Bund vs. Länder: Ist unser System zeitgemäß?
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Zu teuer, zu unflexibel, zu bürokratisch… Nicht jeder hält den Föderalismus für das beste aller politischen Systeme.
Welche Kritik konkret gegen die österreichische Variante im Raum steht, warum der Bundesstaat vielleicht doch besser funktioniert, als so mancher denkt und wie er weiterentwickelt werden kann – darüber unterhält sich Tatjana Lukáš in dieser Folge mit Peter Bußjäger, Direktor des Instituts für Föderalismus, und Gerhart Holzinger, ehemaliger Präsident des Verfassungsgerichtshofs.
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Transkript
Jingle: Rund ums Parlament, der Podcast des österreichischen Parlaments.
Einspieler: … und unter Anderem und zu guter Letzt werden wir auch Marken, die natürlich in Österreich Traditionsmarken sind, wie die Wiener Zeitung für die Zukunft erhalten und künftig auch ihnen die Möglichkeit geben, im Digitalen Raum die Jugend zu erreichen.
Tatjana LUKÁŠ: Und so hört sich es also an, wenn im Bundesrat verhandelt wird, der zweiten Kammer des Parlaments. Hier sitzen nämlich die Vertreterinnen und Vertreter der Länderparlamente und wirken an der Bundesgesetzgebung mit. Aber weil, wie wir gehört haben, im Moment gerade eine Sitzung stattfindet, treffe ich meine beiden Gäste für diese Folge von Rund ums Parlament vor dem Bundesratssaal. Und damit Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Rund ums Parlament, dem Podcast des österreichischen Parlaments. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Schön, dass Ihr wieder dabei seid. Natürlich freue ich mich mindestens ebenso über meine beiden Gäste, die heute bei mir sind, denn ich glaube, dass sie heute sehr interessante Einblicke in die Diskussion um Sinn und Zweck des Föderalismus geben werden. Herzlich willkommen, Gerhart Holzinger!
Gerhart HOLZINGER: Grüß Gott!
LUKÁŠ: Und Herr Peter Bußjäger.
Peter BUẞJÄGER: Hallo, guten Tag!
LUKÁŠ: Herr Bußjäger, Sie sind Professor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht und Direktor des Instituts für Föderalismus, ich freue mich sehr, dass Sie uns ein zweites Mal in diesem Podcast beehren. Und, Herr Holzinger, Sie sind nicht nur Professor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht und ehemaliger Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Sie waren unter anderem auch Teil des Österreich-Konvents, auf das wir heute noch zu sprechen kommen, der zwischen 2003 und 2005 an einer Verfassungsreform für die Republik Österreich gearbeitet hat. Vielen Dank, dass Sie sich heute Zeit genommen haben für unseren Podcast. Sehr gut, dann würde ich sagen, wir starten unseren Spaziergang, gehen wir los! Also, wir wollen heute, wie gesagt, auch darüber sprechen, wie der Föderalismus weiterentwickeln kann. Nachdem wir in den letzten Folgen schon gehört haben, woher er kommt, wie es sich entwickelt hat, wie er praktisch gelebt wird, wollen wir jetzt in die Zukunft blicken, und deswegen, während wir miteinander sprechen, spazieren wir zum alten Bundesratssaal, denn im renovierten Parlament haben sich ja auch die Räumlichkeiten in ihrer Funktion ein bisschen geändert, und im alten Bundesratssaal hat auch der Österreich-Konvent, den wir in der in der Einleitung schon kurz erwähnten, getagt, der eine Verfassungsreform zum Ziel hatte. Da komme ich gleich zu Ihnen, Herr Holzinger. Sie waren ja Mitglied dieses Österreich-Konvents. Wenn wir hier jetzt so spazieren, welche Erinnerungen kommen Ihnen, wenn Sie an diese Zeit Ihres Lebens zurückdenken?
HOLZINGER: Für mich war die Tätigkeit im Österreich-Konvent ein sehr interessanter Abschnitt meines Berufslebens. Ich habe dort eine Arbeitsgruppe geleitet, deren Aufgabe darin bestand, den Staatsaufbau, also die staatlich... den Aufbau des Staates in Bund, Länder und Gemeinden zu erörtern und allenfalls Vorschläge für Verfassungsänderungen zu machen. Die Arbeit dort war sehr interessant. Es waren hauptsächlich Politikerinnen und Politiker in diesem Arbeitskreis und Juristen, Juristinnen, Experten für diesen Bereich der Rechtsordnung. Dass letztlich aus diesen, aus diesen Arbeiten des Konvents wenig geworden ist, hat mich nicht überrascht, weil ich damals, also zu Beginn der 2000er Jahre, schon eine jahrzehntelange Erfahrung mit Verfassungsreform-Prozessen in Österreich hatte und es zumeist so war, dass, wenn überhaupt, nur ganz wenig von dem, was man sich vorgenommen hatte, realisiert wurde.
LUKÁŠ: Da sind wir jetzt auf der fachlichen Ebene, aber ich stelle mir vor, wenn sich so viele Menschen über zwei Jahre hinweg zusammensetzen, um wirklich was Grundlegendes zu entscheiden, dann menschelt es vielleicht so ein bisschen. Fällt Ihnen vielleicht eine menschelnde Anekdote ein aus dieser Zeit, wo Sie vielleicht ein bisschen lächeln müssen oder was immer für Emotionen da in Ihnen hochkommen?
