Jingle: Rund ums Parlament, der Podcast des österreichischen Parlaments.
Tatjana LUKÁŠ: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von "Rund ums Parlament”, dem Podcast des österreichischen Parlaments. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Schön, dass Ihr wieder dabei seid. Auch in dieser Folge bleiben wir beim Thema Föderalismus, und nachdem wir uns ja in den vergangenen Episoden damit beschäftigt haben, was Föderalismus eigentlich ist und woher Föderalismus kommt, wollen wir uns heute anschauen, wie er in der Praxis funktioniert und sich im Einzelnen bemerkbar macht. Und natürlich habe ich mir dafür wieder zwei Personen vom Fach eingeladen, um darüber zu sprechen. Zu Gast habe ich zum einen Monika Köppl-Turyna. Sie leiten das Wirtschaftsforschungsinstitut Eco Austria. Herzlich willkommen!
Monika KÖPPL-TURYNA: Ja, danke für die Einladung!
LUKÁŠ: Dort beschäftigen Sie sich unter anderem damit, welche Vorteile der Föderalismus haben kann, wenn denn die institutionellen Rahmenbedingungen stimmen.
KÖPPL-TURYNA: Richtig, das ist auch einer unserer Schwerpunkte im Institut.
LUKÁŠ: Da werden wir heute noch tiefer drauf eingehen. Und zum Zweiten habe ich Philipp Neuhauser bei mir. Sie sind im Parlament Leiter der Abteilung für Ausschuss-Angelegenheiten des Bundesrats. Das heißt, Sie unterstützen den Bundesrat sowohl inhaltlich als auch organisatorisch, wenn die Mitglieder zum Beispiel über einen Gesetzesvorschlag beraten.
Philipp NEUHAUSER: Ja. Grüß Gott. Danke für die Einladung. Genau. Das mache ich.
LUKÁŠ: Sehr gerne. Man muss noch erwähnen, Sie sind außerdem mit den rechtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsprozess im Bundesrat beauftragt. Herzlich willkommen, dass Sie uns heut mit Ihrer Expertise unterstützen. Wer sich fragt, wo wir heute aufnehmen, in diesem wunderschönen Parlament: Wir sind heute im sogenannten Lokal drei, das jetzt nach dem Umbau Lokal Theophil Hansen heißt, und vor der Sanierung des Parlaments befand sich hier der Bundesratssaal. Deshalb ist das der perfekte Ort für unser heutiges Gespräch. Bevor wir anfangen, dürfte ich vielleicht Sie beide kurz bitten zu beschreiben, wie dieser Saal aussieht, für unsere Hörerinnen und Hörer, damit sie sich vorstellen können, wo wir heute sitzen.
KÖPPL-TURYNA: Es ist wunderschön. Es ist sehr viel Marmor. Ich glaube es ist auch ein bisschen Stuck, aber auch Vergoldungen, und ich habe mir auch erklären lassen, dass die Materialen aus allen Kronländern des damaligen Österreichs hier eingebaut worden sind, was auch ein bisschen ein Ausdruck des damaligen Verständnisses für Demokratie sein soll, wo eben alle diese Länder irgendwo im Parlament vertreten sind. Ich finde, das ist sehr charmant und das schaut jedenfalls wunderschön aus.
NEUHAUSER: Ja er ist sehr prunkvoll, und vor allem finde ich spannend, dass eigentlich die Wappen noch da hängen vom Bundesratssitzungssaal damals, und der Adler ist auch noch oben. Also jetzt hat das Lokal eine andere Verwendung. Aber das ist quasi ein Überbleibsel des Bundesratssitzungssaals.
LUKÁŠ: Das stimmt, und die Farben Rot und Gold herrschen vor, kann man so sagen. Genau und es gibt eine Lichtdecke ganz oben, die uns neben den Lustern ein bisschen Helligkeit schenkt, in diesem Raum. So. Jetzt könnt ihr euch gut vorstellen, wo wir sind, und dann würde vielleicht schon reinstarten in unser heutiges Programm. Herr Neuhauser, wir sind ja jetzt hier im Lokal drei, weil im Bundesratssaal gerade eine Sitzung stattfindet. Was wird denn da besprochen?
NEUHAUSER: Grundsätzlich sieht die Tagesordnung des heutigen Tages vor, am Beginn, das heißt jetzt gerade in dem Moment eine "Aktuelle Stunde“ zum Thema geopolitische Zeitenwende: Auswirkung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, auf die Außenpolitik Österreichs und Europas. Die „Aktuelle Stunde“ findet mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten statt.
LUKÁŠ: Klingt wichtig.
NEUHAUSER: Klingt, wichtig, ist auch wichtig. Ja.
LUKÁŠ: Ist jedes Thema von so geopolitischer Bedeutung, oder was wird denn normalerweise verhandelt?
NEUHAUSER: Grundsätzlich ist es so, dass alle Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates nach Beschlussfassung im Nationalrat dem Bundesrat übermittelt werden. Das heißt, alle zwei Wochen nach einer Nationalratssitzung findet eine Bundesratssitzung statt und behandelt in der Tagesordnung alle Gesetzesbeschlüsse.
LUKÁŠ: Und wenn diese Gesetzesbeschlüsse behandelt werden, was kann die Folge sein? Da wird dann entweder zugestimmt oder abgelehnt oder was passiert da?
NEUHAUSER: Das hängt von der Materie selber ab. Der Bundesrat hat Zustimmungsrechte und Einspruchsrechte. Grundsätzlich kann er keinen Einspruch erheben. Dann nimmt das Gesetzgebungsverfahren seinen Lauf oder er erhebt einen begründeten Einspruch. Dann wandert die Materie wieder zurück zum Nationalrat. In seltenen Fällen, wenn die Gesetzgebung oder die Vollziehung der Länder eingeschränkt wird, hat der Bundesrat auch ein absolutes Veto, also ein Zustimmungsrecht. Und dann würde der Prozess, falls diese Zustimmung nicht erteilt wird, in dem Moment beendet sein. Das heißt, die Materie wird nicht zurückgeschickt und nicht bewegt und müsste neu eingebracht werden.
