Jingle: "Rund ums Parlament". Der Podcast des österreichischen Parlaments.
Tatjana LUKÁŠ: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Rund ums Parlament, dem Podcast des Österreichischen Parlaments. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Schön, dass Ihr wieder dabei seid. Wer von Euch in den vorangegangenen Folgen dabei war, der weiß, dass ich seit geraumer Zeit den verschiedensten Gästen Fragen zum Föderalismus stelle. Das klingt dann ungefähr so: Wie ist unser Bundesstaat entstanden? Wie funktioniert er? Welche Kritikpunkte gibt es an diesem System? Und wie kann man unseren Bundesstaat weiterentwickeln? Anhand der Antworten haben wir tief geblickt in den Maschinenraum des Österreichischen Bundesstaates. Jetzt in dieser Folge, richten wir den Blick aber nach außen. Wir schauen uns an, wie sich Österreich in ein noch größeres Staatenbündnis einreicht. Und ja, richtig geraten: die Rede ist von der Europäischen Union. Ich will heute wissen, wie funktioniert das Zusammenspiel in der Praxis, wenn die EU-Gesetze und Richtlinien erlässt, die in den folgenden Jahren von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden müssen? Und um den Blick nach außen zu richten, haben wir uns heute auch eine besondere Location ausgesucht. Wir sitzen hier auf der sogenannten Hofburgterrasse des Parlamentsgebäudes mit traumhaftem Blick auf die Hofburg. Wir können genau hinschauen. Und was erspähen wir da? Die Fahne der Europäischen Union auf dem Dach des Parlamentsgebäudes. Ein guter Ort also, um über das Verhältnis von Österreich und der EU nachzudenken. Und wie immer bestreite ich diese Folge nicht allein. Ich habe mir Gäste eingeladen, heute sogar zwei an der Zahl, die so einiges über Österreich und die Europäische Union zu sagen haben. Zuerst möchte ich Teresa Weber vorstellen. Sie forscht an der Wirtschaftsuniversität Wien. Hallo!
Teresa WEBER: Hallo, danke für die Einladung.
LUKÁŠ: In Ihrer wissenschaftlichen Laufbahn haben sie sich damit beschäftigt, wenn man es ganz einfach sagt, wie die EU und der Föderalismus zusammenpassen.
WEBER: Sehr einfach gesagt.
LUKÁŠ: Und mein zweiter Gast ist einer, den viele kennen, der viel praktische Erfahrung mit unserem heutigen Thema hat, Franz Fischler.
Franz FISCHLER: Schönen guten Tag! Danke, dass ich dabei sein kann.
LUKÁŠ: Gerne. Sie waren Bundesminister für Land und Forstwirtschaft und EU-Kommissar für Landwirtschaft, Entwicklung des ländlichen Raums und für die Fischerei. Herr Fischler, herzlich willkommen! Freut mich, dass Sie bei uns im Podcast sind.
FISCHLER: Ja, mich freut es auch.
LUKÁŠ: Und ich entschuldige mich gleich vorab. Wenn ich heute tirolerischer spreche als sonst, dann liegt es daran, dass ein Landsmann neben mir sitzt und vielleicht das Dialektross mit mir durchgeht, hin und wieder. Man möge mir verzeihen. Wir haben vorher schon gesprochen. Das passt vielleicht auch ganz gut zum Thema Föderalismus. Also insofern lasset uns beginnen. Bevor wir in das richtige Gespräch starten, wo es dann um Politik geht, stellen wir unseren Gästen immer drei Fragen. Ich würde gern mit Frau Weber beginnen. Kurze Antworten. Es ist auch eine kurze Frage: Frühling oder Herbst?
WEBER: Am liebsten Sommer, aber wenn es Frühling oder Herbst sein muss, Frühling.
LUKÁŠ: Kompromiss oder beste Lösung?
WEBER: Die beste Lösung, und der Kompromiss kommt dann hoffentlich nachher, wenn alle die beste Lösung anstreben.
