Open Government Data: ein Datenschatz für den öffentlichen Diskurs
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Sämtliche Lebensbereiche sind von der Digitalisierung durchdrungen, auch die öffentlichen Debatten. Die Voraussetzung? Daten. Ohne sie kann eine App entwickelt, keine Anwendung betrieben werden. Das österreichische Parlament stellt, gemeinsam mit den Städten, Ländern, Gemeinden und Bundesdienststellen, Daten frei und kostenlos zur Verfügung: auf der Open-Government-Plattform "data.gv.at – Open Data Österreich“. Warum dieser Datenschatz zugänglich gemacht wird, welche Daten man auf der Plattform finden kann und wie diese bereits genutzt werden – darum geht es in dieser Episode von „Rund ums Parlament“. Zu Gast sind Brigitte Lutz, Sprecherin der „Cooperation Open Government Data Österreich“ und Koordinatorin für „Data Governance“ der Stadt Wien sowie Simon Hofer, seitens des Parlaments der Verantwortliche für das Open-Government-Data Projekt.
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Transkript
Jingle: Rund ums Parlament. Der Podcast des österreichischen Parlaments.
Tatjana LUKÁŠ: Hallo und herzlich Willkommen zu „Rund ums Parlament“, dem Podcast des österreichischen Parlaments. Mein Name ist Tatiana Lukás und ich freue mich sehr, dass ihr auch heute wieder dabei seid, um mehr über unsere Demokratie und unser Parlament zu erfahren. Dass Daten das Öl des 21. Jahrhunderts sind, das hören wir immer wieder. Und tatsächlich haben uns Firmen wie Google, Facebook oder Amazon deutlich vor Augen geführt, was sich durch Daten und ihre wirtschaftliche Nutzung eigentlich bewegen lässt. Aber, wohlgemerkt, man kann Daten auch anders nutzen, nämlich frei und kostenlos zugänglich. Und genau so ein Angebot hat das österreichische Parlament zusammen mit den Städten, Ländern, Gemeinden und Bundesdienststellen. Auf der Open Government Plattform namens data.gv.at, Open Data Österreich, stellen sie ihre eigenen Daten zur Verfügung. Warum diese Kooperation aus Bund, Städten, Ländern und Gemeinden diesen Datenschatz verschenkt, welche Daten man auf der Plattform finden kann und wie diese bereits genutzt werden, darum geht es in dieser Episode von „Rund ums Parlament“. Und dafür habe ich mir zwei Gäste eingeladen. Nämlich zum einen sitzt bei mir Brigitte Lutz. Sie ist die Sprecherin der Cooporation Open Government Data Österreich und gleichzeitig Koordinatorin für Data Governance der Stadt Wien. Und zum anderen ist bei mir Simon Hofer. Er ist seitens des Parlaments der Verantwortliche für das Open Government Data Projekt. Schön, dass ihr beide hier seid.
Brigitte LUTZ: Schön, dass wir hier sein dürfen.
Simon HOFER: Danke schön.
LUKÁŠ: Und bevor wir jetzt starten, hätte ich noch drei kurze Fragen an euch, um eine Ahnung zu bekommen, wer Ihr seid. Was ist schöner: Frühling oder Herbst?
LUTZ: Herbst, weil es da so schöne Farben gibt.
LUKÁŠ: Und Du, Frühling oder Herbst?
HOFER: Ich würde den Frühling nehmen, weil alles wieder zum Leben erwacht.
LUKÁŠ: Wo fängt für dich Demokratie an?
LUTZ: Demokratie beginnt bei jeder oder jedem Einzelnen, weil man einen Beitrag dazu leisten kann.
HOFER: Demokratie fängt für mich eigentlich schon im Gespräch mit dem Gegenüber an. Also im Gespräch über Themen, der Austausch über politische Themen. Da beginnt Demokratie, bei den Bürgerinnen und Bürgern. Das sich dann übersetzt in Meinungen und den öffentlichen Diskurs.
LUKÁŠ: Die letzte Einstiegsfrage: Kompromiss oder beste Lösung?
LUTZ: Ich würde juristisch antworten: Es kommt darauf an. Manchmal leben die Beteiligten besser mit dem Kompromiss. Wenn es um fachliche, sachliche Themen geht, dann ist natürlich der Anspruch einer besten Lösung gut.
