„Green Deal“ - Schlechtes Geschäft für Österreichs Bauern?
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Thema
Bis zum Jahr 2050 soll die Europäische Union klimaneutral werden. Auch die Landwirtschaft – so die Pläne der EU-Kommission – muss im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik ihren Beitrag zum European Green Deal leisten. Ein radikaler Umbau steht bevor: Ein Viertel aller Flächen muss biologisch bewirtschaftet und der Einsatz von Düngemitteln, Pestiziden und Antibiotika massiv reduziert werden. KritikerInnen erwarten, dass die Preise für Fleisch, Getreide und andere Produkte dadurch empfindlich steigen. Viele Bäuerinnen und Bauern befürchten durch die Klimapläne der EU-Kommission sinkende Einkommen. Auch wie es mit den Förderungen weitergeht, ist derzeit noch unklar.
Kann der "Green Deal" das Klima retten? Oder ist er am Ende nur ein schlechtes Geschäft für Österreichs Bäuerinnen und Bauern?
Teilnehmer:innen der Diskussion
Abgeordnete:
- Georg Strasser (ÖVP)
- Julia Herr (SPÖ)
- Peter Schmiedlechner (FPÖ)
- Clemens Stammler (Grüne)
- Karin Doppelbauer (NEOS)
Eingeladene Fachleute:
- Marianne Penker, BOKU – Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung
- Franziskus Forster, Sprecher der Österreichische Berg- und KleinbäuerInnen Vereinigung/Via Campesina
Diskussion
Marianne Penker von der BOKU kam zu dem Ergebnis, dass die Agrarpolitik – neben vielen Erfolgen – in zwei zentralen Bereichen bisher versagt habe: Erstens sei es nicht gelungen, Klima und Natur zu schützen und gleichzeitig für eine gesunde Ernährung in Europa zu sorgen, und zweitens sei der Nutzen über die Wertschöpfungskette hinweg nicht fair verteilt.
Laut SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr führe die verfehlte Förderpolitik zu einer ungerechten Einkommensverteilung in der Landwirtschaft, das unterste Viertel erhalte kaum Förderungen, das oberste hingegen Beträge in Millionenhöhe. Es gebe aber auch viel Gutes aus der Landwirtschaft zu berichten, entgegnete Abgeordneter Georg Strasser (ÖVP). So sei die Klimabilanz in den letzten Jahren um 14% gesunken, der Bioanteil betrage 25%.
Die Frage, ob der Weg der richtige sei, mit Lebensmitteln Sozialpolitik zu machen, stellte Grünen-Abgeordneter Clemens Stammler in den Raum. Er sprach sich für ein Modell aus, in dem der echte Preis für Lebensmittel bezahlt werde und nur jene Menschen unterstützt würden, die sich diese Lebensmittel nicht leisten könnten. Die Forderung nach fairen Preisen stellte auch Peter Schmiedlechner, FPÖ-Bereichssprecher für Land- und Forstwirtschaft. Ausgangspunkt solle sein, was der Bauer brauche, damit er kostendeckend produzieren könne. Mit Förderungen nach dem Gießkannenprinzip werde man weder den Strukturwandel noch das Höfesterben aufhalten können. Letzteres thematisierte auch Franziskus Forster, Sprecher von Via Campesina. Er verwies auf die Chance, die Klimakrise und das Artensterbens einzudämmen, wenn man das Höfesterben in den Griff bekomme.
Karin Doppelbauer, Land- und Forstwirtschaftssprecherin der NEOS wünscht sich, dass das Wort Förderung gar nicht mehr in den Mund genommen werde, denn Landwirtschaft erbringe Leistungen, und jene Leistungen, die der Markt nicht abgelte, die aber dem Gemeinwohl dienten, gehörten von der Gemeinschaft refundiert und abgegolten.
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Transkript
Anmoderation: In dieser Folge von Politik am Ring, der Diskussionssendung des Parlaments, diskutiert Moderator Gerald Groß mit den Abgeordneten Georg Strasser von der ÖVP, Julia Herr von der SPÖ, Peter Schmiedlechner von der FPÖ, Clemens Stammler von den GRÜNEN und Karin Doppelbauer von NEOS darüber, ob der Green Deal der EU das Klima retten kann oder am Ende nur ein schlechtes Geschäft für Österreichs Bauern ist. Zu Gast sind Marianne Penker von der Universität für Bodenkultur und Franziskus Forster von der Österreichischen Bergbauernvereinigung, Via Campesina. Das Gespräch haben wir am 20. September 2021 im Dachfoyer der Wiener Hofburg aufgezeichnet.
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Gerald GROẞ (Moderator): Herzlich willkommen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie bei der ersten Ausgabe von Politik am Ring nach der Sommerpause! Bis zum Jahr 2050 soll die Europäische Union klimaneutral werden. Auch die Landwirtschaft, so die Pläne der EU-Kommission, muss im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik ihren Beitrag zum European Green Deal leisten, und das bedeutet, ein radikaler Umbau steht bevor. Aber: Kann der Green Deal das Klima überhaupt retten, oder ist er am Ende nur ein schlechtes Geschäft für Österreichs Bäuerinnen und Bauern? Darüber wollen wir heute diskutieren, und zwar mit Karin Doppelbauer von den NEOS – herzlich willkommen! –, mit Clemens Stammler von den Grünen – ebenfalls: herzlich willkommen! – Ich begrüße Georg Strasser von der ÖVP und ihm gegenüber Julia Herr von der SPÖ, und ich begrüße Peter Schmiedlechner von der FPÖ – herzlich willkommen! Außerdem erwarten wir zwei Gäste: Marianne Penker, sie ist Professorin an der Universität für Bodenkultur, und Franziskus Forster, er ist Sprecher der Österreichischen Berg- und KleinbäuerInnenvereinigung, Via Campesina. Was ist aber jetzt auf EU-Ebene überhaupt geplant, und was sind die Eckpunkte dieses Umbaus, von dem wir oder über den wir heute sprechen wollen? – Nun, ein Viertel aller Flächen muss biologisch bewirtschaftet und der Einsatz von Düngemitteln, Pestiziden und Antibiotika dementsprechend massiv reduziert werden. KritikerInnen erwarten nun, dass die Preise für Fleisch, Getreide und andere Produkte dadurch empfindlich steigen und gleichzeitig die Einkommen der Bäuerinnen und Bauern empfindlich sinken werden. Auch wie es mit den Förderungen weitergehen wird, ist derzeit noch unklar.
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Es folgt eine Videoeinspielung:
Sprecher: Ursula von der Leyen hat einen ambitionierten Plan. Bis zum Jahr 2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent werden. Dieser sogenannte European Green Deal sieht einen massiven Umbau in allen Wirtschaftsbereichen vor, auch in der Landwirtschaft. Immerhin fließen mehr als 40 Prozent des EU-Budgets dorthin. Um diese Ziele zu erreichen, ist EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski auf die Kooperationsbereitschaft der Mitgliedstaaten angewiesen.
Janusz Wojciechowski: Das ist eine ganzheitliche Strategie. Der Hauptpunkt ist natürlich, dass 25 Prozent der Landwirtschaft biologisch produzieren. Zuvor gab es Diskussionen, ob diese 25 Prozent realistisch sind, aber die Mitgliedstaaten sind guten Willens, ihren Beitrag zu leisten. Wir haben die Mitgliedstaaten gebeten, ihre nationalen Pläne, um diese Ziele zu erreichen, vorzustellen. Das ist natürlich freiwillig, aber alle EU-Mitgliedstaaten haben sich dazu bereit erklärt.
Sprecher: Österreich sieht sich ohnehin als Musterschüler in Sachen umweltfreundlicher Landwirtschaft.
Elisabeth Köstinger (Landwirtschaftsministerin, ÖVP): In Österreich gibt es eine Vielzahl von Programmen und Unterstützungen und auch Rahmenbedingungen, wo die Bäuerinnen und Bauern jetzt schon sehr viel für Klimaschutz leisten. Das ganze Öpul-Programm als Beispiel, durch das im Jahr rund 500 Millionen Euro an Geldern dann wirklich auch auf die Betriebe kommen und entsprechend halt auch Leistungen im Umwelt- und Agrarbereich vollzogen werden. Was aber stimmt, ist, dass die Landwirtschaft natürlich auch einen Beitrag für mehr Umweltschutz und mehr Klimaschutz zu leisten hat, und das wird jetzt über die neuen Programme der GAP auch sichergestellt.
Sprecher: Manche Bauernvertreter sehen dem Green Deal der EU insgesamt mit Skepsis bis Entsetzen entgegen. Sie fürchten massive negative Folgen für die Landwirtschaft, von Produktionseinbrüchen und Preissteigerungen ist die Rede. Die Getreidepreise könnten um 8 Prozent steigen, Rindfleisch würde um 24 Prozent, Schweinefleisch sogar um 43 Prozent teurer. Einkommensverluste für die Bauern und ein Anstieg von billigen Agrarimporten wären die Folge. Kann Ursula von der Leyens Green Deal das Klima retten, oder ist es am Ende nur ein schlechtes Geschäft für Österreichs Bauern?
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GROẞ: Bevor wir aber über Green Deal, GAP oder etwa Farm to Fork sprechen, lassen Sie uns am Beginn einmal eine Standortbestimmung versuchen. Daher gleich die Frage an die Runde, und zwar die gleiche Frage an alle in der Runde, was ist denn aus Ihrer Sicht jeweils die größte Stärke der österreichischen Landwirtschaft und was ist ihr größtes Problem. Ich beginne so wie bei der Vorstellung mit Ihnen, Frau Doppelbauer, Sie sind auf der einen Seite Managerin in der Computerindustrie und gleichzeitig aber auch Biolandwirtin.
Dipl.-Ing. Karin DOPPELBAUER (NEOS): Erst einmal herzlichen Dank für die Einladung heute Abend! Es ist ein wahnsinnig interessantes und sehr strategisches Thema, ich freue mich sehr, dass wir dazu heute sprechen dürfen, und wenn Sie fragen: Was sind denn die großartigen Dinge, die die Landwirtschaft in Österreich bereitstellt?, dann bin ich auch gleich beim Thema. – Es sind die Leistungen für das Gemeinwohl, die die Landwirtschaft in Österreich bereitstellt, die die Bäuerinnen und Bauern tagtäglich bereitstellen, und das geht so viel weiter als nur ein gesundes Essen und eine Versorgung mit Nahrungsmitteln. Da geht es um Dinge wie CO2-Speicherung, ein ganz, ganz wichtiges Thema, da geht es um Almbewirtschaftung. Es geht aber auch um ganz viele Dinge – und da komme ich jetzt sozusagen auf die andere Seite der Medaille zu sprechen –, die der Markt nicht abgilt. Ich glaube, das ist einfach eine Schwäche, der sich die Politik, die die Verantwortung hat, hier Rahmenbedingungen zu schaffen, eben stellen muss, hier einfach zu schauen, damit man auch noch Einkommen für die Bauern und die Bäuerinnen generieren kann, denn das ist das Kernproblem. Diese müssen in 20, 30, 40 Jahren noch wissen, wovon sie leben können.
GROẞ: Darüber werden wir heute mit Sicherheit noch diskutieren. – Herr Stammler, Sie kommen auch aus der Landwirtschaft. Wie würden Sie die Frage beantworten: Was kann die österreichische Landwirtschaft besser als andere Landwirtschaften in Europa zum Beispiel oder weltweit gesehen und was vielleicht weniger gut?
Clemens STAMMLER (Grüne): Auch von meiner Seite ein Danke für die Einladung! Ich glaube, die österreichische Landwirtschaft kann aufgrund ihrer Vielfältigkeit, auch aufgrund der Topographie, ein großes Spektrum abdecken. Wir haben vom intensiven Ackerbau, von guten Bonitäten bis hin zur Almwirtschaft, zur Milchkuhhaltung und bis zum Gemüse ein extrem großes Spektrum. Wir wirtschaften mit sehr wenig Agrarindustrie, wir haben noch ganz viele bäuerliche Familienbetriebe, wie es in der EU teils in manchen Ländern schon selten ist, und ich denke, genau da – und meine Kollegin, Frau Doppelbauer, hat es erwähnt – liegen auch die Schwächen. Der Agrarmarkt ist mittlerweile ein globaler, es stehen Familienbetriebe mit dem Rücken zur Wand, weil sie gegen die Agrarindustrie anzukämpfen haben und mit diesen Preisen nicht mithalten können.
GROẞ: Vielen Dank. – Herr Strasser, Sie kommen ebenfalls aus der Landwirtschaft, sind auch Bauer, sind aber auch Präsident des ÖVP-Bauernbundes. Wie fällt Ihre Antwort aus?
Dipl.-Ing. Georg STRASSER (ÖVP): Auch von meiner Seite Danke für die Einladung und für die Möglichkeit der Diskussion! Ich sehe das ähnlich wie Kollege Stammler – die Vielfalt in der österreichischen Landwirtschaft als eine unserer Stärken. Wir haben das, glaube ich, im letzten Jahr in der Coronakrise sehr eindrucksvoll bewiesen, dass wir in der Lage sind, dass sich dieses Land, dass sich auch Europa selbst versorgen kann. Das sehe ich als absolute Stärke, und die Bevölkerung ist da auf unserer Seite und auch die Wissenschaft, die beweist, dass unser Lebensmittelsystem in Österreich ein sehr nachhaltiges ist. Als Schwäche sehe ich vor allem den österreichischen Markt und die Konzentration des Handels. Ich wünsche mir da schon entlang der Wertschöpfungskette – vom Hof bis zum Teller – ein wenig mehr Solidarität, denn auch da zeigen die Studien, dass wir dort aus landwirtschaftlicher Sicht in den letzten 15 Jahren Wertschöpfung verloren haben, und das ist ein Befund, der uns nicht ruhen lassen darf.
