"Room Tour" durchs Parlament – Teil 1
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Über fünf Jahre wurde das Parlamentsgebäude saniert, erweitert und umgebaut. Vor der Wiedereröffnung führten der Vizedirektor des Parlaments Alexis Wintoniak und einer der mit dem Umbau beauftragten Architekten, András Pálffy, durchs Haus.
In der ersten Episode dieser Doppelfolge geht es über das neue Besucher:innenzentrum in den Nationalratssitzungssaal und bis hoch unters Dach.
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Transkript
Jingle: Rund ums Parlament. Der Podcast des österreichischen Parlaments.
Tatjana LUKÁŠ: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von „Rund ums Parlament”, dem Podcast des österreichischen Parlaments. Mein Name ist Tatjana Lukás, und wie man im Hintergrund hören kann, stehe ich gerade vorm Parlamentsgebäude am belebten Ring. Um dieses Gebäude wird es heute gehen. Es wurde jetzt seit 2017 erweitert und umgebaut, generalsaniert. Es ist jetzt gerade Mitte Dezember, wo wir diese Folge aufnehmen und die wichtigsten Arbeiten sind bereits fertiggestellt. Hier und da gibt es noch ein paar Kleinigkeiten zu vollenden. Insofern möchte ich vorwarnen: Wenn wir durch das Haus gehen, wird hier und da vielleicht noch ein Hämmern zu hören sein, ein Bohren, vielleicht Schweißarbeiten. Wir werden sehen, was auf uns zukommt.
Alexis WINTONIAK: Solange nichts runterfällt, ist alles gut.
LUKÁŠ: Solange uns nichts auf den Kopf fällt, alles gut. Ich habe heute zwei Gäste bei mir, die an dieser Sanierung maßgeblich beteiligt waren. Und zwar darf ich begrüßen den Vizedirektor des Parlaments, Alexis Wintoniak. Herzlich willkommen.
WINTONIAK: Grüß Gott!
LUKÁŠ: Vielen Dank. Und zum anderen ist bei mir der mit dem Umbau beauftragte Architekt András Pálffy.
András PÁLFFY: Grüß Gott. Ein Teil der Architekten.
LUKÁŠ: Ein Teil des Architektenduos.
PÁLFFY: Ja.
LUKÁŠ: Wie viele Architekten waren beteiligt? Zwei?
PÁLFFY: In der Summe waren in unserem Büro Jabornegg & Pállfy rund 40 bis 50 Personen beschäftigt. Das ist wie eine Ziehharmonika. Je nach Bauverlauf ist mehr Luft drinnen und manchmal weniger.
LUKÁŠ: Wunderbar. Danke für die Aufklärung. Und gut, dass Sie Ihr Team erwähnt haben. Das ist immer schön, die Arbeit derer, die nicht da sind, auch wertschätzend hervorzustreichen. Jetzt stehen wir vorm Parlament. Viele in Österreich waren natürlich schon mal da, haben es mit eigenen Augen gesehen. Wer noch nicht da war und jetzt mit uns unseren Audiospaziergang macht: Wie würden Sie das Parlament beschreiben, das Sie ja sicher sehr genau studiert haben, um dann einen entsprechenden Umbau gestalten zu können?
PÁLFFY: Es ist im Übergang zwischen der Moderne und dem Historizismus angesiedelt. Der Autor dieses Gebäudes, Theophil Hansen, hat einen Großteil seiner ersten Berufsjahre mit seinem Bruder beim Aufbau Athens, das damals ein kleines Dorf war, zur neuen Hauptstadt Griechenlands mitbetreut. Und natürlich gibt es hier eine große Analogie zu den archäologischen Funden, zur griechischen Antike, die sich hier als Formel oder als Abbild eines demokratischen Wesens darstellt. Das bildet auch die große formale Klammer dieses Gebäudes, das aber in seinem Inneren sehr wohl schon dem Aufbruch der Moderne verpflichtet ist. Dahingehend, dass Theophil Hansen wahnsinnig gerne mit Materialien gearbeitet hat wie Stahl, Glas, neuen Werkstoffen, die er nie hergezeigt hat, sondern immer hinter diesem eklektizistischen Kleid versteckt hat.