LUKÁŠ: Danke. Und bei dir? Kompromiss oder beste Lösung?
HOFER: Auch ein Mix aus beiden. Wobei am ehesten die beste Lösung, und dann natürlich vorteilhaft wäre, wenn das der Kompromiss ist.
LUKÁŠ: Das Beste aus beiden Welten... Vielleicht klären wir vorab, bevor wir in dieses Gespräch gehen, einmal: Was bedeutet das, Open Government, Open Data? Wenn Ihr das jemandem auf der Straße draußen erklären müsstet, der mit dem Begriff nichts zu tun hat, worum geht es da?
LUTZ: Open Data sind frei verfügbare Daten in maschinenlesbarer Form mit Metadaten ausgestattet. Metadaten heißt, man weiß, was die Daten bedeuten, wie sie zu verstehen sind. Und dieser Zusatz Open Government Data sagt, dass diese Daten aus der Verwaltung oder von der Regierung kommen.
LUKÁŠ: Und warum brauchen wir in Österreich, in Europa, in der Welt so etwas wie Open Government Data?
HOFER: Also ich würde jetzt aus Sicht des Parlaments natürlich sagen, wir befinden uns in einer Informationsgesellschaft. Die Basis von Diskursen basiert sehr, sehr häufig auf Daten. Als Beispiel hätten wir da: Während der Pandemie haben wir natürlich Daten zu den Infektionszahlen gehabt. Dann haben wir Daten zu den Impfzahlen. Aber auch jetzt während der Teuerung und Inflation: Dieser Diskurs basiert auf den Daten und dem Prozentsatz der Inflation. Und das Veröffentlichen dieser Daten und auch die erlaubte Weiterverwendung davon fordert natürlich die Transparenz des Ganzen. Und es trägt dazu bei, dass wir den gesamtgesellschaftlichen Diskurs transparenter machen können, weil wir eben die Grundlage, auf der der Diskurs basiert, haben und weiterverwenden können.
LUKÁŠ: Es gibt dieses berühmte Zitat von Brené Brown, das ist eine bekannte Podcasterin, die sagt, Geschichten sind Daten mit Gefühlen verknüpft. Gibt es zu diesen Open Government Data ein gutes Anwendungsbeispiel, wie diese Daten bereits genutzt wurden, um Geschichten zu erzählen?
LUTZ: Es gibt viele Beispiele, wie unsere Open Data genutzt werden. Wir haben auf der Plattform data.gv.at quasi Showcases, Anwendungen gelistet. Das sind jetzt schon mehr als 700, und da gibt es Visualisierungen, die sehr schön sagen, was diese Daten bedeuten und mit Bildern ausgestattet Geschichten über diese Daten erzählen. Ich möchte noch etwas ergänzen zu dem Thema „warum überhaupt Open Data in der Welt?“ Es war dieser Transparenzgedanke, der aus der Zivilgesellschaft gekommen ist. Und das gibt es weltweit, dieses Bedürfnis aus der Verwaltung Daten zu bekommen. Aber sicher war es auch ein Thema, dass es nichts Digitales ohne Daten gibt. Und vor zehn Jahren hat es begonnen, dass es Mittel gibt, dass es Tools gibt, wie man mit Daten Anwendungen schreibt, Apps zum Beispiel. Und alles Digitale braucht Daten. Und da war natürlich auch ein Ruf nach diesen Daten aus der öffentlichen Verwaltung, weil die sehr wertvoll für solche Anwendungen sind.
LUKÁŠ: Welche Daten findet man auf der Plattform data.gv.at?
HOFER: Im Falle des Parlaments finden wir auf der Plattform data.gv.at derzeit ungefähr 20 Datensätze, die vor allem Verhandlungsgegenstände und Metadaten zu Verhandlungsgegenständen beinhalten. Ein Datensatz, der da ein bisschen weitergeht, derzeit schon, sind die stenographischen Protokolle, wo wir die Volltexte maschinenlesbar anbieten.
LUKÁŠ: Und es soll jetzt eine Weiterentwicklung geben ab dem neuen Jahr. Was ist da geplant?