LUKÁŠ: Wenn alle die beste Lösung verstanden haben. Und wo fängt für Sie Demokratie an?
WEBER: Im Gespräch mit dem anderen und in der Gesprächskultur und vor allem beim Zuhören, also dem anderen auch mal zuhören und Gelegenheit geben, sich auszudrücken, damit man dann verstehen und entsprechend reagieren kann.
LUKÁŠ: Sehr gut, vielen Dank. Dieselben Fragen ereilen jetzt Herrn Fischler: Frühling oder Herbst?
FISCHLER: Ja, für mich muss ich sagen: Frühling und Herbst, aber leider kommen beide zu kurz. Gefühlter weise werden die Sommer immer länger und die Winter bleiben lang, aber der Frühling und der Herbst, die werden immer mehr zu einer kurzen Übergangsphase.
LUKÁŠ: Wobei, da muss ich einwerfen: In Tirol sind die Frühlinge ja etwas besonders, sie fangen sehr spät an. Es blüht ein bisschen weniger als woanders, weil, es ist hochgelegen und ein bisschen kalt. Ist Frühling tatsächlich eine relevante Jahreszeit in den Bergen?
FISCHLER: Ja, eben aber sie wird kürzer, diese Jahreszeit, das ist das Problem, und wenn Sie an den letzten Winter denken, dann war es eindeutig so, dass der Winter sehr, sehr spät, wenn überhaupt, gekommen ist. Und das Frühjahr ist in Tirol sehr trocken und führt zu mehr Schwierigkeiten für die Natur aber auch für die Landwirtschaft.
LUKÁŠ: Ja, das ist wahr. Der erste Jänner war dieses Jahr Frühling in Tirol. Zweite Frage: Kompromiss oder beste Lösung?
FISCHLER: In meinen Augen ist ein guter Kompromiss die beste Lösung, und das ist insbesondere auf der europäischen Ebene so und auch wichtig.
LUKÁŠ: Und wo fängt für Sie Demokratie an?
FISCHLER: Die Demokratie fängt für mich zu Hause am Wohnzimmertisch an, wenn ich mit meinen Kindern und Enkeln diskutiere. Da fallen sozusagen die essenziellen Entscheidungen, nämlich: Was gibt's zum Essen? Was machen wir morgen? Wo fahren wir am Wochenende hin?
LUKÁŠ: Die essenziellen Entscheidungen, sehr gut. Dann gehen wir zu einem essenziellen Thema, für diesen Staat zumindest, Föderalismus und die EU. In den vergangenen Folgen haben wir ganz viel darüber gesprochen: Was ist ein föderaler Staat? Was macht den aus? Und nun ist Österreich nicht nur ein Bundesstaat, sondern er ist auch Mitglied der Europäischen Union. Könnte mir und den Hörerinnen und Hörern einer von Ihnen beiden mal erklären was die EU überhaupt ist? Vielleicht Frau Weber?
WEBER: Zunächst mal ist allem vorangestellt, dass es auch wissenschaftlich umstritten ist, wie die EU einzuordnen ist. Es gibt viele Gemeinsamkeiten mit Bundesstaaten, es gibt aber auch ein paar Unterschiede. Eine Gemeinsamkeit ist zum Beispiel, dass so wie die Bundesländer über den Bundesrat bei der Gesetzgebung in Österreich mitwirken können, auch die Mitgliedsstaaten über den Rat der Europäischen Union bei der Gesetzgebung auf EU-Ebene mitwirken können. Eine weitere strukturelle Ähnlichkeit ist, dass es eine Kompetenzverteilung gibt, das heißt dass genau geregelt ist, für welche Aufgaben ist die Europäische Union sozusagen als zentraler Gesetzgeber zuständig und für welche Aufgaben sind weiterhin größtenteils autonom die Mitgliedsstaaten zuständig. Das gibt es auch in Österreich, das gibt es auch im österreichischen Bundesstaat, eine Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Und eine weitere Gemeinsamkeit, die für mich besonders spannend ist, ist, dass es auch eine Gerichtsbarkeit gibt, die letzten Endes darüber entscheidet, wenn es einen Streitfall gibt, wer denn jetzt wirklich zuständig ist in Österreich. Das haben die Hörer:innen vielleicht schon in einer anderen Folge gehört, das ist der Verfassungsgerichtshof. Auf europäischer Ebene wäre das der europäische Gerichtshof. Unterschiede bestehen vor allem dahingehend, wie viel Mitsprachemöglichkeiten bei der Gesetzgebung noch bei den dezentralen Einheiten, bei den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, verblieben sind. Da haben die Regierungen der Mitgliedsstaaten eine sehr starke Stellung. Sie sind Co-Gesetzgeber als Rat der Europäischen Union gemeinsam mit dem Europäischen Parlament. Die Länder im österreichischen Bundesstaat werden bei der Bundesgesetzgebung nur über den Bundesrat wesentlich stärker mediatisiert tätig oder vertreten.