LUKÁŠ: Es bläst ein bisschen der kalte Wind uns um die Ohren. Wollen wir vielleicht langsam mit unserem Spaziergang beginnen und uns in dieses schöne Parlamentsgebäude begeben? Vielleicht währenddessen auch noch mal den zeitlichen Kontext umreißen, in dem es entstanden ist bzw. in welchem Zusammenhang es mit der anderen Ringarchitektur steht?
PÁLFFY: Der Startschuss für die ganzen Bauvorhaben entlang des Ringes ist 1857 mit einer kleinen Notiz des damaligen Kaisers Franz Josef an seinen Innenminister, dass er die Residenzstadt umwandeln soll in eine moderne Metropole, aber auf der Grundlage, dass er die Altstadt und Vorstadt miteinander verbindet. Das heißt, nicht so wie in anderen europäischen Städten, werden Stadtteile regelrecht niedergebrannt, abgebrochen und neu errichtet, sondern es ist ein Verbinden. Es ist ein Zusammenfügen, ein Zusammenführen von Richtungen, von Achsen, die auf einem Areal von circa 300 Hektar entstehen. Die Bastionen hatten eine Tiefe von 345 Metern und in diesem Areal mit den 300 Hektar entsteht dann eine Vielzahl von Straßen und Plätzen, es sind circa 90 bis 500 Bauten. Das Parlament war zu dem Zeitpunkt nicht vorgesehen. Es kam erst mit der Verfassungsänderung 1860 und der Bau- und Planungsbeginn war 1874 bis 1883. Das ist ein relativ später Bau an der Ringstraße, der dieses verbindende Element darstellt im Stadtraum. Darüber hinaus verkörpert er nicht nur den gesellschaftlichen Wandel mit seinen Bauten – also ein sehr selbstbewusstes Großbürgertum stellt sich zur Schau. Gleichzeitig ist es der Ort, der neue Funktionen aufnimmt, also neue Typologien. Das Parlament als Typologie gab es nicht. Daher auch die Orientierung an antiken Vorbildern, die sich an der inhaltlichen Gliederung im Herrenhaus und Abgeordnetenhaus eben dann widerspiegeln.
WINTONIAK: Ich glaube, was man auch noch erwähnen soll an diesem wunderschönen Tag, was unsere Hörer leider nicht sehen können, ist, wie glänzend und strahlend das sanierte Parlamentsgebäude im Sonnenschein sich präsentiert. Es ist nicht nur innen generalsaniert worden, sondern natürlich auch außen. Und wenn man an einem Tag wie heute vorbeigeht oder vorbeifährt, sieht man einfach, wie wunderschön das Gebäude geworden ist.
LUKÁŠ: Und wir haben bereits erfahren, dass dieses Gebäude an sich von Theophil Hansen vielfarbig geplant war, dass es außen gar nicht weiß hätte sein sollen, sondern eigentlich in vielen Farben hätte erstrahlen sollen.
PÁLFFY: Ja, die Vorstellung des polychromen Pathos, so kann man das auch nennen, gab es zu der Zeit. Und sie hat sich sehr orientiert an den Ausgrabungsergebnissen der Antike, insbesondere dann in der späteren Phase an Pompeji. Und die Auseinandersetzung dazu hat auch in der Architektur der damaligen Zeit, also im Eklektizismus, auch zu dieser Farbentheorie geführt, zu dieser Farbenpracht. Und Theophil Hansen wollte das unbedingt machen. Es gibt ein kleines Muster an der Fassade, aus welchen Gründen auch immer hat das Kaiser Franz Josef abgesagt. Und interessanterweise sind die einzigen Bauteile im Äußeren, die eine Farbe tragen, die beiden riesigen Schornsteine, die vergoldet sind. Das ist ein gewisser Anachronismus gegenüber diesem Anspruch der Farbigkeit.
LUKÁŠ: Dieses Gebäude wurde in den 50er Jahren schon einmal renoviert. Warum eigentlich?