HOLZINGER: Das, das Klima in diesem Arbeitskreis, in dem ich tätig war, war ein sehr gutes. Da sind aus den verschiedensten Jurist- aus den verschiedensten politischen Parteien Vertreterinnen und Vertreter drinnen gewesen, und alle haben sich bemüht um ein Ergebnis, und ich war auch erstaunt, dass auch Leute, die doch verantwortungsvolle politische Funktionen hatten, bereit waren, stundenlang über.. über juristische Fragen zu sprechen. Also ich hab das als sehr angenehm empfunden und hätte mich gefreut, wenn aus diesen Bemühungen von vielen Menschen um bessere Lösungen in Verfassungsfragen mehr geworden wäre, als es letztlich der Fall war.
LUKÁŠ: Dann kommen wir doch gleich zu unserem Thema. Also, Herr Holzinger, Herr Bußjäger, der Föderalismus, der hat ja Freunde, aber er hat auch Kritiker. Man hört munkeln, wir haben ja zwei Parteien hier direkt vor mir stehen, beziehungsweise dass es da unterschiedliche Positionen in Ihren Expertisen gibt. Das werden wir dann heute vielleicht noch hören, was sie zu den einzelnen Punkten denken. Die Kritiker sagen: zu teuer, zu unflexibel, zu bürokratisch. Wie stehen Sie dazu? Sind diese Kritikpunkte aus Ihrer Sicht gerechtfertigt oder nicht? Vielleicht darf ich Herrn Bußjäger jetzt das Wort erteilen.
BUẞJÄGER: Es gibt sicherlich Punkte, die man an der gegenwärtigen Ausgestaltung des föderalen Systems kritisieren kann. Die Kompetenzverteilung ist im höchsten Maße unübersichtlich, führt in vielen Fällen zu bestimmten Zersplitterungen. Tatsächlich ist es auch so, dass die finanziellen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu wenig darauf Rücksicht nehmen, ob die jeweiligen Ebenen sich aus eigenen Einnahmen finanzieren können. Also die Zusammenführung der sogenannten Einnahmen- und Ausgabenverantwortung ist sicherlich lückenhaft, aber im Grundsatz würde ich meinen, das föderale System in Österreich hat sich schon bewährt. Also wir sind nach 1945 nicht nur, aber schon auch aufgrund der Stabilität in diesem, in diesem System zu einem der wirklich wohlhabendsten Staaten der Welt gereift, kann man sagen, und von daher würde ich schon mal sagen, also gänzlich unbrauchbar kann dieses föderale System nicht sein.
LUKÁŠ: Und Sie Herr Holzinger was erwidern Sie, wenn Sie die Vorwürfe: Zu teuer, zu unflexiblel, zu bürokratisch hören?
HOLZINGER: Ich sehe das ganz, ganz gelassen. Man muss, man muss die Kirche insofern im Dorf lassen. Es gibt zentralstaatlich organisierte Staaten, und es gibt föderale Staaten. Wenn man jetzt von Österreich ausgeht und Vergleiche heranzieht: Unser Nachbarland Schweiz ist ein Staat, der verglichen mit Österreich wesentlich dezentralisierter organisiert ist. Auf der anderen Seite gibt es Staaten in Europa, die von der Größe her ähnlich wie Österreich, insbesondere skandinavische Staaten wie Schweden oder Norwegen, die deutlich zentralistischer organisiert sind, als Österreich. Alle die Staaten, die jetzt vom Herrn Kollegen Bußjäger und mir erwähnt worden sind, sind erfolgreiche Staaten gewesen. Das heißt, an der, an der Frage, ob der Staat zentralistisch oder dezentral organisiert ist, kann der Erfolg nicht liegen. Ich meine viel mehr – und das lässt sich beweisen – die Frage, ob ein Staat zentral organisiert ist oder dezentral, hängt im Wesentlichen davon ab, was im Zeitpunkt der Staatsgründung von denen, die den Staat gegründet haben, gewollt wurde. Um beim österreichischen Beispiel zu bleiben, als im Jahr 1918 die Monarchie zerfallen ist und dieser neue Staat Österreich gegründet wurde, hatte man ursprünglich unmittelbar nach dem Ende der Monarchie einen zentralisierten Staat vorgesehen. Dann hat es gegen dieses Ansinnen seitens der Bundesländer, die ja vor dem Staat da waren, weil die Bundesländer waren, die Kronländer in der Republik, hat es Einwände dagegen dagegen gegeben. Das war der eine Punkt. Der zweite Punkt: Die maßgeblichen politischen Kräfte im Jahr 1918 waren die Sozialdemokraten auf der einen Seite und die Christlich-Sozialen auf der anderen. Die hatten, was die Frage Zentralstaat oder dezentralisierter Staat anlangt, unterschiedliche Vorstellungen. Die Sozialdemokraten waren für einen Zentralstaat, christlich-sozialen für einen dezentralisierten Staat. Und was ist herausgekommen? Letztlich hat man einen Bundesstaat gegründet, der allerdings verglichen mit anderen Bundesstaaten relativ viele zentrale Züge hat. Also, man hat einen Kompromiss geschlossen, und mit diesem Kompromiss sind wir bis jetzt sehr, sehr gut gefahren. Und wenn die Österreicherinnen und Österreicher Kollektiv das Bedürfnis hätten, den Staat anders zu organisieren, dann würde in einer Demokratie das Volk in der Lage sein, gegebenenfalls Änderungen herbeizuführen. Aber bisher hat man von gewissen Retuschen und zum Teil auch von größeren Veränderungen in der Verfassung im Großen und Ganzen sich an dem orientiert, was seinerzeit grundgelegt worden ist.