LUKÁŠ: Vielen Dank. Das ist ein guter erster Einblick. Jetzt ist ja die EU eine Konstruktion sui generis, also eine Konstruktion ohne Vorbild, wie in der Einführung schon angeklungen ist. Herr Fischler, was steckt hinter dieser Definition?
FISCHLER: Ganz generell möchte ich dazu sagen, man sollte in der Politik einen Fehler nicht zweimal machen. Der Fehler ist mit der Gründung der Paneuropa-Bewegung in der ersten Republik begangen worden, wo man genau diese Frage gestellt hat, soll es ein europäischer Zusammenschluss, ein Staatenbund werden oder soll es ein Bundesstaat werden? Man war der Meinung, man muss zuerst diese Frage klären, dann kann man erst alles weitere klären. Das war genau falsch und daran ist die europäische Einigungsbewegung damals gescheitert. Daher hat man dann beim zweiten Anlauf nach dem Zweiten Weltkrieg aus dieser Vergangenheit gelernt. Das ist auch nicht zufällig, weil Jean Monnet, der nach wie vor der intellektuelle Kopf der europäischen Einigung ist, der war schon im Völkerbund der Vize-Generalsekretär. Der hat das alles gekannt, und der hat gesagt, wir müssen anders vorgehen, wir brauchen etwas Neues, wir brauchen die Einigung aus verschiedenen Gründen, die ja größtenteils bekannt sind. Und wir gehen das so an, dass wir mit einem Projekt, zu dem sich alle bekennen können, beginnen und wir suchen ein Projekt aus. Wenn das gelingt, dann wird es zur Folge haben, dass weitere Projekte nachfolgen. Genau so ist man vorgegangen und das hat auch funktioniert. Deswegen sollten wir nicht diese Entweder-Oder-Diskussion anfangen, sondern wir sollten das, was wir in den Siebzigerjahren geschaffen haben, weiterentwickeln.
LUKÁŠ: Frau Weber nickt. Ist das auch Ihre Meinung?
WEBER: Ja, die Einordnung als sui generis, also als Organisation eines ganz eigenen Typus, den es sonst nirgendwo gibt, die ist ja nur ein Hilferuf der Wissenschaft, die damit sagt, wir wissen eigentlich nicht, was die Europäische Union ist. Sie ist weder ein Bundesstaat, noch ein Staatenbund, weil sie mehr kann als der typische Staatenbund aber eben noch nicht ein vollendeter Staat mit Souveränität ist. Wenn man sagt, etwas ist sui generis, dann ist das die schöne Umschreibung dafür, dass es so ist, wie es ist, und man es nicht in die bestehenden Klassifikationen einordnen kann. Aber die Europäische Union hat in vielerlei Hinsicht Befugnisse, wie sie ein Staat hat. Dass es vor allem den Mitgliedsstaaten so wichtig ist zu betonen, dass die Europäische Union noch kein Staat, vor allem noch kein Bundesstaat, ist, das ist darin begründet, dass die Mitgliedsstaaten ihre eigene staatliche Souveränität nicht aufgeben wollen. Aber wenn man ehrlich spricht, dann muss man sagen, dass die Europäische Union in ganz vielen Punkten so agiert wie ein Staat, wie ein Bundesstaat.
