Durchs Parlament mit den Nationalratspräsidenten
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Seit 2017 ist Wolfgang Sobotka Präsident des Nationalrats. Kurz vor seinem Antritt begann die Sanierung des Parlamentsgebäudes unter der damaligen Nationalratspräsidentin Doris Bures. In dieser Folge zeigt der Nationalratspräsident Host Tatjana Lukáš einen seiner Lieblingsorte im fertig sanierten Hohen Haus am Ring. Bei einem Spaziergang durch Säulenhalle, Plenarsaal und sein eigenes Büro spricht er mit ihr über seine Aufgaben und gesellschaftliche Herzensangelegenheiten als Nationalratspräsident.
Vom Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer, erfahren wir unter anderem, welcher Ort im Parlament ihm am liebsten ist und was das Gebäude mit seiner Kindheit zu tun hat. Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures konnte aus terminlichen Gründen leider nicht am Gespräch teilnehmen.
Wenn Ihr Feedback, Fragen oder Themenvorschlägen zum Podcast habt, schreibt uns gerne an: podcast@parlament.gv.at
Weitere Fakten zu dieser Episode:
An der Weltkonferenz der Parlamentspräsidentinnen und -Präsidenten nahmen 2021 Abgesandte von über 100 Parlamenten teil. Ebenfalls Teil der Konferenz waren Vertreter von rund 20 regionalen und parlamentarischen Organisationen. Mehr Informationen zu Multilateralismus für Frieden und nachhaltige Entwicklung bekommt ihr hier: Fifth World Conference of Speakers of Parliament
© Parlamentsdirektion/BEBE Medien
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Transkript
Jingle: Rund ums Parlament. Der Podcast des österreichischen Parlaments.
Tatjana LUKÁŠ: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von „Rund ums Parlament”, dem Podcast des österreichischen Parlaments. Mein Name ist Tatjana Lukás und ich freue mich, dass ihr wieder zuhört. Ihr merkt schon, heute ist ein bisschen lauter bei uns. Das liegt daran, dass ich direkt vor dem Parlament stehe. Denn ich bin heute wieder im Parlamentsgebäude unterwegs und treffe zwei zentrale Personen für das Parlament, nämlich den Präsidenten des Nationalrats, Wolfgang Sobotka, und einen seiner Vertreter, den Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer. Ursprünglich wollten wir auch gerne mit der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures einen kleinen Spaziergang durch das Parlament unternehmen. Das war jetzt aber aufgrund eines kurzfristigen Termins nicht möglich. Wir schicken unsere Grüße an dieser Stelle. Ich stehe jetzt also hier vor dem Parlament und gehe mit euch gemeinsam zum Büro des Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer. Also einmal rein durchs Vestibül und dann scharf nach links abbiegen.
Norbert HOFER: Herein. Willkommen.
LUKÁŠ: Danke, Herr Hofer.
HOFER: Sehr gerne.
LUKÁŠ: Danke, dass Sie uns in Ihrem Büro willkommen heißen. Das ist wirklich ausgesprochen schön. Wir haben es in der Anmoderation schon erwähnt, Sie sind Dritter Nationalratspräsident. Und da drängt sich mir die erste Frage auf. Hat schon immer der Dritte Nationalratspräsident hier in diesen Räumlichkeiten gearbeitet?
HOFER: Zumindest waren es einige Vorgänger, die hier gearbeitet haben. Und auch hier habe ich schon gearbeitet. Ich bin nämlich in wenigen Monaten – es dauert nicht mehr lange – der am längsten dienende Dritte Präsident in der Geschichte der Zweiten Republik. So vergeht die Zeit, so wird man auch ein bissel älter. Und ich war auch hier vor der Renovierung des Hauses und es hat sich nicht viel verändert in diesem Büro.
LUKÁŠ: Also es ist wirklich so eingeteilt, dass jeder Nationalratspräsident ein angestammtes Büro hat, wo dann der Nachfolger direkt hinkommt?
HOFER: Es ist kein Muss, aber es ist im Moment so, das war seit vielen Jahren so, dass genau hier der Dritte Präsident sein Büro hatte.
LUKÁŠ: Und darf ich fragen über die Einrichtung, was von Ihnen selbst ausgesucht wurde? Ich sehe da eine Eisenbahnermütze im Schrank.
HOFER: Das ist richtig. Also das Mobiliar war auch schon vorher so, mit Ausnahme des Schreibtisches, der natürlich jetzt etwas zweckmäßiger geworden ist. Der alte Tisch war so groß, dass ich beim Händeschütteln dann den Gast nicht erreichen konnte. Das ist jetzt wesentlich besser und ich kann mich auch gut unter einem Mac verstecken, wenn ich mal nicht gesehen werden will. Das ist auch ein mein Vorteil. Die rote Eisenbahnermütze, die habe ich erhalten von meinem Vorgänger als Verkehrsminister, Jörg Leichtfried, bei der Amtsübergabe und es ist deswegen ein ganz besonderes Stück für mich.
LUKÁŠ: Und setzen Sie sie hin und wieder auf in Momenten?
HOFER: Nein, ich setze sie nicht auf, aber ich betrachte sie und freue mich über dieses Geschenk.
LUKÁŠ: Und es gibt daneben den Eisenbahnatlas Österreich.
HOFER: Der Eisenbahnatlas Österreich, ja, da sieht man eben die Streckenführung, die es im Land gibt. Und da bin ich als Südbahngegend immer ein bisschen unglücklich, weil wir hier benachteiligt sind.
LUKÁŠ: Sehr benachteiligt.
HOFER: Sehr benachteiligt. Sie haben recht.
LUKÁŠ: Die Busverbindungen ersetzen es.
HOFER: Das kann eine gute Eisenbahnverbindung niemals ersetzen.
LUKÁŠ: Aber die Schienen existieren noch.
HOFER: Ich wollte als Verkehrsminister auch die Schiene wieder nach Steinamanger ausbauen. Die gab es noch in der Zeit der Monarchie, diese Verbindung, und die wäre auch heute ganz wichtig, weil man von Steinamanger überall hinreisen kann. Das ist ein Verkehrsknotenpunkt und da ist mir diese Anbindung ganz wichtig gewesen. Aber leider steht das Projekt derzeit.