LUKÁŠ: Dann sehe ich das richtig – denn wir haben schon eine ganz ähnliche Darstellung dieses Ursprungs in einer vorigen Folge bereits gehört – da stimmen Sie also komplett überein. Jetzt ist die Verfassung offensichtlich für unser Land eine gute Basis gewesen, um sich zu entwickeln. Da gibt es einen Konsens bei unseren heutigen Interviewgästen. Aber was ist mit der Unübersichtlichkeit und der Uneinheitlichkeit der Gesetze? Also so, so gut diese Basis ist, so kann man immer alles noch ein bisschen besser machen im ganzen Leben. Wie viele Dinge sind in den Ländern unterschiedlich geregelt? Könnte man da nicht an Schrauben drehen, um das möglicherweise einfacher zu gestalten?
BUẞJÄGER: Da rennen Sie natürlich beim Föderalisten offene Türen ein. Der sagt Ihnen natürlich: Ja, die Uneinheitlichkeit, die liegt im föderalen System. Das ist ja genau das, was bezweckt wird, beziehungsweise notwendigerweise damit zusammenhängt: Nämlich, dass jeder sozusagen seinen seinen Kompetenzbereich so ausübt, wie er glaubt. Und jedes Land macht das natürlich dementsprechend anders. Man sagt, man spricht in der Föderalismus-Theorie von der sogenannten Sinatra-Doktrin. Das heißt: "I do it my way..."
LUKÁŠ: Ah nein, dieses Schlagwort gibt es, die Sinatra-Doktrin...?
BUẞJÄGER: Ja, gibt's. Wird von bestimmten Autoren vertreten. Ja.
LUKÁŠ: Aha.
BUẞJÄGER: Und eben das impliziert "I do it my way" impliziert: Das Resultat ist dann möglicherweise ein unterschiedliches. Also es ist nicht der Unterschied Sinn der Sache, aber notwendiges, notwendige Konsequenz, sonst brauche ich ein föderales System nicht. Und das war letztlich auch der Punkt, über den man sehr häufig im Österreich-Konvent diskutiert hat. Ich war Vorsitzender in einem anderen Ausschuss, indem es um die Kompetenzverteilung ging. Herr Holzinger war dort auch Mitglied, und da ging es natürlich schon – auch wenn die Diskussionen immer sachlich geblieben sind, natürlich – aber da ging es schon zur Sache, was Machtfragen betrifft. Und das ist vielleicht eher der Punkt, wer setzt sich dann letztlich durch? Es muss auch klar sein: Föderalismus-Fragen sind Machtfragen.
LUKÁŠ: Also aus meiner Lebensrealität werd ich ja immer wieder mit dem föderalistischen System konfrontiert. Worüber aber zum Beispiel bei mir ganz stark diskutiert wird, sind diese Kinderbetreuungsfragen, die in den Bundesländern komplett unterschiedlich gelöst werden, wo es ja aber eine gesamtgesellschaftliche Bewegung hin zu mehr Frauen in den Arbeitsmarkt gibt, und viele können nicht arbeiten gehen, weil der Kindergarten macht einfach um zwölf zu, oder? Könnten wir das an einem Beispiel ein bisschen runterbrechen, um das von der theoretischen Ebene in die Praxis reinzubringen für unsere Hörerinnen und Hörer?
BUẞJÄGER: Ja, also, die Kinderbetreuung ist ein gutes Beispiel, weil es auch aufzeigt die Problematiken an der, an der Sache. Wie Sie völlig zurecht sagen, gibt es Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger nach einer möglichst weiten, ein möglichst großen Angebot und flächendeckenden Angebot und nicht nur… auch zeitlich nicht so limitierten Angebot, und da haben wir natürlich in Österreich Probleme, und da macht es aber natürlich aus meiner Sicht, aus der föderalen Perspektive schon Sinn, wenn das in den einzelnen Regionen auch unterschiedlich gehandhabt wird, nämlich von der Finanzierungsfrage her und auch vom tatsächlichen Angebot und der Nachfrage her. Diese Nachfrage ist, würde ich einmal sagen, nach wie vor eine unterschiedliche, zwischen ländlichen Regionen und urbanen Regionen, auch wenn sich die Dinge, das gebe ich zu, angleichen.
LUKÁŠ: Den Herrn Holzinger juckt es schon so ein bisschen unter den Fingern, so will ihm das Wort erteilen, sich in dieser Frage einzubringen.