FISCHLER: Deswegen muss man auch vorsichtig sein, wenn man zum Beispiel immer wieder von den "Vereinigten Staaten von Europa" redet. Wenn dieser Überlegung zugrunde liegt, dass das nach dem Modell der USA sein soll, was da an "Vereinigten Staaten von Europa" entstehen soll, dann ist man auf dem Holzweg. Das wird nicht kommen aber natürlich gibt es viele Bereiche, wie Helmut Kohl immer gesagt hat: die "Baustelle Europa noch weitergebaut werden kann". Also nehmen wir nur das Beispiel Europäisches Parlament: Das Europäische Parlament ist immer noch kein vollständiges Parlament, weil ihm das Initiativrecht fehlt. In der Kommission oft strapaziert, das sei wie eine Regierung, das ist auch nicht der Fall, weil die Entscheidungsmechanismen in der Kommission ganz andere sind. In der Kommission wird nicht wie im Österreichischen Ministerrat einstimmig entschieden, sondern da gilt eine Stimme mehr, eine einfache Mehrheit und der Beschluss ist gefasst. Oder auch in der Frage des Rates und des Europäischen Parlaments und des gegenseitigen Verhältnisses, da ist es auch so, dass das Parlament immer noch dominanter als der Rat ist, also die Zusammenkunft der Mitgliedsstaaten. Wobei es dort dann noch unterschiedliche Räte gibt.
LUKÁŠ: Wenn wir jetzt bei dem Verhältnis zwischen den Mitgliedsstaaten gelandet sind, jetzt mal ganz pauschal, möchte ich darauf hinweisen, dass Herr Fischler das Hirn der EU mitgebracht hat. So hat er es vorgestellt, dieses Buch. Welches Buch haben sie denn da mitgebracht?
FISCHLER: Das ist nur der Text der derzeit gültigen europäischen Verträge. Das ist also die Rechtsbasis für alles, was in der EU passiert, das sind genau genommen zwei Verträge. Der eine Vertrag bezieht sich auf die EU als solche, und das andere beschäftigt sich mit der Funktionsweise der EU.
LUKÁŠ: Wie wird das Verhältnis zwischen den Mitgliedsstaaten der EU jetzt geregelt? Ich gebe es mal als erstes an Frau Weber.
WEBER: Geregelt wird es in den von Herrn Fischler schon genannten Verträgen, er hat gesagt, das ist das Hirn der EU. Man könnte auch die Frage stellen, ist es nicht vielleicht eher das Herz der EU? Das passt dann auch wieder zu der Frage Bundesstaat oder Staatenbund? Es gab ja damals, bevor die Verträge in der jetzigen Fassung beschlossen wurden, die Idee, einen Verfassungsvertrag zu beschließen. Da gab es ziemlich viel Opposition von den Mitgliedsstaaten, weil vereinfacht ausgedrückt, viele Mitgliedsstaaten nicht wollten, dass die EU etwas hat, was formell Verfassung heißt, weil das die EU wieder einen weiteren Schritt näher an einen Staat rücken würde. Wie das Verhältnis der Mitgliedsstaaten zueinander und zur EU geregelt ist? Das ist eine sehr allgemeine Frage. Das Wichtigste ist aus meiner Sicht die Kompetenzverteilung, in der genau geregelt ist, in welchen Bereichen darf die Europäische Union tätig werden. Vor allem, in welchen Bereichen darf sie tätig werden, ohne dass die Mitgliedsstaaten weiterhin Kompetenzen haben. Das ist der sogenannte Bereich der ausschließlichen Kompetenzen, zum Beispiel Außenhandel. In welchen Bereichen gibt es geteilte Zuständigkeiten oder konkurrierende Zuständigkeiten, also Bereiche, wo der europäische Gesetzgeber tätig werden darf, aber weiterhin zumindest insoweit, als der Gesetzgeber nicht tätig wird. Eine Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten besteht, und welche Bereiche bleiben bei den Mitgliedsstaaten? Da