sie fragen – Herr Kravagna hat es ja bereits angedeutet, ohne es noch im Detail auszuführen, es ist ja auch viel Gutes in und an diesem Paket, zum Beispiel, dass die Presseförderung mit 20 Millionen Euro dotiert ist, und das ist nicht wenig Geld, das ist mehr Geld als zuletzt, dass es zum Beispiel sozusagen eine Journalismusförderung, die sich an der Anzahl der angestellten Journalistinnen und Journalisten nach Kollektivvertrag orientiert, gibt, Frauenförderungsprogramme und so weiter, und so fort –: Wie stehen Sie denn jetzt zu diesem Paket, einmal ganz allgemein gefragt?
BRANDSTÖTTER: Ich finde es sehr schade, dass wir nicht über die „Wiener Zeitung“ sprechen, weil es so, wie Sie jetzt darüber gesprochen haben, Frau Blimlinger, ein Synonym dafür ist, wie der Umgang der Regierungsparteien mit den Medien ist. Das manifestiert sich auch in dieser sogenannten Qualitätsjournalismusförderung, zu der Sie ja ganz am Anfang gesagt haben: Da sind uns die Ziele klar! – Also mir sind die Ziele nicht klar. Es heißt Qualitätsjournalismusförderung, aber das, was drinnen ist, hat mit Qualität herzlich wenig zu tun. Es gibt Grundvoraussetzungen, die mich als Medium dann dazu befähigen, Förderungen zu erhalten, aber die haben noch nichts mit Qualität zu tun. Dass ich eine gewisse Anzahl an angestellten Redakteurinnen und Redakteuren nach Journalistenkollektiv oder journalistenähnlichem Kollektiv habe – jo mei. Das war es dann aber auch schon. Außer dass die Onlinemedien auch noch eine gewisse Zeichenanzahl haben müssen, die in ihrer Höhe einfach absurd ist, hat das wenig mit Qualität zu tun. Es gibt keine Grundvoraussetzung, dass man ein Redaktionsstatut hat, dass man Mitglied in einem Selbstkontroll- - (BLIMLINGER: Doch, doch! Alles dabei! – EGGER: Na selbstverständlich, da müssen Sie das Gesetz lesen!) – Nein, nein. (BLIMLINGER: Doch! Redaktionsstatut ist ein Handon, natürlich!) – Ja, man kriegt Geld dafür, wenn man es hat, aber es ist keine Grundvoraussetzung, um an diese Förderung heranzukommen, und das macht genau den Unterschied. Sie streuen hier auch immer Sand in die Augen. Mitgliedschaft in einem Selbstkontrollorgan ist keine Grundvoraussetzung, um - - (GROß: Also Presserat, zum Beispiel!) –Beispielsweise Presserat. Ein Redaktionsstatut ist keine Grundvoraussetzung, um eine Förderung zu bekommen. Ein Fehlermanagementsystem, eine Qualitätssicherung, all diese Dinge, die ganz klare Marker für Qualität sind, sind keine Grundvoraussetzungen, und deshalb ist das einmal mehr eine Gießkanne, die halt für Medien ausgeschüttet wird, ja, die gerade wirtschaftlich schwierige Zeiten durchmachen, Stichwort Energiekosten, Stichwort Papierpreise, Stichwort Personalkosten, Inflation. Das aber als Qualitätsjournalismusförderung zu titulieren, ist einfach falsch.
GROẞ: Herr Drobits.
DROBITS: Na ja, Herr Groß, mehr Geld wurde schon hineingegeben – die 20 Millionen Euro für die Qualitätsförderung haben Sie schon angesprochen –, aber mehr Geld in das gleiche System; das System wurde nicht verändert. Es ist nicht mehr Geld in Medienvielfalt, es ist nicht mehr Geld in fairen Wettbewerb gegangen, sondern nur in das bisherige System, wo Platzhirschen stehen und sitzen, und diese Platzhirschen, diese Stakeholder, die von der Bundesregierung mittlerweile auch viel bekommen haben, kriegen weiterhin viel Geld. Das war das Gleiche während Covid-19, auch da haben die Gleichen mehr gekriegt. Eigentlich hätte man erreichen müssen, dass jetzt diejenigen, die neu dazukommen und innovativ arbeiten, auch zum Zug kommen. Bei den Onlinemedien sagen sie: ist überhaupt keine Neuerung. Und wenn man sich die Punkte dann anschaut: Medienforschung mit 50 000 Euro – ich habe mich erkundigt, da kriegt man einen halben Wissenschaftler oder eine halbe Wissenschaftlerin, einen halben oder eine halbe! Ist das die Medienforschung, die die Bundesregierung will? – Also ich kann es mir nicht vorstellen. Wenn ich dann lese, dass die echte, die alte Presseförderung, bei der auch die Aus- und Weiterbildung von den Journalistinnen und Journalisten, wie sie bisher war, nämlich bei den Fachhochschulen, bei den Unis und auch bei anderen Einrichtungen, dabei ist, mit 1,5 Millionen Euro dotiert ist, aber bei der vorhin angesprochenen „Wiener Zeitung“-GesmbH oder beim Gesetz dazu die sogenannte verstaatlichte Aus- und Weiterbildung mit 6 Millionen Euro dotiert worden ist, dann passt da irgendetwas nicht zusammen.
GROẞ: Wenn ich Ihre Kritik zusammenfasse: Der Kernpunkt Ihrer Kritik ist eigentlich der, dass die großen Häuser am meisten profitieren, also sozusagen die etablierten Konzerne?
DROBITS: Es hat sich nichts verändert. Die Großen kriegen wieder mehr, die Kleinen kriegen weniger und die Neuen kriegen nichts, und im Endeffekt wurde – so das Thema Beinschab-Tool oder die Chats – überhaupt nichts verändert, da ist nichts gemacht worden. Ich denke, da geht man eigentlich über in die Tagesordnung und das – und da bin ich bei Frau Rohrer –wirkt für mich nicht vertrauensfördernd, das wirkt für mich teilweise sich selbst belügend, und ich glaube, es ist nicht aufrichtig. Wir hätten jetzt den Punkt fassen müssen, um aufrichtig zu sein und den Österreicherinnen und Österreichern wirklich zu sagen, was wir brauchen: einen Pluralismus an Medien und eine Ehrlichkeit, dass man sagt: okay, den Größeren weniger und den Kleineren und den Neuen mehr.
GROẞ: Frau Belakowitsch, das klingt ein wenig nach neuer Wein in alte Schläuche, oder vielleicht mehr Wein in alte Schläuche?