HOLZINGER: Ja, für mich ist es auch ein, ein, ein Demokratieproblem. Wenn die, die Aufgabenverteilung im Bundesstaat so ausschaut, dass bestimmte Materien, etwa jene, über die wir gerade reden, Landessache ist, dann sind die Organe des Landes dafür verantwortlich, der Landtag, die Landesregierung. Und wenn die Bevölkerung in einem demokratischen System sich entsprechend artikuliert, dann wird, wenn Demokratie funktioniert, der Landtag beziehungsweise die jeweilige Regierung das tun, was die Mehrheit der Bevölkerung möchte. Und wenn es da unterschiedliche - es ist ja das Stadt-Land Problem in dem Zusammenhang angesprochen, wenn es da unterschiedliche Vorstellungen gibt, in der, in den - jetzt auf einen einfachen Nenner gebracht, in den Großstädten andere als auf dem Land, dann gibt's eben unterschiedliche Regelungen in einem, in einem föderalen System. Daran führt kein Weg vorbei. Man kann natürlich auch hergehen und das alles zentralisieren. Dann kommt es bis zu einem gewissen Grad auch zu einer Zwangsbeglückung, weil dann wollen ja Teile des Staatsvolks etwas, was von der Zentrale ausgeht, nicht, nicht haben.
LUKÁŠ: Manche sagen ja, dass die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden so starr und komplex ist, dass es gar keine Anpassung auf Einzelfälle geben kann. Stimmen Sie dem zu?
BUẞJÄGER: Ja natürlich haben wir ein relativ unflexibles System, und ich glaube, eines der wesentlichen Erkenntnisse in unserem Ausschuss im Österreich-Konvent war dann schon, dass wir nach Möglichkeiten suchen sollten, diese Kompetenzverteilung, diese relativ starre Kompetenzverteilung, die natürlich in der Verfassung von 1920 den Sinn hatte, die Machtverhältnisse zu klären und zu stabilisieren, dass diese Kompetenzverteilung flexibilisiert werden müsste. Über die Flexibilisierungs-Mechanismen, da sind wir uns nicht richtig einig geworden und letztlich, wer flexibilisieren darf, wer dabei eine stärkere Rolle spielen soll, der Bund oder die Länder, zu wessen Gunsten das Ganze ausgehen soll. Aber in der Sache selber war man sich eigentlich einig, dass das der Punkt ist, wo wir tatsächlich ein bisschen mehr Spielraum benötigen, Stichwort auch derzeit Klimaschutz, nicht? Also die, was die… einer der Gründe, weshalb die Koalition derzeit an einem effizienten Klimaschutzgesetz auch scheitert, ist, dass bestimmte Dinge, die in Landes-Kompetenz liegen, aus Sicht verschiedene, verschiedener Gruppierungen zentralisiert werden sollen. Andere sehen das wieder nicht so, und hier wäre vielleicht eine gewisse Flexibilisierung eine Lösung. Aber auch diesbezüglich sind wir letztlich nicht an einer, an einer konsensfähigen Lösung dabei.
HOLZINGER: Ich bin da sehr skeptisch. Wieso soll sich etwas ändern, wenn man jetzt, das war ja auch eines der Modelle, die im Österreich-Konvent überlegt worden sind, war ja, dass man zu einer anstelle dieser starren kompetenzmäßigen Trennung das irgendwie flexibilisiert, ob das etwas ändern würde, bei der Lösung von fundamentalen Problemen, jetzt Klimaschutz zum Beispiel, da bin ich sehr, sehr skeptisch, weil es wird immer jemanden geben müssen in diesem Land, der ein bestimmtes Problem löst, entweder für den Gesamt-Staat oder für, für Teilbereiche. Natürlich gibt es Probleme, also ich weiß nicht, ob das noch aktuell ist, aber aus meiner früheren Tätigkeit habe ich immer gehört, es ist zum Beispiel ein großes oder wirtschaftliches Problem oder ein Problem für die Wirtschaft, dass es unterschiedliche Regelungen gibt, von Land zu Land, weil Baurecht Landessache ist. In jedem Land gibt es, gibt es eine eigene Bauordnung, und wenn jetzt ein - kann das nur sehr laienhaft - ausdrücken, wenn jetzt jemand, der, der bestimmte Produkte für das Bauen von Häusern erstellt, diese Produkte produziert, dann ist er damit konfrontiert, dass er im schlimmsten Fall neun verschiedene, neun verschiedene Produkte erzeugen muss. Das, das leuchtet mir auch ein. Ob das aktuell noch ein Problem ist, kann ich gar nicht sagen, nur vom Prinzip her wieder.
BUẞJÄGER: Das ist es eben nimmer, oder wenn ich da ein-
HOLZINGER: Nein, darf ich nur kurz! Ja, vom Prinzip her, ja, dann muss es Mechanismen geben, um dieses Problem zu überwinden, und die wird es dann geben, wenn in einem demokratischen System es aus der Gesellschaft heraus Druck auf den jeweils Verantwortlichen gibt, äh der der, der das zu ändern hätte.
LUKÁŠ: Meine lieben Herren, das ist so spannend! Auch diese ganzen Machtfragen, und tatsächlich glaube ich, dass der Bevölkerung oft gar nicht bewusst ist, an wen sie sich wenden müsste, um diese Dinge zu verändern. Weil die politische Bildung mal mehr, mal weniger tief geraten ist, möchte ich als Vertreterin der normalen Leute hier mal sagen.