finden sich also Regelungen darüber, ob die Europäische Union ein Klimaschutzgesetz erlassen darf oder ein Renaturierungsgesetz erlassen darf. Natürlich steht es in den Verträgen nicht drin die Europäische Union darf das. Aber es werden Kompetenzbereiche abgesteckt, in denen die Union tätig werden darf. Abgesehen von dieser Kompetenzverteilung, die sehr zentral ist, ist natürlich auch genau geregelt, wie die einzelnen Organe und Institutionen der Europäischen Union zusammengesetzt sind, funktionieren und miteinander kooperieren. Der Herr Fischler hat vorher schon die Kommission angesprochen, das ist nicht ganz treffend, die mit einer Regierung, wie wir sie in Österreich kennen, gleichzusetzen. Da kann ich mich auch anschließen. Es ist ja auch immer noch so, dass jeder Mitgliedsstaat einen Kommissar oder eine Kommissarin entsendet. Es wäre ungefähr so, als würde in Österreich die Bundesregierung aus neun Bundesministern, Bundesministerinnen, aus den Landeshauptleute bestehen. Natürlich spielen die Bundesländer informell bei der Regierungsbildung auch in Österreich eine Rolle. Aber es ist keine fixe Regelung, dass jedes Bundesland einen Bundesminister entsendet und dass es auf jeden Fall neun Bundesministerien geben muss, ganz egal, wie dann die Ressorts aufgeteilt sind. Aber so was gibt es eben im Rahmen der Europäischen Union schon noch.
LUKÁŠ: Bitte, Herr Fischler.
FISCHLER: Ich möchte da noch eines anfügen, damit man die Problematik ein bisschen direkt erleben kann. In dem Vertrag steht schon längst, dass nicht jeder Mitgliedsstaat einen Kommissar entsendet, sondern dass die Zahl der Kommissare nur der Hälfte der Mitgliedsstaaten entspricht. Daher muss jetzt, nachdem man das aber immer noch nicht durchführen will, jedes Mal, wenn eine neue Kommission beginnt ein einstimmiger Beschluss der Regierungschefs gefasst werden, dass man diesen Vertragsartikel nicht anwendet. Und eine zweite Sache, die wichtig ist zu wissen, wie die Frau Weber richtigerweise angeführt hat: Man hat die Absicht gehabt, einen sogenannten Verfassungsvertrag, weil Verfassung wollte man es von vornherein nicht nennen, zustande zu bringen. Der ist auch im sogenannten Konvent ausverhandelt worden, ist aber dann gescheitert an zwei Referenten, insbesondere in Frankreich aber auch in in Irland. Und ist daher nicht zustande gekommen. Dann hat man gewissermaßen aus diesem Entwurf des Verfassungsvertrags den Lissabon Vertrag, also den jetzt gültigen Vertrag, gemacht.
LUKÁŠ: Den sie beide als Herz oder Hirn bezeichnen?
WEBER: Genau, ja.
FISCHLER: Was hat man da gemacht? 90 Prozent der Bestimmungen sind gleich geblieben. Nur, man hat alles herausgestrichen, was irgendwie nach nationalen Verfassungen riecht. Zum Beispiel darf nach wie vor ein europäisches Gesetz nicht Gesetz heißen. Das ist nicht vorgesehen, sondern wenn es ein direkt anzuwendendes Gesetz ist, muss es Verordnung heißen. Wenn es zunächst in nationales Recht transformiert werden muss, dann muss es Richtlinie heißen. Da könnte ich viele Beispiele aufzählen. Das geht sogar so weit, dass man in den Lissabon Vertrag hineingeschrieben hat, man darf die Europahymne nur spielen, also man darf nur die Melodie spielen, Text darf es keinen dazu geben. Und so gibt es noch viele andere solche Beispiele. Also das heißt, die Mitgliedsstaaten sind nach wie vor ziemlich allergisch dagegen, dass Dinge zu sehr vergemeinschaftlicht werden.