BELAKOWITSCH: Ich glaube, mehr Wein in alten Schläuchen, von neu ist relativ wenig zu sehen. Wir haben jetzt die Medienförderung erhöht, das stimmt, das klingt natürlich in wirtschaftlich schweren Zeiten sicherlich einmal positiv, aber, wie eh schon ausgeführt wurde, die Problematik ist: Es sind einfach die bestehenden Strukturen, die jetzt mehr bekommen. Das heißt, etablierte Medienhäuser oder Medienhäuser, die bis jetzt schon in der Gunst, wenn man das so sagen kann, der Regierung gestanden sind, werden halt weiterhin gefördert und bekommen eben auch weiterhin Geld, vielleicht jetzt auch ein bisschen mehr Geld. Was schon auffallend hier drinnen ist, ist, dass es nicht an bestimmte Standards gebunden ist. Das Zweite ist, und das hat Kollege Drobits ja schon angefangen auszuführen, dass neue Medien, neue Systeme, die sich entwickeln, komplett durch den Rost fallen. Das heißt, wenn ich jetzt eine Medienvielfalt in Österreich aufbauen möchte, dann habe ich die nicht. Ich möchte trotzdem auch noch ein Wort zur „Wiener Zeitung“ sagen, weil die Aussage von Frau Kollegin Blimlinger so symptomatisch war, zu sagen: Da sind ja die, die dort gearbeitet haben, auch schuld, dass es sie nicht mehr gibt. – Nein, schuld ist die Bundesregierung, denn sie stellt sie schlicht und einfach ein. Das kann ich nicht jenen zum Vorwurf machen, die dort gearbeitet haben und ihr Bestes gegeben haben. Das ist so die Symptomatik dieser Bundesregierung, so ein bisschen einen Halbschritt nach vorne zu setzen und zu sagen: Wir machen jetzt Transparenz, wir machen jetzt alles gut, alles besser!, aber in Wahrheit geht man dann drei Schritte zurück, weil man ja gar nichts verändern will. Das ist irgendwie so das Gefühl, das man hat, wenn man sich dieses Gesetz durchliest. Die Bundesregierung möchte das gar nicht verändern. Ich kann jetzt weiterhin Regierungsinserate geben – ja, sie sind vielleicht ein bisschen transparenter, oder auch nicht –, aber es gibt keine Höchstgrenze. Das heißt, es wird weiterhin so sein, dass sich Regierung, Ministerien die Gunst von Journalisten - - Das hat ja der derzeitige Nationalratspräsident selbst einmal formuliert, als er in einem Medienhaus zum Interview gesessen ist: Na ja, wer zahlt, schafft an! – Wenn ich also die Medien quasi zahle, dann kriege ich auch die entsprechende Berichterstattung. Das sollte man eigentlich unterbinden. Medien sollten tatsächlich unabhängig berichten können und nicht abhängig sein von dem einen oder anderen Regierungsmitglied oder von dem einen oder anderen Ministerium, vom Bundeskanzleramt, wo halt die Förderungen herkommen, wo die Inserate herkommen. Das sehe ich als das Hauptproblem. Da hätte man tatsächlich einen klaren Strich machen müssen, das passiert aber leider nicht.
GROẞ: Vielen Dank. Herr Egger, ganz kurz, wenn das möglich ist, ansonsten würde ich vorschlagen, dass wir das in die nächste Runde einarbeiten.
EGGER: Ganz kurz: Also ich verstehe schon die Rollenteilung zwischen Regierung und Opposition und dass Kritik notwendig ist, weil ja nicht alles gut sein kann, was die Regierung bringt, aber ich bin schon ein wenig irritiert darüber, dass man es jetzt so furchtbar findet, dass man versucht, in bestehenden Medienhäusern den Qualitätsjournalismus zu forcieren, indem man dort Kriterien ansetzt, um das auch dementsprechend zu unterstützen. Und dass sich die Bundesregierung durch ein Qualitätsjournalismusgesetz die Gunst der Medienhäuser, die jetzt am Markt sind, sprichwörtlich kauft, wie Sie es formuliert haben, halte ich gelinde gesagt für ein wenig hinterfragenswert, weil ich davon ausgehe, dass jene Medienhäuser, die jetzt am Markt sind, sehr viel daran setzen werden, dass es da eine gute Trennung zwischen Politik und Journalismus gibt. (BELAKOWITSCH: Das haben wir in der Vergangenheit genau gesehen!) Deswegen ist es auch ein Gesetz für die Zukunft, das dementsprechend das Arbeiten ermöglicht. Und dass all das, was bisher war, weitergeschrieben wird, stimmt auch nicht, weil erstmalig Magazine in der Form auch mit dabei sind, weil Onlinemedien nach den entsprechenden Kriterien auch die Möglichkeit haben, unter dieses Gesetz zu fallen. Man muss eben überlegen: Wie kann ich Qualität sichern? Nämlich: Dort, wo Qualität beginnt, kann ich Qualität draufsetzen, und das ist immer die Frage. – Es ist also nicht alles schlecht.
GROẞ: Okay. Frau Rohrer, es ist nicht alles schlecht, sagt Herr Egger. Sie haben vorhin von Verlogenheit gesprochen, aber wenn Sie ein bisschen genauer hinschauen: Können Sie gar nichts Gutes erkennen, auch an diesem Qualitätsjournalismusgesetz?
ROHRER: Wir haben ja grundsätzlich ein Problem in Österreich, das weit zurück geht. Wenn Sie ins Ausland fahren, können Sie keinem Menschen erklären – schon die staatliche Presseförderung, die ja lange Zeit unumstritten war –, dass der Staat zahlt und die Medien nicht liefern. Es ist halt in diesem Bereich, wie meistens alles in Österreich, irgendwie vergatscht. Das Problem ist, dass niemand ein Interesse hat – sagen wir so –, dass niemand – wage ich zu behaupten –, niemand in Österreich, außer vielleicht – ich bin nicht einmal sicher – die Verlagshäuser, ein Interesse an wirklich politisch unabhängigem Journalismus hat. Das zeigt sich zum Beispiel daran - - Na, Herr Egger, ein wirkliches Interesse, der dafür auch etwas einsetzen würde. Das zeigt sich auch – ich komme noch einmal auf die „Wiener Zeitung“ zurück – an der Haltung der Regierung, die ja nicht einmal auf irgendwelche Vorschläge, wie man das privatisieren kann und wie man das aufstellen könnte, geantwortet hat. (BLIMLINGER: Wir haben auf alle Vorschläge geantwortet, Frau Rohrer, Sie sollten sich bitte genau informieren!) – Von der Regierungsseite aus. (BLIMLINGER: Natürlich haben wir geantwortet!) – Dem ist man nicht einmal nahegetreten. (BLIMLINGER: Das stimmt überhaupt nicht! Erkunden Sie sich halt bitte genau!) – Darf man ausreden? (BLIMLINGER: Ungern, wenn es falsch ist!) Das ist das Grundübel in Österreich, wie ich das seit 45 Jahren sehe. Es ist ja auch nicht so, dass früher alles so glorios war. Reden wir darüber, wie unabhängig die „Kronen Zeitung“ von Bruno Kreisky war, wenn er jeden Samstagvormittag mit Herrn Gnam am Tennisplatz irgendwelche Geschichten ausgemacht hat! Reden wir doch einfach Tacheles und gehen wir dann von dem aus, nämlich von der Tatsache, dass es nicht wirklich ein wirkliches, brennendes Interesse von irgendjemandem in Österreich an unabhängigem Journalismus gibt!
GROẞ: Aber jetzt sind wir ja schon so weit gewesen, dass wir gesagt haben, diese Dinge können wahrscheinlich auch durch das beste Gesetz, durch das beste Mediengesetz der Welt nicht in den Griff bekommen werden, dass Menschen miteinander Tennisspielen gehen und dann vielleicht Geschichten miteinander ausmachen. Oder, Herr Kravagna?