WINTONIAK: Schwere Schäden im Zuge der letzten Wochen und Monate des Zweiten Weltkriegs. Es wurde ein Großteil des Gebäudes zerstört durch Bomben und daher wurde es in den 40er und 50er Jahren sukzessive wieder aufgebaut.
LUKÁŠ: Jetzt ist die letzte Renovierung gar nicht so lange her. Warum hat es dann überhaupt eine Sanierung jetzt gebraucht?
PÁLFFY: Das Gebäude, auch wenn es damals renoviert wurde, ist in seiner Grundsubstanz erschöpft gewesen. Und das betrifft mehrere Aspekte. Das ist die Gebäudehülle selber, das sind die Dächer. Das geht dann hinein bis in die ganze technische Ausrüstung des Gebäudes, die nicht den Anforderungen der Gegenwart entspricht. Und die wiederherzustellen war eine zentrale Aufgabe, die sich auch im Budget abbildet. Die ganze TGA und Haustechnik spielt hier eine große Rolle. Sie ist versteckt in den Böden, man sieht sie kaum. Sie müssen sich vorstellen, es sind rund 2000 Kilometer Kabel verlegt worden. Also das ist die Distanz von Wien nach Rom und retour als Kabel. Und das steckt hier drinnen. Also alleine diese Ziffer kann Ihnen schon durchaus beschreiben, was hier notwendig war. Das geht auch mit einem Abbruch einher von rund 26.000 Tonnen. Das ist nicht wenig. Und diese Mengenangaben beschreiben eigentlich sehr schön, welchen Handlungsbedarf es hier gegeben hat. Weniger der Schutt als die technische Ausrüstung. Alles andere ist natürlich eine Folgeerscheinung dieser Ertüchtigung. Und der Wunsch der ehemaligen Nationalratspräsidentin der Frau Dr. Prammer war wesentlich: dieses Gebäude in einem erhöhten Umfang der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Und das war auch Teil des Wettbewerbsverfahrens, das 2013 ausgeschrieben war und die Absicht hatte, dieses Gebäude einer Öffentlichkeit in einem erheblichen Maß zugänglich zu machen.
LUKÁŠ: Wie passend, dass wir jetzt gerade im Demokratikum ankommen. Das ist das Zentrum für Besucherinnen und Besucher, das einer breiten Öffentlichkeit jederzeit zugänglich ist, nach der Eröffnung des sanierten Parlaments. Wir waren schon hier in einer letzten Folge und haben uns umgeschaut und verschiedene Ausstellungsstücke und interaktive Screens bedient. Es war sehr gut umgesetzt, muss ich sagen. Es ist schön geworden. Herr Wintoniak, das Demokratikum ist einer der Räume, die neu zum Parlamentsgebäude dazugekommen sind. Jetzt haben wir schon gehört, das war eine Bedingung in der Ausschreibung, das mitzudenken. Warum?
WINTONIAK: Ich möchte das noch ergänzen. Die Beseitigung von Schäden und Mängel und die technische Ertüchtigung des Hauses war natürlich ausschlaggebend, dass man die Generalsanierung angegangen ist. Aber dann gab es die Frage: „Ist das Parlament noch ausreichend ausgerüstet für einen zeitgemäßen Parlamentarismus und für die Öffentlichkeit?” Und so sind wir eben zu einer Generalsanierung gekommen mit dem Prinzip der Nachhaltigkeit, nicht nur im umwelttechnischen Sinn oder der Barrierefreiheit, sondern auch nachhaltig im Sinne der Präsentation nach außen und der Integration der Öffentlichkeit. Und hier sind wir jetzt in einem Herzstück für dieses Anliegen im Demokratikum. Das war früher im Erdgeschoss eigentlich nur ein Raum von Werkstätten, Archivlager und sonstige Abstellplätze. Und die Architekten und die ausführende Firma haben es geschafft, einen vollkommen neuen Bereich von ungefähr 1500 Quadratmeter zu erschließen. Es ist hier alles ausgeräumt worden, was an Zwischenmauern und Zwischenwänden da war. Es gibt jetzt die statisch erforderlichen, tragenden Elemente, selbstverständlich wie früher. Wir sind hier direkt unter der Säulenhalle. Aber ansonsten ein sehr großer, weiter Raum, der der Demokratievermittlung und den Besuchern der Öffentlichkeit gewidmet ist.