LUKÁŠ: Das kommt alles aus einer Angst heraus.
FISCHLER: Das kommt aus der Sorge heraus, dass sie zu sehr an Bedeutung und Macht verlieren. Dann muss man noch eines sehen, weil, das ist im Zusammenhang mit unserer Föderalismusdebatte wichtig: Wenn man den Blick nach außen richtet und nach Europa schaut, dann kann man sehr schnell feststellen, dass eigentlich föderalistische Staaten innerhalb der europäischen Union ein Minderheitenprogramm sind. Echte föderalistische Staaten mit einer eigenen Länderverfassung, mit eigenen Länderparlamenten gibt es eigentlich nur in drei Mitgliedsstaaten, in Belgien, in Österreich und in Deutschland. Alles andere ist nicht auf derselben Ebene.
WEBER: Das kommt wieder drauf an, wie man Föderalismus definiert und wie man Bundesstaat definiert. Darüber könnte man eine Habilitation beschreiben, aber es stimmt, Sie haben Recht.
FISCHLER: Die ist schon geschrieben!
WEBER: Die ist schon geschrieben. Aber Sie haben Recht. Österreich, Deutschland, Belgien sind die einzigen Staaten in der EU, die sich selbst als Bundesstaaten bezeichnen. Es gibt schon noch andere Formen von Föderalismus: in Spanien, in Italien - gewisse Autonomie, Rechte, die da den sogenannten Provinzen oder Regionen eingeräumt werden. Aber diese spezifische Ausstattung eines Landes mit einer eigenen Verfassung, also dieser Anspruch der Länder, auch Staatlichkeit zu haben, die gibt es nur in den drei Staaten Belgien, Österreich und Deutschland. Das macht natürlich das Zusammenspiel mit der Europäischen Union, die selbst wiederum föderal ist, aber noch nicht ganz ein Bundesstaat, nochmal komplexer und schwieriger.
LUKÁŠ: Ich möchte jetzt das Schlagwort reinwerfen. Was ist das Subsidiaritätsprinzip?
WEBER: Kurz gefasst, ist das Subsidiaritätsprinzip ein Prinzip, wonach immer die unterste Einheit, die sozusagen kleinste Einheit, die noch in der Lage ist, seine Aufgabe gut zu bewältigen, diese Aufgabe bewältigen soll. Und aus rechtlicher Perspektive und vor allem mit Blick auf die EU, ist das Subsidiaritätsprinzip im Herz oder im Hirn der EU verankert, in den Verträgen. Dort ist explizit geregelt, dass die Europäische Union zumindest in den meisten Kompetenzbereichen nur dann tätig werden soll, wenn und insoweit sie besser in der Lage ist, ein Ziel zu erreichen als die Mitgliedsstaaten. Also es ist jetzt nicht ganz genau so, wie es drinnen steht aber so Pi mal Daumen. Das ist ein Prinzip, das den Mitgliedsstaaten auch bei der Reform der Verträge sehr wichtig war. Es gibt jetzt auch ein eigenes ergänzendes Protokoll zu den Verträgen über die Subsidiarität, in dem auch ein Subsidiaritätskontrollverfahren vorgesehen ist. Das heißt, die Mitgliedsstaaten haben sich vorbehalten, dass es hier spezielle Kontrollmechanismen gibt, mit denen kontrolliert wird, ob die Europäische Union auch tatsächlich nur dann tätig wird, wenn es unbedingt erforderlich ist und wenn es nicht die Mitgliedsstaaten selbst machen können. In diesem Verfahren spielen die nationalen Parlamente eine ganz wichtige Rolle, theoretisch sehr spannend, in der Praxis hat das, soweit ich das zumindest beurteilen kann, überhaupt keine Bedeutung.