KRAVAGNA: Ja, also Tennisspielen bin ich jetzt mit niemandem gegangen, muss ich sagen, ja.
GROẞ: Sie spielen vielleicht nicht Tennis (KRAVAGNA: Doch, doch, doch!), aber manche gehen miteinander Fußballspielen zum Beispiel. Es gibt so legendäre - -
KRAVAGNA: Peter Pilz ist immer gerne Tennisspielen gegangen, wenn ich mich erinnere. Aber nein, bin ich nie und würde ich auch nicht als richtig empfinden. Aber da sind wir bei - - Wir reden ja eigentlich über Gesetze.
GROẞ: Genau, wir reden über Gesetze und wollen vielleicht ein bisschen ins Detail gehen, damit wir nicht nur an der Oberfläche bleiben und sozusagen irgendwie bei Gefühlen bleiben, sondern versuchen, es auch an Fakten festzumachen. Was ist denn jetzt auf der Habenseite dieses Paketes und was ist sozusagen schiefgelaufen?
KRAVAGNA: Na, richtig ist, dass es mehr Geld für tendenziell mehr Medien gibt als bisher; also da hat die Regierung sozusagen recht.
GROẞ: Aber würden Sie auch der Einschätzung zustimmen, dass die Falschen profitieren?
KRAVAGNA: Gleichzeitig kann man auch sagen, dass der Klub der etablierten Medien – und das sind gewisse Platzhirsche, wie das richtigerweise genannt wird, und immer die gleichen natürlich – jetzt einfach mehr Summen bekommt als früher. Man kann genauso wie Herr Egger sagen: Das ist doch eigentlich gut, weil es die Masse der Journalistinnen und Journalisten ist und die Medien, die wir gemeinhin kennen!, oder man kann richtigerweise wie die Opposition sagen: Ja, aber was ist mit neuen Medien und wirklicher Innovation und reicht es einfach aus, den alten Medien das Geld hineinzustecken? Wir sehen also leider – mein Glas ist ganz leer –, es ist dieses Gesetz halt in Wahrheit so wie ein halbes Glas halb leer oder halt nicht ganz voll. Ich würde sagen – nur um eine Relation herzustellen –, es wäre natürlich besser, wenn man viel mehr Geld aus diesem wahnsinnig großen Budget, das man offensichtlich für Inserate hat, genommen hätte und dadurch noch einmal mehr in die Medienförderung gegeben hätte – dieser Aspekt, der richtigerweise von der Opposition angesprochen wird, aber auch von vielen Kritikern, dass man in wirkliche Medieninnovation investiert. Ja, da wäre, glaube ich, genug Geld da; das hat man nicht getan.
GROẞ: Was wäre denn aus Ihrer Sicht, damit unsere Zuschauerinnen und Zuschauer ja auch verstehen, worüber hier geredet wird, eine Medieninnovation, die da sozusagen jetzt offensichtlich durch die Finger schaut?
KRAVAGNA: Ich glaube, was jeder verstehen wird, ist das Beispiel, das heute schon aufgekommen ist: Ein junges Onlinemedium – und ich glaube, wir wissen alle, dass das nicht nur die Zukunft, sondern schon die Gegenwart ist –, ein junges Onlinemedium muss laut diesem Gesetz, das hier vorliegt, 30 Millionen Zeichen schreiben. (BLIMLINGER: Das ist noch kein Gesetz, das ist nur ein Entwurf!) – Gesetzesvorschlag, ja, ich weiß nicht, was noch rauskommt.
GROẞ: Aber können wir über diese 30 Millionen Zeichen vielleicht ganz kurz reden, weil, ich glaube, auch das ist nicht so allgemein bekannt, was damit eigentlich gemeint ist? Ist das eine Voraussetzung?
KRAVAGNA: Also immerhin hat es die Regierung vorgelegt, und ich weiß nicht, ob Sie sich schon davon distanzieren, aber jetzt stehen einmal 30 Millionen im Raum.
GROẞ: Muss ein Onlinemedium produzieren - ‑
KRAVAGNA: Muss ein Onlinemedium produzieren.
GROẞ: Und Sie haben einmal vorgerechnet, es würde heißen, 30 - -
KRAVAGNA: Ja, also ich habe bei bekannten und (GROẞ: Thalhammers!) ja, sehr bekannten JournalistInnen angerufen und gefragt: Wie viel schreiben Sie denn so pro Jahr? – In der Regel, und das sind schon sehr fleißige Tagesjournalistinnen oder -journalisten, kommen die nicht über eine Million hinaus. Das heißt, man müsste 30 gute Journalistinnen und Journalisten haben, damit man als junges Medium gefördert wird. Das ist natürlich vollkommen absurd, und das ist Ausdruck, dass da im Hintergrund sehr starke Lobbyingverbände für den Klub der etablierten Medien arbeiten, damit diese Regierung nichts tut, damit möglicherweise kein Euro verloren geht, und jungen - -
GROẞ: Aber vielleicht können wir ja bei Frau Blimlinger und Herrn Egger nachfragen. Möglicherweise ist das, diese 30 Millionen Zeichen, eh schon wieder draußen, oder?
BLIMLINGER: Es gibt jetzt einen Entwurf, der ist in Begutachtung. Und ich habe es schon mehrfach gesagt, dass - -
GROẞ: Aber sind Sie dafür, dass das wieder rauskommt? Ich hätte das jetzt herausgehört.
BLIMLINGER: Ganz heraus, das wollen wir gern, aber das ist eine Verhandlungssache. Es wird auf jeden Fall niedriger sein.
GROẞ: Aber geht es um Quantität oder um Qualität – denn Millionen Zeichen würde für mich jetzt für Quantität sprechen.
BLIMLINGER: Ich habe schon mehrfach gesagt – es war sogar schon einmal höher, da sind wir eh schon runtergegangen –: Natürlich muss man das aus unserer Sicht massiv reduzieren. Am liebsten wäre uns, wenn es gar keine Zeichenzahl gäbe. Das ist aber eine Frage, wie wir das eben gemeinsam verhandeln. Jetzt warten wir einmal. Nächste Woche, am Montag, ist das Ende der Frist für Stellungnahmen. Dann schauen wir uns das durch und verhandeln das.
GROẞ: Herr Egger, ganz kurz.
EGGER: Ich bin ja noch nicht so lange im Parlament, aber ich habe den Gesetzgebungsprozess so verstanden, dass man, wenn man in eine Begutachtung geht, auch auf den einen oder anderen Vorschlag, der vernünftig ist, der gut begründet ist, eingehen kann, und ich verstehe diese andauernde künstliche Aufregung nicht. Es ist ja noch nichts in Stein gemeißelt, sondern wir haben einen Vorschlag vorgelegt.
GROẞ: Von wem kam dieser Vorschlag? Wer hat die 30 - -
EGGER: Das war ein gemeinsamer Vorschlag.
GROẞ: Ja, aber wem sind die 30 Millionen sozusagen eingefallen?