HOFER: Geplant und auch schon derzeit in Umsetzung ist, dass wir über diese Metadatenzurverfügungstellung weitergehen und sämtliche Detailinformationen von den derzeit schon bestehenden Datensätzen auch noch anbieten. Das heißt, wir haben eine vollumfängliche Abbildung des parlamentarischen Prozesses inklusive Ausschussberatungen inklusive Plenardebatten, aber auch inklusive der Abstimmungsergebnisse. Wir haben Verlinkungen zu Themen der Parlamentskorrespondenz und wirklich eine sehr große Erweiterung der Informationsdichte zu den Daten, die wir derzeit schon anbieten.
LUKÁŠ: Das heißt, wenn ich das richtig verstehe, es gibt Textdateien, oder wie muss ich mir das als Laie vorstellen? Wenn ich auf diese Seite gehe, spricht diese Seite zu mir? Kann ich mit diesen Informationen, die dort sind, etwas anfangen? Oder muss ich wirklich ein Journalist sein, der auf Datenvisualisierungen spezialisiert ist? Oder sind diese Daten für jedermann? Wie kann ich mir das vorstellen?
LUTZ: Open Data zeichnet aus, dass die Daten maschinenlesbar sind, das heißt eher von Computern verarbeitbar sind. Aber wenn man zum Beispiel Tabellen sucht – es gibt viele CSV Tabellen, die man mit Excel zum Beispiel öffnen kann –, dann kann natürlich jeder Mann und jede Frau auch diese Excel-Tabellen lesen. Die Zielgruppe, die wir da orten, wird wahrscheinlich nicht zum Beispiel meine Großmutter sein, außer sie ist sehr, sehr datenaffin. Aber wir wissen schon, dass es zum Beispiel viele Datenjournalistinnen und -journalisten gibt, die für ihre tägliche Arbeit auch hier recherchieren und diese Daten nutzen. Wir wissen auch, dass die Wissenschaft und Forschung diese Daten verwendet, weil bisher wurden Anfragen gestellt, und jetzt kann man ganz einfach auf diese Daten zugreifen, ohne nachfragen zu müssen. Aber auch in Schulen zum Beispiel werden diese Daten genutzt im Unterricht, weil es zur Untermauerung jedes Gegenstandes für das faktenbasierte Recherchieren tolle Datensätze gibt. Aber außer Tabellen gibt es auch geolokalisierte Daten, zum Beispiel. Also viel Kartenmaterial, Points of Interest, die geolokalisiert sind. Da gibt es zum Beispiel die Verwaltungsgrundkarte Österreich, die jeder für Anwendungen nutzen kann, in diversesten Varianten, als Hintergrundkarte mit Orthofoto, also mit den Bewegungsdaten verknüpft. Und das sind natürlich tolle Datenschätze, die man auch in Anwendungen, in Apps zum Beispiel, oder eben für Visualisierungen nutzen kann.
LUKÁŠ: Und diese Apps kann man dann auch verkaufen und nutzt aber zum Beispiel die Daten aus Eurem Datenschatz?
LUTZ: Wir haben die Lizenz so gewählt, dass auch kommerzielle Anwendungen aus diesen Daten entstehen können, und somit ist jede Art der Anwendung möglich. Mit dieser Lizenz ist lediglich verbunden, dass man sagen soll, „woher kommen die Daten?“ Das ist die sogenannte Namensnennung, also irgendwo in der App oder in einer Gebrauchsanleitung von einem Navigationssystem zum Beispiel muss angeführt werden, wo die Datenquelle ist, eben data.gv.at, und wer die datenbereitstellende Stelle ist.
LUKÁŠ: Und wer lädt die Daten eigentlich hoch? Wer stellt die Daten bereit? Wer sind die Heinzelmännchen im Hintergrund?
HOFER: Im Fall des Parlaments bin das ich. Das Parlament lädt die Daten an sich nicht hoch, sondern verlinkt auf unsere API. Das ist eine Programmierschnittstelle, über die ich die Daten herunterziehen kann. Und das stellen wir derzeit auf data.gv.at zur Verfügung. Man muss natürlich auch dazu sagen, dass das Parlament in der Masse und im Umfang von Daten Millionen von verschiedenen einzelnen Dateneinträgen zur Verfügung stellt.