GROẞ: Vielen herzlichen Dank dafür. – Frau Herr, Sie sind die einzige Nichtbäuerin, haben als Einzige keinen landwirtschaftlichen Hintergrund in dieser Runde, Sie sind heute auch stellvertretend für die Landwirtschaftssprecherin hier. Sie sind aber die Umweltsprecherin und können logischerweise natürlich sehr wohl diese Frage auch aus Ihrer Sicht beantworten.
Julia Elisabeth HERR (SPÖ): Genau. Auch ich darf mich bedanken, freue mich auch, als Umweltsprecherin heute hier zu sein. Wir haben es schon gehört: Die Landwirtschaft in Österreich ist viel kleinteiliger als in anderen europäischen Ländern oder überhaupt global, wenn wir das vergleichen. Das ist natürlich ein Wert in sich, wenn wir beispielsweise an die Massentierhaltung in anderen Ländern denken, da geht es schon noch einmal um andere Kategorien, und natürlich auch, wir haben es schon gehört, dass wir mit guten Produkten versorgt werden, denn auch die Versorgungssicherheit ist ein wichtiges Thema. Das heißt, die Landwirtinnen und Landwirte leisten viel, viele auch immer mehr im Bereich Bio, auch das will ich ansprechen. Es gibt ja motivierte, mutige Bauern, Bäuerinnen, die sich da schon hervortun und die auch gern weitermachen wollen, aber die richtige Unterstützung brauchen, und da wäre ich auch schon bei meinem Kritikpunkt. Wir haben eine Förderlandschaft, sowohl in Österreich als auch in der EU, die vor allem die großen Betriebe unterstützt – wo nach Fläche unterstützt wird; je größer der Betrieb, desto größer auch die Fläche. Das ist der absolut falsche Weg! Wir müssen die Qualität unterstützen, vor allem auch die Kleinen, die die Hilfe brauchen, denn da geht es ja um den Fortbestand. Das heißt, das Fördersystem, das vollkommen aus dem Ruder gelaufen ist, bei dem die meisten Landwirte, Landwirtinnen 5 bis 10 Prozent Förderung bekommen, die Großen bis zu 50 Prozent, das ist schon lang nicht mehr fair.
GROẞ: Vielen herzlichen Dank. – Herr Schmiedlechner.
Peter SCHMIEDLECHNER (FPÖ): Danke für die Einladung! Es freut mich, dass wir dieses Thema hier heute diskutieren können. Die größten Stärken in der österreichischen Landwirtschaft sind meines Erachtens erstens einmal die Familienbetriebe, die wirklich zusammenhalten, die den Betrieb aufbauen, dann glaube ich auch – das kann durchaus eine Stärke sein, kann aber auch ein Nachteil sein –, dass die kleinstrukturierte Landwirtschaft in Österreich, die Vielfältigkeit, denke ich einmal, ein wichtiger Punkt ist; einfach durch die Kleinstrukturiertheit, die tollen Produkte, die wir zu höchsten Standards und Auflagen produzieren, das ist sicher eine große Stärke für die österreichische Landwirtschaft. Eine Schwäche sehe ich aus meiner Sicht erstens in der überbordenden Bürokratie, in den vielen Auflagen und den vielen Richtlinien, die auf uns hereinbrechen, die dann teilweise auch vom Handel oder von NGOs angegriffen werden. Die größte Schwäche sind die schlechten Einkommen. Wir haben ständig weniger Betriebe, wir haben ständig weniger Einkommen, und das geht an die Substanz, und das ist ein großes Problem. Der dritte Punkt, der wesentlich ist, ist die europäische Agrarpolitik und die schlechten Verhandlungen, die meines Erachtens dort geführt werden.
GROẞ: Vielen herzlichen Dank für diese erste Runde. Da liegt schon einiges auf dem Tisch. Viele Themen haben Sie schon angesprochen und aufgeworfen und viele Facetten auch schon aufgezeigt. Wollen wir das vielleicht gleich ein wenig mit unserer ersten Expertin vertiefen. Ich darf herzlich Marianne Penker willkommen heißen. Sie ist Professorin am Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung an der Universität für Bodenkultur in Wien, stammt selbst von einem bäuerlichen Betrieb – das sage ich jetzt auch explizit bei diesem Thema dazu –, und zwar aus dem Mölltal in Kärnten. – Ich nehme an, das war kein riesiger Bauernhof, sondern wahrscheinlich auch eher das, was wir heute schon gehört haben: kleinteilig, also eher ein kleinerer Betrieb.
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Marianne PENKER (BOKU – Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung): Ich war letztes Jahr in Japan und seitdem ich in Japan war, spreche ich ganz anders von kleinen Betrieben, dort sind sie noch kleiner – aber natürlich, im Vergleich zu anderen Betrieben war das ein Bergbauernbetrieb, mit Tierhaltung; eine schöne Kindheit.
GROẞ: Sie haben einen sogenannten Sachstandsbericht für Österreich im Auftrag der EU-Kommission verfasst. Das heißt, im Grunde genommen ist das ja das Gleiche wie das, was wir jetzt in aller Kürze mit den Damen und Herren hier in der Runde versucht haben, nämlich eine Antwort auf die Frage zu geben: Wie geht es der österreichischen Landwirtschaft, wie steht sie da? Und ja: Was haben Sie denn in diesen Bericht hineingeschrieben?
PENKER: Wir haben im Auftrag der EU-Kommission den Stand des Wissens zusammengetragen. Das waren die Akademien, die europäischen Akademien der Wissenschaften. Die Frage war: Wie kann der Übergang zu einem nachhaltigen Agrarernährungssystem gelingen? Und der Bestand oder die Bestandsaufnahme zeigt viele Erfolge der Agrarpolitik auf, aber auch das Unvermögen in zwei ganz zentralen Bereichen, die teilweise jetzt auch schon genannt wurden: Es ist nämlich nicht gelungen, Klima und Natur zu schützen und auch für eine gesunde Ernährung in Europa zu sorgen. Und das zweite Unvermögen ist, dass der Nutzen über die Wertschöpfungskette hinweg nicht fair verteilt ist. Abgesehen von dieser Bestandsaufnahme, die jetzt natürlich sehr, sehr verkürzt wiedergegeben wurde, ging es dann vor allem darum, Gestaltungsoptionen aufzuzeigen: Was kann der Markt machen, was kann der Staat machen, was kann die Zivilgesellschaft machen, was kann jeder Einzelne von uns auch machen, um hier einen Beitrag für eine nachhaltige Zukunft zu leisten? – Und da zeigt sich, wir müssen rasch handeln, es gibt großen zeitlichen Druck. Wir müssen beherzt handeln, also zögern ist schwierig, und trotzdem müssen wir darauf achten, dass wir vorsichtig vorgehen, weil es viele Ungewissheiten gibt. Wir wissen nicht, wie andere Akteure am Markt agieren. Wir wissen viel auch über den Klimawandel nicht, obwohl wir hier wissen, dass er sicher eintritt, obwohl wir ihn natürlich auch spüren. Da ist die Frage, ob das zentral aus Brüssel gesteuert werden kann, oder ob es nicht besser ist, und das entspricht ja auch unserem System der Subsidiarität, mit vielen unterschiedlichen Ansätzen in den verschiedenen Mitgliedsländern zu experimentieren, auszuprobieren, was man hier für die Umwelt, für die Gesundheit und für das Klima vor allem machen kann.
GROẞ: Jetzt muss ich noch einmal nachfragen, weil ich nicht ganz sicher bin, ob ich es wirklich richtig verstanden habe: Wenn Sie sagen, die Landwirtschaft hat es eigentlich nicht geschafft, das Klima und die Natur zu schützen, aber auch nicht, eine gesunde Ernährung sicherzustellen, und gleichzeitig ist die faire Verteilung auch nicht gelungen, dann wäre das ja ein Versagen sozusagen auf allen Linien. – Ist das nicht ein sehr hartes Urteil?
PENKER: Ja, ich versuche, es hier pointiert zu bringen, natürlich auch um die Diskussion anzuheizen, aber das ist im Wesentlichen unterm Strich das Urteil.
GROẞ: Warum ist das eigentlich so, und warum ist die Landwirtschaft gescheitert? Gibt es dafür eine Erklärung? Das ist der Befund, aber was ist die Erklärung?
PENKER: Also ich würde nicht sagen, die Landwirtschaft ist gescheitert, sondern die Politik ist da auch ein Stück weit gescheitert. Also zu den Toptodesursachen oder frühzeitigen Sterbefällen in Europa zählt die ungesunde Ernährung. Das kann man jetzt nicht direkt der Landwirtschaft anlasten, aber das ist unser Agrarernährungssystem, das wir über die letzten Jahrzehnte entwickelt haben.
GROẞ: Was sind noch Faktoren, die zu diesem Befund beitragen? Das Fördersystem ist angesprochen worden.
PENKER: Man kann natürlich grundsätzlich auch hinterfragen, ob man Lebensmittel ausschließlich und prioritär als Ware sehen muss und darf und ob Lebensmittel nicht viel mehr sind. Sie sind unser kulinarisches Erbe, sie sind unser engster Bezug zur Natur. Also beim Essen einverleiben wir uns Teile von Tieren, von Pflanzen, das heißt, das allein als Ware zu betrachten, ist verkürzt, und das war letztendlich auch die Empfehlung. Die Chefberater der Kommission haben unseren Bericht zur Hand genommen und das dann auch Richtung Farm-to-Fork-Strategie kommuniziert, und der Titel dieses Berichts war, Lebensmittel nicht nur als Ware zu sehen, sondern mehr auch als Gemeinschaftsgut.
GROẞ: Nur damit wir von der Begrifflichkeit her dieses Farm to Fork – weil das jetzt auch schon mehrmals erwähnt worden ist – klären, weil vielleicht nicht alle unsere Zuschauerinnen und Zuschauer das auch so kennen: Es geht da also um diese Kette vom Betrieb, also vom bäuerlichen Betrieb, bis hin zum Teller sozusagen, also über diese ganze Wertschöpfungskette, wenn man so will. Vielleicht machen wir da aber gleich an dieser Stelle einfach einmal jetzt einen Blick in die Runde, weil das ja gewissermaßen doch eine Steilvorlage ist, die Frau Prof. Penker hier geliefert hat, auch wenn sie sagt, dass man natürlich nicht den Bäuerinnen und Bauern die Schuld dafür anlasten kann. – Was sagen Sie denn dazu, zu dem, was Sie jetzt gehört haben? Es sind auch Rückfragen an die Frau Professor durchaus erlaubt und möglich. – Bitte, Herr Strasser.
STRASSER (ÖVP): Vielleicht um die Diskussion zu eröffnen: Es ist immer oft sehr – wie soll ich sagen? – hip, eine Politik als gescheitert zu bezeichnen. Ich würde das Pferd da anders aufzäumen. Wir haben uns in Österreich und in Europa zur ökosozialen Marktwirtschaft bekannt, und wir können darüber diskutieren, ob dieser Ansatz ausreichend ökosozial ist, also über das kann man diskutieren. Da gibt es Entscheidungen in den nationalen Parlamenten, da gibt es Entscheidungen in Europa, und es gibt Entscheidungen, die im Sinne des Welthandels global getroffen werden – und das ist mein Zugang. Ich sehe nationale Stellschrauben, ja, wo wir über Klimaschutz, über Biodiversität, über Selbstversorgung reden müssen. Ich sehe europäische Stellschrauben. Die Bäuerinnen und Bauern – speziell in Österreich – sind ja Vorreiter, und das wollen wir auch in Zukunft sein, aber die Haupthürde sehe ich in der europäischen Handelspolitik, denn wenn man auf der einen Seite Bäuerinnen und Bauern in die Pflicht nimmt, grüner zu werden, sinkt auch die Wettbewerbsfähigkeit, und gleichzeitig Handelsabkommen wie Mercosur abschließen möchte, dann ist das ein ganz großer Widerspruch in der europäischen Landwirtschafts- oder Ökologiepolitik auf der einen Seite und der europäischen Handels- oder Freihandelspolitik. Und diese Widersprüche gilt es in Wahrheit in der politischen Arena aufzulösen, und das ist, glaube ich, der Weg. Über das sollten wir reden! Ist diese ökosoziale Marktwirtschaft, die ja die Wiege in Österreich – Franz Fischler – hat, ausreichend ökosozial? Und auf dem Gebiet können wir auf jeden Fall weiterreden.
GROẞ: Frau Herr und dann Herr Stammler.