LUKÁŠ: Frau Köppl-Turyna, es geht ja sicher auch oft um das liebe Geld. Kann der Bundesrat beim Budget auch mitreden?
KÖPPL-TURYNA: Ja, selbstverständlich. Das ist auch, wie Herr Neuhauser sagt, wie bei jedem Gesetzesbeschluss, darunter fallen auch natürlich budgetäre Gesetze, unter diese Prozedur. Vielleicht im Kontext des Föderalismus ist es besonders interessant, weil natürlich im Bundesrat sind ja die Vertreter der Länder, also die haben dann selbstverständlich auch eine gewisse Rolle bei der Frage des Finanzausgleichs. Aber es ist so, dass man zumindest in der internationalen Klassifikation diese Rolle etwas schwächer einstuft als zum Beispiel in Deutschland. Das sehen wir in den Statistiken. In Deutschland hat der dortige Bundesrat noch ein etwas stärkeres Recht, womit man davon ausgeht, dass, was dort passiert ist, wirklich das Geld der Länder ist, und das erfassen wir statistisch anders aus. Das ist in Österreich nicht so. Dann sieht man, dass auch diese Kompetenzen etwas schwächer sind. In der Praxis natürlich wissen wir auch, dass über dieses Geld gar nicht mit dem Bundesrat, sondern in der Landeshauptleutekonferenz verhandelt wird, und das ist ja an sich auch nicht im gesetzlichen Rahmen verankert, sondern realverfassungsrechtlich passieren diese Gespräche woanders.
NEUHAUSER: Wenn ich da nur anfügen darf, der Bundesrat hat da gar kein Mitwirkungsrecht. Gemäß Artikel 42 werden die Materien oder die Angelegenheiten, die das Bundesfinanzgesetz betreffen oder vorläufige Vorsorgen oder Eingehen einer Schuld et cetera, das kommt gar nicht in den Bundesrat, das wird nur im Nationalrat beschlossen. Das wird quasi vom Bundesrat weitergeleitet, direkt an den Bundespräsidenten.
LUKÁŠ: Das heißt, Sie sagen jetzt, im Bundesrat wird über Budgets nicht gesprochen, oder wie darf ich das verstehen?
NEUHAUSER: Man kann darüber sprechen, aber es kommt die Materie grundsätzlich... Also, ein Gesetz kommt nicht in den Bundesrat und wird dort nicht verhandelt. Aber natürlich kann in Reden immer wieder über Budgets gesprochen werden. Das ist klar.
LUKÁŠ: Da sind wir schon beim Thema Kompetenzen. Ein wichtiges Thema im Föderalismus, weil der Bund, die Länder und die Gemeinden, die haben ja verschiedene Hoheiten, und der eine kann hier entscheiden und der andere dort entscheiden, und manchmal müssen beide entscheiden. Wer ist denn wofür zuständig, Herr Neuhauser?
NEUHAUSER: Die Frage ist eigentlich so einfach gar nicht zu beantworten. Wenn man jetzt in die Verfassung schaut, es gibt grundsätzlich Artikel zwei, dass Österreich ein Bundesstaat ist und das Bundesgebiet die Gebiete der Bundesländer umfasst. Die Kompetenzverteilung ist dann in den Artikel zehn bis 15 geregelt, und da geht es dann wirklich um die einzelne Materie. Da muss man immer nachschauen, was ist Bundessache in Vollziehung und Gesetzgebung, oder gibt es eine Vollziehung auf der Landesebene? Da muss man also tatsächlich immer konkret hinschauen: Welche Materie ist betroffen? Wenn wir jetzt ein Beispiel nehmen, zum Beispiel Bundesfinanzen. Da ist die Verteilung so, dass die Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung betroffen ist. Wenn man aber anschaut, zum Beispiel Staatsbürgerschaft, das Staatsbürgerschaftswesen, da ist die Bundessache, die Gesetzgebung und die Vollziehung ist Landessache. Es gibt dann noch eine Grundsatzgesetzgebung in Artikel zwölf, und wichtig ist auch noch der Artikel 15. Alle Materien, die nicht genannt sind in den Artikel zehn bis 15, fallen in die Länderkompetenz. Aber es sind sehr viele Materien genannt. Das heißt, es bleibt nur ein kleiner Bereich für die Länder über.
LUKÁŠ: Welcher Bereich bleibt für die Länder über? Hätten Sie das zufällig spontan parat?
NEUHAUSER: Der Wichtigste, der mir einfällt, ist der Bereich der Bauordnungen. Das ist eine eindeutige Länderkompetenz, und da hat der Bund nichts mitzureden.
LUKÁŠ: Haben Sie zu dieser Regelung vielleicht auch…?
KÖPPL-TURYNA: Also aus der ökonomischen Perspektive haben wir dafür Belege, dass Föderalismus effizient sein soll, aber eben eine der institutionellen Voraussetzung ist, dass eine klare Kompetenzenzzuteilung gegeben ist und auch für die Bürger transparent ist. Weil, das ist auch etwas, was viel bewirkt, dass die Bürger das wissen und wie sie selber festgestellt haben, das ist in Österreich leider nicht so. Und das ist nicht nur für die Hörerinnen und Hörer oft schwierig festzustellen, wer für was zuständig ist, sondern auch für die Expertinnen. Wenn wir eben diese finanziellen Angelegenheiten uns anschauen, da sind sehr, sehr komplexe Finanzierungsströme, und das ist natürlich ein Problem. Weil, alle Vorteile des Föderalismus entstehen eigentlich de facto aus der Tatsache, dass der Bürger wirklich weiß, wer für was verantwortlich ist. Weil, dann kann der Bürger diese Person, diesen Politiker auch zur Verantwortung ziehen, indem er ihn zum Beispiel abwählt. Wenn diese Kompetenzen nicht klar und transparent sind, dann ist dieser Vorteil leider verloren.