LUKÁŠ: Was nicht ist, das kann noch werden.
HOFER: Hoffentlich.
LUKÁŠ: Wir sind jetzt in Ihrem Büro. Ich schätze mal, das wird einer Ihrer Lieblingsorte sein, ob seiner Schönheit. Aber wenn Sie einen anderen Lieblingsort beim Parlament wählen müssten, welcher wäre es?
HOFER: Es ist nicht wegen der Schönheit des Büros, sondern weil das der Platz ist, wo ich zum ersten Mal als Dritter Präsident eingezogen bin. Hier ist der Dreh- und Angelpunkt. Aber es gibt einen weiteren Platz, natürlich. Als ich als ganz junger Mann, als junger Flugtechniker nach Wien gekommen bin und mich hier eingerichtet habe, eine kleine 30 Quadratmeter Wohnung hatte und dann die Stadt erkundigt habe, habe ich auch den Weg zum Parlament gefunden, zum Ring, und habe mir das Haus angesehen. Habe mir gedacht: „Mein Gott, das muss eine große Ehre sein, hier arbeiten zu dürfen.” Und das war genau hier vor meinem Büro interessanterweise, und ich hätte mir nie gedacht, dass ich irgendwann einmal auch in der Politik tätig sein werde. War nie geplant und schon gar nicht im Parlament und schon gar nicht als dritter Präsident.
LUKÁŠ: Glauben Sie durch dieses Erlebnis an die Kraft der Manifestation?
HOFER: Ich bin jetzt kein Astralsegler.
LUKÁŠ: Was immer das ist.
HOFER: Aber ich glaube schon, dass man sich Ziele im Leben setzen muss. Aber ich habe auch gelernt, dass es oft ganz anders kommt, als man plant und dass man immer nur schauen kann, dass man das Beste gibt und dann das, was kommt, in Freude oder auch in Demut zur Kenntnis nimmt. Das ganze Jahr meines Lebens, das ich in Krankenhäusern und auf Reha verbracht habe, das war nicht geplant.
LUKÁŠ: Ich würde zu diesem wunderbaren Parlamentsbau, in dem wir sitzen, noch einmal umschwenken, wenn ich darf. Der wurde von Theophil Hansen entworfen, der große Architekt. Und der hat das Ganze nach griechischem Vorbild erbaut. Was sagen Sie, Sollten Politikerinnen sich Vorbilder suchen, zu denen sie aufschauen, wie einst Theophil Hansen sich Inspiration gesucht hat in der Geschichte?
HOFER: Das ist ganz unterschiedlich. Manche Politiker suchen sich Vorbilder aus der Politik. Für mich ist Seneca ein großes Vorbild aufgrund des Stoizismus und der Lebenshaltung. Ja, ich glaube, man braucht auch einen Leuchtturm an dem man sich auch orientieren kann als Politiker, als Unternehmer, als Arbeitnehmer, als Mensch. Aber man soll dieses Vorbild nicht auf ein Podest heben, denn es sind auch nur Menschen, die haben auch Fehler. Und es ist auch wichtig, an sich selbst nicht zu große Ansprüche zu stellen. Jeder Mensch hat Fehler. Wenn man glaubt, perfekt sein zu müssen, dann sind es die ersten, die irgendwann in einen Burnout schlittern. Das funktioniert nicht.
LUKÁŠ: Das Vorbild könnte vielleicht das bessere Selbst von morgen sein.
HOFER: Ja, aber auch das ist nicht immer möglich. Es gibt Tage, da kann man einfach auch nicht das eigene Vorbild erfüllen.
LUKÁŠ: Die Sanierung des Parlaments ist jetzt abgeschlossen. Hier wird eifrig gearbeitet. Worin besteht für Sie die größte Verbesserung des neuen alten Gebäudes?
HOFER: Ich war viele Jahre lang auch Behindertensprecher meiner Fraktion und es war immer ein Problem, dass behinderte Menschen hier auch wirklich gefährdet waren. Wenn es zu einem Brand gekommen wäre, dann wäre es schwer gewesen, auch zu evakuieren. Und das ist eine große Verbesserung, dass das möglich ist. Auch die gesamte technische Aufrüstung, die notwendig war. Dass es auch ein offenes Haus geworden ist, alles das sind große Vorteile. Aber vor allem war es auch wichtig, das Haus für die kommenden Jahrzehnte wieder auf Stand zu bringen. Denn es gehört ja nicht nur der Politik, dieses Haus. Es gehört den Wählerinnen und Wählern. Und da werden auch noch kommende Generationen über viele Jahrzehnte hier wirken.
LUKÁŠ: Und wie finden Sie das neue Restaurant?
HOFER: Ich muss zugeben, ich war erst einmal im neuen Restaurant zum Essen oben und das hat mir sehr gut gefallen.
LUKÁŠ: Wenn Sie jetzt angehenden Politikerinnen und Politikern etwas mitgeben könnten, Worte oder Gedanken, bevor Sie zur Wahl als Abgeordnete antreten, hätten Sie da vielleicht einen guten Rat?
HOFER: Also mein erster Rat ist immer, dass man sich nicht verbiegen soll. Dass man die Wahl der Partei, für die man aktiv werden will, nicht danach ausrichtet, welche Person gerade an der Spitze steht. Denn diese Personen kommen und gehen natürlich, sondern dass man sich das Parteiprogramm ansieht in aller Ruhe und die Parteiprogramme aller Parteien und dann vergleicht, welches Parteiprogramm entspricht am ehesten meiner persönlichen Haltung? Und dann sollte man genau dort mitwirken. Das ist immer der beste Weg, um auch Jahre in der Politik bleiben zu können.
LUKÁŠ: Wir stellen jedem unserer Interviewpartner und Interviewpartnerinnen drei kleine Fragen, um sie besser kennenlernen zu dürfen. Darf ich Ihnen diese drei Fragen stellen und auch um kurze Antworten bitten? Frühling oder Herbst?
HOFER: Herbst.
LUKÁŠ: Warum das?
