Jobkiller Corona - Wie kommen wir aus der Arbeitsmarktkrise?
Details
Thema
Das Coronavirus hat Österreich nicht nur in die schlimmste Gesundheitskrise seit 100 Jahren gestürzt, es hat auch für die höchste Arbeitslosigkeit der jüngeren Vergangenheit gesorgt. 521.000 Menschen waren im Dezember in Österreich ohne Job, weitere 400.000 waren in Kurzarbeit. Eine Entspannung am Arbeitsmarkt ist nicht in Sicht. Corona hat aber auch einen Digitalisierungsschub gebracht. Hunderttausende Österreicher arbeiten während der Lockdowns im Homeoffice. Wie kann Österreich den Weg aus dieser Arbeitsmarktkrise finden? Und was bringen Homeoffice und mobiles Arbeiten im Kampf gegen den Jobkiller Corona?
Teilnehmer:innen der Diskussion
Abgeordnete:
- Bettina Zopf (ÖVP)
- Josef Muchitsch (SPÖ)
- Dagmar Belakowitsch (FPÖ)
- Markus Koza (GRÜNE)
- Gerald Loacker (NEOS)
Eingeladene Fachleute:
- Johannes Kopf, Arbeitsmarktservice Österreich
- Michael Bartz, IMC Fachhochschule Krems
Diskussion
Für Josef Muchitsch (SPÖ) wäre nicht nur eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes eine wichtige Sofortmaßname, durch die die Kaufkraft und damit die Wirtschaft angekurbelt werden könnte. Förderungen dürften nicht mehr - wie bisher - mit der Gießkanne vergeben werden, sondern gezielt. Für Bettina Zopf (ÖVP) ist jeder und jede Arbeitslose einer bzw. eine zu viel. Für sie ist die Forderung nach einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes während der Krise nicht das richtige Zeichen. Dagmar Belakowitsch (FPÖ), warnte davor, sich allein auf die Impfung zu verlassen und vertrat die Meinung, dass der Handel durchaus aufsperren könne.
Gerald Loacker (NEOS) wies darauf hin, dass die Dramatik am Arbeitsmarkt viel größer sei, als es die Arbeitslosenzahlen darstellten und kritisierte das Fehlen der Planbarkeit. Markus Koza (Grüne) sah die geplante Joboffensive prinzipiell als geeignete Methode, meinte aber "für viele Gruppen brauchen wir andere Maßnahmen".
Links
Transkript
Anmoderation: In dieser Folge von Politik am Ring, der Diskussionssendung des Parlaments, diskutiert Moderator Gerald Groß mit den Abgeordneten Bettina Zopf von der ÖVP, Josef Muchitsch von der SPÖ, Dagmar Belakowitsch von der FPÖ, Markus Koza von den GRÜNEN und Gerald Loacker von NEOS darüber, wie wir aus der Arbeitsmarktkrise kommen. Zu Gast sind Johannes Kopf vom Arbeitsmarkservice Österreich und Michael Bartz von der IMC Fachhochschule Krems. Das Gespräch haben wir am 18. Jänner 2021 im Dachfoyer der Wiener Hofburg aufgezeichnet.
*****
Gerald GROẞ (Moderator): Guten Abend und herzlich willkommen bei „Politik am Ring“! Auch unsere dritte Ausgabe dieser Sendung steht – wie könnte es anders sein? – im Zeichen von Corona. „Jobkiller Corona – Wie kommen wir aus der Arbeitsmarktkrise?“, ist unser heutiges Thema, und es ist – leider! – besonders virulent. Österreich erlebt derzeit eine Rekordarbeitslosigkeit, die höchste seit dem Zweiten Weltkrieg, und eine Entspannung ist vorerst nicht in Sicht, im Gegenteil. Viele rechnen mit einer Pleitewelle im heurigen Jahr 2021, und das würde die Arbeitslosenzahlen noch einmal nach oben katapultieren. Alle hoffen jetzt klarerweise auf die Impfung, aber wir brauchen wohl auch arbeitsmarktpolitische Begleitmaßnahmen, um gegenzusteuern. Was kommt nach dem Ende der Kurzarbeit? Wie viel Umschulung ist möglich? Was bringen Homeoffice und Co im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit? – Unter anderem darüber wollen wir heute diskutieren, und zwar mit folgenden Abgeordneten des Hohen Hauses: Josef Muchitsch von der SPÖ, seit 2006 Abgeordneter, seit 2014 Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz, gelernter Maurer und Sozialsprecher der SPÖ. – Herzlich willkommen!
Josef MUCHITSCH (SPÖ): Guten Abend.
GROẞ: Ihm gegenüber: Bettina Zopf von der ÖVP. Auch sie ist Gewerkschafterin, Mitglied im Bundesvorstand des ÖGB, sie hat eine Ausbildung zur land- und forstwirtschaftlichen Facharbeiterin gemacht und ist Mitglied des Sozialausschusses. Herzlich willkommen!
Bettina ZOPF (ÖVP): Danke schön.
GROẞ: Ich begrüße Markus Koza von den Grünen. Er ist studierter Volkswirt; auch er ist Gewerkschafter, Ex-Vorsitzender der Unabhängigen GewerkschafterInnen im ÖGB, seit 2019 für die Grünen im Nationalrat und Bereichssprecher für Arbeit und Soziales. – Herzlich willkommen!
Mag. Markus KOZA (Grüne): Guten Abend.
GROẞ: Ich begrüße Gerald Loacker von den NEOS. Von seiner Ausbildung her ist er Jurist; beruflich war er zunächst im Bereich Personal tätig, etwa als Personalleiter einer Vorarlberger Bank, seit 2017 ist er in diesem Bereich oder in dieser Thematik als Sachverständiger für Berufskunde sowie Arbeitsorganisation auch selbständig. Auch er ist Sozialsprecher seiner Partei. – Herzlich willkommen!
Mag. Gerald LOACKER (NEOS): Guten Abend.
GROẞ: Last but not least begrüße ich Dagmar Belakowitsch, FPÖ. Sie ist studierte Medizinerin, seit den 1990-er Jahren in verschiedensten Funktionen in der FPÖ aktiv, seit 2006 im Nationalrat und ebenfalls Sozialsprecherin ihrer Partei. – Herzlich willkommen!
Dr. Dagmar BELAKOWITSCH (FPÖ): Guten Abend.
GROẞ: Neben mir – sozusagen auf dem Expertensessel – hat unser erster Gast Platz genommen: AMS-Vorstand Johannes Kopf; er ist Ihnen allen natürlich bestens bekannt. Wir werden gleich miteinander reden, Herr Kopf. Zunächst aber reden wir einmal über die wichtigsten Zahlen, damit klar ist, worüber wir eigentlich reden. (Im Folgenden werden die Ausführungen des Moderators durch eingespielte Diagramme unterstützt.) Mit Ende Dezember waren in Österreich 520 919 Menschen ohne Job. Das sind um 113 047 mehr als im Jahr davor gewesen, was einen Anstieg von 27,7 Prozent bedeutet. Mehr als einer halben Million Arbeitslosen stehen gerade einmal 62 833 offene Stellen gegenüber. Wie sieht die Verteilung in Österreich nach Bundesländern beziehungsweise geografisch aus? – Besonders dramatisch ist – klarerweise wegen des ausbleibenden Wintertourismus – die Arbeitslosigkeit in Westösterreich gestiegen, so gibt es in Vorarlberg 58 Prozent, in Salzburg 94,6 Prozent und in Tirol sogar 145,4 Prozent mehr Arbeitslose als im Jahr 2019. Herr Kopf, reden wir gleich über diese Zahlen, gehen wir in medias res! Bevor ich das mache, erlauben Sie mir aber noch eine Frage – außerhalb des Protokolls gewissermaßen –: Wir haben seit vergangenem Wochenende einen neuen Arbeitsminister. Viele haben ja darauf getippt, dass Sie das werden. Ich muss Sie das jetzt fragen: Sind Sie gefragt worden, ob Sie neuer Arbeitsminister werden wollen?
Dr. Johannes KOPF (Arbeitsmarktservice Österreich): Nein.
GROẞ: Sie sind nicht gefragt worden.
KOPF: Nein.
GROẞ: Hätten Sie es gemacht? Hätten Sie es angenommen?
KOPF: Nur unter bestimmten Bedingungen.
GROẞ: Wir wollen jetzt nicht über diese Bedingungen reden, das ist nicht unser heutiges Thema, sondern über die Zahlen, die wir soeben gesehen haben, die natürlich erschreckend genug sind und über die es genug zu reden gibt. Johannes Kopf, damit ich das auch noch klar sage, ist seit 2006 im Vorstand des Arbeitsmarktservice, davor war er als Arbeitsmarktexperte und Referent im Kabinett des damaligen Arbeits- und Wirtschaftsministers – so hat das Ressort damals, glaube ich, geheißen – Martin Bartenstein, mit Schwerpunkt Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. Davor war er aber schon in der Industriellenvereinigung tätig – dieses Thema beackern Sie also wirklich schon seit vielen, vielen Jahren. Herr Kopf, Sie haben vor Weihnachten einmal gesagt, im Sommer würden die Arbeitslosenzahlen wieder sinken, da seien Sie ganz zuversichtlich. – Denken Sie das noch immer oder waren Sie damals zu optimistisch?
KOPF: Ich glaube, die Zahlen werden im Vergleich zum Vorjahr - - Wir messen Arbeitslosigkeit ja immer im Vergleich zum Vorjahr, weil wir in Österreich eine sehr starke Saisonkomponente haben. Das heißt, die Arbeitslosigkeit steigt immer im Winter und sinkt dann wieder, wenn es wärmer wird – das liegt hauptsächlich am Bau, an der Landwirtschaft, an den Gärtnereien und so weiter, und natürlich kennt auch der Tourismus zwei Saisonspitzen. Wenn wir die Arbeitslosigkeit mit der im Vorjahr vergleichen, dann glaube ich, dass die Arbeitslosigkeit schon im März sinken wird, und zwar nicht, weil es jetzt so gut ist – es ist überhaupt nicht gut, aufgrund des Virus und der Bekämpfung der Pandemie sind das katastrophale Zustände –, sondern weil der Vorjahres-März und auch der Vorjahres-April noch schlechter waren, als ich sozusagen den heurigen Frühling erwarte. Die Gegensteuerungsmaßnahmen funktionieren, und ich gehe davon aus, dass wir heuer im Frühling sinkende Zahlen haben werden. Das ist aber, glaube ich, gar kein Grund, sich irgendwie besonders zu freuen, weil das noch immer dramatisch hohe Arbeitslosenzahlen sind. Warum habe ich davon gesprochen, dass es im Sommer sein wird, und ich habe den Satz: Ich blicke optimistisch in die Zukunft!, dazugegeben: Da ist schon auch eine Hoffnung drin, und es ist, das muss ich offen sagen, die Hoffnung auf diese Impfung. Ich glaube, wenn Teile der Bevölkerung schon geimpft sind und es auch eine klare Prognose gibt, wann dann die breite Bevölkerung drankommt, wenn diese Impfung verlässlich und vorplanbar ist, dann gehe ich davon aus, dass die Investitionsneigung der Betriebe wieder anziehen wird, dass auch die Konsumneigung der Konsumenten wieder anziehen wird und dann ein wirklich deutlicher Aufschwung da sein wird.
GROẞ: Dieses Thema der Insolvenzen, das ich vorhin ganz kurz angesprochen habe, wie sehr macht Ihnen das Sorgen? Alle möglichen Kreditschutzverbände warnen jetzt davor, dass da das dicke Ende im heurigen Jahr kommen wird und dass das dann natürlich einen extremen Effekt auch auf die Arbeitslosenzahlen haben wird.
KOPF: Wir werden steigende Insolvenzen sehen, weil wir einfach aufgrund der großzügigen und aus meiner Sicht auch notwendigen großzügigen Gegensteuerungsmaßnahmen ja rückläufige Zahlen bei den Insolvenzen in diesem schwierigen Jahr 2020 gehabt haben – es wurden gerade im KMU-Bereich und so weiter aufgrund einer Reihe von Förderungen Insolvenzen sozusagen verschoben. Wir werden solche sehen, aber ganz ehrlich, ich gehe davon aus, dass eine Politik, die sozusagen so viel Geld hat, um gegenzusteuern und auch bewusst so viel Geld ausgibt – das passiert ja nicht nur in Österreich, sondern überall! –, dass die auch, was etwa Stundungen von Steuern oder Stundungen von Sozialversicherungsbeiträgen betrifft, diese nicht wirklich an einem Tag fällig stellen wird, sondern eines Tages hoffentlich in langfristige Kredite umwandeln wird. Das heißt, ich rechne nicht damit, dass es so schlimm wird. Jetzt sage ich als letzten Satz etwas sehr Zynisches: Wenn im Konjunkturaufschwung Insolvenzen passieren, dann ist das für jeden individuell sehr tragisch, auch für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wenn das aber im Aufschwung passiert, gibt es sozusagen den Bedarf, das heißt, diese Arbeitsplätze werden schnell wieder gebildet. Bei einem Hotel, das in Konkurs geht – und bitte noch einmal, das soll nicht so zynisch sein, wie es klingt –, besteht die Infrastruktur weiter, und wenn auch die Nachfrage da ist, wenn es die Impfung gibt, dann wird dort auch wieder ein Gast hinfahren und dann werden dort auch wieder Arbeitskräfte gebraucht.
GROẞ: Ich werde zu Ihnen wieder zurückkommen. – Lassen Sie uns jetzt einmal eine Runde mit den Herren und Damen Abgeordneten machen. Herr Muchitsch, ein sehr bekanntes Zitat – eines der bekanntesten Zitate der Zweiten Republik – lautet: Ein paar Milliarden mehr Schulden bereiten mir weniger schlaflose Nächte als hunderttausend Arbeitslose. – Wir alle wissen, wer das gesagt hat: Bruno Kreisky. Jetzt sind wir in einer Situation, wo wir sozusagen Woche für Woche ein paar Milliarden Schulden mehr anhäufen; leider steigen auch die Arbeitslosenzahlen. Jetzt fordert die SPÖ eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes von 55 auf 70 Prozent des letzten Nettogehalts. Ist das die nachhaltige Lösung des Problems?