LUKÁŠ: Gibt es jetzt neue Anforderungen an den Parlamentarismus? Dass es diesen Raum braucht, auch in dieser Größe und die sich in der Ausgestaltung niederschlagen?
WINTONIAK: Ja, sicher. Professor Pálffy hat gesagt, dass Ende des 19. Jahrhunderts hier sehr modern gebaut wurde. Aber jetzt, am Beginn des 21. Jahrhunderts, gibt es andere Anforderungen an modernen Parlamentarismus. Das ist nicht nur ein repräsentatives Gebäude, sondern ein Arbeitsparlament. Zu diesem Arbeitsparlament, wo wir eben die Arbeitsplätze für die Abgeordneten, für die Mandatare, für die Mitarbeiter erneuert haben und ertüchtigt haben, ist es auch darum gegangen, der Öffentlichkeit ein größeres Informationsangebot zu schaffen. Aber auch Kapazitäten zu bilden, dass wir mehr Besuchergruppen und mehr Schülergruppen, mehr Demokratiewerkstatt, Workshops usw. zulassen können. Also ja, es gibt neue Anforderungen. Ganz stark im Hinblick auf Öffentlichkeitsarbeit, Informationsvermittlung, Informationsangebote und das bilden wir hier im Demokratikum ab.
LUKÁŠ: Und jetzt kann jeder in das Demokratikum gehen. Kann man sich auch den Rest des Hauses ansehen, wenn man denn Lust dazu hat? Braucht es da eine Führung oder was für Möglichkeiten gibt es über das Demokratikum hinaus, sich in diesem Haus zu bewegen als Volk?
WINTONIAK: Hier ins Demokratikum und auch in die anschließende Bibliothek, wo wir jetzt auch einen schönen Blick hinein haben, kann jeder kommen und das individuell besichtigen, sich das Angebot ansehen, auch die Bibliothek besuchen und in der Bibliothek arbeiten. Wer das restliche Haus besuchen möchte, kann in einer Besuchergruppe mitgehen. Wir haben öffentliche Führungen, aber auch Führungsangebote für Gruppen. Und da gibt es auch verschiedene Schwerpunkte, also Schwerpunkt Gebäude, Schwerpunkt, Architektur, Schwerpunkt Demokratie. Oder auch Angebote, die für die einzelnen Gruppen ausgerichtet sind, also Schüler, Lehrlinge. Und wir können auch individuelle Programme hier zusammenstellen. Und ja, es ist geplant, dass wir unser Führungsangebot sukzessive ausbauen, weil wir eben, wie gesagt, jetzt noch mehr Besucherinnen und Besucher hier ins Haus lassen können.
LUKÁŠ: Wir sind jetzt gerade auf dem Weg in den Plenarsaal des Nationalrats und es stellt sich mir die Frage: Ist das auch der Weg, den die Abgeordneten zur Sitzung gehen?
WINTONIAK: Das ist absolut auch der Weg, den die Abgeordneten gehen werden. Aber den Betrieb des Hauses, den werden wir dann nach ein paar Monaten analysieren. Wie überall werden sich gewisse Wege mehr durchsetzen als andere. Das wird man dann in der Praxis erkennen. Aber grundsätzlich ja. Das ist eines von den vier neuen, so markanten und schönen Stiegenhäusern. Aber zu der Architektur dieser Stiegenhäuser, die ganz zentral ist, wird Professor Pálffy mehr sagen.