BUẞJÄGER: Aber das sind mir schon am Punkt. Ich glaube, dass diese Kooperations- und Koordinationsmechanismen, dass man da schon noch, dass man das noch ausbauen kann, und dass die ausbaufähig sind, und gerade das Beispiel, das Herr Holzinger gebracht hat, ist so, wirklich gut, nämlich dass der Zustand wäre wirklich ein unerträglicher, dass eine Baufirma, die irgendein Bauprodukt entwickelt, sich, sich neunmal durchquälen muss, und das wird in der Praxis schon koordiniert, allerdings auf ziemlich komplizierte Weise. Und da ist die Frage, ob wir noch auf unkompliziertere Mechanismen kommen, und da teile ich jetzt die Skepsis von Herrn Holzinger nicht so ganz. Ich glaube da schon noch an die Reformfähigkeit vom System.
LUKÁŠ: Ich würde gerne auf das Thema Geld zu sprechen kommen. Ganz kurz, die Finanzverfassung ist ja sehr Bundeslastig, und die Länder haben selber sehr wenige eigene Einnahmen. Hat auch das negative Auswirkungen für ganz Österreich?
HOLZINGER: Ja, das ist ein Standardargument in dieser Diskussion immer wieder, und dazu kann ich nur sagen, ohne mich jetzt in diesem Bereich so wirklich hundertprozentig auszukennen, aber jetzt aus der verfassungsrechtlichen Perspektive: Die österreichischen Bundesländer und im Übrigen auch, weil wir vom Finanzausgleich reden, die Gemeinden, Städte und Gemeinden verhandeln in gewissen Zeitabständen mit dem Bund über den Finanzausgleich, und ich habe als Staatsbürger den Eindruck, dass ungeachtet der verfassungsrechtlichen Regelungen, die tatsächlich dem Bund hier sehr, sehr viel Macht geben, die Länder und auch die Gemeinden es bisher immer verstanden haben, die für Ihre Politik notwendigen Mittel auf diese Weise zu bekommen, weil es ein Diktat des Bundes in dem Zusammenhang einfach nicht gibt. In einer Gesellschaft und in einem Staat wie dem Staat Österreich in der Jetzt-Zeit. Wenn sich die Situation dramatisch verändern sollte, weiß ich nicht, was dann passiert. Und dann kommt noch etwas dazu, gerade in dem Zusammenhang Abgaben vorzuschreiben. Und der Finanzausgleich beruht eben darauf, dass man, bevor man irgend Geld verteilt, muss man es von den Bürgern im Wege von Steuern und Abgaben einheben. Abgaben festzulegen ist politisch immer problematisch für denjenigen, der das tun muss, und daher sage ich jetzt salopp, für die Länder und für die Gemeinden ist diese Situation gar nicht so unbequem, weil sie auf der einen Seite die Mittel in den Verhandlungen mit dem Bund bekommen, die politische Verantwortung für die Belastung der Bürger aber beim….
LUKÁŠ: … auf die Regierung schieben können...
HOLZINGER: … aber bei der Regierung liegen und dann immer, weil ja alles personalisiert wird, immer beim Finanzminister. Der Finanzminister ist dann immer das Objekt, auf den sich, den sich dieser Unmut der Bürger richtet.
LUKÁŠ: Diese Bürde hat er zu tragen. Oder Sie vielleicht irgendwann einmal?
BUẞJÄGER: Da würde ich jetzt nicht fundamental, auch da nicht fundamental widersprechen, nur die Nuancen ein bisschen anders setzen, vielleicht. Das System ist bequem für alle Beteiligten, sage ich immer, also auch für den, für den Bund. Es gibt nämlich durchaus weise Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, der sagt, ja, bevor es zum Finanzausgleich kommt, zur Verteilung der Mittel des Steuerkuchens, müsst ihr miteinander verhandeln, und wenn die Verhandlungen zu einem einvernehmlichen Ergebnis führen, dann ist diese Regelung dann vermutlich auch für alle sachgerecht, und das bewirkt in der Praxis, dass man zu diesen Finanzausgleichs -Verhandlungen gelangt und dort auch ein Einvernehmen erzielt. Die Finanzwissenschaftler sagen allerdings, dass hier dadurch durch dieses Verbundsystem gewisse Ineffizienzen entstehen und dass es zumindest eine Stärkung, eine Stärkung der finanziellen Eigenverantwortung für Länder, aber auch Gemeinden durchaus sinnvoll wäre.
LUKÁŠ: Das spielt ein bisschen in eine Frage rein, die aufkommt, nämlich, dass von Verfassungs wegen ja die Kompetenzen der Bundesländer im Vergleich zu anderen Staaten wie jetzt der Schweiz, Deutschland oder den USA eher schwach ausgeprägt sind. Aber in der Praxis es ja gar nicht so schlecht ausschaut unter anderem wegen der Landeshauptleute-Konferenz etc..
HOLZINGER: Ich habe ja einleitend schon in dieser grundsätzlichen Bemerkung gesagt, dass es, dass das ganze System nur zu verstehen ist, aus dem, aus dem historischen Ursprung. Der Kompromiss hat darin bestanden, dass man zwar einen Bundesstaat schafft, aber stark zentralistische Züge vorsieht, und das wird natürlich an den verschiedensten Stellen der, der Verfassung auch deutlich.