HOFER: Weil ich es liebe, wenn draußen Nebel ist, bei einem guten Buch in einem Sessel zu sitzen gemütlich und darin zu lesen.
LUKÁŠ: Da ist gut, dass Sie aus Pinkafeld kommen, weil da ist in der kälteren Jahreszeit doch öfter mal Nebel.
HOFER: Nein, also bei uns ist es ein sehr milder Herbst. Und ich habe auch irrsinnig gern diese bunten Farben. Wenn man dann ein bisserl auch im Wald unterwegs ist. Das gibt mir sehr viel Energie. Natürlich ist der Frühling auch schön, aber Frühling sagt doch jeder, oder? Also mir gefällt der Herbst besser.
LUKÁŠ: Ich muss jetzt aus unserer Interviewreihe sagen: Es ist wirklich sehr gerecht aufgeteilt. Nicht jeder sagt Frühling. Es gibt ganz viele Herbstanhänger:innen. Kompromiss oder beste Lösung?
HOFER: Die beste Lösung. Wenn man den Kompromiss der besten Lösung vorzieht, dann ist es oft ein fauler Kompromiss. Und es gibt in der Politik ja auch nicht nur das entweder oder, sondern es gibt auch einen zeitlichen Verlauf und es gibt auch immer Zeit, seine Meinung auch ein bisschen zu verbessern. Die beste Lösung ist die, die auch für das Gesamte die beste Lösung ist. Ich habe in der Politik schon viele Kompromisse erlebt, wo dann alle verloren haben.
LUKÁŠ: Und es gab eine beste Lösung?
HOFER: Ich sage Ihnen ein Beispiel. Wir haben derzeit eine Regierung, ich möchte jetzt nicht die Parteipolitik abgleiten, aber da hieß es: Das Beste aus beiden Welten, das war ein Kompromiss. Aber die gemeinsame Schnittmenge ist sehr klein, und das macht das Regieren sehr schwierig.
LUKÁŠ: Und wo beginnt für Sie Demokratie?
HOFER: In der Familie. Weil dort auch Dinge gemeinsam besprochen werden. Wobei, hier wird nicht abgestimmt, aber man bildet sich eine Meinung und dann wird entschieden.
LUKÁŠ: Und in ihrer Familie, wer ist da der Präsident?
HOFER: Also ich bin zu Hause nicht der Präsident. Gott sei Dank. Und ich bin auch wirklich immer froh, wenn zu Hause nicht über Politik gesprochen wird. Ich habe den ganzen Tag Politik und ich lebe auch dafür mit Begeisterung. Aber ich habe jetzt eine Situation in der Familie, da erinnere ich mich daran, wie es als Kind war. Mein Großvater hatte eine kleine Lederfabrik, ein Onkel war bei einer anderen Partei aktiv, war Bezirkshauptmann. Mein Vater war Direktor des Unternehmens. Da wurde immer bei den Familientreffen politisiert, und zwar heftigst und sehr emotional. Und wir haben das als Kind immer erlebt, meine Cousins und Cousinen und ich. Und es hat uns nie besonders gefallen. Jetzt habe ich Familientreffen, wo meine erwachsenen Kinder kommen und sich treffen. Und da wird genauso heftigst diskutiert. Und ich sage dann immer, bitte, wenigstens die paar Stunden, die wir gemeinsam haben, lassen wir das weg. Weil man kommt eh nicht zu einer gemeinsamen Meinung. Wir haben auch in der Familie die gesamte Bandbreite des politischen Spektrums.
LUKÁŠ: So ist es in jeder Familie.
HOFER: Wahrscheinlich.
LUKÁŠ: Vielen Dank für das nette Gespräche und dass Sie uns in Ihrem Büro willkommen geheißen haben.
HOFER: Danke. Hat mich sehr gefreut. Danke schön.
LUKÁŠ: Danke. Während ich jetzt schon auf unseren nächsten Gast warte, nämlich den Chef des Hauses und den Präsidenten des Nationalrats, Wolfgang Sobotka, habe ich schon eine kleine Ecke entdeckt, in der die Lieblingsbücher der Nationalratspräsidenten ausgestellt sind. Nach unserem Gespräch mit Norbert Hofer schauen wir mal gleich, was da steht. „Hurra, wir leben noch” von Mario Simmel. Eine John F. Kennedy Biografie. Michel Houellebecq, „Serotonin” und „Siddharta” von Hesse. Jetzt sind wir schon gespannt auf unseren nächsten Gast, mit dem wir dann auch noch seine Auswahl an Lieblingsbüchern durchbesprechen werden. Herzlich willkommen, Herr Sobotka. Schön, dass Sie sich Zeit genommen haben für unser Gespräch. Wir stehen hier vor Ihrem Lieblingsort im Parlamentsgebäude, der Parlamentsbibliothek.
Wolfgang SOBOTKA: Grüß Gott. Ich freue mich, dass ich Sie durchs Parlament führen darf. Auditiv. Wir sind gerade in der Parlamentsbibliothek. Die Bibliothek ist quasi das Zentrum, das Gedächtnis des Parlaments. Es sind hier sämtliche Protokolle seit Anbeginn des österreichischen Parlaments aufbewahrt. Es sind alle möglichen Bücher, die zur Demokratiegeschichte, zur Demokratieentwicklung erschienen sind hier in dieser Bibliothek. Die sind in der Freihandbibliothek entlehnbar. Man kann es sich ganz gemütlich machen, ein Buch herausnehmen, dem Bibliothekar es vermitteln. Man kann sich sogar ins Kaffeehaus vor dem Parlament setzen. Jetzt sind wir im großen Lesesaal. Der ist deshalb so schön, weil Sie können hier sich Ihren wissenschaftlichen Handapparat aufbauen, wenn Sie längerfristig zu irgendeinem Thema forschen oder ein Thema aufbereiten wollen. Aber Sie können einfach nur sich hier hereinsetzen. Es ist eine besondere Atmosphäre. Ein Lesesaal hat immer etwas ganz Besonderes. Ich erinnere mich noch an meine Studienzeiten. Der Bibliothekslesesaal der UB, der Universitätsbibliothek, hat ein eigenes Flair gehabt. Sich hier wohlzufühlen ist sicherlich etwas ganz Besonderes.