LUKÁŠ: Es wurde ja auch schon die Gesetzgebung genannt. Wie schaut eigentlich der Weg eines Gesetzes von der ersten Idee bis zur Verabschiedung aus?
NEUHAUSER: Ich hoffe, ich bin jetzt nicht wieder zu technisch, aber leider...
LUKÁŠ: Ansonsten spreche ich...
NEUHAUSER: Bitte, bitte, bitte darum! Verfahren ist halt einfach etwas formal, und deswegen muss man diesen Weg einfach einhalten. Also, wenn wir anfangen bei einem Gesetzesentwurf: Der basiert auf einem politischen Vorhaben. Manchmal ist ein Begutachtungsverfahren vorgelagert, da wird ein Vorhaben dem Parlament übermittelt, und dann kann jeder Bürger, jede Bürgerin eine Stellungnahme zu diesem Vorhaben abgeben.
LUKÁŠ: Darf ich einen Vorschlag machen? Haben wir vielleicht ein aktuelles Beispiel, wo wir die Idee kennen und die gerade in dem Prozess drin ist, und wo wir das durchexerzieren könnten, an etwas Greifbarem?
NEUHAUSER: Naja, wenn ich die Tagesordnung des Bundesrats jetzt anschaue, dann könnte man den Beschluss betreffend das Bundesgesetz über die Wiener Zeitung GmbH nehmen.
LUKÁŠ: Wunderbar, das nehmen wir.
NEUHAUSER: Also da gab es meines Wissens nach einen Initiativantrag dazu von Abgeordneten. Das ist eine Möglichkeit einen Gesetzesentwurf zu starten. Dieser Initiativantrag wurde dann dem Ausschuss oder einem speziellen Ausschuss, in dem Fall dem Verfassungsausschuss, zugewiesen. Dort wird er debattiert von den Abgeordneten. Dann gibt es eine Empfehlung an das Plenum. Dann kommt diese Vorlage in den Nationalrat, also in die Plenarversammlung. Dort wird wieder debattiert, in der zweiten und in der dritten Lesung beschlossen. Dann wird es weitergeleitet an den Bundesrat, und dort findet wieder ein Ausschlussverfahren und ein Plenarverfahren statt. Am Schluss wird das beschlossene Gesetz den Bundespräsidenten übermittelt und vom Bundeskanzler gegengezeichnet und dann im Bundesgesetzblatt Kund gemacht.
LUKÁŠ: Gut, dann ist das zum Beispiel ein recht umstrittener Vorschlag, so wie man das den Medien entnehmen kann. Der Bundesrat könnte das also quasi stoppen, wenn er wollte.
NEUHAUSER: Genau, es ist sehr umstritten, und heute, ich war grad drüben im Plenarsaal. Anscheinend gibt es zwei namentliche Abstimmungen zu dieser Materie. Der Bundesrat könnte zum Beispiel einen begründeten Einspruch erheben, wenn es dafür eine Mehrheit gibt, aber, ich weiß nicht, wer das in den Medien verfolgt hat, derzeit hat die Regierung wieder eine Mehrheit im Bundesrat. Deswegen gehen wir nicht davon aus, dass dieser begründete Einspruch erhoben wird.
LUKÁŠ: Dankeschön! Hauptsächlich liegt es ja eher beim Bund, die Gesetze auf den Weg zu bringen, und wenn Länder im Einzelnen in die Gesetzgebung eingreifen wollen, welche Methoden oder Instrumente können Länder denn dann einsetzen?
NEUHAUSER: Also, realpolitisch fällt mir eigentlich da eher ein, dass man auf die Abgeordneten, die die jeweiligen Länder… also Sie senden sie ja nicht in den Nationalrat. Aber de facto ist es so, dass jeder Abgeordnete aus einem Land kommt, und die Landespartei da durchaus Druck ausüben kann auf die Abgeordneten im Nationalrat. Das heißt, es gibt dann nämlich einmal die burgenländischen Abgeordneten, die ein gewisses Thema oder eine Linie vertreten, und dann müsste halt der Landesparteivorsitzende, realpolitisch muss ich dazu sagen, Druck ausüben auf diese Abgeordneten. Formal kann der Bundesrat einen Drittelantrag stellen, das heißt, ein Drittel der Mitglieder des Bundesrates können einen Gesetzesantrag formulieren und den an den Nationalrat schicken zur Beschlussfassung. Oder es gibt einen Gesetzesantrag, der beschlossen werden kann im Bundesrat. Also, die Länder müssen versuchen, auf der Bundesebene in die Bundesgesetzgebung einzuwirken. Realpolitisch kann man das eben auch über die Mandatare selber machen.
LUKÁŠ: Und wie oft passiert es, dass so ein Gesetzesvorschlag vom Bundesrat mit dieser Drittelmehrheit eingereicht wird?
NEUHAUSER: Das passiert nicht sehr häufig. Man muss dazu sagen, die Opposition macht das natürlich öfter, aber das wird dann natürlich nicht beschlossen im Nationalrat. Mir sind ganz wenige Beispiele bekannt, dass das tatsächlich zu einer Beschlussfassung geführt hat.
LUKÁŠ: Wir sind mitten im Thema, wie Föderalismus funktioniert, und es ist ja, so haben wir das auch in den letzten Folgen schon gelernt, Fluch und Segen zugleich! Bevor wir jetzt weiter in die Tiefe reingehen, wäre es uns ganz wichtig, dass wir vielleicht Sie beide noch ganz kurz ein bisschen besser kennenlernen. Drei kleine Fragen, drei kurze Antworten. Vielleicht dürften wir mit Ihnen, Frau Köppl-Turyna, beginnen. Frühling oder Herbst?