BUẞJÄGER: Ja, die, die Landeshauptleute-Konferenz, die kompensiert natürlich auch zum Teil, dass der Bundesrat eben nur vergleichsweise schwache Mitwirkungsrechte hat, an der, an der Bundesgesetzgebung. Es ist natürlich auch ein sehr interessantes Phänomen, wie sich eben neben den rechtlich fixierten Strukturen neue Kooperationsformen bilden, die dann auch in der Lage sind, Einfluss auf die Bundesregierung und auf die Bundespolitik zu nehmen. Die Ursachen sind sehr vielschichtig. Natürlich hängt auch damit zusammen, dass die Landeshauptleute in ihrer jeweiligen Partei eine maßgebliche Rolle spielen. Das ist sehr interessant, was aber auch, glaube ich, wichtig ist, eben Föderalismus erschöpft sich jetzt nicht nur in den rechtlichen Strukturen, sondern ist auch ein gesellschaftliches Phänomen. Und tatsächlich, ja, wenn man nur auf die rechtliche Perspektive schaut, sind die Länder relativ schwach. Das ändert sich aber, wenn man den Blick weite t auf politologisch und soziologische Aspekte und wirtschaftliche. Hier spielen die Länder schon eine bedeutsame Rolle.
HOLZINGER: Man, man darf, wenn man von der österreichischen Verfassung und insbesondere von der Kompetenzverteilung redet, nicht übersehen, dass es so etwas gibt wie die Verfassung und das Verfassungsrecht auf der einen Seite, und die Verfassungs-Wirklichkeit auf der anderen Seite, und die Institutionen, von denen die Rede war, sind wichtige Bestandteile dieser Verfassungs-Wirklichkeit. Das heißt es wird durch eine Kooperation, durch eine politische Kooperation zwischen Bund und Ländern im Besonderen, aber auch mitunter den Gemeinden wird manches ausgeglichen, was die geschriebene Verfassung in dieser Form nicht vorsieht.
LUKÁŠ: Verfassungs-Wirklichkeit, ein weiteres schönes Wort, das ich aus unserem Gespräch heute mitnehme, und die Sinatra--- wie hat es geheißen...?
BUẞJÄGER: Die Sinatra Doktrin.
LUKÁŠ: Die Sinatra-Doktrin und die Verfassungs-Wirklichkeit - toll! Jetzt haben wir ganz viel über unsere gemeinsame Realität gesprochen, in der wir alle leben und woher das gekommen ist. Jetzt interessiert mich ein bisschen die Zukunft. Wenn man was am Föderalismus ändern möchte, und das heißt ja, die Verfassung zu ändern, was könnte man da überhaupt tun, also rein rechtlich, und ich hänge eine kleine Frage mit an. Sie sind ja Experten, die seit Jahrzehnten im Feld tätig sind und offensichtlich auch großen Einfluss haben. Was sagen denn die Jungen Ihrer Zunft? Was machen denn die für Vorschläge, oder sind die ganz ähnlich gelagert wie die Vorschläge, die Sie so bringen?
BUẞJÄGER: Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ich würde das mal so sagen. Wir haben verschiedene große Projekte, Herr Holzinger kennt die noch besser als ich, seit vielen Jahrzehnten anhängig gehabt, die sich damit befasst haben, dieses bundesstaatliche System neu zu ordnen, zuletzt eben im Rahmen des Österreich-Konvents. Letztlich ist man zu keinem konkreten Ergebnis dann gekommen oder wurden nur Teile umgesetzt, weil der politische Wille nicht vorhanden war, und da sind wir wieder auch ein Stückchen bei der Demokratie. Also der große Wunsch, die Dinge zu verändern, ist auch in der Bevölkerung nicht da. Das war, würde ich mal so einschätzen. Was ich glaube, dass viele Mitglieder des Österreich-Konvents, und auch solche, die nicht konkret da beteiligt waren, gelernt haben, war aus diesem Vorgang, dass die gegenwärtige Verfassung gar nicht so schlecht ist. Also das, was man in den 1980er, was ich noch an der Universität gelernt habe, die österreichische Verfassung, ist eine Ruine, ist ja in den Worten des Herrn Bundespräsidenten zu einer eleganten Verfassung gewandelt. Beides trifft die Sache nicht so ganz, auch wenn richtige Elemente dabei sind. Was wir gelernt haben, glaube ich, im Österreich-Konvent und was vielleicht auch bei den Jungen derzeit ist: ja, die Verfassung funktioniert nicht so schlecht. Große Reformwürfe sind illusorisch, aus verschiedensten Gründen, und ja, man wurschtelt jetzt ein bisschen österreichisch gesprochen weiter. So die großen Entwürfe sehe ich jetzt und Vorstellungen sehe ich jetzt derzeit nicht.
LUKÁŠ: Da werfe ich ganz kurz ein für unsere Hörerinnen und Hörer: Es gibt eigene Folge zur Verfassung, Folge 15. Hören Sie rein!