PÁLFFY: Der Anlass für diese vier Treppenhäuser ist eine Verbindung zwischen dem Publikumsbereich im Erdgeschoss und dem Dachgeschoss. Das ist jetzt nicht nur eine Verbindung im sprichwörtlichen Sinne, sondern es ist auch eine notwendige Verbindung, denn es ist ein Fluchtweg. Und der wurde angeordnet in den Leerstellen, die Theophil Hansens uns zurückgelassen hat, das sind die sogenannten Wäschereihöfe. Sie sehen an der Tektonik, dass das eine Außenfassade war. Wir haben die Oberflächenstrukturen mitgenommen und haben hier ein Treppenhaus hineingestellt – das gibt es auch noch einmal gespiegelt –, das in keinem Verbund steht mit dem Bestand, es ist davon losgelöst. Man muss diese beiden Treppenhäuser so sehen, dass sie im oberen quasi einen Tisch formen. Sie sind wie ein Tisch hineingestellt in die Bestandsarchitektur und greifen sie nirgendwo an. Sie sind abgesetzt, damit man nicht nur die Geschichte sieht, sondern dass auch ein Tageslicht hereinkommt, so tief wie möglich, nämlich bis nach unten. Und das tut es auch.
LUKÁŠ: Wie schwierig ist es, ein bestehendes Gebäude in die in die Hände gelegt zu bekommen und dann zu entscheiden: Und hier, diese Leerstelle wird besetzt, weil freie Räume bedeuten ja immer, dass der ursprüngliche Erbauer die als freie Räume haben wollte. Wie geht man damit um? Welchen Raum darf ich besetzen, welchen lasse ich frei? Spielt das viel über die Geschichte des Hauses rein, indem man die analysiert? Oder wie entscheidet man so was?
PÁLFFY: Die Geschichte des Hauses spielt eine große Rolle zum einen, das Bundesdenkmalamt spielt eine große Rolle zum zweiten, diese Maßnahmen damit abzustimmen. Aber bevor man sie abstimmt, ist es auch so, dass das jetzt nicht eine ex cathedra Verkündung von Architekten ist, sondern die wird gemeinsam mit dem Auftraggeber in den entsprechenden Gremien abgestimmt und dann auch entsprechend übersetzt.
LUKÁŠ: Und ich habe in Ihrer Vita gelesen, dass Sie wirklich schon sehr viele historische Gebäude umgebaut oder erneuert haben. Das gehört ja zu einem der Spezialgebiete Ihres Architektenbüros. Ist das Parlament trotzdem was Besonderes, auch wenn schon viele andere berühmte Gebäude durch ihre Hände gegangen sind?
PÁLFFY: Normalerweise sagen wir das letzte Projekt ist das bedeutendste. Aber ein Parlament macht man nicht alle Tage. Und natürlich ist das eine ganz besondere Aufgabe, eine besondere Herausforderung für unser Büro gewesen. Und ich bin eigentlich der tiefen Überzeugung, dass mich der Eindruck auch die nächsten Jahre begleiten wird. Dass es sich hier um ein Ausnahmeprojekt handelt, das uns so vielleicht in der Form nicht mehr begegnen wird.
LUKÁŠ: Ja und dass man sich tief in die Geschichte der Republik eingeschrieben hat.
PÁLFFY: Ja, das kann man auf unterschiedlichste Weisen. Und die Architektur ist eher ein zweckgebundener Hintergrund für die Demokratie und für das parlamentarische Leben und spielt da sicherlich nicht die erste Geige. Das ist bei der Architektur immer so.
LUKÁŠ: Wir sind jetzt im Sitzungssaal des Nationalrates angekommen. Eine letzte Frage: Sind Sie auf irgendetwas besonders stolz, das Sie hier umsetzen konnten?
PÁLFFY: Es sind mehrere Punkte, aber die wirklich großen Punkte sind die Kuppel und der Umgang um den Nationalratssitzungssaal. Einfach hier Tageslicht hereinzubringen. Und parallel dazu auf gleicher Augenhöhe sind es natürlich die verbindenden Treppenhäuser. Das sind schon sehr markante Eingriffe, wiewohl wir sonst immer die Architektur des Hauses stützen, also nicht verändern, außer in diesen Treppenhäusern. Da greifen wir voll in die Klaviatur. Das tun wir.