LUTZ: An und für sich ist data.gv.at ein Gemeinschaftsprojekt ganz Österreichs. Die Daten sind dort, wo sie entstehen. Das heißt, sie bleiben auf den Datenplattformen der einzelnen bereitstellenden Stellen, also Bund, Länder, Städte, Gemeinden. Aber es gibt auch andere Dateneinbringer: In manchen Gesetzen ist jetzt schon data.gv.at zum Beispiel für Ausschreibungen genannt. Dann sind ausschreibende Stellen diejenigen, die die Metadaten, das heißt Datenbeschreibungen, über diese Ausschreibungen hochladen. Das heißt, die Metadaten kommen auf diversen Wegen auf data.gv.at und sind verlinkt mit den Daten, die auf diesen Datenplattformen in ganz Österreich zu finden sind. Mittlerweile gibt es schon über 40.000 Datensätze. Ein großer Anteil ist offener Haushalt, wo aus allen Gemeinden Österreichs eben Haushaltsdaten zum Beispiel publiziert sind.
LUKÁŠ: Jetzt ist es ja im Sinne der Bevölkerung, dass möglichst große Transparenz herrscht. Aber dann gibt es gleichzeitig das Thema Datenschutz. Welche Daten werden zum Beispiel nicht zur Verfügung gestellt aufgrund des Datenschutzgesetzes?
LUTZ: Datenschutzgesetz sagt ja, es geht um personenbezogene Daten. Das heißt, dort wo ein Personenbezug da ist – grundsätzlich als Denkhilfe sage ich immer unseren datenbereitstellenden Stellen – das ist eher nicht Open Data, weil ja Datenschutzgesetze immer einen Zweck und auch eine rechtliche Grundlage auch für die Verarbeitung fordert. Und da steht einmal der Datenschutz vor. Wobei, man kann nicht sagen „grundsätzlich keine personenbezogenen Daten.“ Ich glaube, gerade im Beispiel des Parlaments ist es ja so, dass es personenbezogene Daten gibt. Aber da gibt es eben die Einwilligung derjenigen, deren Daten publiziert werden. Aber eine zweite Einschränkung gegen die Veröffentlichung von Open Data sind auch zum Beispiel infrastrukturkritische Daten. Die wird man dort nicht finden. Oder geheime Daten. Diese Datenklassifizierung, das macht jede Organisation für sich selbst: Gibt es eine gesetzliche Grundlage oder gibt es die nicht? Oder was ist besonders geheim oder eben infrastrukturkritisch, das nicht an die Öffentlichkeit gelangen soll?
LUKÁŠ: Das entscheidet also jede Organisation für sich selbst. Und da gibt es niemanden darüber, der schaut, ob diese Entscheidungen im Sinne Aller sind?
HOFER: Nein, das Parlament zum Beispiel entscheidet das natürlich selbst, was wir hochladen und was wir hochladen wollen. Wir sind natürlich immer bestrebt, so viel wie möglich zu tun und so transparent wie möglich zu sein. Aber es gibt oft mehrere Hürden, die uns hier im Wege stehen. Zum Beispiel die technische Hürde. Wir haben immer wieder Anfragen von Journalistinnen und Journalisten oder Forscherinnen und Forschern, die gewisse Datensätze gerne hätten. Und wir müssen dann zum Teil sagen, es tut uns leid, wir können die Datensätze nicht veröffentlichen, weil wir nicht die Ersteller der Daten sind. Wir stellen diese Daten zwar auf unserer Website zur Verfügung, aber wir sind nicht deren Urheber. Wir sprechen da zum Beispiel von Beantwortungen von parlamentarischen Anfragen. Wir bekommen diese von den Ministerien als PDF übermittelt und haben einfach nicht den HTML-Text davon und können das somit nicht veröffentlichen. Eine weitere Hürde – wobei es keine Hürde ist, sondern mehr oder weniger die gesetzliche Grundlage – ist auch das Urheberrecht, also die Frage „was darf als Open Data veröffentlicht werden und was darf nicht als Open Data veröffentlicht werden?“ Wir haben gerade bei den Stellungnahmen im parlamentarischen Verfahren die Situation, dass wir eben nicht Urheber dieser Stellungnahmen sind, sondern das sind die Personen oder Institutionen, die sie abgeben. Das heißt, wir können sie zwar auf der Website zur Verfügung stellen, aber wir können sie nicht maschinenlesbar zur Weiterverwendung lizensieren und anbieten. Das heißt, es gibt außer dem Datenschutz noch weitere Hürden, die man natürlich immer beachten muss, wenn man diese Daten lizenziert und dann auch zur Weiterverwendung freigibt.