FISCHLER: Na ja, historisch betrachtet ist eigentlich das Subsidiaritätsprinzip eine Erfindung der katholischen Kirche. Und ist erstmals explizit erwähnt in der Enzyklika Quadragesimo Anno. Was da festgelegt wurde, ist genau das Prinzip, dass Frau Weber hier erklärt hat, das aber nach dem Verständnis ein Prinzip ist, das nicht von oben nach unten geht, sondern von unten nach oben geht. Also zunächst mal soll im Familienverband möglichst viel geregelt werden und was man dort nicht regeln kann, geht dann auf die nächste Ebene der Gemeinde und dann weiter zum Staat und zur Europäischen Union und dazwischen eben in Österreich oder Deutschland auch zu den Ländern. So ist das System aufgebaut. Und was also jetzt diese Subsidiaritätskontrolle betrifft, die sehr ausführlich in diesen Verträgen behandelt, ist der ein eigenes Protokoll im Anschluss an den Vertragsartikel gewidmet ist. Da geht es tatsächlich darum, dass von vornherein sichergestellt wird, dass weder die europäische Kommission noch eine andere europäische Institution auf die Idee kommen könnte, ungerechtfertigt und nicht gedeckt durch die Verträge die Kompetenzen auszuweiten. Daher ist dieses Protokoll primär dazu da, sicherzustellen, dass man das immer kontrollieren kann. Und bei jedem gesetzlichen Vorschlag, den die EU macht, muss gleichzeitig im Begleittext erklärt und begründet werden, warum hier das Subsidiaritätsprinzip nicht verletzt wird und warum eine Regelung entweder in die ausschließliche Kompetenz der EU fällt oder eben in eine gemeinschaftliche Kompetenz. Und im Falle der gemeinschaftlichen Kompetenzwahrnehmung muss der Nachweis geführt werden, dass mit Hilfe dieser europäischen Regelung ein Sachverhalt besser geregelt und gelöst werden kann, als wenn das jeder Mitgliedsstaat für sich selber machen würde.
LUKÁŠ: Ja, ich finde nach wie vor, das klingt nach einer logischen und guten Lösungen im Prinzip.
FISCHLER: Ist es ja auch. Und ich muss auch Eines kritisch anmerken: die Rechte, die die Mitgliedsstaaten in dem Zusammenhang haben. Die können sich nämlich beschweren, wenn sie der Meinung sind, dass das Subsidiaritätsprinzip nicht gewahrt wird. Man muss leider feststellen, dass die Mitgliedsstaaten ziemlich wenig von diesem Recht Gebrauch machen.
WEBER: Ja, das Problem ist vielleicht auch, dass es keine einfache Frage ist. Es ist nicht einfach zu beurteilen, was sind denn überhaupt die Auswirkungen eines gesetzlichen Vorhabens oder eines EU-Vorhabens? Welche Ziele werden verfolgt? Können die wirklich auf EU-Ebene besser verwirklicht werden als auf mitgliedsstaatlicher Ebene? Im Subsidiaritätskontrollverfahren im Rahmen des Rechtssetzungsverfahrens auf europäischer Ebene, haben die nationalen Parlamente, wenn ich es richtig im Kopf habe, acht Wochen Zeit, um da eine Stellungnahme abzugeben. Das ist einfach unheimlich kurz, wenn man bedenkt, dass die meisten Parlamente in den EU-Mitgliedsstaaten nicht nur die Aufgabe haben, Subsidiaritätskontrolle zu machen, sondern die haben natürlich ganz viele andere Aufgaben, die für sie wesentlicher, prioritärer sind. Mal abgesehen davon, dass selbst wenn es sozusagen dann eigene Stabsstellen gibt, die das machen, das sind eben sehr komplexe Beurteilungen.