KÖPPL-TURYNA: Frühling.
LUKÁŠ: Okay. Kompromiss oder beste Lösung?
KÖPPL-TURYNA: Beste Lösung. Eindeutig.
LUKÁŠ: Und wo beginnt für Sie Demokratie?
KÖPPL-TURYNA: Im eigenen Kopf.
LUKÁŠ: Sehr kurze, knackige Antworten. Vielen Dank dafür. Und Sie, Herr Neuhauser, dieselben Fragen warten auf Sie. Frühling oder Herbst?
NEUHAUSER: Frühling.
LUKÁŠ: Kompromiss oder beste Lösung?
NEUHAUSER: Kompromiss.
LUKÁŠ: Und wo beginnt für Sie Demokratie.
NEUHAUSER: In der kleinstmöglichen Einheit. Ich habe jetzt dann mit Einschränkungen an die Familie gedacht.
LUKÁŠ: Vielen Dank.
LUKÁŠ: Dann würde ich mal mit ihnen weitermachen. Frau Köppl-Turyna. Wir haben das Thema ja schon angesprochen, und zwar die Budgetverhandlungen zwischen Bund und Ländern. Wenn die Länder Kompetenzen wahrnehmen, aber dafür gar nicht eigenständig den finanziellen Rahmen bestimmen können, hinkt dann nicht das ganze Modell, mit dem wir da arbeiten?
KÖPPL-TURYNA: Ja, es ist natürlich alles ein bisschen komplizierter, ökonomisch gesehen, aber an sich schaut das Idealmodell so aus, dass wir Einheiten haben, zum Beispiel der Bund hat eine Gesetzgebungskompetenz und Vollziehungskompetenz und auch Geld dafür zu verfügen, und dann eben Länder ähnlich und Gemeinden ähnlich. Und in einem solchen idealen Modell hätten wir eine sozusagen perfekte Kongruenz zwischen Einnahmen, Ausgaben und Aufgabenzuteilung. Dieses Modell existiert natürlich in der Realität nicht, und es gibt auch Fälle, wo es auch notwendig ist, dass es eben diese zwischenstaatlichen Verflechtungen gibt, etwa im Falle, wo eine sogenannte Externalität ist. Eine Oper in Wien wird beispielsweise nicht nur von Wiener besucht, sondern auch von Personen aus anderen Bundesländern oder ein Krankenhaus. Das heißt, wenn nur die Wiener das finanzieren müssten, wäre das ein bisschen unfair. Und solche Fälle sind auch – deswegen haben wir auch Verflechtungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Nur, da kommt es nicht mehr aufs Augenmaß an. Wir sind in Österreich näher einem Modell, wo es diese Konkurrenz gar nicht gibt und sehr viel Verflechtungen gibt als einem Modell, wo es nur dann Verflechtungen gibt, wo es notwendig ist, und das ist eben nicht optimal. Es ist nicht optimal aus mehreren Sichtpunkten – etwa, weil es einfach für die verantwortlichen Personen keine guten Anreize schafft. Ich nehme mir ein Beispiel eines Bundeslandes. Dann kommt vielleicht eine Wahl, und man möchte sich gut stellen vor der Wahl. Deswegen möchte man den Wählerinnen und Wählern was anbieten. Man gibt Geld aus, das man selber aber gar nicht anhebt. Das heißt, es gibt sehr viel Anreiz, Gelder auszugeben. Aber es kommt ja vom Bund, und wenn die Bürgerinnen und Bürger diesen Zusammenhang nicht verstehen, wo das Geld herkommt, und das ist bei dieser Intransparenz auch schwierig nachzuvollziehen, dann können auch solche Sachen passieren. Da haben wir eben in der Literatur festgestellt, dass in einem System wie in Österreich, wo es wirklich sehr viele Ausgabenkompetenzen gibt und Vollziehungskompetenzen auf der niedrigeren Ebenen, aber keine Besteuerungskompetenzen, kommt es eben zu diesen falschen Anreizen, und diese Effizienz geht verloren. Also an sich kann Föderalismus gut funktionieren, und wenn man eben diese Probleme in den Griff bekommt, und da ist Österreich im Vergleich international ein Land, wo es tatsächlich eher diese Probleme gibt. Schweiz aber auch zum Beispiel Dänemark hat eine sehr starke Dezentralisierung der Steuereinnahmen auf Gemeindeebene oder Schweden, ist es eben sinnvoller geregelt aus meiner Sicht.
LUKÁŠ: Ein Bundesland könnte doch, wenn es in der Finanzierung maßgeblich von einer anderen Instanz abhängt, also dem Bund, mehr Mitspracherecht bei der Zuteilung der Mittel einfordern. Würde man sich logisch denken. Gab es das schon einmal, dass ein Bundesland sich aktiv für eine eigenständige Finanzzuteilung eingesetzt hat?
NEUHAUSER: Also ich nehme an das passiert ständig auf der Parteien-Ebene. Mir ist jetzt aber nicht bewusst – ich glaube, es gibt ja Länderzuschüsse anlässlich der 90-Jahr, 80-Jahr-Feiern. Und da gab es manchmal Diskussionen, in welcher Höhe die sein sollen, oder ich glaube, einmal gab es den Fall, dass das Land das eigentlich zu spät bekommen hat. Diese Diskussion gibt es immer, und ich glaube auch, dass manche Bürgermeister für Gemeinden andere Schlüssel fordern beziehungsweise andere Zahlungen aufgrund von Aufwendungen, die sie haben oder nicht haben, Hochwasser oder ich weiß nicht, was da für Argumente kommen, dass im Zuge des Finanzausgleiches diesen Gemeinden mehr Geld zur Verfügung gestellt wird. Ich glaube, das passiert laufend im politischen Prozess.