LUTZ: Letztlich kann das nur jede Organisation für sich selbst entscheiden. Jede Organisation kennt eben die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen sie tätig ist, und das muss beschlossen werden. Wir in Wien zum Beispiel haben da ein eigenes Board, quasi einen Fachbeirat, wo wir jede Datenpublikation besprechen, weil wir grundsätzlich in unserer Strategie haben: Open by Default, Open by Design, also möglichst offen zu sein. Aber solche Fragestellungen wie „haben wir rechtliche Hürden zu überwinden oder gibt es Einschränkung durch das Urheberrecht?“, das wird besprochen.
LUKÁŠ: Und Wien ist da ja recht weit voraus, habe ich manchmal den Eindruck. Ist das in den anderen Bundesländern auch so?
LUTZ: Ja, Open Government Data beziehungsweise Open Data war eigentlich immer ein städtegetriebenes Thema. Warum? Weil es da einfach die meisten Daten gibt, mit denen die Öffentlichkeit auch etwas anfangen kann. Es hat angefangen mit den Points of Interest, mit statistischen Daten und auch mit Echtzeitdaten, zum Beispiel von den Wiener Linien, die natürlich sehr gerne verwendet werden. Wir waren damals, vor über zehn Jahren, die Pioniere mit anderen Städten gemeinsam. Die Stadt Wien ist aber auch Land. Darum haben wir enge Kontakte, auch mit den anderen Bundesländern. Da gibt es natürlich auch die Initiativen. Wobei, es gibt eben ein bisschen, in Anführungszeichen, weniger Daten, die da publiziert werden können.
LUKÁŠ: Warum hat sich die Kooperation aus Bund, Ländern, Städten und Kommunen zum Aufbau einer Open Data Plattform gegründet? Hat das einen bestimmten Vorteil?
LUTZ: Na ja, wie schon gesagt, wir waren damals Pioniere, das war vor über zehn Jahren, und da gab es noch nicht so einen Informationsaustausch mit anderen und nicht viele technische Vorgaben. Und wir haben das irgendwie auch als Selbsthilfegruppe gegründet. Das waren nicht nur Bund, Länder, Städte, Gemeinden, sondern wir haben da auch die Wissenschaft und Forschung hinzugezogen und auch die Zivilgesellschaft, weil es eben damals wichtig war, diesen Start von Open Data gut hinzubekommen. Und da haben sich die gefunden, die an und für sich interessiert waren an dem Thema. Was wir damals gemeinsam entwickelt haben, war zum Beispiel: „Wie beschreiben wir einen Metadatenstandard?“, und den gibt es bis heute. Damals haben wir versucht, uns mit viel Know-how in einer Kooperation mit Deutschland und der Schweiz gemeinsam zu finden. Solche Beschlüsse wie die Creative Commons Lizenz, die wir verwenden, das haben wir damals auch in dieser Kooperation beschlossen. Und das hält auch noch bis heute, weil wir eben damals der Meinung waren, gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und denen, die uns quasi in diese Richtung Open Data – gedrängt ist vielleicht übertrieben, aber geführt haben – dass das die beste Lizenz für die Datennutzung ist. Und das hat sich bestätigt. In Deutschland war es nicht so, die haben ja am Anfang bis zu 90 unterschiedliche Lizenzen auf ihrer nationalen Plattform gehabt. Da hat natürlich jeder gesagt, das ist schwierig zu lesen, weil man da erst Nutzungsbedingungen durchblättern muss, die auch wieder seitenlang sind. Da schreckt man als Entwicklerin oder als Entwickler eher zurück, weil nicht jeder Jurist ist, der sich damit auskennt, was das eigentlich bedeutet und wie ich Daten nutzen kann. Also der große Nutzen ist, dass wir dort gemeinsame Festlegungen getroffen haben und die halten noch immer.
LUKÁŠ: Find ich schön, dass es da eine Zusammenarbeit im DACH-Raum, eine Befruchtung der Ideen gegeben hat. Es ist schön, dass die deutschsprachigen Länder da zusammengearbeitet haben. Gibt es das innerhalb der EU auch, einen Austausch zu diesen Themen?