HERR (SPÖ): Ja, ich glaube schon, dass wir ehrlich sein müssen in dieser Diskussion und dass man ehrlich sagen muss, wir betreiben derzeit eine industrialisierte Landwirtschaftspolitik, die natürlich mit den Ressourcen der Umwelt, der Natur nicht sinnvoll umgeht. Wir haben einen Einsatz von Pestiziden, einen Einsatz von Spritzmitteln, der nicht nur dazu führt, dass wir diese auch durch die Lebensmittel selbst aufnehmen; allein in Österreich haben bereits viele Menschen zum Beispiel Glyphosat im Körper. Wir haben eine Situation, in der wir aufgrund dessen ganz viele Insekten verloren haben – 75 Prozent der Insektenmasse ist seit den 1980er-Jahren verschwunden. Wir greifen die Artenvielfalt massiv an und wir haben auch unfaire Bedingungen geschaffen. Gerade wenn wir über die Handelspolitik sprechen – darüber würde ich sprechen –, muss klar sein, ein Freihandelsabkommen wie Mercosur darf nicht kommen, aber auch alle anderen dieser Art nicht. Dazu hatten wir einen Antrag im Parlament, der aber von den Regierungsparteien verwässert wurde. Und natürlich müssen wir auch darüber sprechen, was es bedeutet, wenn ein kleinstrukturierter Familienbetrieb in Österreich mit einem riesigen Agrarkonzern, beispielsweise in Südamerika, konkurriert, und wie fair das sein kann. Da müssen wir uns eingestehen, wir brauchen ein Lieferkettengesetz, ein Gesetz, das wirklich alle Unternehmen, alle Betriebe in Österreich und in der gesamten EU dazu zwingt, entlang der gesamten Lieferkette sicherzustellen, dass es zu keiner Umweltausbeutung kommt, aber auch nicht zu Menschenrechtsverletzungen. Was wir in österreichischen Supermärkten nach wie vor finden, ist beispielsweise Kakao, von dem wir wissen, dass da Kinderarbeit drinnen steckt, Fleisch, von dem wir wissen, dass es aus Südamerika kommt und über den Ozean transportiert wurde – das hat eine CO2-Bilanz, dass es nur so klescht. Wir importieren Soja aus Südamerika – dort wird für den Sojaanbau der Regenwald gerodet –, und mit diesem Soja füttern wir dann in Europa unsere Nutztiere. Das ist ja alles absurd und aus den Fugen geraten! Wir brauchen eine regionale, nachhaltige Produktion, und das bedeutet auch, dass wir diese riesigen Lieferketten entzweien und entflechten müssen, damit wir endlich Transparenz bekommen und damit klar ist, in den Produkten, die wir essen wollen, sind entlang der Lieferketten keine Menschenrechtsverletzungen, aber auch keine Klimaschäden mit drin.
GROẞ: Herr Stammler.
STAMMLER (Grüne): Die Bäuerinnen und Bauern haben ganz sicher nicht versagt, ganz im Gegenteil: Der gesellschaftliche Auftrag mit der Schaffung des Vorgängers der Europäischen Union 1962, der EWG – und damit hat eigentlich auch die Politik nicht versagt –, an die europäischen Landwirtinnen und Landwirte war es, so günstig wie möglich in ausreichender Menge Lebensmittel zu erzeugen. – Das war der Auftrag. Das steht auch heute noch genau so in den Papieren und in den Unterlagen. Eigentlich gesehen ist das ja eine Erfolgsgeschichte, weil genau das passiert ist. Es wurde aber fast übers Ziel geschossen. Wir wissen es selber, die Supermärkte sind voll, die Regale sind voll, die Haushaltsausgaben für Lebensmittel sind noch nie so gering gewesen wie heute. Mit diesem Ziel wurde ganz einfach vor lauter Agrarökonomie - - Man hat das selbst an den Universitäten gesehen, es war eine Zeit, wo eigentlich nur mehr Agrarökonomie unterrichtet worden ist, man hat die Agrarökologie dabei übersehen, und jetzt ist es einfach an der Zeit, neue Ziele festzuschreiben. Wir wissen es alle, die Landwirtschaft ist das erste Klimaopfer, und sie muss dringend zum ersten Klimaretter werden. Insofern ist diese Diskussion, einen neuen Weg zu bestreiten, die da in der EU entsteht, eine ganz wesentliche.
GROẞ: Vielen Dank. – Herr Schmiedlechner.
SCHMIEDLECHNER (FPÖ): Danke. Es ist jetzt ein sehr wichtiger Punkt angesprochen worden, die Wertschöpfungskette. Ich denke, dort hat die Politik in der Vergangenheit viel versäumt. Schauen wir uns an, wie es tatsächlich funktioniert: Der Handel sagt: Um diesen Preis will ich das Lebensmittel im Geschäft haben!, der verarbeitende Betrieb rechnet seine Kosten und seinen Gewinn runter und was am Ende überbleibt, praktisch das Brotkrümel, das kriegt der Bauer hingeschmissen. So sind wir weit weg von einem stolzen Bauernstand. Ich denke, dort hat es die Politik verabsäumt, die Rahmenbedingungen einzustellen. Der Arbeiter kriegt einen Kollektivlohn, der Bauer bleibt seit Jahrzehnten immer mehr über und ja, schön langsam geht das für die Betriebe sehr wohl an die Substanz; man merkt es ja an den Zahlen, dass immer mehr aufhören. Gesunde Lebensmittel sind natürlich ein wichtiger Punkt, und ich glaube, das habe ich auch anfangs gesagt, das ist eine wichtige Stärke der österreichischen Landwirtschaft, weil wir erstens einmal gesunde Lebensmittel zu höchsten Standards produzieren – seien es soziale Standards, seien es Umweltauflagen, die wir erfüllen. Auch die Tierschutzauflagen, die wir in Österreich erfüllen, entsprechen den höchsten Standards. Ich denke, man muss auch die verarbeitende Industrie in die Pflicht nehmen – aufgrund der Zusatzstoffe, die dort verwendet werden, aufgrund des Palmöls, das dort verwendet wird. Man sollte die Schuld nicht den Bauern zuschieben, da muss man woanders genauer nachschauen.
GROẞ: Vielen Dank. – Frau Doppelbauer.
DOPPELBAUER (NEOS): Ich versuche, auf die Frage, die Sie gestellt haben, Frau Prof. Penker, zurückzukommen. Was ich an der Diskussion wahnsinnig interessant finde, und das ist natürlich auch sehr klar, ist, dass hier gesagt wird, was die großen Zukunftsbedrohungen sein könnten – aus meiner Sicht sind sie es nicht. Es geht aber auf den ersten Blick einmal darum, wo wir im Augenblick stehen, und da muss ich schon konstatieren, dass ich den Punkt sehr richtig finde, dass die Politik natürlich nicht großartig gearbeitet hat. Wir haben eine Situation, in der die bäuerlichen Familienbetriebe mit dem Rücken zur Wand stehen und einfach schauen, wie sie überleben können. Jetzt wird eine große Transformation eingefordert, die meiner Meinung nach auch richtig ist, und die muss man stemmen, und dazu braucht es eine ganz, ganz mutige Politik, die eben auch Rahmenbedingungen für die Zukunft vorgibt. Dass man Klima und Natur nicht gegen die Landwirtschaft ausspielen sollte, wäre mir ein ganz, ganz wichtiges Anliegen. Ich glaube, das ist im Sinne aller in diesem Raum, weil ich einfach auch weiß, wie sehr Bäuerinnen und Bauern drauf achten, dass sie generationengerecht arbeiten. Diese Betriebe sind Familienbetriebe, die sind teilweise seit Jahrhunderten in einer Hand, und da will man natürlich nachhaltig arbeiten, und diese Chance muss man den Bäuerinnen und Bauern auch geben. Deswegen halte ich nichts davon, dass man über Freihandelsabkommen schimpft, die es noch gar nicht gibt – die haben bis jetzt noch nichts Böses getan –, oder auch die EU basht. Am Ende des Tages sitzen wir hier als österreichische Politikerinnen und Politiker, und ich finde, unsere Aufgabe muss es sein, Lösungen zu präsentieren, und wenn ich auf das schaue, dann gibt es aus meiner Sicht eine sehr klare Lösung, und das ist eine CO2-Steuer. Die kann genau das bewirken, was wir brauchen, nämlich dass der Transport aus anderen Ländern – wie du es angesprochen hast – etwas kostet, weil diese Externalisierung der Kosten, die im Augenblick nicht stattfindet, ein ganz, ganz wichtiger Punkt ist, damit man nicht die Produktion der österreichischen Landwirtschaft ins Ausland verlegt. Das kann es natürlich nicht sein. Die Produktion muss natürlich nachhaltig in Europa bleiben. Wir wollen diese Struktur nicht zerstören, deswegen braucht es einfach Maßnahmen, und diese Maßnahmen sind aus meiner Sicht ganz vielfältig, aber eine davon ist für mich eine CO2-Steuer aus einer Bordertax, wie wir sie so schön nennen, die unterstützt und mithilft.
GROẞ: Vielen Dank. Ich komme wieder zu Ihnen zurück, Frau Prof. Penker. Je nachdem, wem man zugehört hat oder besonders aufmerksam zugehört hat: In Summe nehme ich aus dieser Runde mit, die Politik hat nicht wirklich Schuld, die Bäuerinnen und Bauern haben nicht wirklich Schuld. Wer hat dann eigentlich Schuld? Können Sie noch ein bisschen konkretisieren, was Sie mit Versagen gemeint haben?
PENKER: Es ist wahrscheinlich ein gesamtgesellschaftliches Versagen, und auch zu erklären, wenn man ein bisschen weiter zurückschaut: Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es Hunger, gab es Mängel, und da war das primäre Ziel, Lebensmittel für alle leistbar zur Verfügung zu stellen. Ein großes Kompliment an die Vorfahren in den bäuerlichen Familien, die da Unglaubliches geleistet haben. Denen ist es mit Produktivitätszuwächsen gelungen, innerhalb weniger Jahrzehnte Lebensmittel für alle zur Verfügung zu stellen, indem man die Natur besser kontrolliert hat, indem man die wirtschaftlichen Abläufe besser geregelt hat. So gesehen ist das also eine Erfolgsgeschichte, die aber – ich glaube, Sie haben es gesagt – über das Ziel hinausgeschossen ist. Wir haben uns so perfektioniert, dass wir auf die natürlichen Ressourcen nicht mehr so geschaut haben, wie es die Generationen davor gemacht haben, sodass es vielleicht heute auch nicht mehr ganz so selbstverständlich sein kann, dass die übernächsten Generationen auch wieder einen Hof und ein Klima vorfinden, mit dem sie gut arbeiten können. Da braucht es, glaube ich, auch gesamtgesellschaftlich eine Neuorientierung. Das betrifft nicht nur die Landwirtschaft, das betrifft auch andere Segmente. Brauchen wir noch mehr und brauchen wir noch billigere Konsumgüter? Was macht ein lebenswertes Leben in den landwirtschaftlichen Betrieben, aber auch in jedem Haushalt aus? Was macht uns glücklich? Ich sehe das als große Chance, sich in diesem Transformationsprozess auch drauf zu besinnen, welche Qualität das Miteinander zwischen den Menschen, aber auch das Miteinander zwischen Mensch und Natur haben soll.
GROẞ: Stichwort Transformationsprozess: Da würde ich gerne einhaken. Sie sagen, der Green Deal der EU soll diesen Transformationsprozess einleiten, er ist eine absolute Notwendigkeit. Das sehen ja nicht alle so. Warum ist das aus Ihrer Sicht so? Könnte oder müsste man nicht sagen, diese Transformation der Landwirtschaft wäre im Grunde eine globale Aufgabe?
PENKER: Ich kann verstehen, dass es da Skepsis gibt, was den Klimawandel betrifft oder überhaupt was wissenschaftliche Vorhersagen und Programme betrifft. Ich bin da sehr selbstkritisch, auch gerade was die eigene Disziplin, die Sozialwissenschaften betrifft. Wir haben es weder geschafft, Wirtschaftskrisen vorauszusagen, wir können nicht sagen, wie diese Pandemie sich auf Einkommen, auf Beschäftigung, auf Preise lang- und mittelfristig auswirken wird. Die Klimaforscher aber hatten recht, sie sind mit ihren Szenarien wirklich sehr gut gelegen. Das spüren wir überall, das spüren wir in den Betrieben, das merkt man auch in Zahlen – die Hagelversicherung hat für die letzten fünf Jahre 1 Milliarde Euro Gesamtschaden in der Landwirtschaft geschätzt. Es kommen zusätzliche Kosten auf uns zu, der Rechnungshof hat die Kompensationszahlen berechnet, die wir zahlen müssen, wenn wir die Klimaziele nicht erreichen – das sind 9 Milliarden Euro bis 2030. Das ist also auch teuer, abgesehen davon, dass es darum geht, das Leben, so wie wir es gewohnt sind, auch für die zukünftigen Generationen zu ermöglichen. Es ist ja nicht nur eine Bedrohung, es ist auch eine große Chance. Es gibt viele neue Einkommensmöglichkeiten gerade für die Landwirtschaft, einerseits die Biomasse, wo wir hier in Österreich sehr tolle Vorzeigeprojekte haben, es gibt auch Richtung Carbonfarming, also der Kohlenstoffbindung in den Böden, viele neue Einkommensmöglichkeiten. Diese Chancen wurden ja nicht nur in Europa entdeckt, sondern das haben auch andere Länder schon entdeckt, durchaus auch aus Verantwortung den folgenden Generationen gegenüber. Es gibt in den USA die Agriculture Innovation Agenda, dort steht groß drinnen, die USA wollen den ökologischen Fußabdruck um 40 Prozent reduzieren. Das ist ein großer Schritt für die USA. Kanada hat erstmals eine Sustainable Food Strategy, also: Wie kann Essen nachhaltig bereitgestellt werden, auf den Tisch gelangen? Japan möchte – auch ehrgeizig – eine erdölfreie Fischerei, Landwirtschaft und Forstwirtschaft bis 2050 haben. Die Transformation passiert global und kann auch nur global passieren. Das Klimaproblem müssen wir natürlich auch global lösen.
GROẞ: Wieder zurück nach Europa: Der Green Deal wird natürlich Auswirkungen auf die anstehende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU – der berühmten GAP – haben, die ja, glaube ich, seit 2018 verhandelt wird und für die nächsten sieben Jahre gelten soll. Was sehen Sie denn – ganz neutral gesprochen – auf Österreichs Bäuerinnen und Bauern und auf die ländlichen Regionen zukommen? Was ist da zu erwarten?