LUKÁŠ: Wie man an der Akustik sicher hört: Es gibt ganz hohe Räume, es ist alles voller hoher hölzerner Regale. Und es wurde ja auch die Parlamentsbibliothek so ein bisschen modernisiert, auch wenn dieser alte Charme erhalten geblieben ist. Vielleicht gehen wir ganz kurz in den nächsten Raum und schauen uns das ein bisschen an. Vielen Dank.
SOBOTKA: Die Bibliothekseinrichtung stammt noch aus der Zeit von Theophil Hansen. Wurde von ihm auch so geplant. Es hat ein modernes Gestaltungsteam im Gesetzesraum, im Raum der Bibliothek, im Raum des Parlaments, verschiedenste Facetten des Parlamentarismus besonders dargestellt: die Rede, das Gesetz, das Haus selbst oder auch, wie Menschen sich artikulieren, was zum Parlamentarismus dazugehört. Die Ausstellung wurde so gestaltet, dass sie immer wieder mit Hörstationen sich besonders anbietet. Sie können sich frei die Bücher entnehmen, es sich in den bequemen Fotels breitmachen und dann das eine oder andere studieren.
LUKÁŠ: Ich sehe gerade, dass literarische große österreichische Romane hier ausgestellt sind: Robert Musil, „Der Mann ohne Eigenschaften”, Joseph Roth, „Radetzkymarsch”. Ilse Aichinger, „Die größere Hoffnung”, ein ganz wichtiges Buch für unser Land. Es geht also nicht nur um Parlamentarismus und Protokolle hier, sondern es geht auch um Literatur.
SOBOTKA: Um die Zeit, die hier durch die letzten 150 Jahre natürlich immer wieder bestimmend war. Wie sich Parlamentarier bewegt haben, wie sich Parlamentarier artikuliert haben und dwie Parlamentarier auch ihre Reden angelegt haben. Sie sind ja nie singulär zu erfassen, sondern immer nur mit dem Verständnis aus einer Zeit heraus. Und die parlamentarische Geschichte ist reich. Ein großer Kampf um die Gleichberechtigung, ein großer Kampf ums allgemeine Wahlrecht, das erst 1918 beziehungsweise 1919 gesetzliche Wirklichkeit wurde und das Gleiche mit dem Frauenwahlrecht. Wenn man sich ansieht, die Schweiz war da wesentlich hinter Österreich, da kam es, glaube ich, erst in den 70er Jahren.
LUKÁŠ: Na ja, in manchen Kantonen gab es das erst in den 70er Jahren.
SOBOTKA: Bei uns war es in allen Gebietskörperschaften ab diesem Zeitpunkt. Das ist ein besonderer Raum im Zentrum auch der Bibliothek. Ein Raum, der sich mit dem Antisemitismus in ganz besonderer Art und Weise auseinandersetzt. Antisemitismus und der Kampf gegen den Antisemitismus. So wichtig für eine parlamentarische Demokratie, weil Antisemitismus grundsätzlich demokratiefeindlich ist. Und daher ist es uns ein großes Anliegen. Es prägt uns als negativer kultureller Narrativ seit über 2000 Jahren und den bei der Wurzel zu fassen, das ist auch unser Anspruch.
LUKÁŠ: Da möchte ich, wenn wir gerade über Antisemitismus reden, ganz kurz auf ein Kleinod, das ich vorhin entdeckt habe, zu sprechen kommen. Nämlich hier gibt es eine kleine Wand prägender Werke, und auch Ihre prägenden Werke sind hier als Bücherturm, als sogenannter Book Tower ausgestellt. Und gleich das erste Buch, das dort zu entdecken ist, heißt „Judenhass im Internet – Antisemitismus als kulturelle Konstante und kollektives Gefühl” von der Frau Monika Schwarz-Friesel. Was mir allerdings besonders ins Auge gestochen ist, weil ich einen persönlichen Hang dazu habe beziehungsweise Fan bin und es gerade vor kurzem wieder gelesen habe: Viktor Frankl, „...Trotzdem Ja zum Leben sagen”. Viktor Frankl ist der Begründer der Logotherapie. Darf ich fragen, was Sie aus diesem Buch mitgenommen haben für sich selbst?
SOBOTKA: Viktor Frankl hat in seiner Logotherapie eigentlich die Eigenverantwortung des Menschen, egal in welcher Situation er sich befindet, zentral in den Mittelpunkt gestellt. Dass es auch in extremen Situationen immer wieder eine Möglichkeit gibt, sich für das Gute oder für das Schlechte zu entscheiden und dass das Leben – das kommt eigentlich aus dem Jüdischen, das Leben zu schützen, zu retten – das höchste Gut ist. Das zeigt sich hier an seinen Arbeiten sehr klar. Und es gibt für uns heute, die wir Gott sei Dank nicht unter solchen Herausforderungen uns bewegen müssen, vielleicht auch ein Gefühl der Verhältnismäßigkeit. Was es heißt, unter solchen Systemen wie der Nazizeit gelebt zu haben und dort gelitten zu haben, gedemütigt worden zu sein und wenn viele der Familienmitglieder ermordet wurden in den Konzentrationslagern. Ich denke, dass das Buch auch Mut macht, ganz bewusst Mut macht. Und das ist auch wichtig. Denn trotz aller Schwierigkeiten sollten wir mit einer positiven Perspektive in die Zukunft gehen. Und Monika Schwarz-Friesel hat mit ihren Untersuchungen, sie kommt aus der Sprachforschung, gezeigt, dass die Verbalisierungen beginnend bei der Bibel über Augustinus, Martin Luther bis herauf immer wieder die gleichen Formulierungen sind. Und heute zeigt sich der Antisemitismus aus der rechten Seite. Daher kennen wir ihn aus diesen extremen rechten Seiten, aber genauso aus der linken Seite. Dort ist ja der Antizionismus und Antiisraelismus. Und das zeigt sich auch in Österreich und in europäischen Ländern aus der Migrantenseite. Dort, wo Menschen aus diesen Ländern kommen, wo Antizionismus oder auch Antisemitismus zur Staatsräson gilt, das nehmen die Menschen mit. Sie dort dementsprechend zu betreuen, abzuholen und sie auch zu einem anderen Denken zu bringen beziehungsweise zu einer Erkenntnis zu bringen ist unsere Aufgabe auch hier im Parlament.