MUCHITSCH: Nein! Dieser Satz von Bruno Kreisky aus dem Jahr 1979 war damals noch gemessen in Schilling, wie wir wissen. Fakt ist, dass wir als SPÖ ja nicht nur diese eine Forderung haben, wenn wir fragen, wie wir die Kaufkraft in Österreich dementsprechend stärken können, damit der Handel anzieht, der Konsum steigt. Da geht es jetzt nicht nur um die Erhöhung des Arbeitslosengeldes für diese vielen Hundertausenden Menschen, die jetzt länger arbeitslos sein werden als je zuvor in der Zweiten Republik. Eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes soll also einerseits die Kaufkraft steigern, den Konsum ankurbeln und letztendlich damit auch die Wirtschaft ankurbeln, aber auch das persönliche Leid mindern, weil uns die Langzeitarbeitslosigkeit im Frühjahr, im Sommer und im Herbst noch wesentlich länger begleiten wird als der Abschwung der Winter-Saisonarbeitslosigkeit. Als SPÖ haben wir auch weitere Punkte eingefordert, nämlich auch wesentlich schneller und mehr in Ausbildung - - Ein weiterer Punkt ist auch, entsprechende Konjunkturpakete und Wirtschaftsförderungen nicht mit der Gießkanne zu machen. Wenn man sich das anschaut, wo jetzt wieder kurzfristig die FFP2-Masken bestellt werden, nämlich nicht bei österreichischen Firmen mit österreichischen Arbeitsplätzen, sondern überwiegend im Ausland, dann funktioniert diese Politik da nicht. Das ist letztendlich unser Kritikpunkt als SPÖ, dass wir sagen: Diese Bundesregierung hat die letzten zehn Monate dementsprechend versagt, sowohl in der Bekämpfung der Pandemie – siehe Vergleichszahlen mit Deutschland –, aber auch betreffend Bekämpfung des Virus durch Impfungen bis hin auch zu einer sehr hohen Arbeitslosigkeit, wo wir bereits im April gesagt haben: Mehr Personal für das AMS, schnell in Beratung gehen, schnell in Ausbildung, in Pflege und in andere wichtige Bereiche investieren und nicht Monate dementsprechend verplempern!
GROẞ: Einen Punkt, den Sie jetzt angesprochen haben, könnten wir vielleicht gleich mit Herrn Kopf klären, nämlich den betreffend mehr Angestellte für das AMS: Brauchen Sie mehr Leute? – Da war immer wieder die Rede von 300 Leuten mehr, damit Sie die Arbeitslosen besser betreuen können. Würde das in der jetzigen Situation überhaupt etwas bringen?
KOPF: Die Regierung hat reagiert. Wir haben für das Jahr 2020 eine Personalreduktion um 150 Vollzeitäquivalente geplant gehabt. Diese Reduktion wurde zurückgenommen und wir haben 250 zusätzliche Planstellen bekommen. Die neuen Kolleginnen und Kollegen werden derzeit gerade ausgebildet. Ob mehr Personal eine noch bessere Betreuung bringt? – Es wird Sie nicht überraschen, dass ich als AMS-Chef sage: Ja. – Das hielte ich auch im Hinblick auf die großen Herausforderungen, die noch anstehen – nicht nur wegen der Kurzarbeit und der hohen Arbeitslosigkeit, sondern auch wegen der Qualifizierungsoffensive jetzt und möglicherweise einer intensiveren Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit –, natürlich für wünschenswert.
GROẞ: Frau Abgeordnete Zopf, Sie haben im Sommer mit einer, ich sage jetzt einmal, recht rustikalen Rede im Plenum für Aufsehen gesorgt. Sie haben damals gesagt – ich zitiere Sie jetzt –: „Land der Berge, Land der Äcker, wer wos orbeit, hot an Pecka!“ Es könne nicht das Ziel sein, die soziale Hängematte noch weicher zu gestalten, als sie jetzt schon ist. Jetzt muss man natürlich den Kontext dieser Rede sehen, und wenn man das ein bisschen herausgreift, klingt das schon sehr brutal. Ich frage Sie: Ist das im Zusammenhang mit dieser Krise wirklich die richtige Wortwahl gewesen?
ZOPF: Eingangs muss ich einmal sagen, jeder Arbeitslose ist ein Arbeitsloser zu viel. Es sollte das Ziel sein - - Ich bin ganz klar der Meinung: Wenn nicht zahlreiche Menschen in Österreich in den Topf einzahlen, dann können auch Menschen, die unverschuldet in Arbeitslosigkeit geraten, nichts aus dem Topf herausnehmen. Es gibt schon sehr viele Menschen, die das Gefühl haben, dass sie mehr und viel leisten. Andererseits sieht man trotzdem, dass wir auch in der Krise, zum Beispiel jetzt im Jänner, auf der einen Seite zwar Arbeitsplätze haben, auf der anderen Seite aber auch zahlreiche Arbeitslose, und da sind wir in der Regierung natürlich gefordert, dass wir es schaffen, bei jenen, die arbeitslos sind, Anreize zu setzen, um die Menschen wieder in Arbeit und in Beschäftigung zu bringen.
GROẞ: Diese Forderung nach einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes prallt bei Ihnen ab. Warum eigentlich?
ZOPF: Grundsätzlich würde ich es nicht als abprallen bezeichnen, das würde ich jetzt nicht sagen. Man ist sicher bereit, darüber zu diskutieren, nur glaube ich, es wäre gerade jetzt in der Krise nicht das richtige Zeichen. Ich bin schon der Meinung, dass es das richtige Zeichen ist, das Geld in die Hand zu nehmen und dann wieder Arbeitsplätze zu schaffen; Arbeitsplätze schaffen wir nicht, indem wir das Arbeitslosengeld erhöhen. Wir haben jedoch, das muss man dazusagen, im letzten Jahr die Arbeitslosen sehr wohl mit einer zweimaligen Einmalzahlung unterstützt – im Sommer 450 Euro, im Winter 450 Euro –, was natürlich dazu gedient hat, dass auch die Konjunktur etwas angekurbelt wird.
GROẞ: Frau Abgeordnete Belakowitsch, Sie lehnen die Coronamaßahmen der Bundesregierung ja weitgehend ab, und mehr als das: Sie machen diese Maßnahmen sogar für die Arbeitslosigkeit verantwortlich (Abg. Belakowitsch: Ja!), wenn ich das vereinfacht so sagen darf. Aber Stichwort einfach: Machen Sie es sich da nicht ein bisschen zu einfach?
BELAKOWITSCH: Ich glaube, die Regierung macht es sich ein bisschen zu einfach damit, etwas auf eine Erkrankung, auf einen Virus zu schieben. Wir sehen ja jetzt, wir haben einen weiteren Lockdown. Jede Woche Lockdown bringt uns circa 15 000 Arbeitslose mehr, und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die Zahlen sehr niedrig sind. Ich möchte nur daran erinnern, im Dezember haben wir nach einem Lockdown geöffnet, da waren die Zahlen höher als jetzt. Es hat sich aber durch die Öffnung nichts mehr nach oben verschoben, sondern die Zahlen sind die längste Zeit relativ stabil, also man könnte den Handel durchaus aufmachen und aufsperren. Ich sehe das überhaupt nicht so, dass wir uns das einfach machen, sondern ganz im Gegenteil: Ich glaube, dass das vor allem für die Unternehmer, aber natürlich auch für die Arbeitnehmer, weil das Ganze natürlich Hand in Hand geht, eine ganz, ganz schwierige Situation ist, weil es vonseiten dieser Bundesregierung keine Planbarkeit gibt, weil es Schönrednerei gibt. Solche Sätze sind dann natürlich in den Ohren jener, die aufgrund dieser Maßnahmen ihren Job verloren haben, besonders provokant. Ich sehe es auch nicht so positiv wie Kollege Kopf. Es wird im März nicht weniger Arbeitslose geben, als es sie im Vorjahr gegeben hat, weil wir die ersten Insolvenzen spüren werden. Man sollte nicht vergessen, dass jetzt die ersten Sozialversicherungsbeiträge fällig gestellt werden – das hat die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen bereits angekündigt –, das heißt, das ist für viele eine enorme Belastung, die da jetzt auf sie zurollt. Und hinter jedem dieser Arbeitslosen steckt natürlich auch ein Schicksal, eine Familie, es ist ja nicht so, dass das einfach irgendwelche Zahlen sind! Wir reden hier über Zahlen, aber in Wahrheit geht es hier um Menschen, die zu Hause sitzen, die nicht wissen, wie es weitergeht. Indiz dafür ist ja auch eine massiv angestiegene Sparquote – die Sparquote hat sich in Österreich verdoppelt! Das sind Zeichen dafür, dass jene, die noch in Beschäftigung stehen, die noch über Einkommen verfügen, genauso verunsichert sind und eben nicht wissen, wie es weitergeht, ob sie in ein paar Monaten überhaupt noch ein aufrechtes Arbeitsverhältnis haben oder ob sie nicht vielleicht auch von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Das sind ja alles Fragen, die nicht geklärt sind! Dann haben wir jetzt einen neuen Arbeitsminister, der sich hingestellt und gesagt hat, eigentlich finde er die Dauerkurzarbeit auch nicht gut. – Jetzt möchte ich einschränken: Natürlich ist das keine Dauerlösung, die Krise wird aber gerade wieder durch Maßnahmen der Bundesregierung verschärft. Ich glaube also, diese Planlosigkeit, die die Bundesregierung in den letzten Monaten wirklich an den Tag gelegt hat, zeigt sich eben jetzt auch schon an der Verunsicherung der Bürger, und zwar nicht mehr, weil sie Angst haben, dass sie sterben werden – das ist schon vorbei –, sondern weil sie Angst um ihre Existenz haben. Weil Sie das Arbeitslosengeld angesprochen haben: Ich kann nicht nachvollziehen, warum man gerade jetzt Leuten, die in Arbeitslosigkeit gekommen sind, das auch noch zum Vorwurf macht. Die haben es sich ja nicht ausgesucht, die möchten ja arbeiten! Es ist ja nicht so, dass jetzt mehr als eine halbe Millionen Menschen freiwillig zu Hause bleibt, weil es so lustig ist! – Ich glaube also, eine Erhöhung der Kaufkraft kann ich gerade bei Personen, die jetzt wenig haben, erreichen, weil das sofort in den Konsum gehen würde. Und wenn wir es nicht schaffen, den Konsum in Österreich zu steigern, wenn wir es nicht schaffen, dass es auch wieder Investitionen gibt, dann werden wir irgendwann einmal dastehen und dann werden wir auch die Produktion herunterfahren müssen.
GROẞ: Vielleicht zwei Fragen, die sich für mich aus der Wortmeldung der Frau Abgeordneten ergeben haben, an Sie, Herr Kopf. Auf der einen Seite geht es um das Thema mit den Insolvenzen, das jetzt auch von Frau Abgeordneter Belakowitsch angesprochen worden ist: Wäre es nicht tatsächlich logisch, dass dann, wenn es mehr Insolvenzen gibt, wenn es vielleicht auch große Insolvenzfälle gibt, auch weniger Arbeit vorhanden ist? Das heißt, muss das nicht zwangsläufig auch auf die Arbeitslosenzahlen durchschlagen?
KOPF: Ja, natürlich! Man muss das offen sagen: Wenn die Konjunktur sich nicht erholt mit der Impfung – nehmen wir einmal an, dass wir eine neue Mutation haben und die Impfung schlimmstenfalls nicht funktioniert –, dann muss man selbstverständlich davon ausgehen, dass die Arbeitslosigkeit nicht rückläufig sein wird. Ich bin nur, so wie bisher alle Wirtschaftsprognosen – ob sie vom Wifo, dem IHS, der Nationalbank, der Bank Austria ist –, davon ausgegangen, dass es 2021 einen Aufschwung geben wird. Die Prognosen unterscheiden sich nur durch die Frage: Zu welchem Zeitpunkt? Die einen sagen, es gibt aufgrund der von mir geschilderten Vorzieheffekte – im Vertrauen auf – schon Effekte ab Ende des zweiten oder Beginn des dritten Quartals, und die anderen sagen, es wird erst Ende drittes Quartal passieren. Aber wenn es diesen Aufschwung gibt, dann glaube ich, dass er stark genug sein wird, dass es am Arbeitsmarkt auch wieder rückläufige Zahlen gibt. Werden wir dadurch eine Arbeitslosigkeit erreichen, wie wir sie vor der Krise hatten? – Sicher erst in einigen Jahren; das waren dramatische Entwicklungen, wie wir sie noch nie gesehen haben.
GROẞ: Stichwort Lockdown. Sind die Lockdowns Jobkiller?
KOPF: Ja, selbstverständlich, ganz klar! Selbstverständlich! Die Regierung versucht – auch in Zusammenarbeit mit dem AMS – natürlich intensiv gegenzusteuern. Das funktioniert auch bei der Kurzarbeit, die ja in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern entwickelt wurde, eigentlich sehr gut. Wir haben im Höchststand 1,2 Millionen Menschen in Kurzarbeit gehabt, und ich habe mir die ausgefallenen Arbeitsstunden angesehen und habe das auf normale Dienstverhältnisse hochgerechnet: Das war mehr als eine halbe Million Dienstverhältnisse, die wir damit sozusagen retten konnten. Auf die Frage: Aber reicht das?, ist die Antwort: Nein! Gerade im Tourismus haben wir eines gesehen: Dass die Tourismusarbeitslosigkeit so hoch ist, liegt gar nicht daran, dass der Tourismus jetzt so viele gekündigt hat, sondern dass er einfach zu Weihnachten nicht eingestellt hat. Wir haben im Dezember sozusagen jene Tourismusarbeitslosigkeit gehabt, die wir normalerweise in der Zwischensaison Mitte November haben, und das sind wir nicht gewöhnt sozusagen, weil zu Weihnachten im Tourismus normalerweise Vollbeschäftigung ist.
GROẞ: Herr Koza: „Ich war gegenüber dieser Koalition skeptisch, weil es große ideologische und inhaltliche Unterschiede gibt, vor allem in Sachen Arbeitsmarkt- und Verteilungspolitik, bei sozialen Fragen.“ – Wer hat das gesagt? – Sie wissen natürlich, das waren Sie selber am Beginn der Koalition. Wie geht es Ihnen jetzt eigentlich als prononcierter linker Gewerkschafter – als solcher haben Sie sich zumindest immer gesehen und bezeichnet – in diesem Regierungsbund mit der ÖVP?