PENKER: Viel, das wir hier schon gut ausprobiert haben, also gerade was Agrar- und Umweltleistungen betrifft, wird jetzt noch einmal ausgeweitet. Die Ziele, was Bio betrifft – so könnte man argumentieren –, haben wir in Österreich schon erreicht. Ich denke, wir haben die besten Voraussetzungen, um darüber hinaus auch auf europäischer Ebene einen Beitrag in puncto Bio zu leisten. Es wird mehr Ergebnisorientierung geben, das heißt, jährliche Berichte, wo dann auch nach Indikatoren geschaut wird: Sind die Leistungen auch tatsächlich erreicht worden? – Wenn Ziele quantifiziert sind, wenn berichtet wird: Ist das erfolgreich oder auch nicht?, macht es das für uns in der Wissenschaft auch leichter, das zu beurteilen. Ein großes Ziel ist auch – weil das heute schon mehrmals angesprochen wurde – eine Neuverteilung der Mittel: 10 Prozent der Förderungen sollen Richtung Kleinbetriebe umverteilt werden. Und mit diesen Stellschrauben, die die EU uns zur Verfügung stellt, gibt es natürlich auch in Österreich viele Möglichkeiten: verschiedene Optionen degressiver Zahlungen, das heißt, für die ersten Hektar bekommt man Geld und je größer der Betrieb wird, desto weniger Geld bekommt man für die zusätzliche Fläche oder es gibt auch eine Deckelung der Zahlungen. Es gibt da also verschiedene Stellschrauben, die, soweit ich es gesehen habe, im Entwurf vom April noch nicht ganz ausgenutzt wurden. Was die GAP-Zahlungen betrifft, ist da aus meiner Sicht ein ganz, ganz großer Hebel für das Einkommen drinnen. Die zweite Einkommenskomponente: Die Landwirte/Landwirtinnen wollen ja nicht Förderempfänger sein, sondern sie wollen ihre Produkte zu einem fairen Preis auf den Markt bringen, und auch da haben GAP und Farm-to-Fork ganz klare Ziele im Hinblick darauf, die Position der bäuerlichen Betriebe entlang der Wertschöpfungskette zu stärken. Auch da kann Österreich sehr viel machen, um faire Markt- und Handelsbedingungen zu schaffen. Am dringendsten ist da wohl die UTP-Richtlinie, die Richtlinie betreffend unfaire Handelspraktiken. Da ist Österreich säumig, da gibt es sogar ein Vertragsverletzungsverfahren, da wäre definitiv nachzubessern. Sie haben darauf hingewiesen, es gibt wirklich unfaire Handelsbedingungen und es ist schwierig, sich dagegen zu wehren.
GROẞ: Darf ich da kurz einhaken, weil ich glaube, dass das nicht so selbstverständlich und so klar ist – zum Beispiel auch mir eigentlich nicht –: Was ist damit gemeint? Wer ist da säumig gewesen? Wer hätte da etwas tun müssen?
PENKER: Österreich. Bitte korrigieren Sie mich, aber ich glaube, bis 1. Mai wäre es vorgesehen gewesen, das in nationales österreichisches Recht umzusetzen. Bis jetzt ist das noch nicht erfolgt. Da geht es darum, wie jemand, der sich von einem Handelsunternehmen unfair behandelt fühlt, Beschwerde einreichen kann, welche Rechte es gibt, wie man Lieferanten schützen kann, damit sie nicht vor Angst, dass sie dann ausgelistet werden, dass sie nicht mehr in den Regalen aufscheinen, dann alles ertragen müssen.
GROẞ: Okay, also ist das eigentlich eines der Kernprobleme – das wir ja heute schon in den ersten Minuten adressiert haben –, das damit zwar vielleicht nicht gelöst wäre, aber zumindest gäbe es da eine Möglichkeit, einmal aktiv zu werden. Da müsste der Gesetzgeber etwas tun, oder? Da sind Sie gefordert.
PENKER: Ja, aber ich hätte da gleich noch ein paar andere - -
GROẞ: Dann nehmen wir das alles gleich mit, bevor wir dann darüber reden.
PENKER: Stärkung der Position der landwirtschaftlichen Betriebe: Wie kann man Produzentengemeinschaften, Vermarktungsgemeinschaften entlang der Wertschöpfungskette stärken? Herkunftskennzeichnung: Wieso haben wir die noch nicht für Verarbeitungsprodukte in Industrie, Gastronomie? Man muss nur in die Schweiz schauen, man geht dort ins Gasthaus und man sieht beim Fleisch, bei den Eiern, woher die kommen, unter welchen Haltungsbedingungen sie produziert wurden. Entlastung der land- und forstwirtschaftlichen Arbeit: Es muss sich lohnen, in landwirtschaftlichen Betrieben zu arbeiten, also da wird große Hoffnung in Richtung Steuerreform gesetzt. Man muss aber auch noch einmal schauen, wie die Sozialversicherungsabgaben geregelt sind, damit es sich für familieneigene Arbeitskräfte auszahlt, aber vor allem auch für Erntehelfer. Wir haben in der Coronakrise gesehen, wie schwierig es ist, jemanden zu finden, der bereit ist, sich um dieses Geld einen ganzen Tag lang zu bücken, um Gemüse, um Spargel zu ernten. Oder jetzt im Forst: Wir haben eine Schädlingsepidemie und die Waldbesitzer und die Landwirte kommen nicht nach, weil sie keine Forstarbeiter finden. Auch bereits angesprochen wurden die CO2-Bepreisung und die CO2-Grenzabgabe: Die gibt es oder sie ist Verhandlung für 2023 für Düngemittel, aber nicht für Agrarprodukte. Da sollte oder könnte sich meiner Meinung nach die Politik, wenn sie an fairen Handelsbeziehungen interessiert ist, starkmachen, dass da auch die Agrarprodukte miteinbezogen werden. Man sieht, die Industrie tut etwas gegen die Abwanderung der Betriebe, der Arbeitsplätze, gegen Emissionen, macht da Druck mit Lobbying, und auch die Landwirtschaft sollte da die gleichen Rahmenbedingungen vorfinden.
GROẞ: Vielen herzlichen Dank, Frau Professor, vor allem für diese ganz konkrete Punktation. Einen ganzen Katalog, einen Rucksack, möchte ich fast sagen, haben Sie den Damen und Herren hier jetzt gewissermaßen mitgegeben. Jetzt die Frage: Warum ist in diesen Punkten bis jetzt noch nichts passiert und wann wird etwas passieren? – Frau Herr.
HERR (SPÖ): Ich glaube, das war jetzt ein gutes Beispiel, um zu sehen, wieviel Showpolitik eigentlich betrieben wird. Ministerin Köstinger, die dafür zuständig ist, hat sich beschwert, hat den Handel kritisiert, ist aber selbst säumig, wenn es um die Umsetzung genau dieser Richtlinie geht, die eben die Landwirte/die Landwirtinnen vor ungerechten Handelsbeziehungen schützen soll. Da hat man quasi etwas gefordert, wo man selbst hinterherhinkt, und da sieht man, wie viel davon wieder einmal nur für gute Schlagzeilen da ist, um so zu tun, als würde man auf der Seite der Bäuerinnen und Bauern kämpfen. Was ich aber hervorheben will – und das ist auch ein Punkt –, ist die ungerechte Einkommensverteilung. Ich habe dazu eine Grafik mit (eine Tafel zeigend), die, denke ich, sehr gut zeigt, dass es da einfach eine große Ungleichheit in der Verteilung gibt. Wir haben hier das erste Einkommensviertel, das de facto ein Negativgeschäft macht – das sind Zahlen aus dem Grünen Bericht des Landwirtschaftsministeriums –, und dann haben wir hier das oberste Viertel, also die oberen 25 Prozent und die unteren 25 Prozent, und da sehen wir schon, dass nicht für alle die gleichen Bedingungen vorherrschen, sondern vor allem jene, die eh schon wenig haben, dann auch nicht die entsprechende Förderung bekommen. Das ist ganz einfach falsch, das ist verfehlte Förderpolitik, die so schnell wie möglich umgestellt werden muss. Da geht es eben darum, nicht nach Fläche zu fördern, nicht einfach zu sagen: Die Großen sollen bekommen!, sondern vor allem auch die Kleinen zu fördern. Da brauchen wir ganz dringend ein Capping. Die Zuseher und Zuseherinnen zu Hause können sich das vielleicht nicht vorstellen: Da geht es um Millionenbeträge, die teilweise an einen einzelnen großen Betrieb fließen, während ein kleiner dann oft ein paar Hundert Euro bekommt. Das ist fatal. Wenn wir uns anschauen, wie wir das Höfesterben stoppen wollen, dann sehen wir, dass da jetzt endlich anzusetzen wäre. Da laufen ja in Österreich auch die Verhandlungen, nur leider hinter verschlossenen Türen. Es ist immer noch nichts vorgelegt, obwohl zahlreiche NGOs, die AK, die Gewerkschaft und so weiter fordern: Wir müssen das als Gesellschaft besprechen, wir wollen auch eine breite Begutachtungsfrist haben! – Ich sage das bereits jetzt, weil das derzeit alles im Dunklen liegt. Ein letzter Satz noch, weil vorhin so viele gute Punkte angesprochen wurden: Ich glaube, die Landwirte und Landwirtinnen sehen selbst, was wirklich die große Bedrohung ist, die auf sie zukommt: Das ist die Klimakrise, das sind die Überschwemmungen, die Hitze, die Schädlinge im Wald, wie wir schon gehört haben, generell die Ernteausfälle oder einfach überhaupt weniger Ertrag, weil es immer wärmer wird und die Pflanzen das nicht aushalten. Das heißt, wenn wir jetzt gegen den Green Deal vorgehen, der ja schließlich eine ökologische Landwirtschaft zum Ziel hat, dann sägen wir den Ast ab, auf dem die Landwirte und Landwirtinnen sitzen, denn der gesunde Boden und die gesunde Umwelt sind ja die Bedingung dafür, dass wir auch gute, gesunde Lebensmittel herstellen können.
GROẞ: Vielen Dank. – Ich möchte wieder auf diese Versäumnisse zurückkommen und jetzt Herrn Strasser natürlich erstens die Gelegenheit geben, zu replizieren, und zweitens Sie aber schon auch fragen, Herr Strasser: Die ÖVP stellte, glaube ich, seit dem Zweiten Weltkrieg 13 Landwirtschaftsminister, seit Mitte der Achtzigerjahre, glaube ich, durchgehend, also warum ist da nichts weitergegangen?
STRASSER (ÖVP): Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal einen Schritt zurück machen und einen Blick auf die bäuerliche Familie richten, denn es wird oft sehr pauschal über uns gesprochen! Ich sage Ihnen, was die Kriterien sind, ob ein Betrieb weitergeführt wird oder nicht: Das sind auf der einen Seite wirtschaftliche Agenden – Einkommen –, das sind familiäre Agenden, das sind Imagefragen – da darf ich Sie, Frau Kollegin Herr, dann schon ein wenig korrigieren, denn es gibt viel Gutes über die österreichische Landwirtschaft zu berichten –, und – da bin ich ganz bei Kollegen Schmiedlechner – auch gewisse Auflagen, die immer wieder neu kommen, machen den bäuerlichen Familienbetrieben zu schaffen – zu schaffen, ich sage das ganz deutlich. Zu den guten Nachrichten: Die Klimabilanz der österreichischen Landwirtschaft ist in den letzten Jahren um 14 Prozent gesunken, der Bioanteil macht 25 Prozent aus – ich glaube, das ist eine gute Entwicklung.
GROẞ: Aber der Vorwurf - -
STRASSER (ÖVP): 85 Prozent der österreichischen Betriebe nehmen am Öpul teil, und internationale Studien beweisen uns, dass wir, was Nachhaltigkeit im Lebensmittelsystem und auch das Tierwohl betrifft, zu den Vorreitern gehören. Ich habe aber schon gesagt, wir dürfen und wollen uns weiterentwickeln. Nur, Frau Kollegin Herr, welche Berufsgruppe wird ein politisches Konstrukt wie den Green Deal akzeptieren, bei dem ein Einkommensminus in der Höhe von 10 bis 30 Prozent im Raum steht? Welche Gruppe, die Sie als ArbeitnehmerInnenvertreterin zum Beispiel vertreten, würde das akzeptieren? Kommen wir also bitte zurück zur Sachlichkeit und gönnen wir den österreichischen Bäuerinnen und Bauern auch einmal eine Spur Lob! In den letzten Jahren und Jahrzehnten ist viel Positives passiert.
GROẞ: Ich muss jetzt trotzdem etwas unhöflich sein, Herr Präsident Strasser, denn Sie haben ja meine Frage jetzt nicht beantwortet oder sie missverstanden. Wir sind uns ja einig, dass sich dieser Vorwurf nicht gegen die Bauern und die Bäuerinnen richtet, sondern es war ein Vorwurf, der sich an die Politik gerichtet hat. Frau Herr hat Ihnen jetzt – ich wiederhole es noch einmal – Showpolitik vorgeworfen. In der Tat ist ja Frau Minister Köstinger erst am Wochenende wieder massiv gegen den Handel hergezogen, und jetzt hören wir von Frau Professor Penker, man hätte da eigentlich schon etwas tun können. Nur tun wir es nicht.