HOLZINGER: Also im Ergebnis stimme ich dem zu, was vorhin gesagt wurde. Es hat, beginnend von den 1960er Jahren hat es im Wesentlichen drei Abschnitte gegeben in der Entwicklung der österreichischen Bundesverfassung, wo man mit großem Eifer und sehr viel Ernst an einer umfassenden Neugestaltung jedenfalls des Bund-Länder- Verhältnisses der Verfassung gedacht hatte. Und das waren zum Teil sehr, sehr ambitionierte Vorhaben, hinter denen die maßgeblichen politischen Kräfte gestanden sind, die bis in die 2000er Jahre oder eigentlich bis vor wenigen Jahren schlicht und einfach in der sozialdemokratischen Partei und der österreichischen Volkspartei bestanden haben, die durch lange Zeit durch auch eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat hatten und damit freie Hand hatten, die Verfassung zu verändern. Ich glaube, dass in der, so wie sich die die österreichische Politik in den letzten Jahren entwickelt hat, wären große Reformvorhaben noch viel, viel unwahrscheinlicher als sie in der Vergangenheit waren, und zwar weil es diese, diese massive Dominanz von zwei politischen Parteien, die zwar unterschiedliche Auffassungen hatten, aber sich dann doch immer wieder zusammengefunden haben, um gemeinsame Beschlüsse zu fassen lange Zeit hindurch, ohne dass es irgendjemanden gegeben hätte, außer einer winzigen Partei, nämlich der freiheitlichen Partei Österreichs in den 1960er und 1970er Jahren, haben diese beiden Parteien das Land dominiert. Und jetzt ist die Situation viel, viel differenzierter, und daher wird werden große Verfassungsänderungen aus meiner Sicht immer schwieriger.
LUKÁŠ: Also halten wir fest: hier große Skepsis gegenüber einer möglichen Verfassungsänderung, und auch der Herr Bußjäger, ihr könnt es ja nicht sehen, nickt hier beständig, während sein Kollege Holzinger von seiner großen Skepsis berichtet. Also, da gibt es offensichtlich einen Konsens.
BUẞJÄGER: Es gibt einen Konsens, wobei ich wieder den Akzent ein bissel verschieben würde. Ich würde auch sagen, ja, in die Optionen einer Verfassungsänderung – es wird ja immer nur von Kompetenzänderungen zu Lasten der Länder geredet – kann man natürlich schon auch Kompetenzänderungen zugunsten der Länder einbeziehen, und man könnte auch einmal, und das würde vielleicht die Chancen für eine Einigung zu erzielen, verbessern. Man könnte auch einmal darüber reden. Wie kann man sinnvollerweise auch Länderkompetenzen ausweiten? Ich räume aber ein, man hat es beispielsweise bei der großen Bundesstaatsreform vor dem Beitritt Österreichs zur Union probiert und ist dort gescheitert. Aber ein, man kann auch aus Scheitern lernen, und man kann auch einmal erfolgreicher sein.
LUKÁŠ: Also was ist jetzt, was ist jetzt die Meinung zur Zukunft? Passt das föderalistische System in eine globalisierte Welt? Macht es da Sinn? Und wenn wir „Wünsch mir was“ spielen würden, welche drei Wünsche, kurz und knapp formuliert, würde jeder von Ihnen äußern, um dem Föderalismus aus Ihrer Sicht zu einem besser funktionierenden System zu machen?
BUẞJÄGER: Also, ich würde, selbstverständlich, beantworte ich die Frage, passt auch ein föderales System in eine globalisierte Welt. Ich würde aber dieses System flexibler gestalten, als es derzeit ist.
LUKÁŠ: Ist das der Wunsch eins?
BUẞJÄGER: Das ist der Wunsch eins.
LUKÁŠ: Ja passt.
BUẞJÄGER: Der Wunsch zwei wäre, dass die Verantwortung der Länder für eigene Einnahmen gestärkt würde, und der Wunsch drei wäre, dass der Bundesrat in diesem Parlament hier gestärkt würde.
LUKÁŠ: Wunderbar! Dann Herr Holzinger, wünschen Sie sich was.
HOLZINGER: Jetzt bin ich wirklich der Skeptiker. Ich glaub, die Herausforderungen, vor denen wir stehen und die in Zukunft zu bewältigen sein werden, haben mit der innerstaatlichen Kompetenzverteilung, und mit dem Verhältnis zwischen Bund und Ländern nicht viel zu tun. Wenn wir es nicht schaffen mit dem, mit der Verfassung und mit diesem Staatsaufbau, den wir haben, diese Probleme zu bewältigen, dann kommen wir wirklich in Schwierigkeiten, weil ich glaube nicht daran, dass in der jetzigen parteipolitischen Situation in Österreich es möglich sein wird, Mehrheiten zustande zu bringen, die in etwa das, was der Herr Kollege Bußjäger sagt und da habe ich durchaus Verständnis dafür - das ist ein schöner föderalistischer Forderungskatalog, die das beschließen sollen. Ich wüsste nicht, da bin ich vielleicht zu pragmatisch, welche politischen Parteien, jetzt existierenden politischen Parteien sich diese Anliegen zu Nutze machen und nicht alle Kraft und Energie der Politik auf die, auf die Lösung der vehementen politischen Herausforderungen verwendet werden: Klimaschutz, die Sicherheitsprobleme und so weiter, das ist das, was uns im Moment auch - nicht im Moment aber für, für lange Zeit aufgegeben ist - und da müssen wir froh sein, wenn wir mit den vorhandenen Mechanismen, politischen Mechanismen, verfassungsrechtlichen Mechanismen, diese Dinge in den Griff bekommen.
LUKÁŠ: Und drei Änderungen im "Ich wünsch mir was Spiel" würden Ihnen nicht einfallen und diese ganze Situation ein bisschen besser zu machen?