KOZA: Es ist sehr herausfordernd, in vielerlei Hinsicht: einerseits, weil wir natürlich mitten in einer sehr schweren Krise sind – in der schwersten Krise der Nachkriegszeit, sowohl ökonomisch als auch arbeitsmarktpolitisch –, auf der anderen Seite, weil wir uns in dieser Koalition doch bemühen, teilweise auch über unsere eigenen Schatten zu springen und auch Maßnahmen zu setzen, die tatsächlich auch – das hoffen und versuchen wir zumindest – bestmöglich wirken. Es ist ja nicht so, dass die Österreichische Volkspartei begeistert davon wäre, wenn wir eine Erhöhung des Arbeitslosengelds fordern, und diese dann glücklicherweise auch zweimal stattfindet, genauso sind wir nicht von allen wirtschaftlichen Hilfen begeistert. Das ist auch schlichtweg so. Da gibt es Interessenkonflikte, da gibt es auch unterschiedliche Zugangsweisen, aber wir haben zumindest – ich kann es von unserer, der Seite der Grünen sagen – gerade auch in dieser Krise unser Bestmögliches versucht, gemeinsam mit dem Koalitionspartner alles zu tun, dass aus der Gesundheitskrise zumindest einmal vorerst keine schwere nachhaltige soziale Krise wird. Das ist uns nun einmal, wenn man den Wirtschaftsforschungsinstituten glaubt - Es gibt eine Studie des Wifo, des IHS, auch des Inequalityinstitutes der WU und anderer Forschungsinstitute vom Herbst, wie denn die Maßnahmen insbesondere im sozial- und arbeitsmarktpolitischen Bereich gegriffen haben, und diese Studie kommt zum Schluss, dass es bislang gelungen ist, die soziale Krise dank Kurzarbeit, die einfach die Einkommen der Beschäftigten gesichert hat – da noch einmal ein herzliches Dankeschön an die Sozialpartner, die ja quasi auch aufgrund dieser Krise glücklicherweise ein Revival gefeiert und auch ihre große und großartige Lösungskompetenz gezeigt haben –, auf der anderen Seite durch die unterschiedlichen Unterstützungsmaßnahmen für Arbeitslose, die Erhöhung der Notstandshilfe auf das Arbeitslosengeldniveau, aber auch durch den Kinderbonus, diese, wie schon gesagt, soziale Krise erst einmal abzufangen. Die Einkommensverluste sind nicht so dramatisch ausgefallen, wie es am Anfang zu befürchten war, die unteren Einkommensgruppen haben sogar noch dazugewonnen, deren Einkommen wurde also stabilisiert. – Das ist aber der erste Teil der Krise. Der zweite große Teil der Krise mit Rekordarbeitslosigkeit, wie wir sie noch nie gehabt haben, mit den dringend notwendigen Maßnahmenpaketen, die zusätzlich zu dem, was wir schon haben, geschnürt werden müssen, um Menschen wieder in Beschäftigung zu bringen, um Menschen ein Einkommen zu ermöglichen, Menschen Perspektiven zu geben – und zwar nicht hinsichtlich irgendwelcher Jobs, sondern hinsichtlich nachhaltiger, guter Jobs, hinsichtlich sozialrechtlich und arbeitsrechtlich gut abgesicherter Jobs –, und das möglichst rasch, das ist in Wirklichkeit wahrscheinlich die größte Herausforderung, die wir hoffentlich nach der bald überwundenen Gesundheitskrise massiv angehen können.
GROẞ: Herr Loacker, Sie haben die Regierungspolitik den Arbeitsmarkt betreffend einmal als „Totalversagen“ bezeichnet, und gemeint, die Schuld an den vielen Arbeitslosen hätten die Lockdowns. Da treffen Sie sich ohnedies mit dem, was zum Teil schon gesagt worden ist. Sie haben gemeint, das verunsichert die Unternehmer, aber wie kann die Regierung Sicherheit geben in Zeiten von nach wie vor viel zu hohen Infektionszahlen und zum Beispiel ständig neuen Hiobsbotschaften Virusmutationen et cetera et cetera betreffend?
LOACKER: Man muss schon zwei Dinge festhalten: Zum einen ist das Drama viel größer, als es die von Ihnen gezeigten Arbeitslosenzahlen darstellen, weil wir in diesen Zahlen beispielsweise junge Leute nicht sehen, die eine längere Ausbildung machen und deswegen gar nicht ins Berufsleben einsteigen – die haben die Einstiegsmöglichkeit nicht gehabt, und das ist versteckte Arbeitslosigkeit im Bildungssektor –, oder jemand wäre auf der Uni mit dem Bachelor fertig, würde gerne arbeiten gehen, hängt aber noch einen Master an, weil es seinen Job im Moment nicht gibt. Dann gibt es Personen, das betrifft vor allem Frauen, die sich vom Arbeitsmarkt zurückziehen und zum Beispiel eine Teilzeitbeschäftigung gar nicht aufnehmen und jetzt auch nicht suchen, weil es die Möglichkeit nicht gibt, die sich aber vielleicht auch nicht arbeitslos melden. Dann gibt es jene, die zu einem früheren Zeitpunkt in Pension gehen, weil sie in der Firma sagen: Bevor da einer von den Jungen gekündigt wird, gehe ich halt mit 62 Jahren in Pension und habe Abschläge, wäre aber sonst vielleicht später gegangen – dann haben wir die versteckte Arbeitslosigkeit im Pensionssystem, also da gibt es verschiedene Faktoren. Man müsste auch gegenüberstellen: Wie hat sich die Zahl der Arbeitsaufnahmen entwickelt und wie viele Beschäftigungsverhältnisse in welchem Ausmaß haben wir? – Also dort ist es schlimmer. Das andere ist, Österreich hat mehr Lockdowntage als die meisten anderen Länder, und das auf eine ganz unberechenbare Weise: auf – zu, auf – zu, auf – zu!, und das oft mit Zeithorizonten von zehn Tagen, da kann man nichts planen! Wenn Sie ein Unternehmen haben und jemanden einstellen wollen, wollen Sie ihn ja nicht in zehn oder zwanzig Tagen wieder kündigen, sondern Sie wollen ihn behalten, und dafür brauchen Sie diese Verlässlichkeit. Wenn Sie jetzt ein Buchgeschäft oder ein Schuhgeschäft haben, und am 7. Dezember sperrt der Handel bei Infektionszahlen von 260 auf, und jetzt erklärt der Bundeskanzler bei 120, es sei alles viel zu viel, wir bräuchten 50, dann kann das kein Mensch verstehen! Diese 50 sind blanke Willkür, ein politisches Postulat, um alles zuzudrücken und geschlossen zu halten. Man treibt die Leute in die Abhängigkeit vom Staat. Jeder ist nur noch auf Hilfen angewiesen, und das ist für eine Regierung, die sich im Geben gefällt – du bekommst da eine Hilfe und da einen Zuschuss! – natürlich genau das Richtige!
GROẞ: Zahlen sind das eine, das ist heute auch bereits gesagt worden, individuelle Schicksale sind das andere, und hinter der Zahl 421 000 stecken natürlich 421 000 Einzelschicksale. Für viele ist Arbeitslosigkeit in diesen Zeiten eine völlig neue Erfahrung, zum Beispiel für Gerhard Rieger. Er ist erstmals in seinem Leben arbeitslos geworden; nach 40 Arbeits- und Beitragsjahren ist er jetzt reduziert auf 900 Euro im Monat. Wir haben ihn besucht.
*****
Es folgt eine Videoeinspielung:
Gerhard Rieger (Arbeitssuchender): Ich komme mir immer irgendwie schlecht vor, ich sage einmal, wie ein Schmarotzer oder was, wenn ich sage, ich bin arbeitslos.
Sprecher: Gerhard Rieger ist seit August letzten Jahres arbeitslos. Zuvor arbeitet er in Schwechat am Schalter der Firma AirportDriver, die Fahrten zum Flughafen organisiert. Mitte April bekommt er einen Anruf seines Chefs.
Gerhard Rieger: Da hat mich dann der Chef selber angerufen, hat sich halt entschuldigt, aber er hat gesagt, durch die Auftragslage reicht es eben, wenn eine Person anwesend ist. Es ist also absolut nichts zu tun und er muss leider alle Mitarbeiter kündigen.
Sprecher: Für Gerhard Riegers Chef war dieser Anruf kein leichter.
Markus Rameis-Savara (Geschäftsführer AirportDriver): Puuh! Na ja, das war kein schöner Tag! Also, 20 Mitarbeitern zu sagen, dass sie von heute auf morgen vor dem Nichts stehen, ist nicht so lustig.
Sprecher: 20 seiner 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter muss Markus Rameis-Savara Anfang April kündigen. Die Umsätze des Unternehmens fallen innerhalb kürzester Zeit auf fast null. Seitdem stehen die Büros leer.
Markus Rameis-Savara: Wenn man jetzt genau hinhört, hört man, dass man nichts hört, also keine Anrufe, keine Änderungen, keine Buchungen, keine Diskussionen am Telefon. Es ist leer und still.
Interviewerin: Wie geht es Ihnen da?
Markus Rameis-Savara: Es ist auch schwierig, in der Früh aufzustehen und zu sagen: Wir packen es wieder an!, dass es besser wird, also nach neun Monaten quasi Stillstand. Wir sind seit letztem März im Durchschnitt bei 5 Prozent unseres Geschäftes. Schwierige Übung!
Sprecher: Trotzdem hofft Markus Rameis-Savara, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter irgendwann alle wieder zurückholen zu können. Gerhard Rieger will auch nichts mehr, als wieder in seinen alten Job und sein altes Leben zurückzukehren.
Gerhard Rieger: Schauen Sie, ich bin seit meinem 15. Lebensjahr immer arbeiten gewesen, und jetzt ist es auf einmal aus. Also, ich kann jetzt nicht sagen, dass es mich stört, nichts zu machen, nur mit Nichtsmachen kriegt man zum Beispiel kein Geld. Ich bin jetzt in ärztlicher Behandlung, und es ist irgendwie peinlich, wenn man mich dort fragt, wo ich arbeite. Also für mich ist es peinlich, aber ich sage einmal, mit dem kann man und muss man halt leben.
Sprecher: Zur Scham kommt auch noch die finanzielle Belastung.
Gerhard Rieger: Ich bin jetzt bei 60 Prozent von meinem eigentlichen Lohn, den ich normal verdient habe. Natürlich kann man, sage ich einmal - - Ich meine, überleben, das ist klar, kann man mit den 900, die man da kriegt, aber das Leben, das man vorher geführt hat, lässt sich ganz einfach nicht mehr nachvollziehen. Also ich lebe jetzt hauptsächlich von meinem Ersparten.
Sprecher: So wie Gerhard Rieger geht es zurzeit Hunderttausenden Menschen in Österreich. Sie hoffen, dass sie bald wieder einen Job und so auch einen Weg aus der Krise finden.
*****
GROẞ: Ich muss mich jetzt ganz kurz korrigieren: In der Anmoderation zu diesem Beitrag habe ich von 421 000 Arbeitslosen gesprochen, tatsächlich sind es 521 000 Arbeitslose. Ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist, aber so viel Zeit muss auf jeden Fall sein. Herr Abgeordneter Muchitsch hat sich in der Zwischenzeit zu Wort gemeldet und gesagt, er will etwas nachtragen, erwidern, richtigstellen – wie auch immer.
MUCHITSCH: Ja. Ich glaube, dieser Spruch der Frau Abgeordneten (in Richtung Zopf): Jeder, der arbeitet, hat einen Pecker!, ist wirklich auf das Schärfste zurückzuweisen. Gerade dieses Beispiel des Herrn Rieger zeigt, dass da ein menschliches Schicksal dahinter ist. Auch diese Gegenüberstellung: Ja, es sind jetzt 62 000 offene Stelle beim AMS gemeldet. Das AMS macht in dieser Krise mit seinen knapp 6 000 Mitarbeitern einen derartig tollen Job, dass sogar in der Krise diese 62 000 offenen Stellen nach einem gewissen Zeitraum wieder besetzt sind. Das ist wie ein Kaufhaus, die Firmen melden offene Stellen hinein, die stehen am Regal, und diejenigen, die mit den AMS-Beratern einen Job suchen, nehmen diese daraus wieder raus und es kommen wieder neue rein. Deswegen: Diese Menschen hier alle als Arbeitsunwillige und Sozialschmarotzer abzustempeln, 521 000 Menschen, 42 Prozent plus bei den Frauen – also ich höre nichts darüber, was das Programm dieser Bundesregierung ist, dementsprechend bei der Frauenarbeitslosigkeit etwas zu tun –, 66 Prozent plus bei den Langzeitarbeitslosen, und dann noch parallel Unsummen von Milliarden mit der Gießkanne in Wirtschaftsförderung zu gießen, bei der manche sehr viel bekommen, manche nichts, das ist eine Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftspolitik, die nicht zusammenpasst, und das ist meine Kritik. Da hätte ich mir eigentlich mehr Zusammenarbeit erwartet, und zwar Zusammenarbeit, bei der die Oppositionsparteien mit eingebunden werden, und nicht immer nur Gesetzestexte hingeknallt bekommen und dann zwei Tage Zeit haben, Ja oder Nein zu sagen.
GROẞ: Ganz kurz der Fairness halber: Ich weiß nicht, ob Sie dazu etwas sagen wollen, Frau Abgeordnete? Dann wollen wir noch einmal mit Herrn Kopf weiterreden.
ZOPF: Es ist einmal ganz klar, wir haben zahlreiche Maßnahmen gesetzt, die auch speziell auf Frauen ausgerichtet sind. Das ist zum Beispiel der Neustartbonus. Der Neustartbonus richtet sich darauf, dass Teilzeitbeschäftigte wieder leichter in den Beruf einsteigen können – es sichert zielgerichtet gerade auch für die Krise. Mit der Arbeitsstiftung haben wir 700 Millionen Euro in die Hand genommen, dort schauen wir, dass wir die Menschen aus-, um- und weiterbilden und qualifizieren. Ich muss Ihnen da recht geben, Kollege Muchitsch, das AMS leistet hervorragende Arbeit. Wir haben auch sofort reagiert, wir haben Geld in die Hand genommen. Nichtsdestotrotz muss man ganz klar sagen, wichtig ist, dass wir wieder Arbeitsplätze schaffen. Da müssen wir den Fokus hinlegen. Wenn wir den Fokus nicht darauf legen, dass wir wieder Arbeitsplätze schaffen, dann wird das ganze System nicht funktionieren.