LUKÁŠ: Ja, tatsächlich betrifft es, glaube ich, alle Länder dieser Welt außer Israel. Insofern ist wirklich die Aufklärung für alle Menschen sicher wünschenswert. Wir gehen jetzt weiter und machen uns auf dem Weg in die Säulenhalle. Während wir auf diesem Weg sind, werden wir noch über verschiedene Themen sprechen. Aber jedes Mal in jeder Folge bitten wir unseren Gast, drei kurze Fragen zu beantworten, auch möglichst kurz, um denjenigen besser kennenzulernen. Und die erste Frage, die nichts mit Politik oder dem Parlament zu tun hat, sondern mit den guten Jahreszeiten, lautet: Wenn Sie sich entscheiden müssten, Frühling oder Herbst? Und eine kurze Begründung, warum bitte.
SOBOTKA: Der Frühling, weil da das Neue beginnt. Weil alles mit einer besonderen Vitalität ausgezeichnet ist und einfach dieses Erwachen und diese Farbigkeit mich besonders anspricht. Der Herbst hat aber natürlich auch seine Reize.
LUKÁŠ: Kompromiss oder beste Lösung?
SOBOTKA: Ich bin für den Kompromiss. Warum? Es ist das Grundprinzip einer parlamentarischen Demokratie und sollte nicht schlecht gemacht werden, sondern ganz im Gegenteil. Der Kompromiss ist eine ganz wesentliche Voraussetzung dafür, dass man aufeinander zugeht und auch zu einem gemeinsamen Ergebnis kommt.
LUKÁŠ: Wir steigen in den Lift mit der Frage: Wo fängt für Sie Demokratie an?
SOBOTKA: In der Familie. In der Klasse. Überall dort, wo Menschen zusammen leben und agieren und Verantwortung tragen, haben sie sich nach den parlamentarischen Prinzipien gehalten. Das ist das Schöne in unserem Land und wird auch von den Menschen gelebt.
LUKÁŠ: Ich würde jetzt, weil wir in einem Lift stehen, kurz auf das Thema Inklusion zu sprechen kommen. Für unsere Hörerinnen und Hörer, denen dieser Begriff vielleicht nicht ganz geläufig ist. Damit ist gemeint die Idee, dass Menschen mit Behinderung genauso wie Menschen ohne Behinderung selbstbestimmt am Leben in allen Bereichen teilhaben können. Ihnen scheint Inklusion ein besonders nahes und wichtiges Thema zu sein. Es wurde auch bei der Sanierung des Parlamentsgebäudes in vielen Bereichen berücksichtigt. Es gibt Rampen, es gibt Lifte, es gibt selbst öffnende Türen. Darf ich fragen, was davon war bereits da und was wurde neu hinzugefügt?
SOBOTKA: Gar nichts war da und wir mussten alles neu hinzufügen. Ganz einfach deshalb, weil rund 20 % der Österreicherinnen und Österreicher in irgendeiner Form ein Handicap haben und behindert sind. Daher muss es unbedingt für eine Demokratie ein Auftrag sein, alle Menschen ohne Barriere hereinzufinden, hereinzubekommen. Und wir haben mit Beratern gearbeitet, mit myAbility, mit anderen Selbsthilfegruppen, auch was die Inklusion betrifft. Heute haben wir, glaube ich, bestmöglich in einem alten Haus aus dem 19. Jahrhundert eine Barrierefreiheit ermöglicht, sowohl was die Bewegung anbelangt, was das Sehen anbelangt, was das Hören anbelangt und auch was das Sprachverständnis anbelangt. Und damit versuchen wir wirklich alle Barrieren, die die Menschen noch abgehalten haben, in das Haus zu kommen, zu beseitigen. Denn das ist ein Haus für alle Österreicherinnen und Österreicher. Und jeder darf hier herein, jeder soll hier herein und wird herzlich begrüßt.
LUKÁŠ: Wir sind inzwischen in der Säulenhalle. Wollen wir mal kurz rufen, um die Höhe dieses Raums zu zeigen?
SOBOTKA: Ja, sehr gute Akustik.
LUKÁŠ: Hallo! Wunderschön. Mit Glasdach und goldenen Stuckaturen.
SOBOTKA: Das war die Idee von Theophil Hansen, dass er alle Räume mit natürlichem Licht versorgen konnte. Dort, wo es nicht möglich war, hat er entweder Höfe geplant, um sie von dieser Seite zu belichten, oder, wie in der Säulenhalle und wie im Vestibül oder auch in anderen Räumen, durch das Licht von oben. Das heißt, Sie haben hier eine wunderschöne Decke, die im Reichskanzlei noch ein herrliches böhmisches Glas zeigt. Es ist nur ein Milchglas, und darüber befindet sich dann noch eine Sicherheitsdecke.
LUKÁŠ: Um noch einmal auf das Thema Inklusion zurückzukommen: Es gibt auch eine induktive Höranlage jetzt. Was ist eine induktive Höranlage und für wen ist sie und wie schaut so was aus?
SOBOTKA: Die Induktionsschleifen, die wir in allen wesentlichen Sälen, das heißt im Nationalratssitzungssaal, im Bundesratssitzungssaal, aber auch in den jeweiligen Ausschusssitzungssälen haben, funktionieren ganz einfach so, dass sie für gehörbeeinträchtigte Menschen durch ihre Hörgeräte wesentlich besser verständlich sind und sie auch bei wirklicher Schwachhörigkeit die Möglichkeit haben, das auch verständlich mitzubekommen.
LUKÁŠ: Jetzt sind wir da und haben schon über ein Herzensthema von Ihnen gesprochen. Wir waren an einem Lieblingsort von Ihnen. Für all die Menschen da draußen, die eigentlich keine Vorstellung von dem haben, was Sie so den ganzen Tag tun, lieber Herr Sobotka: als Parlamentspräsident vertreten Sie den Nationalrat nach außen. Was genau tun Sie?