EGGER: Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir diesen Vorschlag in Begutachtung schicken. (GROẞ: Okay!) Es gibt jetzt anscheinend eine Expertise dazu, dass das unerreichbar ist. Dann werden wir darüber diskutieren – man muss aber nicht immer gleich alles so: Boah! –, vernünftige Vorschläge kann man einarbeiten und dann diskutieren wir darüber. (BELAKOWITSCH: Das hätte man aber schon vorher machen können! – Weitere Zwischenrufe.)
GROẞ: Wir sind ja deshalb heute hier, um darüber zu diskutieren.
EGGER: Dann hätten wir es gleich beschließen können, aber das Gesetz ist in Begutachtung.
BRANDSTÖTTER: Aber jetzt bin ich dran! Also, ich finde, das ist eine sehr schöne Aufforderung, dass man vernünftige Vorschläge einarbeiten kann, denn wir haben derer viele, und auch viele andere Menschen, was ja auch die Debatte rund um die „Wiener Zeitung“ zeigt. Ich kann aber meine Zweifel an einer anderen Förderung, die jetzt vor Kurzem über die Bühne gegangen ist, festmachen, nämlich an der digitalen Transformationsförderung. Die speist sich aus der Digitalsteuer. Heuer werden 54 Millionen Euro pro Jahr ausbezahlt, in Zukunft dann 20 Millionen Euro pro Jahr, und da – das wimmelt nur so von absurden Beispielen – bekommt die medienähnliche Plattform eines reichen ÖVP-Spenders, die antisemitische Karikaturen verbreitet, 700 000 Euro. Da bekommen Beilagen von zwei Tageszeitungen für die digitale Transformation – ich weiß nicht, wie man eine Beilage digital transformiert – einmal 83 000 Euro, einmal 93 000 Euro. Und derer Beispiele gibt es viele, die einfach zeigen, dass hier mit der Gießkanne Geld verteilt wird, aber keine Idee, kein Konzept dahinter ist, und deshalb habe ich auch meine Zweifel an der neuen Qualitätsjournalismusförderung.
BLIMLINGER: Es ist natürlich nicht mit der Gießkanne verteilt worden, sondern es ist ein Gesetz – auch hier gab es eine Begutachtung –, in das wir einiges sozusagen von der Begutachtung dann sogar aufgenommen haben. Und das ist natürlich ein Gesetz, das – weil vorher die Frage war, Innovation wird nicht gefördert – die Digitaltransformation, die Innovation fördert, und zwar massiv. Natürlich, wenn man sich die Projekte genauer anschauen würde und nicht nur das veröffentlichte Register, das sozusagen von der RTR veröffentlichte, dann sieht man, das da natürlich gerade in diesem Digitalisierungsbereich sehr viele Projekte, die auch von ganz kleinen Medien kommen, etwas kriegen. Dass die natürlich weniger kriegen als sozusagen ein großes Medium, ist auch klar, weil der Aufwand ein größerer ist. Und „Exxpress“ hat etwas gekriegt, weil bis dato „Exxpress“ als Onlinemedium in diese Förderrahmenrichtlinien fällt; so ist es.
BRANDSTÖTTER: Ja, dann sind die Richtlinien einfach die falschen.
GROẞ: Auch die Straßen- und Gratiszeitungen kriegen jetzt zum ersten Mal etwas, wenn ich es richtig verstanden habe, aber - -
BLIMLINGER: Entschuldigung! „Exxpress“ fällt nicht als Onlinemedium hinein, sondern Onlinemedien sind ja in der Digitaltransformation gar nicht drinnen. Daher ist die antisemitische Karikatur, die es gekippt hat, dem überhaupt nicht zuzurechnen. Das ändert nichts an dem Umstand, dass wir Antisemitismus natürlich nicht - -
GROẞ: Aber „Exxpress“ gibt es nur im Netz, da sind wir uns schon einig, nicht, es ist also ein reines Onlinemedium?
BLIMLINGER: Das gibt es nicht nur, aber es wurde nicht als - - Ich meine, das ist halt anders konstruiert worden, wie sie das finanzieren wollten, aber das Onlinemedium ist nicht drinnen, weil Onlinemedien in der Digitaltransformation nicht transformiert werden. Da gibt es nur die Transformation.
BRANDSTÖTTER: Ja, aber das sind Spitzfindigkeiten. Wenn ich meine Förderung so aufsetze, dass ich mein Produkt dazu erfinden kann, dann ist sie falsch.
BLIMLINGER: Wenn Kollege Wolf in der „ZIB“ und auch auf Twitter irgendwie sagt: Na, was will man bei Online digital transformieren?, als wenn Online sozusagen eine Sache wäre, die man nie verändern muss, dann ist das leider vom Kollegen Wolf auch ein Blödsinn.
GROẞ: Ja, das ist jetzt sehr sophisticated. Faktum ist aber, wenn ich es richtig verstanden habe, dass zum Beispiel Medien wie „Dossier“ oder „Datum“ keine Förderung bekommen. Habe ich das richtig verstanden?
KRAVAGNA: Ja, also richtig ist, dass das Gesetz ja den Namen Qualität drin trägt, aber sozusagen Medien, die man gemeinhin damit verbindet, jetzt möglicherweise von dieser Förderung gar nicht profitieren.
GROẞ: Weil sie nicht oft genug erscheinen zum Beispiel und weil „Datum“ zum Beispiel nicht genügend angestellte Mitarbeiter hat?
KRAVAGNA: Na ja, weil sie zum Beispiel zu wenige Mitarbeiter angestellt haben. Die Grenze ist bei drei. Ich würde es besser finden, es sind zwei beispielsweise. Dafür bekommen - -
BLIMLINGER: Das ist jetzt aber nicht das Digital-Transformation- -, sondern - -
KRAVAGNA: Nein, wir reden jetzt von dem Gesetzesvorschlag. Ich glaube, man sollte sich als Gesetzgeber schon überlegen: Was sind die potenziellen Auswirkungen und wer wird dann gefördert und wer nicht? Jetzt haben wir die Situation, dass Medien wie „Exxpress“ gefördert werden, aber möglicherweise „Dossier“ nicht. Ich erinnere: „Dossier“ ist immerhin das Medium, das über diese Inseratenkorruption eigentlich als Erstes wirklich umfassend berichtet hat, und jetzt kommt dieses Gesetz, und da steht auch sehr viel über die zukünftige Transparenz dieser Inserate drin, aber es wird das einzige Medium sein, das wahrscheinlich nicht gefördert wird.
GROẞ: Vielleicht hat Frau Rohrer ja doch recht mit ihrer These, dass es doch nicht gewollt ist.
KRAVAGNA: Ja, da gibt es kein großes Interesse oder es ist nicht groß genug, oder die Koalition, die besteht natürlich aus zwei Parteien, und im Hintergrund, das sage ich noch einmal, gibt es sehr starke Lobbyingverbände, und gewisse kleinere Medien haben da möglicherweise zu wenig Lobbying oder zu wenig Fürsprecher:innen.
GROẞ: Wir haben jetzt sehr lange über das Thema Presseförderung geredet: Ist überhaupt denkbar, dass es gar keine Presseförderung gibt, Frau Rohrer?
BLIMLINGER: In den meisten Ländern gibt es keine. Österreich ist eine absolute Ausnahme.