LUTZ: Ja, data.gv.at hat eine Schnittstelle zum europäischen Datenportal. Und da gibt es natürlich auch den Austausch mit dem europäischen Datenportal. Da gibt es auch jährliche Rankings vom europäischen Datenportal, wo Österreich meistens Trendsetter ist. Und wenn wir zurückfallen in eine andere Gruppe, dann sind wir meistens entweder traurig oder auch ambitioniert, wieder in diese Trendsetterschaft zu kommen.
LUKÁŠ: Ich würde jetzt ganz gern noch mal zu diesen Anwendungen, die bereits zu Beginn unseres Gesprächs Thema waren, zurückkommen. 700 Anwendungen, heißt es. Kann man Anwendungen mit dem Begriff Apps gleichsetzen oder welches Feld macht sich da auf?
HOFER: Grundsätzlich, glaube ich, kann man Anwendungen jetzt nicht unbedingt mit App, so wie man es vom Handy kennt, gleichsetzen, sondern es sind Applikationen, auch Webanwendungen vor allem. Und für das Parlament wäre ein gutes Beispiel das „Parlagramm“. Das ist eine sehr schöne Anwendung, die auf den Daten der stenographischen Protokolle basiert, also auf den Texten der stenographischen Protokolle. Und mit dieser Applikation kann ich den Diskurs im Parlament mir anschauen und über den Zeitverlauf mir ansehen, welche Begriffe wie häufig in den Reden der Abgeordneten verwendet wurden. Das finde ich einen sehr schönen Usecase für parlamentarische Daten, der auch zeigt, was war wichtig, wann wurde darüber gesprochen? In unserem Fall ist es aber tatsächlich so, dass viele Anwendungen nicht auf data.gv.at ersichtlich sind, weil die Daten bisher vor allem in der Wissenschaft verwendet wurden, vor allem in der Parlamentarismusforschung, und die melden ihre Anwendungen oder ihre Papers oft nicht an. Dasselbe haben wir, wenn Journalistinnen und Journalisten das für einen Artikel verwenden oder für eine Reportage. Dann wird das nicht als Anwendung verstanden und wird nicht angemeldet. Das heißt, wir als Parlament, als Datenzurverfügungsteller, haben da ein bisschen das Problem, dass wir oft nicht genau wissen, wer macht jetzt was damit? Weil das eben nicht unter Applikation verstanden wird und dann nicht angemeldet wird. Leider.
LUTZ: Ja, es gibt sicher eine große Dunkelziffer. Also 700, da sind wir sowieso schon toll, mit dieser Auflistung, weil auch zum Beispiel Anwendungen aus dem Ausland sicher nicht gemeldet werden. Ich weiß aus Telefonaten, dass Entwickler:innen aus Asien zum Beispiel die Daten verwenden. Aber ich habe noch keine asiatische App zum Beispiel auf dem österreichischen Datenportal hier gefunden. Die Zugriffe, die wir kennen, da wissen wir, dass Daten natürlich international – Daten sind grenzenlos – abgerufen werden. Aber von den Anwendungen her sind es nicht nur Apps, es sind auch Bauwerke. Zum Beispiel steht in der Seestadt das Bauwerk Zeitkugeln, das die Echtzeitdaten der Wiener Linien verwendet und eben mit Kugeln zeigt, wann die nächste U-Bahn kommt. Es sind Visualisierungen, die meiner Meinung nach für die Allgemeinheit wieder die Daten ein bisschen greifbarer und sichtbarer machen. Und man merkt auch über die Zeit, wie sich die Technologie verändert. Am Anfang waren es die reinen Point-of-Interest-Apps, aber mittlerweile gibt es auch schon Apps mit Augmented Reality, Virtual Reality und, was mich besonders freut, für besondere Anspruchsgruppen. Zum Beispiel gibt es Bizeps, den Verein für Behinderte in Wien. Die haben sich Anwendungen geschrieben, die die Aufzugsdaten verwenden. Denn für jemanden mit einem Rollstuhl ist es viel wichtiger, überhaupt auf den Bahnsteig einer U-Bahn zu kommen, als zu wissen, wann die nächste U-Bahn kommt. Denn wenn der Aufzug nicht funktioniert, ist es auch egal, wann die nächste U-Bahn kommt. Und da ist es besonders schön, dass man sieht, dass Anwendungen entstehen, die so fürs tägliche Leben, für bestimmte Gruppen eben sehr wichtig sind.