SOBOTKA: Das fängt an beim Leiten von den Sitzungen. Heute haben wir in der Früh begonnen mit dem Europaausschuss um 8:00 Uhr, bin um 6:00 Uhr in Waidhofen weggefahren und habe schon im Auto meine ersten Arbeiten erledigen können. Das geht weiter in den einzelnen Terminen. Jetzt ist natürlich der Umbau noch dementsprechend oder die Übersiedlung ein Thema. Das geht weiter zu politischen Themen, die für uns entscheidend sind, wie zum Beispiel das Inklusionsthema. Ein Treffen mit Vertretern von Behindertenorganisationen, aber natürlich auch von Themen, die für uns ganz von Bedeutung sind, wie Demokratiestärkung. Die Demokratiewerkstätte ist etwas, was für uns ganz wichtig ist. Da bringen wir etwa 40.000 Jugendliche pro Jahr unter, die dort in Workshops das miterleben können und mitgestalten können und somit einen Eindruck gewinnen. Die Arbeit des Nationalratspräsidenten ist natürlich nicht nur die Frage des Sitzungteilnehmens und der politischen Termine. Auch dort, wo es darum geht, das Haus bei Festveranstaltungen zu repräsentieren oder auch dementsprechend seinen Beitrag zu leisten. Der Präsident ist gleichzeitig auch Vorsitzender des Senats der Akademie der Wissenschaften. Da geht es darum: Wie können wir kooperieren? Was können die Wissenschaften für die Parlamentarier an Inhalten bieten? Es sind letzten Endes viele Veranstaltungen, die im Ausland sind. Seit dem Vertrag von Lissabon haben die Parlamente eine ganz andere Aufgabe bekommen, denn sie müssen ja die Verträge unterzeichnen, die von Regierungspolitikern geschlossen werden. Das heißt, das Parlament hat ja in dieser ganzen internationalen Beziehung auch eine wesentliche Aufgabe zu erfüllen. Und schlussendlich geht es natürlich um die Vorbereitung des Sitzungsalltages, egal, ob das im Untersuchungsausschuss ist und die Aufbereitung. Und dazu haben wir natürlich auch eine hervorragend aufgestellte Mannschaft, die im Parlament den Nationalratspräsidenten begleitet. Er ist also quasi auch hier durch die Geschäftsordnung Hausherr und hat auch die Verantwortlichkeiten im Hause wahrzunehmen. Das heißt, es ist eine wunderschöne Tätigkeit, die an Vielfalt und an vielen Möglichkeiten einem auch gibt, sich wirklich inhaltlich voll zu identifizieren und auch die Demokratie etwas weiterzubringen.
LUKÁŠ: Wir gehen jetzt gerade in den Sitzungssaal des Nationalrates und sind schon angekommen, weil er ums Eck der Säulenhalle ist.
SOBOTKA: Es liegt alles sehr zentral, weil Theophil Hansen dieses Haus sehr symmetrisch geplant hat. Der zentrale Eingang ist die Säulenhalle und von dem erschließen sich alle Ausschusslokale und letzten Endes heute der Nationalratssitzungssaal und dann auch der Bundesratssitzungssaal. Der wurde neu gestaltet, was die Bodenfläche anbelangt, weil er viel zu steil gewesen ist. Jetzt ist er mit den Rampen viel flacher. Wir haben jetzt eine sehr schöne Akustik und Sie sehen: Oben haben Sie das Glasdach, die Kalotte, das war der Wunsch der Parlamentarier, so wie ursprünglich es Hansen vorgesehen hat, ins Freie zu sehen, natürlich zu belichten. Das war ja durch die Renovierungen von Theophil Hansen nicht möglich. Der hat hier eine Betondecke eingezogen in den 50er Jahren, weil der damalige Herrenhaussaal ist abgebrannt oder ausgebrannt und musste vollkommen neu errichtet werden. Sie sehen, die Ausgestaltung der 50er Jahre ist sehr schlicht. Sehr elegant hat dieser Saal Jahrzehnte seine besten Dienste der Zweiten Republik geleistet und steht mittlerweile unter Denkmalschutz. Und den zu halten war uns ein großes Anliegen. Und die große Neuerung ist dann die dritte Galerie, dort, wo die Demokratiewerkstätte zu Hause ist.
LUKÁŠ: Auf die werden wir noch zu sprechen kommen. Jetzt, wo wir aber in Ihrem Wirkungsbereich stehen und Sie uns vorher schon kurz erklärt haben, was Sie so tagsüber treiben, wäre eine persönliche Frage, welche Ihrer Aufgaben erledigen Sie eigentlich am liebsten?
SOBOTKA: Ich glaube, es ist nie eine Frage, was man am liebsten tut. Die Aufgabe eines Präsidenten ergibt sich aus der Fülle der Verantwortungen. Und die mache ich alle insgesamt sehr gerne.
LUKÁŠ: Und hier im Sitzungssaal mussten Sie schon mal durchgreifen und einen Störer oder eine Störerin des Saales verweisen?
SOBOTKA: Ich kann mich jetzt nicht genau erinnern. Es kommt natürlich ganz selten auch zu Störaktionen, die aus den Rängen kommen. Im Saal selbst nicht. Und natürlich ist da manche Diskussion. Uns schreiben ja auch die Seherinnen und Seher, dass sie mit manchem nicht zufrieden sind und sich ein besseres Umgehen wünschen. Eine sprachliche, eine wertschätzendere Umgangsweise. Das ist die Aufgabe, die wir haben. Und da bin ich nicht alleine, sondern da ist die zweite Präsidentin und der dritte Präsident, die mich dabei unterstützen.
LUKÁŠ: Gibt es eine Taktik, die dabei besonders gut funktioniert? Denn es schaut immer wahnsinnig schwierig aus, die Temperamente zu zügeln.