GROẞ: Sie haben das vorhin auch angesprochen, auch die Zeitung für die Sie Ihr halbes Leben, sozusagen Ihr journalistisches Leben gearbeitet haben (Rohrer: Das Ganze!) braucht diese Förderung – aber wäre ein System vorstellbar ohne Presseförderung? Das wäre ja gewissermaßen die sauberste Lösung, weil die Inhalte sich so gut verkaufen, dass die Produzenten sozusagen davon leben können.
ROHRER: Also vom Kaufpreis – da kann vielleicht Herr Kravagna einen Prozentsatz sagen – vom Verkaufspreis und Abopreis kann kein Printmedium existieren. Da kommt wieder das Problem rein, dass Österreich zu klein ist und dass Österreich keine so wie die Schweiz wirkliche Industrie hat, also keine Unternehmen, die so inserieren, dass die Inserate das tragen würden. Ich glaube, da kommt man wahrscheinlich ohne „Förderung“ – unter Anführungszeichen – nicht aus. Es ist nur mit den Förderungen, wie man am „Dossier“ sieht, das Problem in Österreich, dass es nicht klar ist und dass bei jeder Förderung irgendwer eine Hidden Agenda hat. Es ist keine saubere Sache. Ich bin aber überzeugt: Würde man unabhängigen Journalismus wollen, dann könnte man auch ein Fördersystem errichten, das sauber wäre, und das, was wir haben, ist es nicht.
BLIMLINGER: Es ist natürlich sauber, weil es gesetzlich definiert ist. Der „Falter“ ist wohl eine kritische Zeitung, also gehe ich einmal davon aus, eine qualitätvolle kritische Zeitung, und kriegt Presseförderung, kriegt Förderung aus der Stadt Wien, hat jetzt in der Digitalförderung gekriegt. Also zu behaupten, es wäre sozusagen alles unsauber, finde ich doch ein bissel – wie soll ich sagen? – überzogen. Natürlich gibt es ist die Problematik, dass der Medienmarkt an sich in Österreich zu klein ist und noch dazu einer ist, der stark regional dominiert ist. Ich meine, die VN mit dem Russmedia ist so dominant in Vorarlberg, dass es nicht einmal die „Kronen Zeitung“ geschafft hat, dort Fuß zu fassen. Also wir haben hier eine Medieneigentümerstruktur, sagen wir es einmal so - -
GROẞ: Österreich hat ja insgesamt eine extrem hohe Medienkonzentration. Das gibt es ja in ganz wenigen Ländern, so wenig Häuser - -
BLIMLINGER: Das gibt es nirgends, in Europa sowieso nicht, ja – eine hohe Medienkonzentration und eine Tradition der Medienhäuser, die aus Familienunternehmen kommt, von Russ bis Dichand.
GROẞ: Eine ungesunde Situation natürlich auch für Journalistinnen und Journalisten, weil die Zahl der Arbeitgeber gewissermaßen begrenzt ist, wenn man jetzt die großen Häuser sieht, oder?
KRAVAGNA: Na ja, also ich meine, es gibt schon einige Arbeitgeber, aber ich gebe Kollegin Rohrer jetzt einmal recht, es würde ganz wenig Arbeitgeber geben, wenn es in Österreich nicht so viel staatliches Geld für Medien geben würde, blöderweise momentan verteilt über Inserate. Wir reden da über Dimensionen von so 200 Millionen Euro in der Regel pro Jahr, die Presseförderung wird jetzt auf 28 Millionen Euro aufgestockt – also da sieht man auch die Dimension. Ich wäre einmal dafür, dass man das irgendwie angleicht, das wäre vielleicht so ein erster Schritt, das anzudenken. Wir hätten aber auf jeden Fall ganz wenige Medien, behaupte ich, die sich wirklich unabhängig finanzieren könnten in Österreich; eigentlich eine sehr traurige Erkenntnis, aber es ist ein bissel wie in der Kunst und Kultur, muss man mittlerweile sagen.
GROẞ: Das heißt, es braucht dann wieder vermögende Menschen, wie zum Beispiel Dietrich Mateschitz einer war, die dann ein kleines Medienimperium aus dem Boden stampfen? – Herr Egger.
EGGER: Ich möchte nur kurz an den Eingang unserer Diskussion erinnern, wo wir über das Verhältnis Journalismus und Politik gesprochen haben. Ich glaube schon, dass wir auch mit so einer Diskussion die Aufgabe haben, nicht andauernd quasi zu unterstellen, dass, wenn die Bundesregierung versucht, Qualitätsjournalismus zu fördern, Medien zu unterstützen, sie sich damit ausgewogene Berichterstattung kauft. Das trägt schon dazu bei, dass ein gewisses Bild in der Öffentlichkeit entsteht. Ich würde schon bitten, dass man da versucht, zu differenzieren. Ich bin jetzt seit einigen Monaten in diesen Gesprächen dabei, aber ich habe noch nicht gehört: Wen kaufen wir uns jetzt noch und wen könnten wir dort noch mit hineinbringen, damit wir eine gute Berichterstattung haben? Ich glaube, wir sind uns einig, die Bundesregierung hat momentan eine nicht besonders gute Nachrede, obwohl wir jetzt einiges auf die Reihe gebracht haben, und da appelliere ich schon an die Verantwortung, dass man da versucht, das auseinanderzuhalten.
BLIMLINGER: Also offensichtlich sind ja 200 Millionen Euro für Inserate zu wenig, denn wenn man die Berichterstattung – und da schließe ich an Kurt Egger an – über die Regierung sieht, müssten wir 400 Millionen Euro geben, damit sie besser wird. Also dieses – wie soll ich sagen? – ceterum censeo, dass sich die Politik die Medien durch die Anzeigen kauft, lässt sich jetzt in den letzten, würde ich jetzt einmal sagen, eineinhalb Jahren eigentlich nicht verifizieren – es ist genau das Gegenteil. Und dann möchte ich schon noch einen Punkt zum Journalismusförderungsgesetz sagen. Es ist im Wesentlichen genau dieses Gesetz, das der Presseclub Concordia seit Jahren gefordert hat: dass es eine Journalismusförderung gibt. Genau das machen wir, und dann kommt die Concordia und sagt: Zu wenig, zu schlecht, da ist der Presserat nicht drinnen, alles Mögliche. Ja, Kritik ist gut, aber ein bisschen nimmt es mich manchmal Wunder, wie zu etwas, was versucht wird, umgesetzt zu werden – wirklich eine jahrelange Forderung der Concordia, die meiner Meinung nach auch immer richtig war – dann zu sagen: Na, das ist eigentlich eh ein Blödsinn, und wir wollen uns mit dem – so ganz extrem hat es die Concordia nicht ausgedrückt, wie Sie, Frau Rohrer – eigentlich eh immer nur die Medien kaufen.