LUKÁŠ: Herr Wintoniak, wenn Menschen noch nicht hier waren, würden sie ganz kurz den Raum, in dem wir stehen, beschreiben?
WINTONIAK: Der Nationalratssitzungssaal ist vollkommen neu und trotzdem genau wiedererkennbar, wie ihn unsere Hörer wahrscheinlich von vielen Bildern oder Sendungen aus dem Parlament kennen. Und diese Wiedererkennbarkeit ist auch ein wesentlicher Punkt, nicht nur aufgrund des Denkmalschutzes, sondern doch auch, weil das Bild des Nationalrates eng verbunden ist mit der Entwicklung unserer Demokratie, unseres Parlamentarismus. Das markante Erscheinungsbild des Nationalratssitzungssaals ist wieder gegeben. Das Halbrund ist flacher geworden, um auch der Barrierefreiheit zu entsprechen. Es ist modern ausgestattet, jeder Arbeitsplatz ist mit jeder notwendigen technischen Vorkehrung ausgestattet. An der Stirnseite ist, wie früher, das Präsidium und davor das Rednerpult. Links und rechts des Rednerpultes die Bänke für die Vertreter der Bundesregierung. Was aber Herr Pálffy schon gesagt hat und was besonders markant ist: Im Vergleich zu früher ist der Saal offen, hell, transparent, freundlich. Das ist natürlich in erster Linie dieser enormen Glaskuppel geschuldet, die den Blick ins Freie, in den Himmel oder auch auf die wunderschönen Quadrigen am Dach erlaubt. Aber auch die Öffnung auf der Seite, wo man jetzt eine Blickachse hat in den Park hinaus, auf den Schmerlingplatz, aber auch links und rechts in die Lichthöfe. Also zusammengefasst: Der Saal ist wiedererkennbar, aber neu, modern, frisch, hell und offen.
LUKÁŠ: Und unterstützen die architektonischen Veränderungen dem Parlamentarismus an sich?
WINTONIAK: Das ist ein altbekanntes Zitat: „First wie shape our buildings, then they shape us”. Und das glaube ich auch, dass das Umfeld und die Architektur, in der man sich bewegt, für die eigene Befindlichkeit sehr wichtig ist. Und natürlich hoffen wir, dass diese neue Raumumgebung für unsere Politik förderlich ist. Aber es liegt immer an den Abgeordneten und den handelnden Akteuren, etwas daraus zu machen. Das Angebot, hier einen frischen und neuen Parlamentarismus zu leben, ist jedenfalls gegeben.
LUKÁŠ: Herr Pálffy, es ist es ja hier alles sehr im 50er-Jahre Stil gehalten, das hat sich ja auch erhalten. War das einfacher als im Rest des Gebäudes, das dann mit modernen Updates zu gestalten?
PÁLFFY: Nein, das ist gleichwertig. Es ist eine andere formale Sprache. Die 50er-Jahre Architektur hat genauso ihr Hinterland, wie es eine historische hat. Da gibt es keine Differenzierung. Leichter war es hier insofern, Magister Wintoniak hat das schon angedeutet, nachdem das die einzige Einblicköffnung war für die gesamte Baustelle, sind alle Galerien weg gewesen und wurden dann wieder eingebaut. Also von dem her ist es unter Anführungszeichen ein Neubau mit bekannten und vertrauten Mitteln. Auch legitim aus der Sicht der Denkmalpflege. Aus der Sicht ist es vielleicht leichter, aber es gibt nichts in dem Haus, was einfach ist. Das ist einfach so, wenn man mit einem Bestand umgeht, dann muss man eben auch lernen, zu verstehen.
LUKÁŠ: Wir würden jetzt zu unserer letzten Station gehen und auf dem Weg würde ich Ihnen jeweils nur drei kurze Fragen stellen, damit wir Sie mehr zu Ihrer Person erfahren, wenn Ihnen das recht ist. Also auf dem Weg zur nächsten Station. Ich würde mit dem Herrn Pálffy beginnen, wenn es in Ordnung ist für Sie. Herr Professor Pálffy, wenn Sie sich entscheiden müssten: Herbst oder Frühling? Ich bitte um eine kurze Antwort.