KÖPPL-TURYNA: Es passiert definitiv laufend, und das sieht man auch, wenn man das Finanzausgleichsgesetz aufmacht, dann bekommt man manchmal auch den Eindruck, dass es ein bisschen zufällig ist, welche Gemeinden, warum auch immer mehr oder weniger Geld bekommen. Es ist so, dass es nicht irgendwie nachvollziehbarerweise auf objektiven Kriterien basiert. Der eine Grund ist der von mir genannte Externalität, und der andere Grund ist: Selbst in einem föderalen Staat ist es nicht wünschenswert, wenn die ökonomischen Verhältnisse zu stark auseinanderdriften. Deswegen sorgen wir dafür, dass eine reichere und eine ärmere Gemeinde dennoch dieselbe Qualität der öffentlichen Leistungen zur Verfügung stellen können. Dafür haben wir auch den Finanzausgleich. Aber eben in der Schweiz beispielsweise basieren diese Modelle auf nachvollziehbaren, objektiven Kriterien, wie zum Beispiel, wie viele arme Personen dort leben oder wie viele Schülerinnen dort leben, wie hoch ist die Gemeinde, da ist ja natürlich Infrastruktur teurer, oder wie steil ist die Gemeinde. Und bei uns ist es eher die Verhandlungssache, und dann am Ende, was rauskommt, hat oft nicht mit nachvollziehbaren Kriterien zu tun und mehr mit dieser Verhandlungsmacht. Und um ein zweites Beispiel vielleicht zu nennen: Ich habe dazu auch selber Untersuchungen gemacht, aber es gab da auch ähnliche Untersuchungen für Österreich. Man stellt fest, dass eben diese Zuschüsse, die sozusagen auch in Macht des Bundes oder der Bundesländer sind, stärker ausfallen in den Gemeinden, die von derselben Partei regiert werden, wie das Bundesland oder die derzeitige Koalition oder irgendwelche Koalitionen im Bund. Da will ich jetzt keine konkreten Farben nennen. Also diese selbe politische Parteiengemeinde bekommt im Schnitt mehr Geld, und das ist realpolitisch tatsächlich zu sehen.
NEUHAUSER: Vielleicht wenn ich noch ergänzen darf. Ich glaube, ein Problem, oder zumindest in der Debatte verfolge ich das, ist, dass die Länder Geld zugeteilt bekommen und das dann nicht zu 100 Prozent an die Gemeinden weitergeben. Das heißt, die Gemeinden bekommen immer mehr Aufgaben. Also das ist eben nur die Debatte. Ich bin jetzt da an sich ja nicht beteiligt, aber wenn man sich die Debatte anhört, die Gemeinden bekommen immer mehr Aufgaben und nicht die erforderlichen Mittel dafür, weil die Mittel bei den Ländern, ich sage mal, hängen bleiben, weil die Länder das nicht weitergeben. Also, das müsste man sicher transparenter gestalten.
LUKÁŠ: Und wird daran gearbeitet, das transparenter zu gestalten, frage ich da mal als Bürgerin?
KÖPPL-TURYNA: Ich kann nur als Expertin sagen, die einige Jahre schon in diesem Verfahren beobachtet: Diese Diskussion haben wir alle paar Jahre. Jedes Mal, wenn das Finanzausgleichsgesetz ausläuft, gibt es Expertengespräche. Was könnte man machen, diese Transparenz zu verbessern, diese Entflechtung vorzunehmen und eben die finanzielle Mittelzuweisung zu verändern? Und das ist in den letzten Jahren, seitdem ich daran arbeite, jedenfalls nicht passiert. Heuer sind wir eigentlich schon recht fortgeschritten, und da bis Herbst das Gesetz stehen soll, gehe ich davon aus, dass ist auch kein großer Wurf dieses Mal wird.
LUKÁŠ: Also mir kommt vor, wir haben uns inzwischen ganz gut von einer theoretischen Ebene runter in die Realität gearbeitet in diesem Gespräch, und darum kommen wir jetzt zur nicht unerheblichen Frage, was hat das alles mit uns Bürgerinnen und Bürgern zu tun? Und jetzt wäre es eben toll, wenn man vielleicht wieder mit Beispielen arbeiten könnten. Wo bemerken Sie den Föderalismus konkret im Alltag, und haben Sie vielleicht auch ein Beispiel dafür, wo Föderalismus direkten Einfluss jetzt auf Ihr Leben hat?
KÖPPL-TURYNA: Also, auf mein Leben hat das tatsächlich vor Kurzem Einfluss gehabt. Ich habe die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten vor einigen Wochen und das ist, wie Herr Neuhauser schon angemerkt hat, eine Landesvollziehungssache, und das ist interessant, weil, das führt dazu, dass eben jedes Bundesland eine eigene Prüfung hat. Man muss sich mit Wiener Geschichte vertraut machen. In Oberösterreich wäre es dann die oberösterreichische Geschichte. Also, ich weiß schon recht viel über Gemeindebauten aus der Zwischenkriegszeit und recht viel über Brunnen am Rathausplatz aus dem Grund. Das ist etwas, was mich persönlich betroffen hat, aber natürlich jetzt zurück ein bisschen auf die abstraktere Ebene. Es betrifft eben jede Steuerzahlerin und jeden Steuerzahler immer, weil, eben einer der Vorteile des Föderalismus ist die Tatsache, dass unter richtigen Bedienungen man dafür effizientere öffentliche Leistungen bekommt, weil man zum Beispiel sich vergleichen kann mit einer Nebengemeinde und sagen, ja, warum haben die dort bessere Straßen, aber niedrigere Steuern? Das ist in manchen anderen Ländern so, und das ist in Österreich schwierig. Das heißt, uns betrifft das immer indirekt. Diese Intransparenz führt dazu, dass wir möglicherweise nicht das Beste aus unserem Steuergeld bekommen.