GROẞ: Wenn wir über Medien und Politik in Österreich reden, dann kommen wir am ORF natürlich nicht vorbei. Jetzt weiß ich schon, dass der ORF nicht Gegenstand dieses Medienpakets ist, aber trotzdem steht ja der Politik da einiges bevor im Jahr 2023. Auf der einen Seite verlangt der Verfassungsgerichtshof ja bis Ende 2023 eine Neuregelung der GIS, die sozusagen jetzt auch die Streamingnutzung miteinbezieht. Ein neues ORF-Gesetz dürfte eben auch eigene Streamingformate erlauben, und sollte das Höchstgericht 2023 entscheiden, dass die Politik zu viel Einfluss auf die ORF-Gremien hat, was ja auch anhängig ist – das hat ja, glaube ich, das Land Burgenland, Doskozil, sozusagen vor den Verfassungsgerichtshof gebracht –, dann ist auch hier sozusagen gewissermaßen Not am Mann oder an der Frau. Wie soll es denn mit dem ORF aus Ihrer Sicht weitergehen – Gremienreform, Stiftungsrat, Entpolitisierung?
EGGER: Wir haben vom Verfassungsgerichtshof einen Auftrag bekommen: die Finanzierung auf neue Beine zu stellen. Dieser Auftrag ist quasi zeitlich limitiert, indem man mit 1.1.2024 eine umgesetzte Lösung haben muss. Gleichzeitig steht eine Digitalisierungsnovelle an, und genau in diesem Zweiklang wird es in den nächsten Wochen darum gehen, zu überlegen, wie wir das optimal aufsetzen. Die Spielvarianten der Finanzierung liegen am Tisch. Ich glaube, das brauchen wir jetzt nicht mehr weiter auszuführen. Und weil Sie die Gremienreform angesprochen - -
GROẞ: Aber nur zur Sicherheit, damit das auch wirklich klar ist: Die GIS wird bleiben, denn das war ja auch nicht so klar.
BLIMLINGER: Nein, es gibt drei Modelle, es gibt drei Varianten: Die GIS bleibt und wird um die Geräte erweitert, was aber angesichts der Geräte eigentlich nicht möglich ist.
Die zweite Variante ist eine Haushaltsabgabe nach dem Vorbild Deutschland in Österreich, wobei man hier bedenken muss, dass ja in der GIS, die jetzt gezahlt wird, sehr viel an Kunst- und Kulturförderung der sieben Bundesländer ist, und man muss schauen, wie diese Förderung beibehalten wird, entweder durch eine 15a-Vereinbarung – 15a-Vereinbarungen sind Vereinbarungen zwischen dem Bund und dem Land – oder dem Finanzausgleich, wo der Bund dem Land Geld gibt; das wäre dieser Betrag. Die dritte Möglichkeit ist eine indexierte Budgetfinanzierung mit Zweidrittelmehrheit, wo es darum geht, zu sagen, der ORF kriegt einen Betrag bis zu Summe x – ich sage jetzt keine Summe – wo der Stiftungsrat, so es ihn gibt, sozusagen so, wie es jetzt konstruiert ist, ein Budget vorlegt und in dem sagt: So und so sollte die Höhe sein!, und die KommAustria sagt ja oder nein – wie jetzt bei der GIS.
GROẞ: Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, wären Sie für eine Finanzierung aus dem Budget gewesen, denn das war ja doch für viele überraschend - -
BLIMLINGER: Ich habe gesagt indexierte, es geht um das Indexierte.
GROẞ: Das heißt, der Generaldirektor muss sich nicht jedes Jahr bei der Politik anstellen?
BLIMLINGER: Er muss einfach jedes Jahr sagen: So viel brauchen wir! Dann sagt die KommAustria: ja oder nein; zu viel, zu wenig.
GROẞ: Aber das ist noch offen, in welche Richtung es geht?
BLIMLINGER: Es ist total offen, da müssen wir - -
GROẞ: Auch für Sie?
EGGER: Ja, komplett, also die Vorschläge liegen am Tisch.
GROẞ: Und was die Gremienreform – denn da haben Sie schon angesetzt, darüber zu reden – betrifft?
EGGER: Die Gremienreform – und damit wiederhole ich mich oder wir uns – ist momentan kein Thema, weil wir andere Aufgaben zu lösen haben. Zuerst werden wir die Pakete erledigen und dann werden wir weiterschauen.
GROẞ: Also das heißt, diese Freundeskreise sollen bleiben, sprich: also die Parteien beschicken quasi den Stiftungsrat?
EGGER: Also ich glaube, es gibt jetzt - -
BLIMLINGER: Die Bundesregierung, nicht die Parteien! Entschuldigung, also wenn schon, dann bitte genau! Dass das natürlich immer die Parteien sind, die in der Bundesregierung sind, ist auch klar.
GROẞ: Ja, aber im Stiftungsrat sind ja auch andere Vertreter drinnen, nicht nur - -
BLIMLINGER: Betriebsrat, die Ländervertreter – aber die Parteien schicken dort niemanden hinein, fünf Leute, fünf, jetzt gerade fünf.
BRANDSTÖTTER: Wir sitzen nicht in der Regierung und haben eine fantastische Stiftungsrätin dort, eine, und eine reicht pro Partei.
BLIMLINGER: Fünf, nämlich der im Parlament vertretenen Parteien.
BRANDSTÖTTER: Ich finde es aber ehrlich gesagt desaströs. Der ORF hat auf eigenes Betreiben hin den Verfassungsgerichtshof angerufen. Dieser hat ein Urteil gefällt, nämlich dass die Streaminglücke geschlossen werden muss. Das Urteil erging im Juni und seither ist nichts passiert. Es gab keine öffentliche Debatte darüber. (BLIMLINGER: Natürlich ist was passiert!)
EGGER: Woher wissen Sie, dass nichts passiert ist? Man muss es ja nicht mit Ihnen diskutieren!
BRANDSTÖTTER: Was ist Aufgabe des ORF? Was soll er leisten? Was muss er tun? Denn jetzt dann auf Druck darüber zu sprechen, wie wir ihn finanzieren, ohne vorher darüber zu sprechen, was eigentlich die Aufgabe des ORF ist (EGGER: Wir reden eh darüber!) und – übrigens auch – wie wir ihn in eine digitale Zukunft bringen – also ich kann nur empfehlen, sich die Rede des BBC-Geschäftsführers oder Direktors anzuhören, die er gestern gehalten hat, in der er über die Zukunft der BBC gesprochen hat, die ganz klar im Digitalen liegt. All das sehe ich nicht. Wir reden über lineares Fernsehen, lineares Radio und darüber, wie wir das Ganze finanzieren, aber nicht darüber, was die eigentliche Aufgabe ist und wie wir den ORF in die Zukunft bringen.
BLIMLINGER: Wir reden schon darüber, aber nicht mit Ihnen zurzeit, halt mit anderen Stakeholdern.
BRANDSTÖTTER: Ja, aber diese Überheblichkeit bringt einen halt auch nicht weiter.
EGGER: Das ist keine Überheblichkeit. Das ist eine vernünftige Regierungsarbeit, und wenn es einen Vorschlag gibt, werden wir auch auf Sie zukommen.