GROẞ: Bei uns ist noch immer unser Experte für den ersten Teil unserer Sendung, Johannes Kopf, AMS-Vorstand. Ich möchte Sie, Herr Kopf, auch noch ganz kurz zu diesem Thema Erhöhung des Arbeitslosengeldes fragen. Sie haben sich dazu schon einige Male in verschiedenen Interviews geäußert, auch immer recht skeptisch: Warum eigentlich? Könnte man nicht oder müsste man nicht eigentlich sagen, auch die Unternehmen wurden ja mit Umsatzersatz unterstützt und das Äquivalent dazu wäre sozusagen vielleicht die Erhöhung des Arbeitslosengeldes bei den Arbeitnehmern?
KOPF: Ich habe mich in der Vergangenheit mehrfach für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes ausgesprochen, damit es am Anfang höher ist und dann in Stufen sinkt. Mir ist eigentlich nur eine Stufe wichtig, aufgrund von internationaler Evidenz, wonach wir besonders viele Arbeitsaufnahmen immer rund um eine solche Stufe haben, nämlich nach drei Monaten. Das heißt, ich kann mir durchaus vorstellen, dass es am Anfang ein höheres Arbeitslosengeld und dann nach drei Monaten ein niedrigeres – zum Beispiel das von heute – gibt. Warum habe ich mich aber jetzt gegen eine generelle sozusagen als eine Krisenmaßnahme ausgesprochen? – Weil ich finde, dass man dieses Thema in seiner Gesamtheit und nicht sozusagen als Einzelmaßnahme diskutieren muss. Als Einzelmaßnahme erscheinen mir zum Beispiel die Einmalzahlungen oder der Umstand, dass die Notstandshilfe auf das Niveau des Arbeitslosengeldes angehoben wurde, gut, weil man ja neben dem Arbeitslosengeld auch geringfügig dazuverdienen kann. Ein Arbeitslosengeld von zum Beispiel 70 Prozent plus einer geringfügigen Beschäftigung von 470 Euro würde die Vermittelbarkeit von Personen, die nur niedrige Einkünfte erzielen können, erschweren, und darum habe ich gemeint, ich finde es gut, wenn man das umfassend diskutiert und auch die geringfügige Beschäftigung mitdiskutiert. Jetzt gibt es das Gegenargument: Na ja, das ist ja Unsinn, weil es jetzt auch keine geringfügigen Jobs gibt! – Na ja, immerhin haben 11 Prozent aller unserer Arbeit suchenden Kunden gerade eine geringfügige Beschäftigung.
GROẞ: Wie viele der 520 000 oder 521 000 Arbeitslosen von jetzt werden denn Ihrer Einschätzung nach später überhaupt wieder einen Job bekommen? Natürlich sind da sehr viele Unbekannte in dieser Rechnung dabei – das ist mir schon klar – und es hängt von vielen Faktoren ab. Tatsache ist doch aber auch, dass viele Unternehmen vielleicht ihre Strukturen verändert haben, draufgekommen sind, es geht auch mit weniger Leuten. Ist nicht zu befürchten, dass da einfach ein Gutteil dieser Menschen überhaupt nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt reüssieren kann?
KOPF: Beppo Muchitsch hat schon darauf hingewiesen, dass es auch in der Krise eine Dynamik am Arbeitsmarkt gibt. Es gibt auch bei den Arbeitslosenzahlen Bewegung. So wie die Stellen am Anfang des Monats und am Ende des Monats von der absoluten Zahl her ungefähr gleich viele sind, 60 000, so sind tatsächlich drei Viertel davon andere Stellen und so ist es Gott sei Dank auch so, dass es Gott sei Dank bei den Arbeit suchenden Personen – abhängig davon, welches Monat es ist – 15, 20 Prozent andere sind. Diese Bewegung ist gut. Momentan machen mir vor allem die Personen Sorgen, die schon vor der Krise arbeitslos waren. Wir haben gesehen, dass in der Krise wie zum Beispiel im Sommer, wenn die Konjunktur, der Tourismus besser gelaufen ist, die Arbeitslosenzahlen relativ gesehen wieder hinuntergegangen sind, und das waren aber hauptsächlich die Personen, die wegen Corona arbeitslos geworden sind und dann wieder einen Job gefunden haben. Die, die aber schon vor Corona arbeitslos waren, sind die jetzigen Langzeitarbeitslosen. Die haben während der Coronazeit keine Chancen bekommen. Die machen uns Sorgen, das ist ein Thema. Aus vergangenen Krisen wissen wir, dass so etwas wie die Sockelarbeitslosigkeit, sage ich jetzt – die Leute, die uns lange bleiben, die nur sehr, sehr schwierig wieder eine Arbeit finden und nur mit sehr aufwendigen Instrumenten gefördert werden können und so weiter – , normalerweise nach solchen Krisen immer höher ist, leider Gottes, und dass es da mehrere Jahre des Aufschwungs und Arbeitsmarktpolitik braucht, um diese wieder bekämpfen zu können.
GROẞ: Das heißt, man kann sagen: Langzeitarbeitslose haben es jetzt noch schwerer?
KOPF: Ja! Nicht nur, dass wir mehr haben, sondern sie haben es auch viel schwerer.
GROẞ: Was halten Sie eigentlich von dieser Studie der Stanford University, die jetzt sehr oft zitiert wird, wonach jeder dritte Job angeblich verloren gehen könnte? Muss man damit rechnen, dass es weniger Bedarf an Arbeitskräften geben wird, weil im Moment ganze Branchen so eine Art Kahlschlag erleben?
KOPF: Wir kennen ja viele Studien, die sagen, dass viele Jobs verschwinden, die Oxford-Studie ist die berühmteste (Moderator Groß: Im Zusammenhang mit der Digitalisierung!), die sich zum Beispiel Digitalisierung anschaut, oder auch Studien zum Zusammenhang Bekämpfung des Klimawandels und so weiter. Alle diese Studien sehen nicht, dass hier gleichzeitig auch neue Jobs entstehen, auch diese Coronastudie. Es stimmt, es werden Jobs wegfallen, in Österreich ist – das hat man in Ihrem Beitrag gesehen – Luftfahrt sicher ein Bereich und alles, was damit zusammenhängt wie Veranstaltungen, Stadttourismus und so weiter, weil Geschäftsreisen weniger werden werden, weil einzelne Meetings nicht mehr stattfinden werden – nicht alle nicht, aber einige nicht –, weil wir alle gesehen haben, dass Videokonferenzen funktionieren. Thema aus meiner Sicht ist auch der Geschäftsimmobilienmarkt. Viele Firmen haben gesehen, Homeoffice funktioniert, und wenn ein Teil Homeoffice bleibt, werde ich vielleicht weniger Immobilienflächen brauchen. Gleichzeitig ist momentan das Großraumbüro, würde ich sagen, eher nicht mehr so en vogue, also werden die Flächen vielleicht doch wieder mehr werden, und so weiter. Also wir werden schon Bereiche sehen, da wird die Beschäftigung jahrelang nicht auf die gleichen Niveaus zurückkommen, ich denke etwa an den Bereich Fliegen. In anderen Bereichen – wir haben es im Bereich Pflege, im Bereich Erziehung, im Bereich IT gesehen – haben wir auch in der Krise Beschäftigungswachstum gehabt, gerade im IT-Bereich. Das ist dann wieder eine Herausforderung für die Arbeitsmarktpolitik, weil: Wie mache ich aus einer Stewardess, die nicht mehr fliegt, eine Pflegekraft? Will sie das überhaupt? Ist sie dafür geeignet? – Das sind Herausforderungen.
GROẞ: Da sind wir bei diesem berühmten Stichwort von der Joboffensive, Umqualifizierung zum Beispiel für Pflege – Sie haben es soeben angesprochen. So einfach ist das aber nicht: Alle eignen sich dafür nicht, alle wollen das nicht, alle können das auch nicht. Schon die Kurse sind ja zum Beispiel, um es sozusagen auf eine ganz banale Ebene herunterzubrechen, im Moment fast nicht möglich.
KOPF: Ja, also wir starten diese größte Schulungsoffensive in der Geschichte des AMS auch mit schwierigen Rahmenbedingungen. Wir haben aktuell ungefähr drei Viertel, fast 80 Prozent, unserer Kurse auf online umgestellt. Gerade im Pflegebereich können wir Teile vorziehen, was Theorie betrifft, aber die Praktika gehen zum Beispiel momentan nicht, weil die Schülerinnen und Schüler nicht in die Pflegeheime kommen. Dasselbe betrifft sozusagen auch eine Reihe von anderen Ausbildungen, wo wir es momentan nicht zusammenbringen, die Schulungsteile, die notwendig sind – in den Firmen und so weiter – oder die halt persönlich notwendig sind, zu machen. Wir erhöhen jetzt noch einmal auch unsere Konzepte mit FFP2-Masken. Wir werden auch mehr und mehr Leute in unseren Schulungen testen. Aber es ist klar, es ist schwierig. So blöd das jetzt alles klingt: Alle warten, als wirtschaftspolitische Maßnahme, auf diese Impfung. – Es ist so.
GROẞ: Sie haben vorhin von den Damen und Herren Abgeordneten sehr viel positives Feedback für Ihre Arbeit bekommen (Kopf: Ja, vielen Dank!), Sie und natürlich Ihre Kolleginnen und Kollegen. Jetzt drehen wir den Spieß einmal um: Wie beurteilen denn Sie die Arbeit der Politik beziehungsweise – machen wir es ein bisschen konkreter – was erwarten Sie von den Damen und Herren Abgeordneten in den nächsten Wochen und Monaten?
KOPF: Steht mir nicht zu, aber weil Sie mich auffordern, sage ich es jetzt: Ich habe in diesem vergangenen Jahr der Krise erlebt, wie ungeheuer schnell Politik entscheiden kann – Entscheidungsgeschwindigkeiten bei Mittelaufstockungen am Anfang und so weiter, die oftmals ja auch einstimmig im Nationalrat beschlossen wurden, Entscheidungen, die in Nachtsitzungen, in Wochenendsitzungen, in wenigen Tagen möglich waren, mit Budgetgenehmigungen, wo einem schwindlig wird –, weil sie notwendig waren, das muss man offen sagen, auch für uns. Wir haben teilweise im Wochentakt angerufen und gesagt: Bitte, wir brauchen wieder 1 Milliarde oder 2 für Kurzarbeit und so weiter! Ich habe erlebt, dass hier sehr viel möglich war und dass auch viele, viele gute Gespräche gelungen sind. Ich habe starke Sozialpartner erlebt. Ich muss ehrlich sagen, mein Eindruck, was die Gegensteuerung gegen die Wirtschaftskrise und die Arbeitsmarktkrise betrifft, ist: Das hat gut funktioniert.
GROẞ: Vielen Dank. Wir haben jetzt die eine oder andere Wortmeldung. Ich glaube, Herr Loacker war der Erste. – Bitte.
LOACKER: Ich möchte es nicht gerne, aber ich fühle mich gezwungen, den Optimismus von Herrn Kopf ein bisschen zu dämpfen, wenn er so auf die Impfung setzt, denn bei dem Impftempo in der Republik Österreich dauert das noch zwei Jahre, bis wir das auf dem Arbeitsmarkt sehen. Der Herr Gesundheitsminister hat gesagt, Ende des ersten Quartals sind 600 000 Leute geimpft: Dann sind wir ungefähr bei den 75-Jährigen, wenn es gut geht. Wir nützen das nicht, was wir haben. Es gibt 400 000 Personen, die positiv getestet waren – laborbestätigt –, und das RKI sagt, die Dunkelziffer ist vier bis sechs Mal so hoch, also gibt es ungefähr 2 Millionen Menschen, die eine natürliche Immunisierung haben. Die muss man nicht mehr in Quarantäne schicken, die kann man in die Berufe gehen lassen und die anderen impfen, die diese natürliche Immunisierung noch nicht haben, damit man schneller eine Breite erreicht. Wir impfen einfach blind durch, auch die, die die Krankheit schon gehabt haben. Das ist in einem Maß unprofessionell, wie das da abgezogen wird! Das kostet dem Arbeitsmarkt zusätzliche Monate.
GROẞ: Herr Koza.
KOZA: Ich wollte eigentlich zum Thema zurück und dem, was der AMS-Chef, Herr Kopf, gesagt hat. Wo ich mir denke, wo wirklich die sehr große Herausforderung in den nächsten Wochen und Monaten liegen wird – da sind wir uns wahrscheinlich über weite Strecken einig –, das ist die Langzeitarbeitslosigkeit. Das, was wirklich sehr zu befürchten ist – das haben wir einfach erlebt –, ist: Wir haben bereits im Jänner 2020 einen großen Sockel an Arbeitslosigkeit mitgenommen, den wir noch aus der Krise 2008 gehabt haben, mit, glaube ich, an die 130 000 Langzeitarbeitslosen, und wir sind jetzt beinahe bei einem Rekord, den wir im Jahr 2016 mit 160 000 Langzeitarbeitslosen gehabt haben, denn wir sind jetzt bei 170 000 Langzeitarbeitslosen. Da wären wir bei der Joboffensive, die auch zur Finanzierung von Arbeitsstiftungen, aber vor allem für Qualifizierungsmaßnahmen gedacht ist. Die wird, denke ich, gut bei der Personengruppe greifen, die sich umorientieren kann, die sich umbilden lassen kann, die die Qualifizierungsmaßnahmen in Anspruch nehmen kann, wo wir dann glücklicherweise aufgrund dessen, weil wir beispielsweise eben auch Investitionen im Bereich Klimaschutz tätigen, sehr wohl dann die Menschen, die wir in Klimaberufen, Green Jobs, ausgebildet haben, auch aufnehmen können. Für andere Gruppen, für diejenigen, die schlichtweg wirklich schon länger vom Arbeitsmarkt weg sind, die teilweise keine Perspektiven mehr haben, die mehrere Vermittlungsprobleme haben, brauchen wir andere Maßnahmen. Da bin ich ehrlich gesagt sehr froh, dass der neue Arbeitsminister sehr wohl auch gesagt hat, er kann sich schon so Maßnahmen vorstellen, so Beschäftigungsprogramme, wo man ganz gezielt diese Gruppen am Arbeitsmarkt eingliedert, unterstützt. Es ist auf jeden Fall sinnvoller, Beschäftigung zu schaffen, das Geld für Beschäftigung in die Hand zu nehmen, als teure Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Das gibt den Menschen Hoffnung, das gibt den Menschen Perspektive, schafft Einkommen, schafft Sozialversicherungsjobs und vor allem: Es nimmt den Menschen auch den Druck, den sie derzeit haben.