LUKÁŠ: Und Sie, Herr Neuhauser, wo waren Sie zuletzt vom Föderalismus direkt persönlich betroffen?
NEUHAUSER: Also, mir fallen da jetzt zwei konkrete Beispiele ein. Wobei ich bei Föderalismus beziehungsweise bei den Materien immer sagen muss, es gibt einen positiven Aspekt und einen negativen Aspekt. Wenn ich die Gesundheitskompetenzen und die Verteilung anschaue, dann bin ich persönlich als Bürger etwas betroffen, wie in der Covidkrise herausgekommen ist, dass da eigentlich die Kompetenzverteilung nicht funktioniert. Sei es, dass der Bundesminister, glaube ich, in einem Moment sich auch hingestellt hat und gemeint hat, dass er nichts machen kann gegen die Länder, was realpolitisch vielleicht stimmt, aber eigentlich von der Verfassung her nicht. Also, das hat schon eindeutig aufgezeigt, wo die Probleme liegen, dass der Gesundheitsbereich, dass die Kompetenzverteilung im Gesundheitsbereich nicht funktioniert, sei es Spitäler, sei es Ambulanzen, sei es Rettungsdienste et cetera. Das greift nicht ineinander. Ein zweiter Bereich, der mich persönlich auch immer wieder betrifft, ist die Bauordnung, und da kann man auch negativ wie positiv sehen: Es macht natürlich Sinn, Tirol, Sie haben vorher auch steil gesagt, et cetera, dass man dort andere Vorschriften zur Geltung bringt als in Wien, wo ich im Flachland bin. Aber trotzdem gibt es wieder das Thema Versiegelung der Böden, und das löse ich nicht, indem ich neun verschiedene Bauordnungen in Österreich habe, und auch das betrifft mich grundsätzlich, wenn ich die Debatte verfolg, dass wir mehrere Fußballfelder pro Tag versiegeln und es eine Raumordnung gibt, die den Bürgermeistern aber nicht ausreichend vorschreibt, was sie bauen sollen, eigentlich aus ökologischen Gesichtspunkten. Das sind zwei Bereiche, finde ich, wo man es von beiden Seiten sehen kann. Es gibt Vorteile des Föderalismus, aber es gibt auch Nachteile.
KÖPPL-TURYNA: Ich weiß, dass das Thema Kinderbetreuung auch schon gekommen ist, aber ich habe auch selber zwei Kinder, aber aus der Forschungsperspektive sehen wir uns das an. Und da ist auch natürlich eine gewisse Ungleichbehandlung. Dadurch, dass das Landesgesetze sind, die Kinderbetreuung organisieren, haben wir in Wien eine signifikant bessere Situation, als in manchen anderen Bundesländern, und das ist natürlich aus Sicht der Frauen, die auch in anderen Bundesländern vielleicht arbeiten gehen wollen, natürlich eine Ungleichbehandlung, und ich fände es wahrscheinlich sinnvoll auch hier eine Reform vorzuziehen und das ein bisschen einheitlicher zu gestalten.
LUKÁŠ: Ja, und auch der Jugendschutz zum Beispiel ist ja Ländersache, also was Jugendliche dürfen, bis zu welcher Uhrzeit et cetera ist ja je nach Bundesland unterschiedlich geregelt.
NEUHAUSER: Das ist bei mir jetzt schon ein bisschen länger her, aber ich kann mir vorstellen, dass ein Bier manchmal ab 14 und manchmal ab 16 möglich ist, oder Schnaps ist glaube ich auch so eine Sache, manchmal ab 18, manchmal ab 16, je nachdem in welchen – Ausgehzeiten zum Beispiel – ob das nicht auch dazu gehört… Also wie gesagt, bei mir ist es schon ein bisschen länger her, deswegen weiß ich es nicht so genau.
LUKÁŠ: Bei uns allen hier ist es schon ein bisschen länger her. Wir dürfen schon ein bisschen länger konsumieren, wonach uns der Sinn steht. Ähm, Frau Köppl-Turyna, Sie haben ja vor der Aufzeichnung gesagt: föderalistische Systeme sind effizienter und die Personen eines Bundesstaates zufriedener, wenn der institutionelle Rahmen angemessen ausgerichtet ist. Könnten Sie uns das nochmal runterbrechen in einfachen Worten, damit jeder unserer Hörerinnen und Hörer diese Aussage verstehen kann.
KÖPPL-TURYNA: Ja, natürlich. Es ist ja im Prinzip so, dass die föderalen Systeme – das Grundprinzip ist ja das Subsidiaritätsprinzip. Das heißt eben, man geht von einer kleinen Einheit aus und sagt, wenn diese Einheit nicht in der Lage ist, eine gewisse Aufgabe zu erfüllen, dann lagern wir sie eine Ebene höher, und die kleinste Einheit ist ja die Familie, dann die Gemeinde und die Länder und der Bund. Das ist in dem Sinne meistens effizienter, weil, wenn man kleinräumig denkt, dann hat man bessere Informationen, dann kann man direkter mit dem Bürger kommunizieren, und vor Ort die Personen und die Entscheidungsträger wissen am besten, was für diese konkrete Gemeinde am besten passt. Und das ist das Grundprinzip. Und deswegen sehen wir auch diese Effizienz in den Systemen, wo dieses Subsidiaritätsprinzip gelebt wird, in den Daten, dass dort geringere Steuern, bessere bessere Leistungen des Staates genannt werden, eben dieses „subjective well being“. Das ist ein Maß, das wir in der Ökonomie verwenden, wie glücklich die Menschen sind, zu messen, das funktioniert alles besser. Nur ist eben dieses Prinzip verletzt, wenn zum Beispiel Steuerkompetenzen nicht auf der kleinen Ebene gegeben sind, sondern die Gemeinden sind darauf angewiesen, dass sie vom Land Geld bekommen, und das Land ist darauf zu gewesen, dass es vom Bund Geld bekommt. Also, das ist dann verletzt. Oder es ist auch dann verletzt, wenn die Bürger gar nicht wissen, wer für was zuständig ist, und man kann sich dann die Verantwortung hin und her schieben. Sie haben Corona genannt. Ich glaube, da haben wir das am ausdrucksvollsten zu beobachten bekommen, weil eben dadurch, dass Normalsterbliche sich da gar nicht auskennen, kann der Minister sagen, die Länder sind schuld, und Länder sagen der Minister ist schuld, und auf einmal ist niemand zuständig. Und deshalb... Transparenz ist notwendig, dass die Bürger die richtigen Personen zur Verantwortung ziehen und dann wirklich die demokratische Kontrolle ausüben können. Und deswegen: Das funktioniert, wenn Transparenz, Steuer- und Subsidiaritätsprinzip gelebt werden, und daran könnte man jedenfalls in Österreich arbeiten.