STRASSER (ÖVP): Dazu komme ich gleich. Showpolitik darf ich auch Kollegin Herr bei ihren Zitaten rund um den Pflanzenschutz ausrichten, weil sie die Statistiken nicht liest. Auch im Bereich Pflanzenschutz sind wir in der österreichischen Landwirtschaft im europäischen und im internationalen Vergleich Vorreiter. Zu den politischen Themen: Die CO2-Steuer beziehungsweise der Zertifikatehandel, der in Brüssel sozusagen höher im Kurs steht, werden kommen müssen – ich sage das ganz trocken –, weil Europa die Klimaziele erreichen will. Die Diskussion in Österreich ist im Laufen. Zu den unfairen Handelspraktiken und auch wieder zu diesem Frontalangriff in Richtung Ministerin Köstinger: Frau Herr, 2015, 2016 war Elisabeth Köstinger Mitglied des Europäischen Parlaments und hat diese Gesetzeswerke federführend mitgestaltet. Damals hatten wir eine Schweine- und eine Milchkrise. Das wird jetzt im Herbst abgeschlossen und wird kommen. Zur Herkunftskennzeichnung: Fragen Sie Kollegen Stammler! Wir sind auch da auf einem guten Weg, dass das in den nächsten Wochen, Tagen abgeschlossen wird. Sie wissen aber auch von den europarechtlichen Hürden, die es bei der Herkunftskennzeichnung gibt. Da gibt es nicht nur die politischen Diskussionen, sondern auch europarechtliche Diskussionen. Ich darf Sie darüber informieren, dass das Herkunftskennzeichnungssystem in Frankreich, das ein Pilotprojekt war, leider storniert, nicht verlängert wurde, und wir wollen das wirklich sauber machen. Zum Abschluss – ich habe es in meinem Einleitungsstatement schon gesagt –: Wenn wir an den EU-Außengrenzen keinen Schutz für unsere grünere Produktion bekommen, dann bekommen Sie, Frau Kollegin Herr, nicht das, was Sie vor Kurzem lautstark von uns eingefordert haben, nämlich dass der Zucker auch weiterhin aus Österreich kommt. Wissen Sie, was das auf dem österreichischen Spielfeld heißt? – Sachgerecht Pflanzenschutz anwenden, damit wir letztendlich die Zuckerproduktion im Osten Österreichs erhalten können, und deswegen brauchen wir einen Schutz an der europäischen Außengrenze, was CO2-Zölle betrifft, sonst kommen die Erdäpfel aus Nordafrika, das Rindfleisch aus Südamerika und die Hendln aus Thailand – und das werden wir zu verhindern wissen.
GROẞ: Herr Stammler.
STAMMLER (Grüne): Ich glaube, dass an der bisherigen Diskussion erkennbar ist, wie vielfältig die Lösungen sein können, und ich glaube ehrlich gesagt auch, dass es daran sehr oft hakt. Grundsätzlich muss man sich einmal fragen, ob der Weg der richtige ist, mit Agrargütern oder mit Lebensmitteln Sozialpolitik zu machen. Sie haben die Förderung der Bäuerinnen und Bauern angesprochen. Die Förderungen dienen ja dazu, dass die Bäuerinnen und Bauern überhaupt einmal überleben, aber im weiteren Sinne dienen sie auch dazu, dass sie billige Lebensmittel liefern können. Viel klüger wäre es ja grundsätzlich, den echten Preis für Lebensmittel zu bezahlen und nur jene Menschen zu unterstützen, die sich diese Lebensmittel nicht mehr leisten können. Zur Herkunftskennzeichnung: Ja, die Diskussion, ob man nur die öffentliche und private Verpflegung mit hineinnimmt oder auch die Gastronomie, ist, glaube ich, da draußen durchaus sehr laut gewesen – da wehrt sich der Wirtschaftsbund noch sehr gegen die Kennzeichnung in der Gastronomie. Ich bin der Meinung, dass Brüssel, aber auch österreichische Gerichte nur ein Gesamtpaket mit der Gastronomie akzeptieren würden. Nehmen wir dieses Beispiel: Der Kantinenbetreiber in der Mensa der Universität müsste auszeichnen, die Würstelbude davor allerdings nicht. Es würde wahrscheinlich eine Klage von einem Mensa-Betreiber reichen, damit das wieder fällt. Wir hätten wieder einmal so etwas Österreichisches: Rauchen wir im Lokal, rauchen wir in Raucherzonen oder rauchen wir gar nicht im Lokal? Das möchte ich der Gastronomie nicht zumuten, sondern ich möchte eine Verordnung haben, die sauber ist. Ich glaube, die Konsumentinnen und Konsumenten haben auch das Recht, zu wissen, was sie serviert bekommen. Ich glaube – wir sehen es ja auch an den Zahlen –, gerade in der Pandemie sind die Umsätze mit höherwertigen Lebensmitteln nicht zurückgegangen, jene mit nicht so hochwertigen und mit Importware sehr wohl. Warum? – Weil die nicht so hochwertigen Lebensmittel überall dort drinnen sind, wo es nicht ausgezeichnet wird, wo man es verstecken kann.Ich verstehe die 10 bis 20 Prozent Einkommenseinbußen nicht, das kann ich nicht nachvollziehen, vor allem nicht in einer Welt, in der wir leben, in der wir genau wissen: In Salzburg schwimmt der Humus davon, in Oberösterreich haben wir Schäden durch Hagelstürme und so weiter. So verdient die Landwirtschaft in Zukunft garantiert nichts. Die Ergebnisse, auch nach dem Grünen Bericht, beweisen eigentlich, dass genau die Qualitätsproduktion, die biologische Produktion durchaus auch eine höhere Wertschöpfung für die Landwirtinnen und Landwirte bedeutet, und ich denke, wir sollten diese Vorreiterrolle mit den 25 Prozent Biobauern in Österreich, die ich gar nicht leugnen möchte, ausbauen. Warum das auf europäischer Ebene klug ist? – Weil wir uns damit eigentlich nicht die eigene Konkurrenz in Deutschland, in Frankreich, in Spanien schaffen, sondern alle ungefähr auf demselben Level produzieren müssen. Dann in einem europäischen Binnenmarkt zu produzieren macht ja durchaus Sinn. Die Europapolitik, mit der wir jetzt Soja aus Brasilien importieren, um hier Schweine zu mästen, die wir nachher nach China bringen, hat absolut keinen Wert und keinen Sinn.
GROẞ: Vielen Dank. – Frau Penker, zum Abschluss dieser Runde möchte ich Sie jetzt fragen, was Sie aus diesen Redebeiträgen herausgehört haben, und dann hätte ich noch eine ganz konkrete Frage zu einem anderen Thema an Sie. – Bitte.
PENKER: Was mir durch den Kopf geht, ist, dass ich schon Verständnis dafür haben kann, dass bäuerliche Betriebe, die teilweise wirklich an der Wand stehen, verzweifeln, wenn sie hören, dass es jetzt noch mehr Auflagen gibt, und sich dann denken: Wieso gibt es die Auflagen für die Landwirtschaft, aber nicht für die nachfolgenden Sektoren – also die Industrie, die Logistik, den Handel, die Gastronomie –, wieso gibt es für die nicht diese Auflagen, noch dazu wenn das Farm-to-Fork-Strategie – vom Hof bis zum Teller – heißt? Das war auch in unserem Bericht ein ganz klares Ergebnis: Man muss das integrativ sehen, man kann nicht separat nur die Landwirtschaft betrachten, man muss diese ganze Wertschöpfungskette betrachten und auch Gesundheit, Soziales und Umwelt mit berücksichtigen, um diese Transformation zu schaffen. Transformation geht nur, wenn alle im Boot sind, und es braucht entlang dieser Wertschöpfungskette auch entsprechende Maßnahmen. Ich glaube, da sind sich viele, viele einig, auch jetzt hier. Abgesehen von den Zöllen - -
GROẞ: Passt es da dazu, Herr Schmiedlechner? Denn sonst würde ich sagen, wir nehmen das in die nächste Runde hinein. – Unbedingt dazu, also dann machen wir es jetzt ganz kurz. – Bitte.
SCHMIEDLECHNER (FPÖ): Ich möchte nur ganz kurz auf die Vorgänger und auf die vorherige Diskussion eingehen. Es ist gesagt worden, die Landwirtschaft hat es nicht geschafft, die Umwelt zu schützen. Ich denke, gerade die österreichische Landwirtschaft – sei es die Biolandwirtschaft, sei es die konventionelle – hat es sehr wohl geschafft. Man kann sich allein den Tourismus anschauen: Da hat es eine Umfrage unter Gästen in Österreich darüber gegeben, warum sie nach Österreich kommen. 80 Prozent haben angegeben, dass sie wegen der schönen Landschaft kommen. Ich denke, die Bäuerinnen und Bauern sind maßgeblich daran beteiligt, diese schöne Landschaft zu pflegen. Leider wird das sehr selten wahrgenommen, und leider wird das auch nicht refundiert. Auch zu Kollegin Herr: Ich darf ihr durchaus recht geben, sie spricht von Showpolitik. Ich sage immer, es ist Ankündigungspolitik, denn wenn Ministerin Köstinger in einer Presseaussendung 2018 bereits jubiliert und sagt: Endlich haben wir es geschafft, dass wir gegen die ungerechten Handelspraktiken vorgehen!, und es dann nicht schafft, in dieser Zeit etwas umzusetzen, dann denke ich mir einfach, da ist Showpolitik vielleicht sogar richtig – ich sage Ankündigungspolitik. Es gibt sehr viele weitere Punkte, die Herkunftskennzeichnung, bei jeder Wahl wird - -
GROẞ: Herr Schmiedlechner, ich unterbreche Sie ungern, aber wir wiederholen uns mit diesen Themen jetzt doch schon sehr stark.
SCHMIEDLECHNER (FPÖ): Bei jeder Wahl wird groß angekündigt und groß versprochen, und im Endeffekt wird nichts umgesetzt. Auch die Wolfsproblematik spielt da hinein. Es sind immer Lösungen versprochen worden, aber nichts wurde umgesetzt. Da darf man die ÖVP, glaube ich, schon einmal in die Pflicht nehmen.
GROẞ: Okay, wir haben noch gut 35 Minuten, die wollen wir auch nützen. – Frau Herr, ich weiß, Sie haben unbedingt noch etwas zu sagen. Bitte merken Sie es sich (HERR: Ganz kurz, es wurde jetzt zweimal angesprochen!) – Sie haben immer so lange Sätze –, und Sie können es nachher einbringen. Ich habe Frau Penker schon angekündigt, dass ich noch eine Frage zu einem ganz anderen Thema hätte, nämlich zum Thema Technologieoffensive, Digitalisierung – auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht jetzt gar nicht hierher passt, aber Sie haben sich auch damit beschäftigt –: Wie weit spielt auch das Thema Digitalisierung, das ja längst in der Landwirtschaft angekommen ist, eine wichtige Rolle? Wie weit haben technologische Tools wirklich sozusagen das Zeug, auch etwas zu verbessern?
PENKER: Technologie wird nicht alles lösen, aber wir brauchen die Technologie für die Lösung. Es gibt verschiedene Technologien, die da im Gespräch sind, von der grünen Gentechnik, der Genschere, die ja jetzt in aller Munde ist, bis zu Bioreaktoren, mit denen man Fleisch ohne Tierleid und ohne Klimaschaden züchten kann. Das sind vielleicht Technologien, bei denen wir in Österreich die Risikoabschätzung anders sehen als Menschen in anderen Ländern, bei denen wir sagen, da haben wir andere Vorteile und da wollen wir uns keine Abhängigkeiten von internationalen Unternehmen, die dann hier agieren, schaffen. Digitalisierung ist hingegen in vielerlei Hinsicht ein sehr vielversprechendes Tool. Technologie ist immer ein Werkzeug, und es kommt darauf an, wie man es einsetzt. Man kann Digitalisierung nutzen, um ökologischer zu wirtschaften, man kann Digitalisierung nutzen, um den Menschen zu ersetzen, man kann Digitalisierung auch nutzen, um Menschen näher zusammenzubringen. Man denke an die Blockchain, Transparenz entlang der Wertschöpfungsketten, an Crowdfarming, an Crowdfinancing, bei denen Konsumenten und Produzenten, Städter und Leute vom Land im Sinne des Green Deals ganz neue innovative Wege auch miteinander finden können.
GROẞ: Frau Professor Penker, vielen herzlichen Dank, dass Sie bei uns waren – danke für Ihren Beitrag! Ich glaube, eines haben wir gesehen: Die österreichische Landwirtschaft oder die Landwirtschaft überhaupt gibt es nicht – klein, groß, Bio-, konventionell, Gunstlagen, Bergbauern et cetera, et cetera. Wir haben uns unter Milchbauern umgesehen und umgehört. Sie arbeiten um weniger als 10 Euro die Stunde, manche auch nur um 2 Euro, und sie wünschen sich einen Green Deal, der nachvollziehbar und umsetzbar ist, wie sie sagen, und nicht einen Rucksack mit Auflagen, der sie endgültig in die Knie zwingen könnte.
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Es folgt eine Videoeinspielung:
Sprecher: Johann Konrad ist einer der größten Milchbauern Österreichs – mit 350 Milchkühen, 350 Stieren und rund 300 Kälbern dreht sich sein ganzes Leben um die Rinder. Wenn er sich seinen Stundenlohn ausrechnet, wird er nachdenklich.
Johann Konrad (Milchbauer): Wir haben sicher weit unter 10 Euro, das hört sich arg an, aber es ist wirklich so. Man muss da wirklich alles hineinrechnen, und da haben wir einfach einen Stundenlohn - - Ich habe oft wirklich Tage mit 16, 18 Stunden – das glauben viele nicht, aber es ist wirklich so –, an denen man sehr viel arbeiten muss.
Sprecher: 100 000 Euro bekommt er pro Jahr an Förderungen, lieber wäre ihm ein Milchpreis, von dem er und seine Familie leben können.
Johann Konrad: Der Milchpreis ist aktuell so bei 40 Cent inklusive Steuer. Von diesem Milchpreis bleiben mir 3 bis 4 Cent – das, was ich verdiene, was mir bleibt. Ich bräuchte ungefähr - - Man kriegt ja auch Ausgleichszahlungen. Die Ausgleichszahlungen sind eigentlich ein Thema, das ich gar nicht gerne haben möchte, ich möchte den Preis am Markt erwirtschaften. Wenn ich so 7 bis 8 Cent mehr Milchgeld hätte, dann hätte ich viele Sorgen weniger, weil ich einfach viele Dinge nicht bräuchte, und wir kämen wirtschaftlich über die Runden.