PÁLFFY: Herbst.
LUKÁŠ: Das ist die kürzeste Antwort.
PÁLFFY: Und Frühling.
LUKÁŠ: Und Frühling. Wunderbar. Die zweite Frage wäre: Kompromiss oder beste Lösung?
PÁLFFY: Beste Lösung.
LUKÁŠ: Und eine kurze Begründung dazu?
PÁLFFY: Die beste Lösung ist immer ein Ergebnis, das man gemeinsam erarbeitet. Die Zeit der Renaissancefürsten ist vorbei, glaube ich zumindest. Und als Architekt ist man Teil eines großen Räderwerks, zumindest sehen wir uns so. Und manchmal ist das Rad der Architektur in der ersten Rolle und dann in der dritten. Also ich glaube, eine differenzierte Betrachtungsweise tut da schon ganz gut.
LUKÁŠ: Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, falls Sie sich gewundert haben, wer da im Hintergrund spricht – es war nicht Siri, es war die Liftstimme.
WINTONIAK: Die noch keinen Namen hat.
LUKÁŠ: Die noch keinen Namen hat. Falls es irgendwelche tollen Ideen dazu gibt, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail. Die Adresse finden Sie in unseren Shownotes bzw. erwähnen wir sie noch einmal zum Schluss dieser Folge.
WINTONIAK: Sie spricht aber auch Englisch.
LUKÁŠ: Sie spricht auch Englisch. International. Letzte Frage noch an Herrn Professor Pálffy. Wo fängt für Sie Demokratie an?
PÁLFFY: In der Wahlkabine.
LUKÁŠ: Knackig und kurz auf den Punkt gebracht. Wunderbar. Na gut. Herr Magister Wintoniak, wenn Sie sich entscheiden müssten: Frühling oder Herbst?
WINTONIAK: Frühling.
LUKÁŠ: Kurze Begründung?
WINTONIAK: Erwachen. Aufstehen, Frische, Helligkeit.
LUKÁŠ: Wunderbar. Kompromiss oder beste Lösung?
WINTONIAK: Schließt einander nicht aus. Oftmals ist die beste Lösung im Kompromiss zu finden.
LUKÁŠ: Und wo fängt für Sie Demokratie an?
WINTONIAK: Beim Respekt vor der anderen Meinung und vor der anderen Person.
LUKÁŠ: Wir sind jetzt oben unter dem Dach angekommen und mit einem Blick auf die Zeit bereits auch am Ende dieser Episode von „Rund ums Parlament”. In 14 Tagen geht es genau an dieser Stelle weiter. Herr Wintoniak, Herr Pálffy, ich danke Ihnen für das bisherige Gespräch. Wir hören uns gleich wieder. Falls euch der Podcast gefällt, dann freue ich mich, wenn ihr euren Freunden und eurer Familie davon erzählt. Und damit dir keine Folge von „Rund ums Parlament” mehr verpasst, abonniert einfach den Podcast. Das geht am einfachsten dort, wo ihr gerade diese Folge von „Rund ums Parlament” hört. Falls ihr Fragen, Kritik, Anregungen oder einen Namen für die Liftstimme zum Podcast habt, dann könnt ihr uns gerne eine E-Mail schreiben an podcast@parlament.gv.at. Weitere Informationen und Angebote rund um das österreichische Parlament und zu unserer Demokratie findet ihr auf der Webseite www.parlament.gv.at und den Social-Media-Kanälen des Parlaments. In zwei Wochen hören wir uns wieder zur nächsten Folge von „Rund ums Parlament”. Dann gehen wir weiter mit Herrn Wintoniak und Herrn Pálffy durch dieses Haus, genießen den Blick über das wunderschöne Wien und wandeln durch die Säulenhalle. Ich freue mich sehr, wenn ihr dann wieder mit dabei seid. Bis dahin euch eine gute Zeit. Mein Name ist Tatjana Lukás. Wir hören uns.
Jingle: „Rund ums Parlament”. Der Podcast des österreichischen Parlaments.
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