SOBOTKA: Also wenn es wirklich sehr hitzig zugeht, dann versucht man das mit sanften Möglichkeiten wieder in normaleres Fahrwasser zu bewegen. Mit ermöglichen, mit Unterbrechung, aber sicherlich nie mit einem forschen Wort, weil dann gießt man nur Öl ins Feuer und man würde nichts bewirken.
LUKÁŠ: Sie haben ja nicht nur den Parlamentspräsident des Nationalrats nach außen hin zu symbolisieren, sondern Sie haben internationale Repräsentationspflichten. Sie haben zum Beispiel die fünfte Weltkonferenz der Parlamentspräsident:innen mitorganisiert oder mitinitiiert.
SOBOTKA: Initiiert ist sie von der IPO, von der Internationalen Parlamentarierorganisation und wir haben uns beworben, um sie durchführen zu können, und wir haben sie trotz der Corona-Pandemie im Jahre 2021, so wie die Teilnehmer meinten, sehr gut bewältigt. Wir, das sind vor allem unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hier wirklich ganz großartiges organisatorisches Talent an den Tag gelegt haben und geleistet haben mit ungeheurem Fleiß. Das war sehr bemerkenswert.
LUKÁŠ: Und da wurden Parlamentspräsident:innen aus der ganzen Welt eingeladen?
SOBOTKA: Die Interparlamentarische Union – es ist übrigens die älteste internationale Gemeinschaft, älter als UNO und andere Organisationen, OSZE – gibt es seit dem 19. Jahrhundert. Im ausgehenden Jahrhundert sind fast alle Parlamente darin vertreten.
LUKÁŠ: Wie viele sind es, wenn ich kurz unterbrechen darf?
SOBOTKA: Über 180. Wir haben über 190 Staaten. Die haben nicht alle ein Parlament, aber an die 180 müssten es sein.
LUKÁŠ: Bei dieser Konferenz, worüber wurde da gesprochen? Was war das wichtigste Thema, das die Parlamentspräsident:innen weltweit beschäftigt hat?
SOBOTKA: Das waren eine ganze Reihe von Diskussionen. Da gibt es Panels, wo in vier Gruppen diskutiert wurde. Da ist es um Gleichstellungsrechte gegangen, wo wir in Europa sicherlich Vorreiter sind, auch wenn hier bei uns noch nicht alles erledigt ist, was die Gleichstellung anbelangt. Denken Sie nur an die Gleichstellung von Mann und Frau, die Lohnsituation, der Gap ist noch immer groß. Das waren Themen wie die Frage des Internets und der digitalen Medien, die uns sehr interessiert haben und die sehr gefordert haben. Und natürlich auch Fragen zur Demokratieentwicklung.
LUKÁŠ: Wir gehen jetzt nämlich noch als letzte Station in Ihr Büro. Und auf dem Weg dorthin würde ich nur ganz gern wissen wollen, ging es dann auch um um das große Thema Fake News, Demokratiegefährdung?
SOBOTKA: Das gehört ja zu den digitalen Medien dazu. All das, was an Auswirkungen im digitalen Bereich auf uns zukommt. So sehr es nutzbringend ist, unsere Arbeit erleichtert, halte ich die digitale Welt für die größte Gefährdung der Demokratie, weil Nutzer, die nicht in diesem Maße mit diesen Medien umzugehen wissen, dann in diesen Echokammern hängenbleiben. Wir haben es ja gesehen bei Covid, wo dann auf einmalVerschwörungsfantasien und eine ganze Reihe von Fake News produziert wurden, die natürlich den Menschen beeinflussen und ihm oftmals gar keine Möglichkeit lassen. Das heißt, eine mediale Erziehung auf der einen Seite ist ganz entscheidend, auf der anderen Seite muss man auch klar bekennen, dass es bei jeder Plattform auch eine herausgeberische Verantwortung braucht. Das heißt, es ist unakzeptierbar, wenn die Anonymität der Plattformen es unmöglich macht, zum Beispiel Hassprediger in irgendeiner Form zu verfolgen. Das ist für uns einfach keine Möglichkeit, in der Demokratie diese Rechtlosigkeit anzuerkennen. Denn die Rechtsstaatlichkeit ist die zentrale Basis für eine Demokratie.
LUKÁŠ: Was natürlich an der Basis ansetzt ist Demokratiebildung. Wir waren mit unserem Podcast ja bereits bei der Demokratiewerkstatt. Ganz beeindruckende Arbeit, die sie dort machen. Und die Demokratiewerkstatt wird jetzt übersiedeln in das sogenannte Plenarium. Auch dort waren wir schon unter dem Dach des Parlaments, ganz modern und einladend gestaltet. Wunderschön. Dieses Erfolgsmodell wird jetzt auch exportiert. Wir sind jetzt in Ihrem Büro angekommen. Sehe ich das richtig? Zum Beispiel in den Kosovo. Was für Gedanken oder Hoffnungen verbinden Sie mit dieser Entwicklung?
SOBOTKA: Na ja, man muss sehen, dass die Länder des Westbalkans in der Entwicklung, um die Reife für die Europäische Union zu bekommen, eine ganze Reihe von Veränderungen durchmachen müssen. Und da gehört natürlich auch ein klares Bekenntnis zur demokratischen Struktur, aber auch, dass man sie leben lernt. Und dazu gehört, dass man junge Menschen mit dem Prozess, wie ein Gesetz entsteht, mit der Frage, was ist das Wesen des Parlamentarismus oder der Diskussion oder der Plenarsitzung konfrontiert, dass man auch den Pluralismus der Parteien als solches als Wert der Demokratie sieht und nicht als einen Störfaktor. Das Wesen von Regierung und Opposition ist das Zentrale einer Demokratie, und das zu vermitteln ist ganz wichtig. Und wir haben nicht nur im Kosovo, wir haben mit Albanien, mit Mazedonien gute Partner, wo wir knapp vor dem Start stehen. Und vor allem in Montenegro läuft es seit einigen Jahren sehr gut.
LUKÁŠ: Jetzt bin ich eine sehr neugierige Person und wir stehen hier in Ihrem Büro. Die Bilder an den Wänden wurden von Ihnen persönlich ausgewählt, schätze ich einmal?