GROẞ: Stichwort Druck: Wir haben ein bissel einen Zeitdruck. Ich muss darauf achten, dass die Wortmeldungen vielleicht ein bissel kürzer ausfallen. Herr Kopf wollte ganz kurz auf etwas reagieren.
KOPF: Ich war heute bei Arbeitsminister Kocher – ich habe einen längeren Termin bei ihm gehabt – und er ist sich gerade dieses Problems der Langzeitarbeitslosigkeit sehr bewusst. Wir haben schon darüber gesprochen, welche Instrumente es geben könnte, was man noch ausprobieren könnte, was man regional machen könnte. Das, finde ich, ist ein sehr, sehr guter Ansatz und auch ein hoffnungsvoller Weg für die weitere Arbeitsmarktpolitik.
GROẞ: Frau Abgeordnete Belakowitsch, einen Satz.
BELAKOWITSCH: Ganz kurz noch: Herr Johannes Kopf hat sehr viel gebracht, hat versucht, Optimismus zu versprühen. Ich möchte nur trotzdem, ohne sehr pessimistisch zu wirken, schon noch eines einwerfen, und das ist: Wenn man sich nur darauf verlässt, dass irgendeine Impfung, egal wie lange sie dauert - - Was machen Sie, was macht die Wirtschaft, wenn sich herausstellt, diese Impfung ist nicht so wirkungsvoll? – Das heißt, sich nur auf eine Schiene zu schmeißen und zu sagen: Die kommt jetzt und dann wird alles gut!, wird so nicht funktionieren. Ich glaube, das muss man angesichts dieses Dramas im Hinterkopf haben. Das Zweite ist: nicht nur, dass Jobs nicht wieder kommen werden, sondern die Frage wird sich stellen, wird der Tourismus in dieser Art überhaupt - - Wie lange wird es dauern, bis wir wieder so viele Touristen aus dem Ausland bekommen, nicht nur im Wintertourismus sondern generell – Sie haben den Städtetourismus selbst eingebracht? Also da ist so viel im Schwimmen und im Rollen, und das hat man einfach ein Jahr lang schwimmen lassen. Da ist niemand in dieser Bundesregierung auf die Idee gekommen - - Weil Sie gesagt haben, Frau Kollegin Zopf, wir müssen Jobs schaffen: Wir sind die Politik, wir schaffen keine Jobs. Aufgabe der Politik ist es nur, Rahmenbedingungen zu schaffen.
GROẞ: Das war doch ein bissel mehr als ein Satz. Herr Muchitsch, vielleicht schaffen Sie es in einem Satz.
MUCHITSCH: Die Beschäftigungsmaßnahmen sind notwendig. Fakt ist, wir haben viel Zeit verloren. Wir haben zu impfen begonnen, ohne eine Impfstrategie zu haben, und das sieht man im internationalen Vergleich. Hier haben wir einen irrsinnigen Aufholbedarf, wenn wir Arbeitsplätze sichern wollen.
GROẞ: Frau Zopf.
ZOPF: Wichtig ist, dass wir dort hinkommen: Arbeit muss sich lohnen!, und ich glaube, das ist auch das Ziel. Wenn sich Arbeit wieder lohnt - - Wir schauen, dass wir die Maßnahmen in die richtige Richtung lenken. Da gebe ich Ihnen ja recht, Frau Belakowitsch, wir schauen ja, dass wir das Geld dort einsetzen, dass die Arbeitsplätze wieder geschaffen werden und dass wir in Zukunft die Arbeitslosigkeit wieder vermindern.
GROẞ: Dann lassen Sie uns über das Thema Kurzarbeit reden, meine Damen und Herren. Es herrscht ja weitgehend Einigkeit darüber, dass Kurzarbeit als Krisenmaßnahme grundsätzlich positiv ist, weil sie auf der einen Seite Arbeitsplätze sichert und rettet und auf der anderen Seite Unternehmen hilft, auch ihr Personal zu halten beziehungsweise das Personal zu halten. Natürlich gibt es auch warnende Stimmen, die sagen, durch die Kurzarbeit dürfen nicht falsche Strukturen konserviert werden. Der neue Arbeitsminister hat gesagt, Kurzarbeit ist keine Dauerlösung, es ist eine Krisenmaßnahme, aber nicht mehr. Er will im Februar ein Konzept für eine Kurzarbeit Neu vorlegen beziehungsweise vorlegen, wie es damit weitergehen kann. Auch hier haben wir eine Grafik dazu vorbereitet, wie es im Moment überhaupt ausschaut beziehungsweise in der Vergangenheit ausgesehen hat. (Im Folgenden werden die Ausführungen des Moderators durch eingespielte Diagramme unterstützt.) Mit Beginn des ersten Lockdowns im März 2020 waren rund 700 000 Personen für die Kurzarbeit angemeldet. Der Spitzenwert wurde im Mai mit mehr als 1,2 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erreicht. Aktuell, mit Stand 11. Jänner, sind genau 414 773 Arbeitnehmer für die Covid-19-Kurzarbeit angemeldet. Wie schaut es aus, was die einzelnen Branchen und die Verteilung diesbezüglich betrifft: Von den 414 773 sind 25,8 Prozent in der Gastronomie und Hotellerie beschäftigt, 25 Prozent im Handel und in Kfz-Werkstätten und 17,4 Prozent in der Warenproduktion; das sind momentan jene Branchen mit dem größten Anteil von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Kurzarbeit. Herr Kopf, wie kann es oder soll es mit der Kurzarbeit weitergehen, über den März hinaus, denn das ist ja zunächst eigentlich einmal das Ende der Kurzarbeit?
KOPF: Es reden morgen die Sozialpartner mit dem Arbeitsminister über die Frage, was sich weiter bei der Kurzarbeit tut. Ich glaube, wir werden ganz sicher – das ist auch die Position des Arbeitsministers und ganz sicher auch die von den Sozialpartnern – über den März hinaus noch eine Kurzarbeit brauchen. Gerade wegen der Verlängerung des Lockdowns und des Umstandes, dass wir alle wissen, dass das nicht sozusagen zu Ostern vorbei ist, wird es eine längere Kurzarbeit brauchen. Schwieriger ist dann die Frage, wie man einen vernünftigen Ausstieg aus der Kurzarbeit findet. Es macht keinen Sinn, Arbeitsplätze – die Frau Abgeordnete hat es schon angesprochen –, die langfristig nicht zurückkommen, ewig zu konservieren; das macht keinen Sinn. Irgendwann muss man auch bewusst sagen, es ist besser, es gibt eine Strukturanpassung, es gibt eine Zeit der Arbeitslosigkeit, als dass Leute ewig in Bereichen gehalten werden, wo es die Arbeit nicht gibt. Das heißt, irgendwann wird man die Bedingungen für die Unternehmen weniger attraktiv machen, damit die Unternehmen dann ganz genau überlegen: Wen behalte ich, wo macht es Sinn und wo hilft die Arbeitsmarktpolitik, damit eine Umschulung möglich ist, um jemanden rasch wieder woanders unterzubringen?
GROẞ: Auch darüber wollen wir natürlich mit den Abgeordneten diskutieren. Wir wollen uns aber zunächst einmal anschauen, was Kurzarbeit individuell bedeutet oder bedeuten kann. Natürlich ist sie auch ein Segen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber sie bedeutet gleichzeitig auch weniger Geld und sie bedeutet zum Beispiel auch weniger soziale Kontakte. Was das im Alltag heißt, haben wir uns am Beispiel der Friseurin Katrin Thallinger angesehen.
*****
Es folgt eine Videoeinspielung:
Sprecher: Die Coronakurzarbeit soll helfen, Arbeitsplätze zu sichern und Menschen in Beschäftigung zu halten. 5,5 Milliarden Euro sind nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit bisher dafür ausgegeben worden. 9,9 Milliarden Euro sind derzeit bewilligt. Die Friseurin Katrin Thallinger ist eine von rund 414 000 Personen in Österreich, die derzeit zur Kurzarbeit angemeldet sind.
Katrin Thallinger (Friseurin): Mir geht irgendwie die Arbeit ab, mir geht dieses normale Leben ab, dieses: Du gehst in die Arbeit, fährst in die Arbeit, machst dich in der Früh fertig, redest mit deinen Arbeitskollegen eben darüber, was es Neues gibt, über private Sachen – sind ja trotzdem wie Freunde oder so.
Sprecher: Zurzeit sitzt Katrin Thallinger fast nur zu Hause. 50 Prozent ihrer eigentlichen Dienstverpflichtung sollte sie in der Kurzarbeit tätig sein. Doch da die Friseursalons geschlossen sind, wird sie die Stunden nach der Wiedereröffnung einarbeiten, wie schon vor Weihnachten.
Katrin Thallinger: Ich meine, wir sind froh, dass wir dann viel zu tun haben, weil du ja dann eh, so wie es jetzt ist, vier Wochen, fünf Wochen daheim bist, also das ist eh - - Aber du arbeitest halt fast so wie am Laufband, weil du halt jeden Kunden drannehmen willst, das ist eh logisch, aber irgendwann ist dann deine Kraft auch - -, du kannst halt nicht auch nur für die Arbeit und Vollgas; das funktioniert auch nicht.
Sprecher: Was ihr sehr zu schaffen macht, ist, dass sie trotz des Kurzarbeitsbezugs von 90 Prozent ihres Gehalts viel weniger Geld zur Verfügung hat.
Katrin Thallinger: Ich meine, ich muss ganz ehrlich sagen, wir haben ja generell vom Grundlohn her schon weniger, wir verdienen unser meistes Geld halt mit dem Trinkgeld. Das ist halt, wenn das wegfällt - - Es können sich eben die meisten nicht vorstellen. Viele glauben auch, dass wir wenig Trinkgeld bekommen, aber das Trinkgeld macht viel aus, ich meine, 500 Euro oder 400 Euro sind viel Geld.
Sprecher: Katrin Thallinger wünscht sich, dass sie bald wieder ihr reguläres Dienstverhältnis aufnehmen kann und damit etwas Normalität in ihr Leben zurückkehrt.
*****
GROẞ: Wie geht es beziehungsweise soll es mit der Kurzarbeit weitergehen? Das frage ich gleich einmal Abgeordnete Zopf.
ZOPF: Also wir werden uns im Februar definitiv einmal die Infektionszahlen anschauen. Dann muss man wirklich ganz genau überlegen, inwieweit die Kurzarbeit noch attraktiv genug ist. Mit dem neuen Arbeitsminister Kocher werden wir das dann gemeinsam mit den Sozialpartnern sicher durchdiskutieren, wie dann die Kurzarbeit in weiterer Folge nach der Kurzarbeit Phase drei ausschauen wird.
GROẞ: Welche Ideen, Vorschläge und Vorstellungen hat denn da der Koalitionspartner, Herr Koza?
KOZA: Also ich bin der Überzeugung, dass es weiter Kurzarbeitsmodelle geben wird müssen. Ich bin auch der Überzeugung, dass es Formen von Arbeitszeitmodellen geben wird müssen, wo Arbeit mit Bildung und Qualifizierung gemeinsam kombiniert machbar ist, alleine schon, weil Betriebe teilweise auch ihre Produktion umrüsten müssen, beispielsweise, weil es der Klimawandel erfordert, oder weil Menschen einfach neue zusätzliche Qualifikationen brauchen. Da würden sich entsprechende Kurzarbeitsmodelle mit Qualifizierung anbieten. Das sollen sich aber die Sozialpartner gemeinsam mit den ExpertInnen ausmachen.
GROẞ: Frau Belakowitsch.
BELAKOWITSCH: Ich glaube, zum einen haben wir natürlich ein Problem mit der Kurzarbeitsfalle. Das heißt, jemanden, der ewig lang schon in der Kurzarbeit hängt, wieder rauszubringen, das ist eine sehr schwierige Frage. Auf der anderen Seite jetzt zu sagen, wir schauen uns im Februar Infektionszahlen an und überlegen dann, wie es weitergeht: Wo wir jetzt schon genau wissen, wir haben einmal einen Lockdown bis 7. Februar angesagt. Ich traue dieser Bundesregierung genauso wenig wie viele Unternehmer, weil es nicht planbar ist. Wir sehen heute schon – denn Deutschland ist schon eine Woche länger im Lockdown –, wie sich das tatsächlich bei uns auswirken wird. Natürlich wird das noch ein längeres Nachspiel haben. Also ich gehe jedenfalls davon aus, dass man noch bis in Richtung Sommer eine Verlängerung brauchen wird, denn selbst, wenn es tatsächlich dazu käme, dass man sagt: Ab morgen ist alles gut!, wird es ja eine Zeit lang brauchen, bis auch die Betriebe ihre Leute wieder tatsächlich auf 100 Prozent rauffahren können.
GROẞ: Gehen Sie auch davon aus, Herr Loacker?
LOACKER: Ich gehe davon aus, es wird sich noch ziehen. Ich halte das für bedenklich, dass die Kurzarbeit als Langzeitinstrument zu billig ist. Das ist für eine kurze Phase ausgezeichnet, aber als Langzeitinstrument ist es zu billig und führt dazu, dass eigentlich strukturell kaputte Betriebe den Betrieben Konkurrenz machen, die noch gesund wären, und dort die Arbeitsplätze ruinieren. Also man muss da ein bisschen die Zügel anziehen.