LUKÁŠ: Also, wenn ich das richtig verstehe, dann geht es auch in diesem föderalistischen System darum, welche Person, welche die handelnde Person ist?
KÖPPL-TURYNA: Ja, ja natürlich, aber eben aber eben, welche Kompetenzen diese Person hat, ist auch eben sehr wichtig, weil, wie gesagt, nehmen wir das Beispiel jetzt noch mal mit der Gemeinde. Also wenn, selbst wenn eine Gemeinde irgendwas verbessern will, aber dafür nicht die eigenen Mittel hat, dann wird es vielleicht nicht funktionieren, oder eben wird zu viel Geld ausgegeben, weil es gerade dort die Wahl bevorsteht, und wir müssen irgendwas auf einmal schneller schon machen, weil, sonst wird man abgewählt. Und eben diese Effizienzprobleme entstehen dadurch, dass die Kompetenzzuteilung mit der Steuerkompetenz nicht in eine Hand fallen in den meisten Fällen oder weil es eben so komplex ist, das System, dass sich am Ende keiner verantwortlich fühlt.
NEUHAUSER: Ich würde mich dem voll anschließen. Ich bin auch ein Fan davon, dass man vielleicht irgendwann es schafft, die Verfassung so weit zu ändern, dass die Kompetenzverteilung entstrickt wird und sich jeder auskennt, so wie sie vorher gesagt haben. Ich meine, ich habe das so lesen müssen beziehungsweise sagen müssen, wie es in der Verfassung steht. Es ist teilweise nicht nachvollziehbar, weil es gewachsen ist über Jahrzehnte und weil Befindlichkeiten auch mitspielen, wer für was zuständig sein darf. Da geht es auch viel um Wahlen auf der Länderebene. Ich vergleiche es dann immer mit Bayern. Bayern hat ungefähr gleich viel Einwohner wie Österreich, und wir haben neun Landtage, wobei ich arbeite im Bundesrat, verteidige jetzt auch die Landtage. Aber man muss sich wirklich genau überlegen, wofür sollen Länder zuständig sein, sei es in der Verwaltung, sei es in der Gesetzgebung? Derzeit ist es so, dass die Länder über die mittelbare Bundesverwaltung, also über viele Themen, die wir angesprochen haben, die sie vollziehen, einen sehr hohen Machthebel haben und eigentlich Druck auf den Bund ausüben können. Und das muss man sich fragen, will ich das, oder habe ich zu viele Kosten, die entstehen eigentlich auch, die ich anderswo einsetzen könnte. Wir sind ein reiches Land, und ich glaube, da gibt es viel, wie soll ich sagen, Kosten, die einfach am falschen Platz ausgegeben werden.
LUKÁŠ: Gibt's eigentlich Umfragen, wie die Bürger und Bürgerinnen sich das vorstellen, wie die das gerne hätten?
KÖPPL-TURYNA: An sich kommt es darauf an. Ich bilde mir ein, dass das je westlicher, desto besser ist die Einstellung zu Föderalismus aus den Umfragen. Vorarlberg ist hier ein Beispiel, wo man wirklich sehr stark zu diesem, zu diesem Konzept steht. Vielleicht die Nähe zur Schweiz spielt hier eine Rolle. Dort ist man auch, glaube ich, sozusagen kulturell etwas noch klein organisiert. Die Gemeinden sind dort, spielen, glaube ich auch für die Menschen eine wichtige Rolle. Geografisch gesehen macht es auch Sinn. Je östlicher, desto negativer ist die Einstellung zum derzeitigen System. An sich im Schnitt sehen die Menschen Reformbedarf. Aber wie gesagt, es ist leider die letzten Jahre nicht viel passiert.
NEUHAUSER: Ich muss auch dazu sagen, ich finde, es fängt in den Köpfen an, weil, wenn man in den Bundesländern unterwegs ist und fragt, wo man sich zugehörig fühlt, dann hört man immer zuerst das Bundesland. Und wenn ich das umdrehen würde und sage, ich bin zuerst Europäer, dann Österreicher und dann kommt erst das Bundesland, dann wäre das in den Köpfen schon... beginnt das ja. Dann würde das schon anfangen. Aber solange ich davon ausgehe, dass, jetzt nehme ich irgendein Bundesland, Steiermark, ist das Wichtigste für mich, dann werde ich halt immer dort landen, dass ich diese Kompetenzzuteilung nicht auflösen kann.