Sprecher: Johann Konrad ist Bauer aus Leidenschaft, er weiß, es muss sich etwas ändern. Eine grünere Landwirtschaft ist auch in seinem Sinne.
Johann Konrad: Die Landwirtschaft hat sicher gewisse Dinge, bei denen wir mittun, die wir machen müssen, aber der Green Deal muss nachvollziehbar sein, und er muss wirtschaftlich für uns tragbar sein. Wenn sie uns jetzt wieder einen Buckelkorb umhängen, sodass wir das nicht erschnaufen, werden wir die Landwirtschaft in Österreich ruinieren, und vom Ausland kommt das Zeug rein.
Sprecher: Klima- und Umweltschutz sind auch Magdalena Gumpold ein Anliegen. Seit zehn Jahren ist sie als Biobäuerin tätig. Ihr Mann arbeitet als selbstständiger Zimmermann, denn vom Hof alleine könnte die Familie nicht leben. Auch sie bräuchte einen fairen Milchpreis.
Magdalena Gumpold (Biobäuerin): Ich wünsche mir, dass ich bitte 1 Euro oder 1,20 Euro kriege. Ich mache es ja eh mit Liebe, aber man zahlt halt eine Rechnung leichter, wenn man ein bisschen mehr kriegt. Selber geht es einem dann auch besser. Man darf nicht ganz genau rechnen, denn sonst ist man ein bisschen traurig, demotiviert, aber der Stundenlohn ist unter 2 Euro.
Sprecher: Zwischen 48 und 50 Cent bekommt Magdalena Gumpold für einen Liter Milch; im Vergleich zu einem Ei, das mit 45 Cent bezahlt wird, muss sie in der Milchwirtschaft viel mehr investieren. Auch sie würde liebend gern auf die Ausgleichszahlungen verzichten.
Magdalena Gumpold: Lieber wäre mir ein gescheiter Milchpreis.
Sprecher: Um nicht ganz vom Milchpreis abhängig zu sein, hat Magdalena Gumpold noch einen Hofladen aufgemacht und vermietet zwei Ferienwohnungen. Ewald Grünzweil von der IG-Milch kennt die Sorgen der Milchbäuerinnen und -bauern.
Ewald Grünzweil (IG Milch): Die Entwicklung ist wirklich dramatisch: In den letzten 25 Jahren haben 60 000 Milchviehbetriebe zugesperrt. Ich glaube, das sind umgerechnet sieben, acht Betriebe am Tag; das heißt, während wir da miteinander reden, hat schon wieder einer zugesperrt. Und das Ende der Entwicklung ist nicht abzusehen, weil die Perspektiven einfach überhaupt nicht gegeben sind, dass man in der Milchproduktion ein gutes Leben führen kann. Also die Politik hat in Wahrheit völlig versagt.
Sprecher: Ein fairer Milchpreis wird seit Langem nicht gezahlt, sagt Ewald Grünzweil.
Ewald Grünzweil: Man müsste die Produktionskosten zugrunde legen. Ein konventioneller Milchviehbetrieb in Gunstlage mit 30, 40 Kühen, der braucht 55, 60 Cent mindestens, und von dort müsste man dann nach oben wegkalkulieren. Das heißt, da schlägt die Molkerei die Spanne drauf, der Handel, und dann kostet der Liter Milch im Regal irgendwo vielleicht 1,50 Euro. Und bei der Biomilch sind die Kosten – die Produktionskosten – natürlich wesentlich höher. Die bräuchten 70, 80 Cent, je nach Lage. Und auch wieder das zugrunde legend: Dann kostet der Liter Biomilch gute 2 Euro.
Sprecher: Doch wer verhindert einen Milchpreis, von dem die Bäuerinnen und Bauern auch leben können?
Johann Konrad: Also das Problem ist einfach auch in der Agrarpolitik: Wir haben sehr gute Leute, aber wir haben halt einfach auch sehr viele so Sesselpicker, die ewig auf ihrem Job hocken wollen und einfach nicht aufstehen wollen, weil wenn sie irgendwo ein wenig rebellisch würden, dann würden sie wahrscheinlich in der nächsten Periode nicht mehr gewählt werden. Und es schafft halt sehr stark die Wirtschaft an. Anschaffen tut halt immer der, der am stärksten ist, und die Bauern sind einfach die Schwächsten geworden. Wir sind einfach Buddler, wir sind fleißig, also wir werken. Wir befassen uns viel zu wenig in der Öffentlichkeit mit Konsumenten, mit dem Markt und auch mit den Gegebenheiten. Das wäre Aufgabe, und das möchte ich jedem Bauern klarlegen: Ein bisschen mehr aufstehen, weniger jammern einfach.
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GROẞ: Wir würden liebend gern auf Ausgleichszahlungen verzichten, wenn wir einen fairen Preis bekommen. – Woran scheitert es? Darüber wollen wir jetzt mit unserem nächsten Gast, Franziskus Forster – herzlich willkommen! –, reden. Er stammt von einem Bauernhof im Innviertel und war selbst Landarbeiter in einem Gemüsebetrieb. Er ist jetzt Sprecher der Österreichischen Berg- und KleinbäuerInnen Vereinigung/Via Campesina. Noch einmal herzlich willkommen! Ja, woran scheitert es eigentlich, Herr Foster?
Mag. Franziskus FORSTER (Sprecher der Österreichischen Berg- und Kleinbäuer_innen Vereinigung/Via Campesina): Vielen Dank auch von mir für die Einladung. Ich denke, es sind schon viele sehr wichtige Themen angesprochen worden, und ich würde jetzt aus diesem Beitrag heraus vielleicht nur mehr eines ganz besonders herausgreifen, nämlich das Thema Höfesterben. Wir werden für die Umsetzung des Green Deal und die Herausforderungen in der Zukunft viel mehr Höfe brauchen. Das ist eine große Herausforderung. Das heißt, wir müssen diese Dynamik auch umkehren, und ganz eng damit verbunden – das ist vorher noch nicht diskutiert worden – ist jetzt dieses Thema der gerechten Verteilung der Förderungen, und da noch einmal anzuknüpfen und da noch einmal genauer hinzuschauen, ist gerade jetzt, wo einerseits sehr viel über den Green Deal diskutiert wird, aber andererseits gerade jetzt in Österreich der nationale GAP-Strategieplan ausgearbeitet wird und beschlossen wird, ganz wesentlich. Hier ist jetzt anzuschauen, was wir denn da nun tun und was wir machen. Das ist ganz entscheidend. Bei diesem nationalen GAP-Strategieplan, da braucht es jetzt eben auch diese Konzepte und Lösungen für die ökologischen Herausforderungen, und das eben auf eine Weise, dass die Bauern und Bäuerinnen gute, stabile Rahmenbedingungen vorfinden, um das auch umzusetzen. Das ist die Aufgabe, die jetzt zu tun ist.
GROẞ: Ich greife das Stichwort von der gerechten Verteilung der Förderungen auf. Sie haben das so hingestellt, aber wie schaut sie aus Ihrer Sicht aus, die gerechte Verteilung der Förderungen?
FORSTER: Derzeit sind sie ungerecht verteilt.
GROẞ: Weil die Großen mehr profitieren als die Kleinen?
FORSTER: Das ist ein ganz wesentlicher Punkt bei den Direktzahlungen: Je mehr Fläche man hat, umso mehr Gelder bekommt man auch, und hier endlich die ersten Hektare – wir fordern: die ersten 20 Hektare – doppelt zu fördern, das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Es gilt, hier endlich diese ungerechte Verteilung, die noch weiter befördert wird, abzuschwächen und endlich stabile Einkommen zu schaffen, weil es – und da ist mir auch noch einmal ein Punkt ganz, ganz wesentlich – in der kommenden Förderperiode so sein wird, dass gerade Bergbetreibe, die sich bisher in vielen Regionen noch sehr stabil halten konnten, in der nächsten Periode massiv wegbrechen und zusperren werden. Hier müssen wir dringend gegensteuern. Diese Bergbetriebe sind sehr oft auch die, die eben Almwirtschaft betreiben, die ein schönes Landschaftsbild bewahren, das uns wichtig ist, und eben auch Biodiversitätsleistungen und so weiter erbringen. Hier braucht es eine Umkehr, da können wir nicht einfach so weitermachen wie bisher.
GROẞ: Dann reden wir über das Thema Förderungen! Frau Doppelbauer, ich beginne jetzt mit Ihnen, weil Sie vorher nicht mehr drangekommen sind. – Bitte sehr.
DOPPELBAUER (NEOS): Also ich kann das vollkommen nachvollziehen. Ich komme aus dem Hausruckviertel, bin also nicht ganz so weit weg, und kenne die Situation recht gut. Ich glaube aber, dass es wirklich ein gesamtes Umdenken zum Thema Förderungen braucht. Was im Augenblick passiert, ist, dass man eben eine Hektarförderung kriegt. Viele wissen das ja gar nicht so genau, und wenn man den Menschen auf der Straße erzählt, dass man für einen Hektar Grund Geld kriegt, und je mehr, desto mehr Geld, dann ist das von ganz großem Unverständnis gekennzeichnet, und ich glaube, das ist schon eines der Riesenprobleme, die wir in der Landwirtschaft lösen müssen und die die Politik auch zu lösen hat, nämlich das Entfremden von der Landwirtschaft, und davon, wie eine Produktion ausschaut, was das kostet, was sie liefert, was sie leistet. Und da komme ich dann zu dem Thema, dass es eben einen unglaublichen Gap, also eine ganz, ganz große Schere zwischen dem, was die Menschen und die Gesellschaft oder die Bürgerinnen und Bürger wissen, und dem, was am Bauernhof wirklich los ist, gibt. Also darüber könnte ich stundenlang reden, aber das ist für mich eine ganz, ganz große Crux, die man auch lösen muss und wo man sehr viel mehr Engagement braucht. Wenn ich zur Fördersystematik komme, dann würde ich mir wünschen, dass wir das Wort Förderung gar nicht mehr in den Mund nehmen, denn Landwirtschaft erbringt Leistungen, und diese Leistungen, die der Markt nicht abgilt, die dem Gemeinwohl dienen, gehören von der Gemeinschaft refundiert und abgegolten, und wenn wir in ein System kommen würden, wo wir einfach über Leistungen sprechen, die die Landwirtschaft produziert – da gehe ich eben nicht nur von der Nahrungsmittelproduktion aus, da gehe ich zum Beispiel auch von der Bewirtschaftung einer Alm aus –, dann können wir hier, glaube ich, auch innerhalb der Gesellschaft ganz anders diskutieren und diesen Raum aufmachen. Da wünsche ich persönlich mir wirklich, dass man von einer eben Hektarförderung, dieser berühmten ersten Säule, die es gibt, weggeht und das in diese Leistungsabgeltung transformiert. Dazu braucht es für mich auch noch zwei, drei Dinge, für die auch die Politik verantwortlich ist, die mir ganz, ganz wichtig sind, nämlich eine Diversifikation der Einkommen – viele Bauern machen das, und die, die es machen, haben eigentlich einen großen Vorsprung –, und da gibt es große Möglichkeiten, nämlich zum Beispiel die Energieproduktion. Energieproduktion, die Energiewende ist das Thema der nächsten zehn, 15, 20, 30 Jahre, und hier gibt es eine Riesenmöglichkeit für die Landwirtschaft, auch Einkommen zu generieren, wenn denn die Politik die Rahmenbedingungen dafür schafft. Daher sage ich, ja, das sage ich jetzt wirklich dezidiert aus, wir wollen das, und wir haben da schon ganz, ganz viele Anträge eingebracht, aber da muss natürlich die Bundesregierung - -
GROẞ: Sagen Sie nur ganz konkret, wie zum Beispiel, durch welche Beispiele?
DOPPELBAUER (NEOS): Ich sage nur Agrarfotovoltaik, ich sage Windparks, ich sage hier Erzeugergemeinschaften, wo man den Landwirten ermöglicht, einzuspeisen und dort Strom und Energie zu verkaufen. Ein weiterer Punkt, und das habe ich vorhin schon angesprochen, wäre die CO2-Speicherung, Humusaufbau, die Pflege von Almen. Eine gepflegte Alm hat eine CO2-Speicherkapazität, die man eigentlich abgelten sollte. Wir haben Diskussionen geführt, ob man diese CO2-Speicherung nicht in den Emissionshandel mit aufnehmen kann. Das sind die zukünftigen Möglichkeiten für die Landwirtschaft, neue Einkommen zu generieren, und in diese Richtung müsste man hier die Bürokratie umbauen, abbauen und die politischen Rahmenbedingen schaffen, damit es eben auch weitergeht. Das wäre politisch mein Wunsch.
GROẞ: Vielen Dank. – Herr Strasser.