GROẞ: Wenn der Gewerkschaftsvorsitzende Muchitsch in die Zukunft schaut, was sieht er da?
MUCHITSCH: Ich sehe eine nicht handelnde Bundesregierung, wenn es darum geht, sich aus der Krise heraus zu investieren. Kurzarbeit soll keine Dauerlösung sein, weil kein Arbeitgeber und kein Arbeitnehmer glücklich darüber ist, dass er weniger verdient und dass er einen derartigen Aufwand mit Verwaltungsunterlagen hat, dementsprechend eine Kofinanzierung zu erhalten. Das beste Instrument, die Kurzarbeit dementsprechend zurückzufahren, ist, wenn die Politik in Österreich, diese Bundesregierung darauf schaut, dass die österreichischen Unternehmen die Aufträge bekommen, in verschiedenen Vergaben, in verschiedenen Förderungen. Es kann doch nicht sein, dass wir ein Unternehmen - - Wir haben vorhin diese Warenproduktion gesehen: Wenn zum Beispiel ein Betonfertigteilwerk auf Kurzarbeit umstellen muss, weil auf öffentlichen Baustellen mit unseren Steuergeldern die Fertigteile aus Ungarn angeliefert werden, dann muss ich sagen, läuft ja etwas in dieser Republik falsch, oder wenn der Tischler aus Slowenien halt billiger ist als wie der Tischler in Österreich, und die Regierung macht nichts, um einen Handwerkerbonus zu schaffen oder auch die Steuer auf Dienstleistungen in Österreich herabzusenken. Ein Satz noch: Also wenn die Menschen Skifahren dürfen und Eislaufen dürfen und man dann den Handel nicht aufsperren lässt, wo wir mit 10 Quadratmeter pro Einkauf die besten Kriterien haben, und wenn man parallel das Geld ausschüttet, mit den verschiedensten acht Maßnahmen für Unternehmen, die das eigentlich gar nicht wollen – die wollen aufsperren, die wollen arbeiten, natürlich unter allen gesicherten Maßnahmen –, muss man sagen, da wird einfach weggeschaut, da kommt die Praxis einfach viel zu kurz.
GROẞ: Wir gehen in die letzte halbe Stunde und da machen wir noch einmal einen Themenwechsel: Es geht um das Thema Homeoffice. Rund 700 000 Österreicherinnen und Österreicher haben seit dem ersten Lockdown Erfahrungen im und mit dem Homeoffice gesammelt, manche dauerhaft und vollständig, manche nur temporär und teilweise. Vor Corona kannten nur 10 Prozent der Büroangestellten in Österreich Homeoffice aus der Praxis, jetzt sind es 40 Prozent. Was sie alle eint, ist, dass eine große Mehrheit von ihnen zumindest will, dass das Homeoffice auch nach dem Ende der Pandemie beibehalten wird. Das gilt auch für Frau Harrauer, die wir mit der Kamera besucht haben.
*****
Es folgt eine Videoeinspielung:
Sprecher: Corinna Harrauer ist Projektmanagerin in einer IT-Firma. Schon vor der Coronapandemie hatte sie die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten. Für die Mutter einer vierjährigen Tochter ist das ein Weg, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen.
Corinna Harrauer (Projektmanagerin): Es gibt Tage, da funktioniert das perfekt, da sitzt sie daneben und spielt, und es gibt halt Tage, wo es nicht so gut rennt. Da ist es eben super, wenn man eine Flexibilität hat, wo man sagt: Okay, es geht nicht! – Bei uns ist es genau definiert, es gibt Spielregeln, an die sich das ganze Team hält. So, wie es bei uns jetzt ist, sage ich dann, okay, ich schreibe in unsere Gruppe rein: Es tut mir leid, ich muss jetzt kurz mit der Kleinen raus, ich bin jetzt für zwei Stunden nicht erreichbar!
Sprecher: In Corinna Harrauers Firma wurden vor einiger Zeit genaue Regeln für das Homeoffice definiert und niedergeschrieben. Firmenchef Martin Böhacker ist es wichtig, dass es nicht zu Missverständnissen und Neid unter den Kollegen kommt.
Martin Böhacker (Geschäftsführer MBIT Solutions): Wenn ich einmal eine E-Mail schreibe, kriege ich meine Antwort vielleicht drei Stunden später, oder ich schreibe jemanden via Chat an: Wie ist da die Erwartungshaltung? Gehe ich davon aus, dass der wirklich gerade vor dem Rechner sitzt und innerhalb von 1 Minute zurückschreibt – wie wenn ich mich umdrehe –, oder ist das okay, wenn der erst eine halbe Stunde später zurückruft? Ist er direkt verfügbar? – Also solche Sachen muss man schon abklären.
Sprecher: Zurzeit sind alle Mitarbeiter von MBIT Solutions in Homeoffice. Bei der Neugestaltung des Firmensitzes wurde der Trend zum mobilen Arbeiten schon berücksichtigt.
Martin Böhacker: Also unser Büro ist jetzt eher fast so als Treffpunkt konzipiert. Das ganze Erdgeschoss ist eigentlich dafür ausgelegt, dass man sich treffen, zusammensetzen und wohlfühlen kann – Work, Kaffee –, eigentlich so wie eine Lounge, halt als zentraler Treffpunkt, wo es schon um das Thema Arbeit geht. Es hat auch jeder weiterhin seinen fixen Arbeitsplatz und es gibt kein Desksharing. Es wird aber wahrscheinlich der ganze Kommunikationsbereich unten sehr viel genutzt.
Sprecher: Rund 700 000 Menschen arbeiten in Österreich im dritten Quartal 2020 von zu Hause aus, die Hälfte davon coronabedingt. Ein Großteil will am Homeoffice festhalten, allerdings in Kombination mit dem Arbeiten im Büro.
Passantin 1: Der soziale Kontakt mit den Kollegen fehlt, der direkte. Also das war meine größte Herausforderung, dass mir das von März bis Mai unheimlich gefehlt hat, die Kollegen zu treffen.
Passantin 2: Ich würde mir einen Mix wünschen, weil der soziale Austausch am Arbeitsplatz, finde ich, doch sehr wichtig ist, und es auch psychisch einfach wichtig ist, glaube ich, dass man nicht so viel alleine zu Hause ist. Also ich würde mir wünschen, dass die Arbeitgeber ein bisschen progressiver in diese Richtung denken und auch ein bisschen flexibler mit Gleitzeit und teilweisem Homeoffice sind.
Passant 3: Es sollte meiner Meinung nach den Mitarbeitern freistehen, ob sie es machen wollen oder nicht: Viele möchten es, viele möchten es nicht, das kann ich auch verstehen. In meinem ehemaligen Unternehmen war es so, dass Führungspersönlichkeiten des Unternehmens gesagt haben, es ist ihnen egal, wenn der Mitarbeiter zu Mittag seine Tochter vom Kindergarten holt – das ist ihnen lieber, denn das ist der Mitarbeiter, der dann am Abend auch die Extrastunden macht und die Extrameile geht, wenn es notwendig ist.
Sprecher: Auch Corinna Harrauer arbeitet gerne am Abend, wenn ihre Tochter im Bett ist. Auf die Flexibilität im Homeoffice, die ihre Firma ihr bietet, will sie nicht mehr verzichten.
*****
GROẞ: Dazu begrüße ich jetzt bei uns im Politik-am-Ring-Studio Prof. (FH) DI Michael Bartz – herzlich willkommen. Er hat Wirtschaft in Bochum studiert, war Manager bei Philips und Microsoft, war aber auch als Berater tätig. Seit 2010 ist er Professor an der IMC Fachhochschule Krems und arbeitet auch als Studienautor für unterschiedliche Auftraggeber – für Ministerien, aber auch für unterschiedliche Kammern und Gewerkschaften. Ist Homeoffice gekommen, um zu bleiben – um das salopp zu formulieren –, Herr Professor?
Prof. (FH) DI Michael BARTZ (IMC Fachhochschule Krems): Ja, absolut. Das sehen wir jetzt schon in den Ad-hoc-Studien vom letzten Sommer – je nachdem, welche Studie man anschaut, sind es durch die Bank circa 60, 70, 80 Prozent der ArbeitnehmerInnen im Bürobereich, die sagen, dass es nach Corona mit dem mobilen Arbeiten weitergehen soll, wobei man zwei Fälle unterscheiden sollte. Es gibt Firmen, in denen mobiles Arbeiten im Homeoffice vor Corona nicht möglich war, dort wünschen sie sich: Ja, es soll auf jeden Fall bleiben und weitergehen, nicht abgedreht werden! – In anderen Firmen war es ein bisschen dosiert schon möglich, und dort ist der Wunsch: Es soll hochgehen, die Intensität soll steigen! – Das sind die zwei Varianten, aber auf jeden Fall kann man sagen: Das mobile Arbeiten ist beliebt, nicht wie jetzt in der Coronakrise mit 100 Prozent – das ist schwer auszuhalten –, sondern eine hybride Variante mit On und Off, gut ausbalanciert.
GROẞ: Gibt es da eigentlich so ein Idealverhältnis – dass man sagt, drei Tage zu Hause, zwei Tage im Büro oder umgekehrt –, oder ist das individuell sehr verschieden?
BARTZ: Wir haben das vor vielen Jahren schon extra in Experimenten erforscht und haben den Organisationen keine Grenze gesetzt. Es pendelt sich immer so bei diesen magischen 1,4 Tagen pro Woche ein, wenn man kein Limit setzt. Es gibt vier Grundmotive, warum es wichtig ist, ins Büro zu kommen – um Karriere zu machen, zum Beispiel, muss man sich zeigen –, und deshalb pendelt es sich von selbst sehr gut ein.
GROẞ: Kommen mit diesem Thema Homeoffice alle gleich gut zurecht, oder gibt es da auch Unterschiede, was etwa das Alter, Generationen, aber auch unterschiedliche Berufe oder Branchen betrifft?
BARTZ: Also diese Alterskorrelation gibt es schon lange nicht mehr – das ist wahnsinnig spannend, gerade auch im Zusammenhang mit der Digitalisierung und dem Zurechtkommen mit digitalen Werkzeugen. Ansonsten ist es sehr jobbedingt: Welche Rolle habe ich? Als Buchhalterin oder Buchhalter, kann man, wenn man in einem papierlosen Büro arbeitet, diesen Job sehr gut mobil, zum Beispiel zu Hause, ausführen. In anderen Jobs muss man Präsenz zeigen, da ist Präsenz sehr, sehr wichtig. Dann kommt noch der Persönlichkeitsfaktor dazu: Nicht jeder will es, das muss man in der Rechnung unbedingt mit einkalkulieren. Es hängt von der Persönlichkeit ab: Es gibt circa 4 bis 5 Prozent der MitarbeiterInnen, die spüren: Zu Hause versumpere ich, da gibt es zwei, drei Gefahren – den Kühlschrank, die Waschmaschine –, ich kann mich zu Hause nicht konzentrieren!, die gehen ganz bewusst ins Büro, das ist eine Art Ritual. Dann gibt es die anderen, denen es am mobilen Arbeitsplatz wunderbar geht, sie können sich überall fokussieren, auch in einer lauten Umgebung. Also Persönlichkeit spielt eine große Rolle, und natürlich auch der Reifegrad: Einen Lehrling im Bürobereich würde ich nicht unbedingt ins Homeoffice schicken, denn da geht es ja darum, ihm über die Schulter zu schauen, aber später im Beruf, mit mehr Erfahrung, auch im Umgang mit sich selbst – Selbstmanagement ist ein sehr, sehr wichtiger Faktor, das muss man beherrschen, das muss man erlernen, und das Gute dabei ist, dass man es erlernen kann –, ist es möglich. All das sind Faktoren, die Führungskräfte ganzheitlich in die Kalkulation mit einbeziehen müssen, wenn sie mit der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter eine Vereinbarung treffen: Wie viel darf es sein, wie viel soll es sein, was ist gut?
GROẞ: Wie sieht denn das Büro der Zukunft aus? Wir haben vorhin ein sehr schönes Beispiel gesehen, in dem es auch gut funktioniert hat, das muss aber nicht immer so sein. Wenn man sich zum Beispiel eine kleine Wohnung vorstellt, in der auch noch kleine Kinder sind: Nicht in jedem Job geht es, dass dann halt zum Beispiel ein Kleinkind in der Kamera auftaucht oder man ein Telefonat unterbricht. Das heißt: Schafft man da nicht eine Zweiklassengesellschaft?
BARTZ: Eine Zweiklassengesellschaft, das Büro der Zukunft: Vielleicht ist das an dieser Stelle durchaus die Gelegenheit, auch noch einmal riesigen Dank und riesige Anerkennung an die Gruppe der Alleinerziehenden, der Familien, die diese Mehrfachbelastung jetzt in einer wirklichen Ausnahmesituation stemmen, auszusprechen – das ist extrem anerkennenswert. Das lässt sich nicht auf die Zukunft, wenn wir dann wieder in einer Art von Normalität und auch im Büro mit On und Off leben und arbeiten, projizieren. Das ist jetzt einfach eine Sondersituation – aber an dieser Stelle einmal einfach Dank und Anerkennung an all diese Gruppen. Weil Sie das Büro der Zukunft ansprechen: Da träumen viele Vorstände und Geschäftsführungen derzeit von um die Hälfte verkleinerten Büros und Desksharing – das ist die erste überschlägige Rechnung. Wenn man dann aber genauer hinschaut, sieht man, dass, wenn man nach Corona mehr mobiles Arbeiten zulässt, das Büro plötzlich eine neue Funktion bekommt. Dann muss man mit der Kalkulation noch einmal neu beginnen. Diese neue Funktion, was ist das? – Nicht mehr, sich einen Einzelschreibtisch zu suchen, sondern zusammenzukommen, sich zu treffen, den Flurfunk abzufangen, etwas für die Karriere zu tun, sich zu zeigen. Bestimmte Meetingformate brauchen auch physische Präsenz, damit sie funktionieren, zum Beispiel Brainstorming. Das können Sie selbst ausprobieren: Über Skype oder Facetime kommt das nie ins Laufen. Jedenfalls braucht es dafür Kollaborationsflächen, also Flächen, auf denen man zusammenkommt und zusammenarbeiten kann. Dann wird das Büro kalkulatorisch nicht mehr so klein, weil man neue Flächen schaffen muss.