LUKÁŠ: Jetzt haben wir ganz viel über Daten gesprochen und offene Daten. Dieser Begriff Metadaten, könnte ich mir vorstellen, macht einigen Hörerinnen und Hörern da draußen nicht Kopfweh, aber vielleicht ein Fragezeichen. Könnten wir den Begriff ganz kurz noch mal erklären?
LUTZ: Metadaten sollen an und für sich dazu dienen, diese Fragezeichen wegzubekommen, weil sie genau beschreiben, was die Daten können, wie sie ausschauen, wie sie zu verstehen sind. Also sind zum Beispiel Metadaten eine kurze Beschreibung des Datensatzes, dass man überhaupt einmal weiß, was darin ist, wie auch die einzelnen Datenfelder aufgebaut sind, wie man sie nutzen möchte. Es wird auch zum Beispiel gesagt: „Wie oft dieser Datensatz aktualisiert? Ist das etwas, was einmalig zur Verfügung gestellt wird oder laufend aktualisiert wird?“ Es steht auch darin, wer Kontaktstelle für diese Daten ist: „Wenn man Nachfragen hat, an wen kann man sich wenden?“ Also sollen die Metadaten dazu dienen, diese Daten viel besser zu verstehen, damit man die Daten besser nutzen kann.
LUKÁŠ: Also quasi der Infoschmuck rund um die eigentlichen Daten.
LUTZ: Genau, Information über die Daten.
LUKÁŠ: Wir haben vorher schon kurz angeteasert, data.gv.at wird laufend weiterentwickelt. Was sind die nächsten Schritte, die geplant sind?
LUTZ: Es steht für uns jetzt in den nächsten Wochen ein sogenannter Relaunch an. Relaunch heißt, data.gv.at bekommt ein neues Gesicht, wird ein bisschen frischer. Und was lange gefordert wurde: Die Suchfunktion wird verbessert, das heißt, man kann besser filtern, und nachdem jetzt schon diese zigtausend Datensätze zur Verfügung stehen, ist das sicher wichtig, damit alle diejenigen, die interessiert sind, viel besser das finden, was sie suchen.
LUKÁŠ: Und wurde diese Suchfunktion, die ja sicher auf Algorithmen beruht, wurde die inhouse, wurde die im Parlament entwickelt?
LUTZ: Also data.gv.at ist ein Kooperationsprojekt von allen, wird auch gemeinschaftlich finanziert vom Bund und den Ländern, und das Bundesrechenzentrum ist beauftragt, diese Plattform zu erstellen und auch weiterzuentwickeln. Aber wir sitzen gemeinsam in dieser Cooperation und sagen, „wo wollen wir hin mit dieser Plattform? Was sind die nächsten Schritte?“ Und es gibt dann gemeinsame Beschlüsse. Daran sind wir, auch die Stadt Wien und die Parlamentsdirektion, beteiligt. Wo unsere Datenkonsument:innen sagen, sie würden gerne die eine oder andere Funktionalität haben, und wir sagen gemeinschaftlich, „finden wir auch gut“, beauftragen wir das Bundesrechenzentrum, das umzusetzen.
LUKÁŠ: Und jetzt bekommt es Anfang des Jahres ein neues Gesicht und eine neue Suchfunktion. Gibt es irgendein Ziel, ein Dreijahresziel oder so, wo man dann sein will, mit dieser Plattform?
LUTZ: Ja. Wenn man in der Literatur liest „Open Data“, da gibt es so ein Fünf Sterne Modell, und den fünften Stern haben wir noch nicht. Das wäre sogenanntes Linked Open Data, das heißt Datensätze miteinander verknüpfbar zu machen. Das steht noch vor uns, ist sicher ein großes Projekt. Vielleicht beginnen wir einmal mit den Metadaten, diese zu verlinken, weil bei Linked Data natürlich auch bei den einzelnen Organisationen viel gemacht werden muss, diese Daten in dieser Richtung aufzubereiten. Und grundsätzlich arbeiten wir in der Cooperation an einem Zehn-Jahres-Programm, wo wir gesagt haben, „was wollen wir in den nächsten zehn Jahren erreichen?“ Also zum Beispiel mehr in Richtung Datenqualität und Feedbackschleifen, auch aus der Öffentlichkeit uns was zu überlegen, oder „wie machen wir die Daten besser verknüpfbar?“ Da gibt es eindeutige Schlüssel, und wir wollen ein Konzept entwickeln, wie man diese eindeutigen Schlüssel auch in die Metadaten besser einfügen kann, damit die Allgemeinheit noch viel mehr mit den Daten anfangen kann.