STRASSER (ÖVP): Wenn man in der österreichischen Landwirtschaft, bei Bäuerinnen und Bauern eine Umfrage machen würde: Wer fühlt sich als großer und wer als kleiner Betrieb?, dann glaube ich, dass eine überwiegende Mehrheit mit dem Blick nach Deutschland, Frankreich oder international sich selbst, einfach subjektiv, als kleinen Betrieb einschätzt. Sie haben da einige Proponenten vor den Vorhang geholt; die wären wahrscheinlich auch dabei. Und auch die Statistik beweist, dass die österreichische Landwirtschaft eine kleinstrukturierte ist. Wo will ich hin? – Die Umverteilungszahlung ist aus subjektiver Sicht mit großen Erwartungshaltungen verbunden – ich hoffe, dass wir diese erfüllen können –, und sie wird kommen, weil es die europäische Einigung sozusagen vorschreibt. Das ist okay und das wird man ausarbeiten. Ich möchte aber mit dem Missverständnis aufräumen, dass in Österreich nur auf Basis der Fläche Gelder verteilt werden. Das ist ja absolut unrichtig, denn es gibt die ländliche Entwicklung, da wird gefördert von der Regionalentwicklung bis hin zur Jungunternehmerförderung, Investitionsförderung, dann gibt es Module, wo Ökoleistungen, Klimaleistungen, Biodiversitätsleistungen abgegolten werden, und – ich schließe den Kreis – es gibt die Ausgleichszahlung, das ist die sogenannte Bergbauernförderung. Und wir wissen aus der Statistik, dass diese Bergbauernförderung hilft, vor allem deswegen, weil sie ein sehr wissenschaftlich ausgeklügeltes Modell ist, wo treffsicher kleine Betriebe und benachteiligte Betriebe mehr Geld bekommen. Und was ist die Erfolgsbilanz? – Dass sozusagen, wenn man überhaupt das Vokabel in den Mund nehmen darf, im Westen Österreichs, im Berggebiet, der Strukturwandel geringer ausfällt als im Osten, im Ackerbaugebiet, und das sollte uns zu denken geben. Wir brauchen das Ackergebiet mit speziellen Unterstützungsmaßnahmen, und wir brauchen das Berggebiet. Und ich wiederhole es noch einmal: Die Ausgleichszahlung ist bereits jetzt eine sehr ausgeklügelte Umverteilungsmaßnahme, die in den letzten Jahrzehnten gewirkt hat, und dort wollen wir in aller Intensität weiter arbeiten.
GROẞ: Vielen Dank. – Herr Schmiedlechner, wie schaut aus Ihrer Sicht ein gerechtes Fördersystem aus?
SCHMIEDLECHNER (FPÖ): Ein gerechtes Fördersystem: Also ich glaube, dass sich ein Großteil der Landwirte, wie es auch da in dem Beitrag gesagt worden ist, weg von dem Abhängigkeitssystem der Förderungen und eher hin zu einem ordentlichen Produktpreis wünscht. Und ich denke einfach, müsste man auch bei den Flächenförderungen, die momentan pro Hektar ausbezahlt werden – das ist ja tatsächlich so –, ansetzen und in eine Richtung gehen, dass man sagt, man fördert die Arbeitskraft am Bauernhof, weil ich denke, das ist ja gerade das große Problem: das Einkommen in der Landwirtschaft. Und ein Spruch nur: Arbeit ist nur lustig, wenn es sich lohnt, also wenn man etwas verdienen kann. – Da denke ich einfach, dort müssen wir ansetzen und dort können wir das Höfesterben dann auch bekämpfen und auch daran etwas ändern. Und ich denke einfach einmal, dass, wenn vorher von Ihnen gesagt worden ist, wir als Abgeordnete sind gefordert, alle Abgeordneten der Oppositionsparteien sehr viele Anträge und sehr viele Vorschläge in den Ausschüssen eingebracht haben. Ich darf nur einige nennen, erstens einmal den, den Arbeitsplatz Bauernhof zu fördern. Dann haben wir auch schon bereits etwas eingebracht betreffend Landschaftsschützerbonus gerade für die Bergregion, und ebenfalls ein wichtiger Antrag ist der betreffend CO2 durch Humusaufbau binden. Also dort gibt es sehr viele Vorschläge von den Oppositionsparteien, die leider immer mit irgendwelchen Argumenten abgeschmettert beziehungsweise vertragt werden. Ich befürchte wirklich, dass beim Green Deal sehr viel Green, aber wenig Deal für die Bauern überbleibt, und ich denke einfach, dort sollten wir uns wehren. Beim Rucksack, der den Bauern da wieder umgehängt wird, werden im Endeffekt mehr Auflagen und mehr Richtlinien überbleiben und weniger Verdienst für die Bauern.
GROẞ: Vielen Dank. Jetzt haben wir, Frau Herr, gehört, dass in den letzten 25 Jahren 60 000 Betriebe zugesperrt haben, ein Ende ist da noch nicht absehbar. Und noch eine Tendenz zeigt sich jetzt – auch das ist ja in diesem Beitrag deutlich geworden –: Männer ergreifen Jobs, damit die Familien überleben können, und die Frauen arbeiten dann mit viel Herzblut, aber zu Dumpingpreisen in der Landwirtschaft, wie unsere Biobäuerin Magdalena Gumpold, die wir vorhin gesehen haben. Auch das ist eine Entwicklung, die gerade jetzt jemanden wie Sie mit großer Sorge erfüllen müsste, oder?
HERR (SPÖ): Absolut! Vor allem möchte ich mich auch beim Experten für den Hinweis bedanken, weil eben das Ende des Höfesterbens noch nicht in Sicht ist, sondern dieses auch in den nächsten Jahren droht, wenn wir, ich kann (eine Tafel zeigend) es nur noch mal herzeigen, diese Förderstruktur nicht endlich ändern. Wir haben hier ein Viertel, das de facto ein Negativgeschäft macht. Da kann man nicht hergehen und sagen: Nein, die Förderungen, das passt eh!, wenn es ganz offensichtlich nicht funktioniert, und natürlich sind dann die Leidtragenden auch die Frauen, die auch für die Altenpflege, für die Kindererziehung, für so vieles am Hof zuständig sind. Auch das muss in zukünftigen Förderschienen beachten werden. Und lassen Sie mich noch etwas sagen – das war der Punkt, den ich vorher sagen wollte –: Wenn ich davon spreche, dass wir auch in der Landwirtschaft Umweltschutz, Naturschutz stärken wollen, dann wird das immer als Haltung gegen die Bauern, als Kritik an Bauern, Bäuerinnen ausgelegt, aber das ist es ja überhaupt nicht. Ich glaube, die Geschichte des Eis in Österreich ist ja auch eine Erfolgsgeschichte. Da hat man sich getraut, mutiger zu sein, da hat es strengere Vorgaben als im EU-Durchschnitt gegeben – Stichwort Käfighaltung und so weiter –, und was ist passiert? – Die Produktion ist nicht eingebrochen, obwohl man beispielsweise den Schritt in Richtung Tierwohl gegangen ist, sondern heute werden auch mehr Eier produziert. Das heißt, hier ist die Produktion sogar angestiegen. Das heißt, wir sehen, biologisch nachhaltig muss nicht immer automatisch etwas Schlechtes für den Landwirt, für die Landwirtin sein, sondern es kann ja auch funktionieren – wie gesagt, beim Ei haben wir es gesehen. Auch beim Beispiel Milch wissen wir, dass jene, die nachhaltig Heumilch und so weiter produzieren, dann im Endeffekt höhere Preise bekommen haben, auch gerade während der Coronazeit. Das heißt, wenn ich davon spreche, dass wir Klimaschutz betreiben, um auch wirklich langfristig Landwirtschaft betreiben zu können, dass sich das ausgeht mit der Bewässerung beispielsweise – davon haben wir noch gar nicht gesprochen, dass dafür Klimaschutz notwendig ist –, dann hilft uns das allen gemeinsam, weil es eine gesellschaftliche Aufgabe ist – natürlich auch für die Landwirte und Landwirtinnen gemeint. Biologisch muss nicht schlecht bedeuten, sondern – ganz im Gegenteil – das ist für uns alle ein Gewinn. Und schon gar nicht will ich die Kritik an den Bauern und Bäuerinnen hier so stehen lassen, weil ich die nicht formuliert habe. Die Kritik habe ich in Richtung (eine Tafel zeigend) dieses Fördersystems ausgesprochen, weil wenn wir eine ökologische Produktion wollen, dann müssen wir sie natürlich auch dahin gehend unterstützen, und das ist jetzt möglich, und das beschließen wir hoffentlich auch bald einmal im Parlament – weil die letzten Jahre hat es anders ausgeschaut.
GROẞ: Herr Stammler, jetzt haben Sie diese Themen in früheren Jahren ja auch sozusagen von der Oppositionsbank herunter besprochen und diskutiert; jetzt sitzen Sie in der Regierung. Was schlagen Sie zum Thema Förderung vor?
STAMMLER (Grüne): Ganz klar, wir haben das vorhin schon angesprochen: Es ist, glaube ich, auch das Ökosoziale genau in dem Förderwesen ein entscheidender Faktor, nämlich: Erstens muss ich Kollegen Strasser eh gleich widersprechen, was die Ausgleichzahlungen anbelangt. Die Ausgleichzahlungen sind gesunken. Wir haben mit dem Grünen Bericht ja grundsätzlich eines der besten Nachschlagewerke in Europa über den Zustand der österreichischen Landwirtschaft, und der Grüne Bericht weist jedes Jahr ein weiteres Minus für die Bergbauern aus. Das ist nicht wegzudiskutieren, das steht schwarz auf weiß – und der Grüne Bericht ist auch kein Werk von mir, auch wenn er Grüner Bericht heißt, sondern ein Werk des Landwirtschaftsministeriums. Du wirst doch nicht an deinen eigenen Zahlen zweifeln? Gleichzeitig sehen wir, dass ja nicht nur die kleineren Betriebe schlechter gefördert und gestützt werden, sondern die kleinen Betriebe zahlen auch verhältnismäßig hohe Sozialversicherungsbeiträge. Das geht so weit, dass Betriebe bis 12 000 Einheitswert – das Maß, nach dem die Sozialversicherungsabgaben zu entrichten sind – teilweise sogar ein negatives Betriebsergebnis nach Zahlen der Sozialversicherungsbeiträge haben – also ein Unding, das es eigentlich auch nur in der Landwirtschaft gibt. Ich möchte noch einmal ganz kurz zurück auch zur Kritik von Frau Minister Köstinger am Lebensmitteleinzelhandel. Ganz klar, wir haben hier drei große Player, und das ist eine große Allmacht gegenüber Zigtausenden Betrieben auf der anderen Seite. Was da aber ganz gerne vergessen wird: Wir haben dazwischen verarbeitende Betriebe. Über 95 Prozent der Milch werden zu Genossenschaftsmolkereien unter dem Dachverband der Raiffeisen Bank geführt. Der gesamte Getreidemarkt und, und, und unterliegt eigentlich einem Handelswesen der Raiffeisen Banken, und da muss man schon sagen, auch da ist eine Konzernmacht da, und wenn man das über die Generationen so etabliert hat, auch als einzige Branche die Landwirtschaft - - Bei der Milch, die ich an die Molkerei liefere, da stelle nicht ich die Rechnung dafür, sondern die Molkerei sagt mir: Du hast so und so viel geliefert, so und so viel bekommst du. – Genau dasselbe gilt am Holzmarkt. Wir haben da eigentlich die Handelsmacht völlig aus der Hand gegeben, und aus einer ehemaligen Genossenschaft ist mittlerweile der größte Konzern Österreichs geworden. (STRASSER: Ich darf den Kollegen korrigieren. Er hat mich falsch zitiert.)
GROẞ: Bitte, dann folgt eine kurze Korrektur oder eine tatsächliche Berichtigung, würde es im Parlament heißen.
STRASSER (ÖVP): Kurze Korrektur: Ich habe über den Strukturwandel gesprochen, über den man auch im Grünen Bericht nachlesen kann, dass das Berggebiet – zum Glück – einen geringeren Strukturwandel aufweist als das Ackerbaugebiet, wo es trocken ist. Zur Kollegin Herr: Konsequent bleiben! Warum macht die Arbeiterkammer permanent Preisvergleiche und prangert die österreichische Lebensmittelpreisstruktur an? Ich wünsche mir einfach Solidarität entlang der Wertschöpfungskette (HERR: Genau!), und die fängt bei den Preisvergleichen der Arbeiterkammer mit Deutschland an.
GROẞ: Wir sind sonst unhöflich, denn wir haben einen Experten hier, der noch nicht einmal richtig zu Wort gekommen ist, ich möchte also wieder zu Franziskus Forster zurückkommen. Wenn Sie bis jetzt die Diskussion verfolgt haben, sind Sie optimistisch, was die Zukunft der Landwirtschaft und vor allem der Kleinbäuerinnen und -bauern betrifft?
FORSTER: Ich denke, die Diskussion, die geführt wird, ist außerordentlich wichtig, und ich finde es in der Diskussion ganz zentral, einmal die Chancen zu sehen, die in der Suche nach Antworten auf die Klimakrise, auf das Artensterben, das auch eng mit dem Höfesterben zusammenhängt, stecken. Da steckt eine Chance drin, dass man als Gesellschaft – wir haben vorher auch vom gesamtgesellschaftlichen Versagen gesprochen –, dass da quasi ein Ruck durch die Gesellschaft geht, um wirklich Lösungen voranzubringen. Meine Befürchtung ist aber, wenn ich mir die bisherigen Vorschläge für die GAP anschaue, für die Gemeinsame Agrarpolitik der EU, die derzeit seit 2018 ausgearbeitet wird und in ihren Zielen und der Zielerreichung immer weiter verwässert wurde, um die es ja gehen muss, dann befürchte ich, es wird ein Weiter-wie-bisher sein. Es gibt aber noch die Chance, da tatsächlich bis Ende des Jahres etwas auf den Tisch zu legen.
GROẞ: Was müsste denn drinnen stehen, damit Sie zufrieden wären oder damit Sie sozusagen wieder hoffen könnten?