BELAKOWITSCH: Na, das ist aber schon sehr überheblich, denn es ist überhaupt nichts passiert - - (EGGER: Das können Sie nicht sagen!) Es ist genau so wie beim Mediengesetz: Da kommt dann wieder ein Begutachtungsentwurf, und das war es dann, so ungefähr, und dann kann man danach vielleicht etwas ändern. Wir wissen alle, wie das mit den Begutachtungsentwürfen ist. (BRANDSTÖTTER: ... der Zivilgesellschaft darüber gesprochen wird!) Da werden maximal ein paar Beistriche verändert. Und das ist genau das. Ich glaube, gerade im Medienbereich wäre es gut, auch die Opposition ein bisschen mehr einzubinden
GROẞ: Ich möchte vielleicht dieses Stichwort der Gremienreform noch einmal aufgreifen und das vielleicht an die Expertin und den Experten hier am Podium weitergeben: Frau Rohrer, es war immer ein Thema. Die Entpolitisierung des ORF wurde über Jahrzehnte gefordert und sie wird noch immer gefordert. Warum laufen diese Forderungen aus Ihrer Sicht eigentlich immer ins Leere, deshalb, weil tatsächlich kein Interesse besteht?
ROHRER: Weil niemand einen entpolitisierten ORF will.
GROẞ: Warum eigentlich nicht?
ROHRER: Na ja, weil es den Einfluss und den Zugriff irgendwie beschränken würde. Ich meine, ich komme immer wieder auf dasselbe zurück. Man könnte es schon machen, wenn man will. Ich meine, ich komme aus einer Zeit, da sind wir stundenlang vor dem ORF-Kuratorium gesessen und haben gewartet, was die Parteien drin entscheiden, und dann gab es also fürchterliche Parteienhoppalas bei der zweiten Wahl des Bacher und dann später noch. Ich glaube, in Österreich – ich sage noch einmal: in Österreich – fehlt einfach der politische Wille für Unabhängigkeit von Institutionen, auf die die Parteien ihren Zugriff haben können, und das trifft auch auf den ORF zu.
GROẞ: Sehen Sie das auch so?
KRAVAGNA: Ja, es gibt sicher bessere Modelle.
GROẞ: Der Aufsichtsratsvorsitzende des Styria-Konzerns hat vor Kurzem in einer Fernsehsendung, in einer Diskussion zu diesem Thema gemeint, ein Aufsichtsrat – wenn wir das jetzt mit einem Aufsichtsrat vergleichen, der Stiftungsrat ist ja nichts anderes – mit 35 Personen ist so und so arbeitsunfähig, also es müsste in jedem Fall ein kleineres Gremium sein. Was spricht tatsächlich dagegen, dass das Menschen sind, die nachweislich etwas vom Geschäft verstehen, die Medienkompetenz und Medienerfahrung haben, vielleicht sogar Managementerfahrung in diesen Bereichen haben, dass das möglicherweise international zusammengesetzt wäre, gegenüber der jetzt praktizierten Bestellweise eben im Endeffekt durch die Bundesregierung, die Parteien?
KRAVAGNA: Na, gar nichts spricht dagegen. Es ist nur klar, dass der ORF ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist, und deswegen muss es in irgendeiner Form sozusagen eine Art Verhältnis zur Öffentlichkeit geben. Wie das jetzt aussehen soll, darüber reden wir. Dass sozusagen die Politik dort aber ganz verschwindet - - Es ist jetzt die Frage, wie man das sozusagen verbessern kann. Es wird immer einen Einfluss der Politik geben, weil es ja ein öffentliches Unternehmen ist, also das kann man jetzt nicht ganz - -, sonst müsste man es ja irgendeiner Familie überschreiben oder irgendeinem - - Man muss sich also schon überlegen, wie man diese Reform angeht. Da gibt es tausend Modelle, das ist wahnsinnig kompliziert. Man wird hoffentlich ein gutes finden. Ich sage aber nur, warum, was auf dem Spiel steht, denn das ist für Politik und Journalismus sehr wichtig. Wenn man sich diese Zahlen ansieht, erkennt man, dass das Vertrauen in den Journalismus, aber auch in die Politik von Jahr zu Jahr verloren geht. Da steht so wahnsinnig viel auf dem Spiel, auch dass die Österreicherinnen und Österreicher wirklich glauben, dass das ein unabhängiger Rundfunk ist. Ich würde es also nicht versemmeln. Ich glaube, es hat niemand was davon. Man sieht das in Ländern, wo es keinen öffentlichen Rundfunk gibt, dass dann ein öffentlicher Diskurs und eigentlich eine demokratische Diskussion gar nicht mehr möglich sind, weil alle in irgendwelchen Parallelwelten verschwinden. Es steht also wirklich viel auf dem Spiel, und es ist die Frage, wie man das löst. Ich hoffe, es gibt da irgendeine Einigung. Ich würde es schon auch öffentlich diskutieren, sonst wird es schwierig, glaube ich.
BRANDSTÖTTER: Na, die Medienministerin lässt ja ausrichten, man wird keine Gremienreform angehen, weil das nicht im Regierungsprogramm steht. Es stand übrigens Covid auch nicht im Regierungsprogramm, aber man musste dieser Pandemie auch begegnen. Es gibt aber einen Hoffnungsschimmer, nämlich den European Media Freedom Act, den die Kommission vor Kurzem vorgelegt hat, in dem sie auch ganz klar eine ordentliche Finanzierung des Öffentlich-Rechtlichen, nämlich eine unabhängige, und eine Entpolitisierung der Gremien fordert. Das kommt jetzt dann vor dem Sommer in den Trilog. Ich bin gespannt.
BLIMLINGER: Aber da brauchen wir schon lang - - Bevor der Media Freedom Act beschlossen ist, müssen wir fertig sein, sonst gibt es am 1. Jänner ein Testbild.
BRANDSTÖTTER: Ja, das meinte ich ja. Ihr redet als Erstes oder ausschließlich darüber, welche Finanzierungsform der ORF jetzt haben wird. (BLIMLINGER: Ja, weil das dringend ist!) – Ja, aber es sind Monate ins Land gestrichen, ohne dass da irgendeine öffentliche Debatte mit der Zivilgesellschaft stattgefunden hat. Jetzt muss auf Druck über Weihnachten, über die Feiertage im ersten Quartal etwas vorgelegt werden, weil sonst der ORF mit 1.1.2024 ohne Budget dasteht. Das ist aber auch dem ORF und den Menschen, die dort mitarbeiten, gegenüber nicht fair und gerecht.
GROẞ: Herr Drobits, bitte.
DROBITS: Bezugnehmend auf den ORF: Also es ist klar, die Unabhängigkeit will jeder und es muss auch die Unabhängigkeit bei der Finanzierung gesichert sein. Es muss eine Variante sein, wo das klar ist. Ich sage nur, so wie es ist: Derzeit haben die Menschen andere Probleme. Sie müssen schauen, dass sie ihre Lebenshaltungskosten entsprechend auch bezahlen können. Alles, was teurer wird, ist sicher nicht nicht gegenständlich und mit uns nicht zu machen. Ich bin auch der Meinung, dass das Wort GIS sehr negativ besetzt ist und man sich überlegen muss, wie man zukünftig eine Finanzierung machen kann, die unabhängig ist und die den Menschen, die momentan wirklich nicht wissen, ob sie Essen, Wohnen oder warmes Essen und warme Wohnung haben und ob sie durchkommen - - Ich glaube, deshalb ist es wichtig, dass man das Thema dann anspricht, aber momentan liegt nichts vor. Es wird Gespräche geben. Ich würde aber gern noch einen Punkt ansprechen, da es vorhin von Ihnen gekommen ist: die Inseratenvergabe. 222 Millionen Euro sind das, 50 Millionen Euro zusätzlich, die nicht durch die Meldungen bekannt sind. Es geht also doch um ein riesiges Volumen. Wenn ich mir jetzt den neuen Entwurf anschauen, den Text anschaue, sehe ich da drei Schwachpunkte. Der erste ist, es gibt keine Obergrenze. Für mich ist es nicht verständlich, dass es nach dem Beinschab-Tool keine Obergrenze gibt.