KÖPPL-TURYNA: Also ich muss sagen, ich bin da leicht andere Meinung, weil, ich glaube nicht, dass es am Ende darauf ankommt, wie viele Landtage wir haben. Weil, die Schweiz ist ja noch kleinkarierter, Dänemark ist auch kleinkariert mit der sehr starken Steuerautonomie auf der Gemeindeebene. Aber eben das muss auch auf beiden Seiten passen, weil das Problem ist dass, wie Sie richtig sagen, die Länder üben Druck auf den Bund aus, aber gleichzeitig drücken sie sich vor der Verantwortung für die Steuerkompetenzen. Weil, wenn man eine Steuerkompetenz hat, dann auf einmal ist es klar, dass ich mich für meine Entscheidungen vor meinen eigenen Bürgerinnen und Bürger rechtfertigen muss. Und dann auf einmal verstehen die Bürger, dass die Leistungen, die aus den Steuern finanziert werden, vielleicht, woanders besser funktionieren. Am besten funktioniert das auf der Gemeindeebene. Auf der Länderebene kann man das auch machen, aber dann muss da eben die Kompetenz der Steuer hin, weil dann kann ich sagen, ich baue jetzt eine neue Schule, ein neues Schwimmbad, aber dafür werden die nächsten Jahre die Steuern höher sein. Seid ihr damit einverstanden? Vielleicht nicht. Vielleicht ja. Und dieses Element fehlt. Also bei uns ist eben die Kompetenzverteilung nur so, dass ich viel Geld ausgebe, nicht einnehme, und dann kann man sagen, naja, der Bund muss uns Geld geben. Das ist ja immer noch unser Steuergeld. Aber der Zusammenhang ist weniger direkt für die Menschen zu spüren, und sie glauben, sie haben mehr Vorteile daraus, als sie tatsächlich haben, und das führt eben zu diesen falschen Ansätzen.
LUKÁŠ: Dann würde ich zum Schluss vorschlagen, dass Sie beide vielleicht noch Änderungswünsche, – formulieren wir es so: Änderungswünsche – dem Publikum präsentieren, wie Sie glauben, dass das System noch besser funktionieren könnte. Vielleicht möchten Sie anfangen. Herr Neuhauser?
NEUHAUSER: Also, ich würde mir wünschen, es gab schon mal 2004 einen Verfassungskonvent, wenn es so etwas noch mal gäbe, dass sich wirklich alle Akteure zusammensetzen, alle Parteien, und dann wirklich diese Kompetenzverteilung angehen und ganz klare Regeln schaffen. Wer ist wofür zuständig, wer bekommt das Geld, wer darf es ausgeben et cetera. Die Flüsse, alles bereinigen, das wäre wirklich ein großer Wurf, glaube ich. Also, das wäre ein großer Wunsch, wenn das passieren würde.
KÖPPL-TURYNA: Das sehe ich ähnlich, und dann jetzt vielleicht praktisch gesprochen, nach diesen... Es gibt da unzählige Rechnungshofberichte beispielsweise zu diesen Problemen. Es reicht sich die einmal anzuschauen, und da hat man eigentlich die Lösungen schon drinnen oder die Expertenberichte, die Studien, die wir auch für Ministerien in den letzten Jahren erstellt haben. Welche Steuerkompetenzen zum Beispiel wohin gehören aus ökonomischer Sicht. Und dann, wenn man das jetzt umsetzt in die Praxis – es gibt die zwei Vorschläge, sagen wir mal so: den Zentralisierungsvorschlag oder so richtig dezentralisieren, und beides wäre jedenfalls besser, als das, was wir jetzt haben. Ich habe persönlich eine Präferenz für das zweite, und wenn man, da kann man sich wirklich gute Beispiele aus anderen Ländern nehmen, Schweiz zum Beispiel, wo man wirklich nach klaren Kriterien sieht, wo das Geld fließt, an wen, warum, dann ist es einfach sauber und das führt dazu, dass das einfach eben diese Beziehungspotenziale ausgeschöpft werden.
LUKÁŠ: Da, glaube ich, wird es Widerstand aus den Bundesländern geben, aber…
NEUHAUSER: Davon gehe ich aus, ja.
LUKÁŠ: Ja, davon können wir alle ausgehen, da sind wir uns auf jeden Fall einig. Vielen Dank, dass Sie Ihre Fachmeinungen eingebracht haben und versucht haben, uns das Thema näherzubringen. Auf verständliche Art und Weise am Beispiel. Danke dafür!
NEUHAUSER: Sehr gerne.
KÖPPL-TURYNA: Danke sehr.
LUKÁŠ: Ich sage herzlichen Dank an Sie, Monika Köppl-Turyna und Sie, Philipp Neuhauser. Wenn euch diese Folge gefallen hat, dann empfehlt den Podcast doch gerne weiter. Und natürlich würden wir uns auch freuen, wenn ihr rund ums Parlament abonnieren würdet. Das geht überall, wo ihr auch sonst eure Podcasts hört, nämlich auf Spotify, Apple Podcast, Deezer oder Amazon Musik, und ich hoffe, dass ihr auch in der nächsten Folge wieder dabei seid. Dann beschäftigen wir uns nämlich etwas genauer mit der Kritik am Föderalismus und damit, wie man ihn weiterentwickeln kann. Meine Gäste sind dann noch einmal Peter Bußjäger vom Institut für Föderalismus und Gerhard Holzinger, ehemaliger Präsident des Verfassungsgerichtshofs und Vorsitzender des Arbeitskreises für staatliche Institutionen im Österreich-Konvent. Das wird – versprochen – sicher ein sehr spannendes Gespräch. Jede Menge Informationen und Angebote rund um das österreichische Parlament und zu unserer Demokratie findet ihr auf unserer Website www.parlament.gv.at. und den Social-Media-Kanälen des Parlaments. Falls ihr Fragen, Kritik oder Anregungen zum Podcast habt, dann schreibt uns gerne eine E-Mail an Podcast@parlament.gv.at also ich würde mich freuen, euch auch in der nächsten Folge wieder mit dabei zu haben. In diesem Sinne sage ich vielen Dank fürs Zuhören. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Wir hören uns.
Jingle: Rund ums Parlament, der Podcast des österreichischen Parlaments.