FORSTER: Ich habe eh bereits über die gerechte Verteilung, die doppelte Förderung der ersten 20 Hektar gesprochen. Ganz wesentlich ist auch, dass es weiterhin eine sinnvolle und zielführende Biomaßnahme gibt. Die ist derzeit bedroht, dass sie in der GAP gar nicht mehr vorkommt. In puncto Klimakrise braucht es dann Maßnahmen, die jetzt nicht einfach umetikettiert werden, sondern tatsächlich auch Transformationspfade für die Bauern und Bäuerinnen ermöglichen. Ebenso ist es wichtig, dass wir in Richtung Artenschutz und Ökosystemdienstleistungen von Bauern und Bäuerinnen etwas voranbringen und das gleichzeitig verbinden. Das, finde ich, ist die große Chance – auch da ist vorher schon einiges angeklungen –, quasi eine agrarökologische Ausrichtung voranzutreiben, wo es nämlich dann auch möglich wird – nicht wie bisher mit einem extrem hohen Inputeinsatz, mit verschiedenen Betriebsmitteln, Düngemitteln, Pestiziden und so weiter möglichst billig Lebensmittel zu produzieren, davon müssen wir wegkommen, sondern es zeigen ganz viele Studien, dass mit biologischer Landwirtschaft, mit agrarökologischer Landwirtschaft, mit weniger Ressourceneinsatz, wo man sich dann auch Kosten spart und damit auch die Einkommen steigern kann –, dass gleichzeitig die Wertschöpfung in die Betriebe zurückkommt. Da haben wir auch noch einmal dieses Problem, dass die Wertschöpfungskette - - Handel ist gefallen, aber es gibt auch dazwischen noch einige Bereiche, wo wirklich etwas zu tun ist und wo es eben gerade jetzt auch diese Chancen gibt, diese zurück auf die Höfe zu bringen, und dann wären wir da, wo ich mir denke: Das ist eine Vision für die Zukunft.
GROẞ: Würde das heißen, dass man die derzeitigen Produktionsmengen einfach drosseln muss? Wenn ich nur eine Zahl einwerfen darf: Ich glaube, in Österreich werden im Jahr 5 Millionen Schweine geschlachtet. Das wäre dann in dem System, von dem Sie träumen, nicht mehr möglich, oder?
FORSTER: Ja, ich glaube, es sind sogar 6 Millionen. Da ist der Punkt: Gerade die Schweine sind ein sehr gutes Beispiel, da gibt es derzeit keine standortgerechte Landwirtschaft, die wir haben. Da werden nach wie vor 320 000 Tonnen Soja aus Brasilien importiert. Man kennt es, auch die Verbindung zu Regenwaldbränden und so weiter. Da sind wir an einem Punkt, wo es wirklich Handlungsbedarf gibt. Diese Reduktion im Schweinebereich beispielsweise, die lässt sich eben sehr gut verbinden, weil man sozusagen - - Warum müssen wir dann zwingend exportieren? Warum wird das Soja von Übersee sozusagen hierher transportiert, um dann wieder exportiert zu werden. Das ist ein Kreislauf, der sich um die ganze Welt zieht und der eigentlich nur Probleme verursacht – und das brauchen wir gar nicht. Wir brauchen standortgerechte Landwirtschaft. Auch bei den Wiederkäuern: Wir haben einen sehr hohen Berglandwirtschaftsanteil, die Wiederkäuer können Gras fressen. Auch da: Wenn man sich darauf konzentriert, was sie gut können, dann steckt auch da wieder eine Chance drinnen. Es werden weniger Mengen sein, die in Summe produziert werden, aber die Wertschöpfung kann nur größer werden. Das ist eine Chance, die ich sehe.
GROẞ: Wir haben einen Player, wenn man so sagen will, in dieser ganzen Kette bisher noch gar nicht explizit angesprochen: den Konsumenten, die Konsumentin. Wie groß ist denn der Hebel, den die Konsumenten haben, und wie wichtig wäre es, da eine noch stärkere Bewusstseinsbildung zu betreiben?
FORSTER: Ich denke, wenn man über diese gesamtgesellschaftliche Frage nachdenkt, dann ist natürlich die Rolle von KonsumentInnen wichtig, dass jeder Mensch überlegt und sich auch darüber bewusst wird, dass die Art und Weise, wie ich einkaufe und was ich esse, ganz eng verbunden ist mit der Art und Weise, wie unser Land ausschaut, wie es auf den Höfen zugeht und wie es den Höfen auch geht. Da braucht es quasi mehr Solidarität, um eine Veränderung zustande zu bringen, und das auch mit weniger Lebensmittelverschwendung zu verbinden, ist wesentlich. Gleichzeitig geht es aber nicht nur um die KonsumentInnen, denn die können diese Verantwortung alleine auch ganz bestimmt nicht tragen. Wir haben vorher über diese Machtkonzentration gesprochen. Die Werbung beeinflusst die Information, die KonsumentInnen überhaupt haben können, und da ist die Politik gefordert und da braucht es eben auch diese Veränderung, dass in der Wertschöpfungskette diese Machtkonzentration auch wieder reduziert wird. So kann die Wertschöpfung einerseits zu den Höfen zurück und andererseits können KonsumentInnen in dieser Vision dann eben auch auf gesunde, leistbare, nachhaltige Lebensmittel zählen. Das wäre die Vision, die wir meiner Meinung nach gesamtgesellschaftlich auf den Weg bringen sollten.
GROẞ: Ich sage vielen herzlichen Dank für Ihren Beitrag, Franziskus Forster. Meine Damen und Herren, für die Schlussrunde kommt die Frage heute nicht von mir, sondern die Frage kommt von einem unserer Interviewpartner, den Sie bereits aus unserem zweiten Beitrag kennen, nämlich vom Milchbauern Johann Konrad. Hier ist sie.
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Es folgt eine Videoeinspielung:
Johann Konrad: Ich hätte eine ganz große Frage, die stelle ich sehr vielen, und zwar: Wo seht ihr die Landwirtschaft in zehn Jahren? Wo sind wir, wenn wir so weitertun? Wie stellt ihr euch die Landwirtschaft vor? Wie soll die Landwirtschaft ausschauen –nicht abhängig davon, ob ihr noch einmal gewählt werdet oder nicht, sondern mit Wahrheit? Ich lade jeden Politiker zu mir auf den Hof ein, mit Ehrlichkeit: Schaut euch meine Situation an! Ich weiß, wie es ganz klein gewesen ist, und ich weiß, wie es jetzt ist, wie groß ich bin. Schaut euch die Situation an und dann reden wir über die Wahrheit, ganz einfach. Wo sind wir in zehn Jahren? In zehn Jahren ist diese Landwirtschaft – wie wir jetzt in Österreich fahren – kaputt. Wollen wir das?
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GROẞ: Frau Doppelbauer, ich beginne mit Ihnen. Was sagen Sie Herrn Konrad?
DOPPELBAUER (NEOS): Ich glaube, dass er seine Ängste zu Recht ausspricht, und ich glaube durchaus, dass es eine große Gefahr gibt, und deswegen braucht es da eine ganz, ganz mutige Politik, die sich einfach hinstellt und nicht immer nur sagt: Ja, wir machen eh, wir machen eh, wir machen eh! Zum Sterben ist es zu viel, zum Leben ist es zu wenig!, sondern es braucht einfach Maßnahmen, die dahin gehen, dass man sagt, wir brauchen eine CO2-Steuer, damit der Markt sozusagen stabilisiert wird und die Kosten des Transports auch wirklich angemessen verrechnet werden. Wir brauchen neue Einkommensquellen für die Landwirtschaft, das ist die Energieproduktion, das ist die CO2-Speicherung, und wir brauchen Menschen wie den Kollegen, den wir gerade im Fernsehen gesehen haben, der wirklich mutig nach vorne geht und die Politik auch vor sich hertreibt, denn im Augenblick hat man ein bisschen das Gefühl, dass da ein paar Sesselkleber, glaube ich, war vorher der Ausdruck, sitzen, die nicht weitergehen und nicht weitertun und sich nicht bewegen – und das ist tödlich für die Landwirtschaft.
GROẞ: Danke schön. – Frau Herr.
HERR (SPÖ): Ja, ich hoffe, dass wir in zehn Jahren eine regionale Landwirtschaft haben, dass der Zucker eben aus Österreich kommt, nicht aus Brasilien. Wir haben vorher schon ein Zitat gehört. Ich hoffe, dafür setzen wir uns jetzt alle ein, mit einem Lieferkettengesetz, dass endlich diese Importe, wo beispielsweise für unser Tierfutter der Regenwald brennt, beendet werden, dass unsere Landwirte und Landwirtinnen durchhalten, wir haben ja die Verzweiflung fast gehört, dass die durchhalten, dass sie endlich die Unterstützung bekommen, die ihnen zusteht – und zwar für eine nachhaltige, für eine ökologische, für eine naturnahe Landwirtschaft, die uns allen die besten Lebensmittel garantiert, die beste Gesundheit, aber auch ganz einfach all jenen, die in der Landwirtschaft beschäftigt sind, das Überleben wirklich sichert.
GROẞ: Danke schön. – Herr Schmiedlechner.
SCHMIEDLECHNER (FPÖ): Gut. Ich hoffe, dass die österreichische Landwirtschaft in Zukunft Bestehen hat und dass nicht die Devise: Wachsen oder weichen!, im Vordergrund steht. Leider befürchte ich da Schlimmes. Wenn ich mir das anschaue: Man sollte, glaube ich, weggehen von der Ankündigungspolitik, von dem Säbelrasseln vor den Wahlen, dass man dort den Handel kritisiert. Ich schlage ganz einfach vor – man hat das mehrfach von den Bauern gehört und ich spüre das auch draußen –: Die Bauern wollen ordentliche Preise, und dort gibt es die Möglichkeit, dass man sich einmal mit dem Verarbeiter, mit dem Handel, mit dem Konsumenten und natürlich auch dem Bauern zusammensetzt. Natürlich sollten auch wir als Standesvertreter, als Interessensvertreter dabei sein und dort einmal Klartext reden, wie man das umkehren kann, dass der Bauer einen ordentlichen Preis kriegt und man die Kalkulation, die jetzt von oben herab kalkuliert wird, mehr oder weniger umdreht und sagt: Das braucht der Bauer, dass er kostendeckend produzieren kann und dass er auch etwas erlösen kann, und den Rest müssen noch die verarbeitende Industrie und der Handel aufschlagen. Ich denke einfach, das wäre fair und es wäre höchst an der Zeit. Ansonsten wird man mit irgendwelchen Förderprogrammen oder Gießkannenaktionen, wo dann Geld ausgeschüttet wird, glaube ich, den Strukturwandel und das Höfesterben nicht verändern. Ein wichtiger Satz zum Schluss: Ich denke einfach, man muss halt mit dem Green Deal aufpassen, dass man nicht das Gegenteil erreicht. Man gefährdet, glaube ich, dort auch wieder sehr stark die Ernährungssouveränität. Das heißt, dass wir die Produktion bei uns einschränken, gleichzeitig wird aber das Lebensmittel dann gebraucht und billig importiert. Dort machen wir uns ein Riesenfenster auf, dass man eben dem Handel die Möglichkeit gibt, billig Rohstoffe zu importieren und die dann mehr oder weniger mit Eigenmarken hier zu verkaufen.
GROẞ: Vielen Dank. Zum Abschluss die Vertreter der Regierungsparteien: Herr Stammler.
STAMMLER (Grüne): Ich glaube, dass gerade die Farm-to-Fork-Strategie und der Green Deal sehr viele Möglichkeiten bieten, um genau beides abzuwenden und beide Gefahren abzuwenden: auf der einen Seite das Immer-größer-werden-Müssen und dann im Endeffekt in der Arbeitsfalle und am Ende dann doch wieder vor einem leeren Konto zu stehen, wie es auch Herr Konrad ausgedrückt hat, und gleichzeitig den Klimawandel zu bekämpfen. Ich glaube, dass beides möglich ist, und ich glaube, die Farm-to-Fork-Strategie hat ja nicht nur den Klimawandel im Auge, sondern wir haben ja darüber gesprochen: Sie bezieht den Markt mit ein. Es gibt soziale Standards, die berücksichtigt werden. Ich denke, dass da durchaus eine Chance besteht, genau diesem Wachsen-oder-Weichen einen Strich durch die Rechnung zu machen. Man hat, das haben wir auch gesagt, die Angst von Herrn Konrad gespürt. Angst ist ein fürchterlich schlechter Innovationsmotor. Ich glaube, es ist die Aufgabe der Politik, da eher Mut zu machen, Anreizsysteme mit einer ordentlichen Biomaßnahme zu machen, mit tatsächlich wirkungsvollen Förderungen auch in Richtung Ökologisierung Anreize zu schaffen und diese Transformation gelingen zu lassen.
GROẞ: Vielen herzlichen Dank. – Herr Strasser.
STRASSER (ÖVP): Ich bin fest davon überzeugt, dass auch in zehn Jahren die österreichische Landwirtschaft Österreicherinnen und Österreicher mit Lebensmitteln versorgen wird, weil ich weiß, dass die Lebensmittel am heimischen Markt von den Konsumentinnen und Konsumenten nicht aus Nordamerika oder Südamerika, sondern aus Österreich nachgefragt werden. Österreichische Bäuerinnen und Bauern werden weiterhin Biodiversitätsfragen, Klimafragen, Landschaftsfragen, Lebensraumfragen lösen. Letztendlich sehe ich die einzige Möglichkeit, wie wir mit dem Einkommen raufkommen können, in Marktaktivitäten. Da braucht es gesetzliche Rahmenbedingungen, da braucht es ganz viel Solidarität entlang der Wertschöpfungskette und da braucht es starke bäuerliche Zusammenschlüsse, um letztendlich den Händlern dort und da besser die Stirn bieten zu können. Das ist mein Plan, und den werden wir durchziehen.
GROẞ: Vielen herzlichen Dank Ihnen allen für diese leidenschaftliche, aber, wie ich finde, auch sehr konstruktive Diskussion. Ich glaube, sie hat gezeigt, wie sehr die Landwirtschaft die Basis unseres Lebens ist. Meine Damen und Herren, ich hoffe, Sie haben das zu Hause auch so empfunden. Jedenfalls vielen herzlichen Dank für Ihr Interesse, fürs Dabeisein. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Wir sehen uns dann in genau einem Monat wieder. – Auf Wiedersehen.