GROẞ: Wenn man Ihnen, Prof. Bartz, zuhört, klingt vieles sehr euphorisch, jedenfalls sehr begeistert und auch begeisternd. Wie begeistert sind denn die Politikerinnen und Politiker hier am Tisch, was das Thema betrifft? Vielleicht versuchen wir auch gleich, darüber zu reden, was sich aktuell eigentlich bei diesem Thema tut. Auf der einen Seite gibt es ja das Homeofficegesetz, das auf dem Weg ist – auf den Weg gebracht noch von Arbeitsministerin Aschbacher, jetzt übernommen von Arbeitsminister Kocher –, und es gibt eben diese Einigung, dieses Paket der Sozialpartner von letzter Woche. Darüber wissen wir noch nichts Genaueres, aber diese Woche – eigentlich morgen oder übermorgen – sollten wir Details hören. Vielleicht können wir heute in Politik am Ring dazu schon ein bisschen News machen. – Bitte, wer beginnt?
ZOPF: Also man hat auch in der Vergangenheit schon zwei Dinge auf den Weg gebracht: Die Unfallversicherung wurde aufrechterhalten, und die Pendlerpauschale wird weitergezahlt. Es ist genau so, wie der Experte das jetzt beschrieben hat: Jede Krise hat eine Chance, der Arbeitsmarkt hat sich ganz einfach ein bisschen zukunftsorientiert verändert, und bei diesem Sowohl-als-auch hört man immer mehr den Ruf nach Individualisierung. Es gibt einfach unterschiedliche Voraussetzungen, die Menschen wollen ein auf sich und den Arbeitsmarkt zugeschnittenes, persönliches Verhältnis mit Gestaltungsspielraum. Natürlich kenne ich das auch: Wenn man Dienstnehmervertreter ist, weiß man, wie kompliziert es ist, dafür Regeln zu treffen – das ist einfach wirklich schwierig. Das bedarf wirklich Diskussion, da muss man genau hinschauen und das birgt natürlich auch sehr viele Gefahren, aber wir sind zuversichtlich und arbeiten mit Hochdruck daran, dass man dafür zumindest einmal auf sozialpartnerschaftlicher Ebene Regeln treffen kann, die halbwegs positiv in das Ganze hineinstarten.
GROẞ: Ein großer Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommt ja für dieses Thema eigentlich gar nicht in Frage, weil es bei ihrer Arbeit gar nicht möglich ist, sie von zu Hause aus zu machen – zum Beispiel in der Branche, die Sie vertreten.
MUCHITSCH: Es gibt Dienstleistungen am Kunden, bei denen Homeoffice nicht möglich sein wird, außer man ist vielleicht selbstständig und ein Ein-Personen-Unternehmen. Einen Bauarbeiter im Homeoffice wird es auch nicht geben. Ich würde beim Thema Homeoffice aber unterscheiden: Homeoffice unter normalen Umständen – das heißt ohne Pandemie –, während eine Kinderbetreuung gesichert ist, die Schulen offen sind und die Kinder so betreut werden, dass sie kein Bildungsdefizit haben wie derzeit. Das ist für eine alleinerziehende Mutter, aber auch für eine junge Familie mit zwei oder drei Kindern etwas ganz anderes. Oder in der jetzigen Situation, in der die Regierung ja – Gott sei Dank nur kurzfristig – ein verpflichtendes Homeoffice angedacht hat, wäre es ein Schuss ins Knie gewesen, zu sagen: Ihr übernehmt jetzt zu Hause die Kinderbetreuung zu 100 Prozent, inklusive die Schulaufgaben im E-Learning, und in den Nachtstunden macht ihr irgendwann einmal eure Arbeit! Das ist, glaube ich, nicht die Linie der Sozialpartner – zumindest nicht der Gewerkschaften. Es gibt ein fertiges Modell – Sie haben das angesprochen –, das schon länger fertig ist, das im Arbeitsministerium auch durch war, nur im Finanzministerium nicht. Es gibt jetzt noch eine kurze Frist und ein Stillhalteabkommen zwischen den Sozialpartnern, um diese offenen Fragen mit dem Finanzministerium - -
GROẞ: Bei den offenen Fragen geht es zum Beispiel um das Thema - -
MUCHITSCH: Steuerfragen.
GROẞ: Steuerfragen – zum Beispiel was die Frage betrifft, wie viel man dann von der Miete abschreiben kann?
MUCHITSCH: Ja, genau.
GROẞ: Wurden da auch Dinge geregelt, oder wie sind überhaupt - - Machen wir die Frage so: Wie sind Dinge wie zum Beispiel – weil Sie es angesprochen haben – Arbeit in der Nacht geregelt? Ich arbeite dann, wenn ich Zeit habe, vielleicht auch wenn es mir Spaß macht oder wenn mich meine Kinder lassen, weil sie dann schon schlafen. Dann arbeite ich aber vielleicht um 22 Uhr, um 23 Uhr. Wenn man ein Nachtmensch ist, macht einem das nichts, aber es wäre eigentlich Nachtarbeit. Wie ist das geregelt, Herr Professor?
BARTZ: Na ja, dazu hat sich der EuGH in seinen Empfehlungen vor zwei Jahren sehr genau geäußert: bei zukünftigen Arbeitsgesetzreformen genau diese Nebenzeiten zu erfassen. Das ist dieses typische Checken der E-Mails und Einsteigen in den Kalender schon am Sonntagabend. Diese halbe Stunde wird nicht erfasst, denn das wäre eine Unterbrechung der Ruhezeit – aber es ist nur eine Empfehlung des EuGH, als Ausblick für zukünftige Reformen. Derzeit haben wir durch die Arbeitszeiterfassung sehr klare Grenzen, und das ist auch gut so, Arbeitszeiterfassung ist extrem wichtig. Was mich sehr beunruhigt – auch für die Zukunft –, ist die Kombination von All-in-Verträgen und mobilem Arbeiten, denn dann wird es komplett grenzenlos.
MUCHITSCH: Nur ein Satz, Herr Professor: Das am besten funktionierende Mittel bei Homeoffice ist, dass der Arbeitgeber mit dem, was geleistet wird, zufrieden ist und der Arbeitnehmer entsprechend mitgestalten kann, sodass er mobiles Arbeiten und Homeoffice auch tatsächlich in Anspruch nehmen will – dann funktioniert es für beide Seiten am besten.
KOZA: Ich denke mir zur Frage: Ist Homeoffice die Zukunft, ja oder nein, wird es einen Weg zurück geben?, dass es den natürlich nicht geben wird. Es ist schlichtweg eine Tatsache, es läuft, es funktioniert, es ist bei sehr vielen Menschen durchaus populär. Die Frage ist immer nur: Wie ist es geregelt? Wie ist es reguliert? Wie sind bei dieser Arbeit die Mitbestimmungsmöglichkeiten, die Mitgestaltungsmöglichkeiten? Das eine ist natürlich, dass die Regulierungen – das, was schon Kollege Muchitsch angesprochen hat - - Natürlich ist es eine Ausnahmesituation, sich Homeoffice so vorzustellen, dass die Kinder zu Hause sind, dass alle zu Hause sind. Das ist Arbeit, und entsprechend muss auch klar sein, dass es in gewisser Weise eine Trennung von dem, was Lebenswelt und Arbeitswelt ist, geben muss – was ohnehin schon schwierig ist, wenn es zu Hause stattfindet. Auf der anderen Seite, denke ich mir, ist der wesentliche Punkt tatsächlich – Sie haben es auch angesprochen – die Frage der Entgrenzung von Arbeit und Arbeitszeit, dass teilweise diese ständige Verfügbarkeit, diese ständige Bereitschaft im Prinzip natürlich auch einen gewissen Stress, einen Arbeitsdruck ausübt. Da ist es umso wichtiger, dass beide Kollektivvertragsparteien, beide Sozialpartner – also Arbeitgeber und Arbeitnehmer – entsprechend mitzubestimmen haben. Wir sind selber alle sehr gespannt auf die Regelung, die uns präsentiert werden wird, aber ich denke mir, alleine, dass die Kollektivvertragsparteien – also die Sozialpartner – das ausverhandeln, ist schon einmal ein gutes Zeichen.
GROẞ: Frau Abgeordnete Belakowitsch, das Thema Freiwilligkeit ist auch angesprochen worden – dass natürlich eine Voraussetzung ist, dass es tatsächlich freiwillig ist, aber ist das in der Realität und in der Praxis dann auch immer klar so durchführbar? Sanften Druck wird es ja vielleicht doch geben.
BELAKOWITSCH: Wie überall gibt es wahrscheinlich auch da Druck, und angesichts des angespannten Arbeitsmarktes muss der Druck gar nicht besonders stark sein. Ohne jetzt viel Kritik üben zu wollen: Ich fand das Beispiel der Supermutter, die alles managt – Arbeiten, Kleinkindbetreuung nebenbei – vielleicht ein bisschen zu schönmalerisch, ganz ehrlich. Man kann sich überlegen: Wenn man ein vierjähriges Kind zu Hause hat und arbeiten muss, funktioniert das so nicht. Ich bin generell sehr kritisch, was das Homeoffice anbelangt, und zwar nicht so, dass ich sage, das soll es gar nicht geben, aber ich glaube, wir sind durch dieses letzte Jahr schon jetzt in einer Situation, in der wir in vielen Bereichen eine Vereinsamung der BürgerInnen spüren, und Homeoffice kann weiter dazu beitragen. Ich glaube, dass es, wenn man sagt, man kann sich freiwillig ein bis zwei Tage zu Hause selbstständig einteilen, durchaus etwas sein kann, was Arbeitnehmer wollen. Man darf eines nicht vergessen: Wir hatten bis jetzt ein Büro, eine Kollegenschaft, die sich gut kennt, die einander vertraut, die genau weiß, wer wie funktioniert. Wenn ich jetzt sage, dass das System in der Zukunft Homeoffice sein soll, werde ich wahrscheinlich irgendwann einmal Kollegen haben, die ich physisch noch nie gesehen habe. Also da ist im Hintergrund schon noch wahnsinnig viel zu bedenken, was zusätzlich kommt. Zum Argument, dass es leichter geht, wenn es kein Homeschooling gibt: Wenn es kein Homeschooling gibt, kann ich aber auch in ein Büro fahren und meine Sozialkontakte pflegen. Sollten wir einen Normalzustand erreichen – und ich hoffe, dass wir zumindest im Bereich der Schulen demnächst wieder zum Normalzustand zurückkommen –, dann ist ja natürlich ohnehin die Möglichkeit, einen Arbeitsplatz aufzusuchen, sehr viel besser. Im Rahmen der Freiwilligkeit finde ich es schon in Ordnung, aber ich glaube nicht, dass wir in Österreich solche Supermütter haben – ich oute mich, ich wäre es auch nicht gewesen –, die nebenbei noch alle ihre Kinder betreuen. Das kann nicht funktionieren. Jeden Tag abends noch zu arbeiten, geht in einer Situation schon einmal gut – das kennen wahrscheinlich alle Eltern –, aber das ist keine Dauerlösung, und das soll es auch nicht sein. Also ich glaube, der Arbeitsplatz der Zukunft soll trotz allem ein Präsenzarbeitsplatz sein – mit Möglichkeiten für tageweises Homeoffice.
GROẞ: Was bedeutet es denn eigentlich für die Unternehmen und für das Thema Unternehmenskultur – Herr Loacker, weil Sie in diesem Bereich ja auch aufgrund Ihres Berufes Experte sind –, dass – überlegen wir uns das – zum Beispiel junge Menschen, die jetzt oder 2020 zum Beispiel in einen Job eingestiegen sind, die das Glück hatten, einen qualifizierten Job zu bekommen, die in ein Unternehmen eingestiegen sind, zum Teil ihre Kolleginnen und Kollegen noch gar nicht kennengelernt haben? Sie kennen vielleicht das Gebäude, in dem das Unternehmen untergebracht ist, noch gar nicht von innen. Was bedeutet das zum Beispiel auch für das Gefühl der Zugehörigkeit zu einem Unternehmen – eben für das Thema Unternehmenskultur?
LOACKER: Das betrifft eigentlich den ganzen Prozess, den die Personaler so gschissen Onboarding nennen: Wie bringe ich den Mitarbeiter in seine Arbeit, wie bringe ich ihn ins Team, wie vermittle ich die Firmenkultur? In jedem Unternehmen passieren ja Dinge informell. Ich muss wissen, was sich gehört und mit wem ich zuerst reden muss, bevor ich zum Chef gehe und diesen oder jenen Vorschlag mache. Das ist in reiner Remotearbeit eigentlich nicht möglich, und deshalb muss man sich bemühen, diese Einsteiger, so gut es geht und so gut es die Pandemiesituation zulässt, schon ins Haus zu holen und vielleicht einmal ein inoffizielles Onlinemeeting zu machen, eine Onlineplauderstunde, ein Onlinecafé oder einen Onlineafterbusinessdrink zu organisieren, um so einen Hauch von sozialer Integration, der aber das echte Zusammenarbeiten nie ersetzen kann, zu organisieren. Wenn ich noch an Kollegin Belakowitsch anschließen darf: Homeoffice muss freiwillig sein, und Johannes Kopf hat in einem Interview einmal richtig gesagt: Homeoffice und Homeschooling gleichzeitig geht nicht. – Das möchte ich unbedingt unterstrichen wissen.
GROẞ: Wie schätzt denn der Experte und Forscher in diesem Zusammenhang eigentlich die Zukunft von Homeoffice ein?
BARTZ: Wir steuern ganz klar zu auf hybride Arbeitswelten – also dieses On und Off – zu, und der Normalfall wird die Freiwilligkeit sein. Es gibt in Österreich eine Handvoll Unternehmen, die tatsächlich mit einer umgekehrten Betriebsvereinbarung arbeiten, in der quasi drinnen steht: Wir erwarten von euch, dass ihr nicht ins Büro kommt!, aber das ist nur eine Handvoll Unternehmen, das ist der absolute Ausnahmefall – deswegen die Freiwilligkeit, das hybride Arbeiten und die Selbsteinteilung. Nicht nur tageweise: Sehr, sehr wichtig ist die stundenweise Nutzung von Homeoffice oder mobilem Arbeiten, weil dadurch Familie, Beruf und Privatleben viel kompatibler werden. Das ist eigentlich sogar der viel wesentlichere Faktor: vielleicht in der Früh noch ein paar Stunden fokussiert arbeiten zu können und dann erst ins Büro zu gehen. Das ist viel wichtiger, als für ganze Tage Wahlmöglichkeiten anzubieten, und darauf steuern wir zu.