HOLZINGER: Schauen Sie, ich habe in der Zeit, in der ich, in der ich berufstätig war, dreimal – in den 1970er Jahren im Zusammenhang mit dem sogenannten Forderungspogramm der Bundesländer an die Bundesregierung, dann das zweite Mal in den 1990er Jahren, wie wir mit dem Argument, wir werden jetzt Mitglied der europäischen Union, und da müssen wir die Kompetenzen der Lande stärken, weil ja ohnedies durch die Übertragung von Aufgaben österreichischen Funktionen an die europäische Union, die ohne die schwache Kompetenzausstattung der Länder noch schwächer wird, und dann das dritte Mal meine bescheidene Mitarbeit im Österreich-Konvent – dreimal erlebt, wie wohl ausformulierte und wohl durchdachte, eine durchdachte Neuordnung der Kompetenzverteilung gescheitert ist an politischen Konstellationen. Darf ich noch ein Wort sagen, damit Sie wissen, woran ich denke. Man hat im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt hat man, so hat man schon eine Regierungsvorlage ausgearbeitet, eine Regierungsvorlage, in der die Länderkompetenzen doch deutlich verbessert worden wären, ausgebaut worden wären. Im Jahr, im Jahr 1994 hat es die Volksabstimmung über den EU-Beitritt gegeben. Ursprünglich war geplant, dass diese Regierungsvorlage gleichzeitig mit dem Beschluss über den Beitritt Österreichs zur europäischen Union hier im Parlament verabschiedet wird, also gleichzeitig mit dem EU-Betritt Länderrechte in Österreich stärkt. Aus verschiedenen Gründen ist das nicht zustande gekommen. In der Wahl, bei der Wahl, Nationalratswahl 1994, einige Monate nach der Volksabstimmung, haben ÖVP und SPÖ ihre Mehrheit, Verfassungs-Mehrheit, also Zweidrittelmehrheit im Nationalrat verloren. Daraufhin musste der vorbereitete Entwurf für einen Ausbau der Länder-Funktionen musste mit den Grünen verhandelt werden, weil nur mit den Grünen gemeinsam hätte man diese Zweidrittelmehrheit bekommen. Die Grünen sind aus verschiedenen Gründen eher zentralistisch eingestellt. Daher ist dieser Entwurf so verwässert worden, dass dann am 12. Dezember 1994 – das Datum merk ich mir deshalb so gut, weil das war einer jener Momente in meinem Arbeitsleben, wo ich mir gedacht habe, was hat das eigentlich für einen Sinn? Jetzt hast du jahrelang dich für dieses, für dieses Projekt eingesetzt und viele Stunden mit deinen Mitarbeitern verbracht. Und jetzt ist es gescheitert, weil die Länder, die Landeshauptmänner damals in der Verbindungsstelle der Bundesländer hier in Wien gesagt haben, nein, unter diesen Umständen, mit diesen Verwässerungen und mit dieser Zentralisierung die, die da jetzt drin ist, wollen wir das nicht. Das ersuche ich um Verständnis, dass ein Mensch vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen vielleicht eine andere Einstellung zur Möglichkeit von großartigen Veränderungen hat, als jemand, der das nicht miterlebt hat.
LUKÁŠ: Also, ich nehme wahr: Sie haben diese Frage einfach auf höchstem Niveau in diesem Staat bereits durchgespielt, in verschiedenen Jahrzehnten, und sind von der Realität...
HOLZINGER: Ich bin kein pessimistischer Mensch, sondern ich glaube, ein Realistischer.
LUKÁŠ: Ja, ja, vielen Dank, aber noch einmal für, für diese Schlussanekdote, die sich da über diesen langen Zeitraum zieht, denn auch daran kann man sehen, wie schwierig, kompliziert und wie viele Zeitgeistige Dinge da dazwischenkommen können und alles verhindern können, woran man jahrelang im Expertenteam gearbeitet hat. Mit diesen Worten verabschiede ich mich von Ihnen beiden. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben und so dabei waren und Ihr Herzblut reingelegt haben. Vielen Dank.
HOLZINGER: Gerne.
BUẞJÄGER: Danke für die Einladung.
Opener: Wenn Euch diese Folge gefallen hat, und da bin ich mir dieses Mal sehr sicher, dann empfehlt unseren Podcast doch gerne weiter, und abonnieren dürft Ihr Rund ums Parlament natürlich auch. Das geht überall, wo Ihr sonst auch Eure Podcasts hört, also auf Spotify, Apple Podcast, Deezer oder Amazon Music, und ich hoffe, Ihr seid auch in der nächsten Folge wieder dabei. Dann wollen wir uns nämlich anschauen, wie unser Föderalismus und die EU zueinander passen. Haben wir ja heute schon ein bisschen darüber gehört über dieses interessante Verhältnis, denn auch die EU ist ein föderales Gebilde. Jede Menge Informationen und Angebote rund um das österreichische Parlament und zu unserer Demokratie findet Ihr wie immer auf unserer Website www. parlament.gv.at. und den social media Kanälen des Parlaments. Falls Ihr Fragen, Kritik oder Anregungen zum Podcast habt, dann schreibt uns gerne eine E-Mail an podcast@parlament.gv.at. Wir freuen uns über jede Eurer Anregungen. In diesem Sinne, bielen Dank fürs Zuhören. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Wir hören uns.
Jingle: Rund ums Parlament, der Podcast des österreichischen Parlaments.
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