SOBOTKA: Das ist eine gute Tradition, dass das Parlament in Form der Präsidiale einen Kurator bestellt, und der Kurator wählt es in seiner eigenen Verantwortung aus, was in den Gängen, was in den öffentlichen Räumen hängt. Da habe ich ein paar Wünsche geäußert, und der Kurator hat sich auch nach diesen Wünschen – grundsätzlicher Natur bin ich ein Freund der Abstraktion – mit seinen Beispielen, die er besonders schätzt, hier gehängt. Da ist ein Hubert Scheibl, das ist ein leider schon verstorbener Maler. Professor an der Akademie und ganz ein toller Künstler, Gunter Damisch. Und das vor den Fahnen oder zwischen den Fahnen ist dann Walter Vopava.
LUKÁŠ: Und man weiß ja, dass Sie großer Musikliebhaber und engagierter Musikmacher unter anderem auch sind. Gibt es hier irgendwo, weil ich sehe es nicht, eine Stereoanlage, aus der er hin und wieder auch Musik kommt in diesem Büro?
SOBOTKA: Nein, da gibt es keine Stereoanlage. Oder ist sie noch nicht eingebaut? Also derzeit habe ich noch keine. Ich glaube, es ist im Bürobereich nicht üblich, Musik zu hören. Wir haben diese Möglichkeit in den verschiedensten Lokalitäten, wo wir Veranstaltungen machen. Wir haben einen wunderbaren Empfangssalon mit dem wunderbaren Klavier und dort kann nicht nur Musik gemacht werden, als Umrahmung eines Aktes, eines Festaktes, sondern da gibt es natürlich auch den musikalischen Dialog. Österreich ist eine Kunstnation und wird dessen auch in aller Welt besonders geschätzt. Und wir mit diesem Haus wollen auf der einen Seite für die zeitgenössische bildende Kunst eine Visitenkarte sein. Wir wollen den musikalischen Dialog von den Musikschülern bis zu den Universitäten auch ins Haus hereinholen. Wir wollen natürlich auch ein Ort der Begegnung sein, und da gehört Musik, Kunst immer dazu. Wir haben das auch als unsere Aufgabe für ein offenes Haus gesehen und denken, dass das dem österreichischen Image auf der einen Seite entspricht, wo wir auch stolz sein dürfen und das wir auch nutzen wollen. Denken Sie daran, dass etwa 200.000 Menschen dieses Haus pro Jahr besuchen werden. Dann geht es auch darum, hier eine bestmögliche Visitenkarte abzugeben.
LUKÁŠ: Vielen Dank für die Führung durch Ihr Parlament sozusagen. Damit verabschieden wir uns hier von Ihnen, Herr Sobotka. In Ihrem Büro mit Blick auf den Heldenplatz und die Hofburg.
SOBOTKA: Den Heldenplatz werden Sie nicht so gut sehen, da ist der Volksgarten davor. Die Ringstraße und die Hofburg liegt von meinem Büro auch gesehen eher hinter den Bäumen. Aber man sieht sie oberhalb natürlich, da müssten wir auf die Dachterrasse gehen. Man weiß, wo sie liegt, man kann sie auch von hier sehen.
LUKÁŠ: Und ein Balkon dabei, das ist in Wien selten.
SOBOTKA: Theophil Hansen hat die Anlage aus drei Tempelanlagen gemacht und das ist dann nichts anderes als die Vorhalle. Links und rechts, sind von der Ringseite aus gesehen zwei kleinere Tempelstrukturen ausgebildet und dieser große zentrale Portikus in der Mitte entspricht auch seinen bautechnischen Idealen. Er hat die griechische Antike immer als die Vollendung der Proportion und der Baukunst gesehen. Als Mutterland der Demokratie erschien ihm das ein richtiges Mittel zu sein, um dieses Haus in der architektonischen Gestaltung auszurichten. Theophil Hansen hat ja auch ganz anderes gebaut. Der Musikverein kommt von ihm, drüben das Palais Epstein. Und wenn Sie auch durch die Räume gehen, dann sehen Sie auf der einen Seite Neorenaissance-Stile genauso wie Stile, die eher so einen pompianischen Villenstil entfalten. Und wo wir gerade waren: Die Säulenhalle ist eigentlich die Umdrehung des griechischen Tempels. Da stehen nämlich die Säulen drinnen und die Wände, was eigentlich die Zellen ausmacht, die sieht man nach außen gekehrt. Das heißt, er hat auch mit diesen Formen gespielt. Sie können hier mühelos griechische Baukunst studieren und sich daran erfreuen.
LUKÁŠ: Unsere Hörerinnen und Hörer können das tatsächlich in einer Spezialfolge zur Architektur und in einer Spezialfolge zu Kunst im Parlament.
SOBOTKA: Wunderbar.
LUKÁŠ: Noch einmal vielen Dank für die Führung durchs Haus. Ich entlasse Sie hiermit und das war's auch schon wieder mit dieser Folge von „Rund ums Parlament”. Falls sie euch gefallen hat, dann empfehlt diesen Podcast gerne und immer weiter. Und damit ihr keine Folge verpasst, abonniert „Rund ums Parlament” am besten dort, wo ihr eure Podcasts hört. Ob bei Spotify, Apple Podcasts oder Amazon Music. Falls ihr Fragen, Kritik oder Anregungen zum Podcast habt, dann könnt ihr uns sehr gerne eine E-Mail schreiben an podcast@parlament.gv.at. Weitere Informationen und Angebote rund ums österreichische Parlament und zu unserer Demokratie findet ihr auf der Website www.parlament.gv.at und den Social-Media-Kanälen des Parlaments. Mir bleibt noch zu sagen: Ich hoffe, ihr seid auch nächstes Mal wieder dabei. Denn in den kommenden Folgen werden wir uns einem sehr spannenden Thema zuwenden. Den Fundamenten unserer Demokratie. Das wird garantiert vielschichtig und sehr spannend. Das war's soweit von mir. Ich bin Tatjana Lukás. Wir hören uns.
Jingle: „Rund ums Parlament”. Der Podcast des österreichischen Parlaments.
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