GROẞ: Kommen wir da in Richtung einer Spaltung der Gesellschaft – wenn man so will –, nämlich in den Teil der Menschen, die die Möglichkeit haben, Homeoffice zu machen, und den anderen Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die diese Möglichkeit nicht haben? Werden dadurch Jobs, in denen es die Möglichkeit, Homeoffice zu machen, einfach nicht gibt, weniger attraktiv?
BARTZ: Das kann man - -, Hm, das Spannende ist, in Vorständen und Geschäftsführungen - -
GROẞ: Man könnte auch sagen, das ist bis zu einem gewissen Grad eine Imagefrage.
BARTZ: Ja, das ist aber jetzt genau die Entwicklung, die wir in Fokusgruppen, die wir im Rahmen unserer laufenden Forschung beobachten und durchführen, beobachten können. Unternehmer denken tatsächlich in beide Richtungen – genauso auch in die Richtung der ProduktionsmitarbeiterInnen. Im Sinne der Fairness und des guten Miteinanders ist die Überlegung in diesen Betrieben: Wir müssen auf beiden Seiten an den Schrauben drehen und für Innovation sorgen, und gerade im Produktionsbereich kann man sehr, sehr viel tun, zum Beispiel mit Selbststeuerungsarbeiten statt zentralisierter Planung, dass die Schichteinteilung selbstbestimmt durch die Teams passiert. Da ist es jetzt wichtig, in den Betrieben darauf zu achten, dass beide Seiten bedient werden und beide Seiten des Betriebes in den Fokus kommen, sonst entsteht nur eine Neidkultur und es wird kontraproduktiv. Es ist Verpflichtung und Aufgabe von Vorständen und Geschäftsführung, beide Hälften mitzudenken.
GROẞ: Da wiegen Sie etwas skeptisch Ihr Haupt, Herr Muchitsch – auch deshalb, weil es ein bisschen danach klingt, als wären Unternehmen basisdemokratische Veranstaltungen?
MUCHITSCH: Ja, ich glaube, alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die ihre Arbeit sehr gerne machen, die bei der Arbeit aufblühen, weil sie mit ihren Händen etwas schaffen, weil sie etwas produzieren, sehen kein Imageproblem zwischen IT-Mitarbeitern, die jetzt auf einmal verstärkt ins Homeoffice gehen, und dem anderen, der halt jeden Tag etwas schafft, der ein Handwerker ist. Ich sehe dabei nicht dieses große Imageproblem, ich sehe eher eine dahingehende Verpflichtung, was die Freiwilligkeit betrifft – dort, wo es wirklich so ist, dass mobiles Arbeiten in einem gewissen Ausmaß stattfindet, wie Sie es in Ihrem ersten Beitrag beschrieben haben. Ich glaube aber, dass diejenigen, die ihren Job gern machen, sich diesen Job ausgesucht haben, ohne die Erwartung zu haben, auch Homeoffice zu machen.
GROẞ: Dann sage ich vielen Dank – auch in Ihre Richtung, Herr Prof. Bartz, danke schön für Ihre Expertise! Ich möchte schön langsam zur Schlussrunde kommen und vielleicht mit Ihnen gemeinsam noch einmal versuchen, einen Gesamtblick auf das Thema Arbeitsmarkt zu werfen. Ich möchte Sie gerne fragen, was Sie glauben, wie sich der Arbeitsmarkt in Zukunft entwickeln wird, wenn wir davon ausgehen, dass wir diese Krise tatsächlich in absehbarer Zeit einigermaßen überwinden können und lernen, mit diesem Virus zu leben. Wie verändert sich der Arbeitsmarkt gerade? Was von diesen Veränderungen wird Ihrer Ansicht nach bleiben, und was ist aus Ihrer Sicht die wichtigste Maßnahme, die es jetzt in den nächsten Wochen zu treffen gilt, um aus der Krise herauszukommen – so, wie es in unserem Titel heißt? Ich beginne bei Ihnen, Herr Loacker.
LOACKER: Ganz viele Dinge, die wir jetzt in dieser Phase erleben, sind nur beschleunigte Prozesse, die sowieso stattgefunden hätten – auch ohne die Coronakrise. Das heißt, es wird viel mobiles Arbeiten wie Homeoffice bleiben, wir werden immer mehr Menschen haben, die eine Anstellung haben und daneben selbstständig tätig sind und verschiedene Tätigkeiten nebeneinander machen. Das heißt nicht, dass es besser wird: Das kann für viele heißen, dass es wesentlich mühsamer wird, als sie es gewohnt waren. Es werden sich auch die Lernprozesse beschleunigen. Das heißt, wir werden noch intensiver darauf achten müssen, dass die Menschen arbeitsmarktfit sind. Das ist immer auch eine persönliche Verantwortung, aber ich muss in der Politik auch Rahmenbedingungen schaffen. Ich kann immer weniger irgendwann einmal eine Ausbildung machen und das den Rest meines Berufslebens ausüben, sondern muss mich ein Leben lang weiterentwickeln. Diese Herausforderung steigt, glaube ich, zusätzlich in den nächsten Jahren.
GROẞ: Frau Belakowitsch.
BELAKOWITSCH: Ich befürchte, dass diese Krise - - Würden wir sie schnell wegbekommen, denke ich, dass sich für die Arbeitnehmer relativ wenig ändern würde. Ich fürchte aber, dass das noch länger andauern wird, und der Arbeitsmarkt wird sich massiv verändern. Man hat jetzt schon den Eindruck, dass diese Krise für Konzerne eigentlich ein Wunder und eine Chance war, während viele sehr kleine Betriebe weg sind. Das heißt, die Struktur im Arbeitsbereich wird sich ändern, und wir wissen ja aus vielen Umfragen und aus vielen Studien, dass die Zufriedenheit am Arbeitsplatz immer größer ist, je kleiner der Betrieb ist. Das heißt, das ist schon etwas, was auf viele Arbeitnehmer zukommen wird. Dass wir immer schneller werden, dass immer mehr Leistung und immer mehr Fortbildung notwendig ist, das gab es schon vor der Krise, das wäre wahrscheinlich auch ohne diese Coronakrise gekommen. Es kann sein, dass es dadurch so beschleunigt wird, wie die Digitalisierung jetzt allgemein beschleunigt worden ist – sowohl in den Schulen als auch am Arbeitsmarkt. Das wäre aber wahrscheinlich ohnehin in den nächsten Jahren etwas verzögert gekommen – also das glaube ich auch. Ich glaube auch, dass es sehr viel mehr Druck auf die Arbeitnehmer geben wird, und da sind wir in der Politik tatsächlich gefordert, den so abzufedern, dass es nicht wieder zu einer Überregulierung kommt, aber schon so, dass es Sicherheit gibt und der Druck auch ein gewisses Ausmaß nicht übersteigt: dass Freiwilligkeiten garantiert sind und dass der Druck aufgrund der angespannten Lage am Arbeitsmarkt – denn die hohe Arbeitslosigkeit wird uns noch viele, viele Jahre begleiten, die Sockelarbeitslosigkeit wird höher bleiben – nicht so stark werden kann, dass die Arbeitnehmer wirklich ausgenützt werden. Also das ist die Aufgabe, die wir für die Bürger draußen haben.
GROẞ: Das wäre sozusagen auch die wichtigste Maßnahme, um aus der Krise herauszukommen.
BELAKOWITSCH: Ich glaube, dass gerade jetzt wieder eine Zeit ist, in der Arbeitsschutzbestimmungen notwendig werden. Wir sehen immer wieder, gerade in diesen großen Konzernen, was da oftmals, weil sie ja aus ganz anderen Ländern kommen, aus denen sie vielleicht anderes gewohnt sind - - Der österreichische Arbeitsmarkt ist ja schon relativ stark reglementiert; also Arbeitnehmer in Österreich genießen einen sehr hohen Schutz, und den wollen wir uns eigentlich auch erhalten.
GROẞ: Danke – Herr Muchitsch.
MUCHITSCH: Ich glaube, das Wichtigste ist, aus den Pannen der Bundesregierung in den letzten zehn Monaten schnell zu lernen und zu sagen: klare Strategien, auch was das Impfen betrifft. Slowenien hat eine doppelt so hohe Impfquote wie Österreich. Was macht Slowenien besser als Österreich? Deswegen: Impfen, Impfen, Impfen – die Menschen müssen die Option bekommen, dass wir aus dieser Krise herauskommen und neben dem Impfen, Impfen, Impfen ganz einfach Jobs schaffen, Jobs schaffen, Jobs schaffen. Da gibt es viele Schrauben, an denen wir drehen können. Schauen wir, dass wir in der österreichischen Beschaffung die Aufträge in Österreich belassen, schauen wir, dass wir die österreichische Wirtschaft ankurbeln, dass wir dementsprechend die Unternehmen direkt mit Aufträgen unterstützen! Dabei muss natürlich auch – das wird Sie bei mir als Gewerkschaftler jetzt nicht überraschen – ein lautes Nachdenken über ein anderes Steuersystem, eine faire Verteilung bis hin zu einer Verteilung unserer Arbeit in Österreich verbunden mit Arbeitszeitverkürzung da sein dürfen.
GROẞ: Vielen Dank – dann sind wir bei den Abgeordneten der Regierungsparteien angelangt: Herr Koza von den Grünen.
KOZA: Eine Erfahrung aus der Krise ist die, dass wir glücklicherweise einen gut funktionierenden und starken Sozialstaat haben, der uns in Wirklichkeit sehr, sehr gut durch diese Krise geführt hat. Wir haben eine funktionierende Arbeitslosenversicherung, wir haben ein funktionierendes Gesundheitssystem, und eine unserer zentralen Herausforderungen und Aufgaben in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren wird sein, dass wir dieses System weiter stärken, weiter ausbauen und dort die Lücken schließen, wo wir in Wirklichkeit auch ganz wesentliche Berufsperspektiven haben: Ich denke da an den Pflegebereich, ich denke an den gesamten Bereich der Betreuung, ich denke an den gesamten Bildungsbereich – diese sogenannte Careeconomy ist ein Zukunftsbereich, in dem einerseits Beschäftigungsperspektiven, andererseits auch dringende Beschäftigungsnotwendigkeiten bestehen. Diesen Sozialstaat müssen wir bestmöglich schützen und bewahren. Der zweite Punkt ist der: Die Coronakrise hat nur eine andere Krise, die noch viel tiefgreifender ist und auch einen viel tiefgreifenderen strukturellen Wandel bringt, kurzfristig zugedeckt, nämlich die Klimakrise. Ich denke mir, das ist eine der zentralen Herausforderungen, die auch massive Auswirkungen auf das Wirtschaftssystem, auf die Arbeitswelt haben wird. Da hinein passt auch der Bereich des mobilen Arbeitens, das Homeoffice, weil sich die Mobilität auch wird ändern müssen. Es wird nicht mehr so möglich sein, dass die Menschen regelmäßig mit ihrem Auto an den Arbeitsplatz fahren. Da kann auch das Homeoffice in gewisser Weise ein neues, umweltfreundlicheres Mobilitätsverhalten fördern. Grundsätzlich wird diese gesamte Frage des Umbaus unseres Wirtschaftssystems nach ökologischen und Klimaschutzkriterien sehr wohl Jobperspektiven bringen, aber auch andere Formen des Arbeitens und andere Formen von Schwerpunkten. Das kann auch Entschleunigung bedeuten, eine Hinterfragung eines Wachstumsparadigmas und auch die Frage, wie Zeit künftig verwendet wird und wie Zeit, Arbeitszeit und Arbeit gerechter verteilt werden.
GROẞ: Vielen Dank. – Frau Abgeordnete Zopf, inwieweit werden Sie denn bei diesen Forderungen mitgehen, vor allem bei den letzten, die gekommen sind?
ZOPF: Wir werden vieles weiterentwickeln. Wir werden gemeinsam am Thema Zukunft der Arbeit arbeiten. Wie wir schon zu Beginn der Regierungsbildung gesagt haben: Wir vereinen die zwei Welten und schauen, dass wir das mit den neuen Berufen, mit dem Green Deal und der Entwicklung der neuen Herausforderungen in der Arbeitswelt zukunftsgerecht und zukunftsorientiert weiterentwickeln, und wir schauen mit all unseren Maßnahmen – Ausbildung, Weiterbildung, Umschulung –, dass Österreich aus dieser Krise bestmöglich herauskommt. Das Ganze wird sich noch rasanter und schneller entwickeln – das sagt uns ja schon die letzte Zeit. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir das – natürlich auf sozialpartnerschaftlicher Ebene mit allen Gewerkschaften – hinbekommen werden.
GROẞ: Was erwarten Sie ganz persönlich eigentlich vom neuen Arbeitsminister? Er ist kein ÖVP-Mitglied, aber ein ausgewiesener Experte.
ZOPF: Ich halte sehr viel von Meinungen von Experten und auch von dem unabhängigen Blick. Das ist mir sehr wichtig, und ich freue mich schon auf eine gute Zusammenarbeit mit ihm. Ich durfte ihn noch nicht persönlich kennenlernen, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass das ganz toll funktionieren wird.
GROẞ: Dann sage ich vielen herzlichen Dank für diese Diskussion. Wir haben einen weiten Bogen zum Thema Arbeitsmarkt und Arbeitswelt – Entwicklung des Arbeitsmarktes und Entwicklung der Arbeitswelt – gespannt, von der Arbeitslosigkeit, die im Moment ganz besonders dramatisch hoch ist, bis hin zu möglichen Zukunftsperspektiven wie etwa dem Thema Homeoffice. Vielen herzlichen Dank Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, für Ihr Interesse und fürs Dabeisein! Ich würde so sagen: Nehmen wir es ernst, packen wir es an, und bleiben wir vor allem gesund! Bis zum nächsten Mal, meine Damen und Herren, hier bei Politik am Ring – auf Wiedersehen!