LUKÁŠ: … und auch rückmelden und Feedback geben.
LUTZ: Ja, das ist für uns ganz, ganz wichtig. Ich glaube, ihr habt auch diese Erfahrung: Das Feedback der Öffentlichkeit, das ist ja quasi auch eine zusätzliche Datenqualitätsprüfung.
HOFER: Ja, das Parlament hat letztes Jahr eine solche Feedbackrunde gestartet, wir haben es Crowdsourcing-Prozess genannt. Und in diesem Crowdsourcing-Prozess wurden einfach die Anwenderinnen und Anwender der Parlamentsdaten befragt: „Was können wir besser machen? Was wollt ihr noch, was braucht ihr?“ Und da kamen viele Rückmeldungen genau dazu, zu diesem Linked Data. Daten müssen irgendwie miteinander verknüpfbar sein. Gerade im parlamentarischen Geschehen ist das natürlich unerlässlich, das heißt, ein Abänderungsantrag muss ganz klar verknüpfbar sein mit dem Antrag, den er abändern möchte. Eine Rede muss ganz klar verknüpfbar sein mit dem Verhandlungsgegenstand, zu dem die Rede gehalten wird. Und all diese Dinge können wir in Zukunft nach dem Go-live anbieten und haben das auch umgesetzt. Und Crowdsourcing oder generell das Feedback aus der Community finde ich ganz wichtig, weil man als Datenanbieter natürlich mit den Daten selbst arbeitet, aber eben nicht immer Applikationen damit schreibt, nicht immer diese End-User Sicht hat. Und hier ist es ganz wichtig, dass man das nicht aus den Augen verliert, dass man eigentlich ein Serviceanbieter für die Öffentlichkeit ist und Daten nicht als Datenselbstzweck zur Verfügung stellt, sondern dass es einen Nutzen hat. Und der Service-Gedanke steht natürlich immer ganz groß dahinter.
LUKÁŠ: Das finde ich als Bevölkerung, als Vertreterin der Bevölkerung schön zu hören, dass das alles in Hinblick auf Transparenz und Zusammenarbeit gedacht wird. Vielen Dank für den Besuch und die spannenden Informationen und diesen Blick in den Maschinenraum von Open Government Data. Danke schön fürs Kommen.
LUTZ: Danke für die Einladung.
HOFER: Dankeschön.
LUKÁŠ: Und damit sind wir schon wieder am Ende dieser Folge von „Rund ums Parlament“, dem Podcast des österreichischen Parlaments, angelangt. Falls Ihr keine der kommenden Folgen verpassen wollt, dann abonniert uns einfach. Das geht überall dort, wo es Podcasts gibt. Zum Beispiel bei Spotify, Apple Podcasts, Google Podcasts, Deezer oder Amazon Music. Ihr könnt uns dort auch bewerten oder empfehlt uns Euren Freunden und Bekannten. Uns würde das freuen. Die nächste Folge erscheint schon in zwei Wochen, und dann solltet Ihr unbedingt wieder reinhören. Weil, dann spreche ich mit Gertraud Diendorfer, der Preisträgerin 2020 des Demokratiepreises der Margaretha Lupac-Stiftung. Und mit Barbara Blümel, der Geschäftsführerin der Stiftung. Gemeinsam werden wir über die Bedeutung von Demokratiebildung für unsere Gesellschaft sprechen, und ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr auch dann wieder mit dabei wärt. Falls Ihr Fragen, Kritik oder Anregungen zu „Rund ums Parlament“ habt, dann schreibt uns gerne. Unsere E-Mail-Adresse lautet podcast@parlament.gv.at. Und wenn Ihr euch noch weiter über das österreichische Parlament und unsere Demokratie informieren wollt, dann schaut doch mal auf der Website oder den Social-Media-Kanälen des Parlaments vorbei. Die Adresse der Website lautet www.parlament.gv.at. Beides, Mail-Adresse oder Website, findet Ihr natürlich auch in unseren Shownotes. Das war's so weit von mir. Ich sage vielen Dank fürs Zuhören. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Wir hören uns.
Jingle: Rund ums Parlament. Der Podcast des österreichischen Parlaments.
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