BLIMLINGER: Wir sind schon weit unter dem, was Faymann ausgegeben hat.
DROBITS: Ich weiß aber auch, dass es auch keine entsprechenden Richtlinien gibt und weiterhin die freihändige Vergabe durch die Ministerien erfolgen kann. Derzeit vergibt der Bundeskanzler allein ein Drittel aller Inserataufträge. Ich weiß auch, dass im Nachhinein die Transparenz gesichert ist. Sie haben immer gesagt, Sie wollen Transparenz. Das ist ja okay, das sehe ich auch. Nur gibt es die jetzt im Nachhinein, nicht im Vorhinein. Das heißt, bei dieser Inseratvergabe ist alles gemacht worden, nur nicht das, was verhindert, was da passiert ist. Ich sage schon, das ist für mich ein bedenklicher Fall. Ich sehe genau, was da versucht wird, zu machen. Da hat man nichts verändert. Es war mir wichtig, das auch noch zu erwähnen. Ich sehe da vor allem schon auch noch – Frau Rohrer hat es gestern in einer anderen Fernsehsendung bezüglich Herrn Fleischmann angesprochen –, dass die Handschrift des Herrn Fleischmann in einigen Positionen erkennbar ist, wenn es um Medienrecht geht. Ich sehe es zum Beispiel auch bei der „Wiener Zeitung“. Es ist für mich ein Riesenskandal, dass eine 300 Jahre alte Zeitung zu Grabe getragen wird. Sie ist ein Kulturgut, sie ist Tradition, und sie so einfach zu verschleudern, das finde ich nicht okay und dazu stehe ich auch nicht. Was aber der Grund sein dürfte, ist, dass – vielleicht weiß das Kollege Egger –, wie ich vernehme, die Veröffentlichungspflicht oder die verpflichtende Veröffentlichung der Jahresabschlüsse der Unternehmungen wegfällt. Das war ja mit fast 17 Millionen Euro fast die gänzliche Finanzierung der „Wiener Zeitung“. Da haben sich also die Unternehmungen durchgesetzt. Das dürfte auch die Grundlage sein, das dürfte auch die Grundlage sein für - - (BLIMLINGER: Das steht im Regierungsprogramm und ist als EU-Vorgabe umzusetzen! Das hätten wir nicht einmal hineinschreiben müssen, und wir hätten es machen müssen!) – Frau Kollegin, die EU-Richtlinien kenne ich auch, und die EU-Richtlinien kann man so oder so umsetzen, nur die „Wiener Zeitung“ ausbluten zu lassen - -
BLIMLINGER: Nein, die kann man nicht so umsetzen. Man muss sie so umsetzen, dass Unternehmen nicht mehr verpflichtet sind, im Amtsblatt ihre Bilanz und was auch immer zu veröffentlichen – aus, Punkt, Ende. Damit gibt es kein Geld für die „Wiener Zeitung“.
GROẞ: Wir sind fast am Ende der Sendezeit und kommen jetzt wieder zur „Wiener Zeitung“ zurück (Drobits: Das wollte ich eigentlich sagen, dass das nicht unsere Linie ist und dass wir da dagegen sind!), was ich eigentlich vermeiden wollte, denn, wie ich glaube, das Thema haben wir erledigt. Herr Egger, bitte.
EGGER: Ich bin ja sehr verwundert über den Kollegen der SPÖ, weil das, was er jetzt in Zusammenhang mit Medientransparenz einfordert, hätte ja der Wiener Bürgermeister schon über Jahre umsetzen können (BELAKOWITSCH: Ja, aber das bringt ja auch nichts! – Ruf: Das passt ja gar nicht dazu!), der gemeinsam mit dem NEOS-Vizebürgermeister in den letzten eineinhalb Jahren genau nichts in dem Zusammenhang gemacht hat, was jetzt von beiden Parteien gekommen ist. (BELAKOWITSCH: Wenn es die anderen auch machen, macht es das nicht besser!) –Na eh, lassen Sie mich ausreden! (BELAKOWITSCH: Na ja ... macht er auch!) Wir sind jetzt die Ersten, die sagen, wir machen das ab dem ersten Cent transparent, was an Öffentlichkeitsarbeit passiert. Da werden wir dann auch sehen, was in Wien unterhalb von 5 000 Euro vergeben wird. Die Bevölkerung hat dann die Möglichkeit, zu beurteilen: Ist das gerechtfertigt oder ist das nicht gerechtfertigt?
GROẞ: Wir sind, wie gesagt, am Ende der Sendezeit angelangt. Ich möchte gerne noch, weil wir ja kurz vor Weihnachten stehen, die Zeit nützen, um noch den einen oder anderen Wunsch vielleicht zumindest da rauszuschicken. Herr Kravagna, wenn ich mit Ihnen beginnen darf: Was würden Sie sich denn für die Medien wünschen?
KRAVAGNA: Na, ich wünsche mir den Erhalt dieser Zeitung (Heiterkeit des Redners), das würde ich mir wünschen. Jetzt sind wir wieder bei der „Wiener Zeitung“. Beim Presseförderungsgesetz würde ich mir einfach wünschen, dass Onlinemedien wirklich eine realistische Chance haben – und das betrifft nicht nur die 30 Millionen, sondern auch die Zahl der Unique Clients, die zu erreichen ist. Geben wir also den jungen Medien bitte eine Chance.
GROẞ: Was, Frau Rohrer, Medien und Politik vereint, ist mit Sicherheit der Vertrauensverlust, den beide in der jüngsten Vergangenheit erfahren haben. Wie kommt man aus dieser Vertrauenskrise wieder heraus, für die Medien jetzt gefragt?
ROHRER: Jedenfalls – in meiner Einschätzung – nicht durch Gesetze und Regeln, sondern: Was ich mir für 2023 wünsche, ist, dass sich vor allem in meiner Branche die Journalisten und die Verleger ihres Rückgrats und ihres aufrechten Gangs besinnen und dass die Politiker sich darauf besinnen, dass es vielleicht wahltechnisch ganz gut wäre, authentisch und ehrlich zu sein.
GROẞ: Dann sage ich vielen herzlichen Dank für diese Diskussion. Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen fürs Dabeisein, dass Sie uns auch 2022 die Treue gehalten haben. Wir kommen 2023 wieder, dann aus dem – ja, wie soll man jetzt sagen? – neuen Parlament, also aus dem alten Parlament, das neu renoviert worden ist, und zwar ist dann am 23.1. die erste Sendung aus dem neuen Studio. Bis dahin: Alles Liebe, schöne Weihnachten, einen guten Rutsch ins neue Jahr! Ich hoffe, wir sehen und wieder 2023. Auf Wiedersehen!