FISCHLER: Man muss aber schon berücksichtigen, dass diese Stellungnahme, von der Sie reden, abzugeben ist, bevor überhaupt ein Vorschlag von der Kommission beschlossen wird. Es gibt da dann noch genügend Möglichkeiten, wenn der Vorschlag auf dem Tisch liegt, dass die Mitgliedsstaaten im Rat, in den Ratsarbeitsgruppen oder auch im Europäischen Parlament, den Vorschlag auch unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität auf den Prüfstand stellen. Damit ist diese Diskussion noch nicht zu Ende, was da im Vorfeld eines Vorschlags passiert.
LUKÁŠ: So, jetzt haben wir ganz viel über die theoretischen Hintergründe, Grundlagen, dem Vertrag von Lissabon, das Subsidiaritätsprinzip gehört. Jetzt ist es Zeit, das Ganze anhand eines praktischen Beispiels darzustellen und dafür habe ich folgendes Gedankenexperiment vorbereitet. Liebe Hörerinnen und Hörer, schließt eure Augen! Wir sind in Österreich. Weite unverbaute Felder und Wiesen erstrecken sich vor eurem inneren Auge. Und Achtung, jetzt wird es ein bisschen aufregend! Laut europäischem Recht soll nun in den nächsten sechs Jahren der Anteil an erneuerbaren Energien im europäischen Energiemix beinahe verdoppelt werden. Für alle, die es ganz genau wissen wollen. Das Ziel lautet: 42,5 Prozent der in Europa hergestellten Energie soll aus erneuerbaren Quellen stammen, zum Beispiel durch den Ausbau von Windrädern. Noch ein Detail, bevor wir uns in das Experiment stürzen. Stichwort: Bauen. Die Raumordnung, und das wissen Sie, Herr Fischler, sicher aus dem FF. Die Raumordnung in Österreich ist Ländersache, und dabei geht es um die planmäßige Ordnung und Entwicklung der Regionen und die Flächennutzung, also darum, was wo wie gebaut werden darf. Also die Felder, die Wiesen und nun die Windräder. Wir stellen uns vor, der österreichische Bund soll die EU-Vorgaben bis 2030 erfüllen. In allen Bundesländern sollen mehr Windräder gebaut werden aber ein Bundesland wehrt sich dagegen und würde gerne die Raumordnungskarte ziehen. Was passiert dann, wenn ein Bundesland sich dagegen entscheidet, zwischen EU und diesem Bundesland?
FISCHLER: Sie haben jetzt die Frage sehr aufwendig gestellt. Die Antwort ist eigentlich sehr, sehr simpel. Das Gegenüber der europäischen Union, in diesem Fall das Exekutivorgan der Europäischen Union, nämlich der Europäischen Kommission, ist, der jeweilige Mitgliedsstaat. Und es ist dann die Aufgabe des Mitgliedsstaats, dafür zu sorgen, dass er das, was in Brüssel meistens unter seiner Zustimmung beschlossen worden ist, auch in seinem Land umgesetzt wird. Wenn also jetzt in Österreich konkret die Raumordnung Landessache ist, dann ist es eine österreichische Angelegenheit. Da mischt sich die Europäische Union überhaupt nicht ein. Aber wenn die Zusage, die Österreich gemacht hat, dass ein gewisser Prozentsatz erneuerbare Energie, in welcher Form auch immer, das müssen ja nicht nur Windräder sein, bis zum Jahr 2030 realisiert wird, dann ist zunächst einmal abzuwarten, Widerstand im Jahr 2030 sein wird. Und wenn das nicht oder nur teilweise umgesetzt wurde, dann hat die Europäische Kommission das Recht, diesen Mitgliedsstaat vor dem EuGH zu klagen wegen Nichtumsetzung von Europäischem Recht.
LUKÁŠ: Und dann kann drohen: die Geldstrafe.
FISCHLER: Nein, nicht so schnell. Dann stellt der Europäische Gerichtshof zunächst einmal fest und das kann Jahre dauern, bis das soweit ist, dass es stimmt, dass Europäisches Recht nicht umgesetzt wurde und dann braucht es ein zweites Verfahren vor dem EuGH, in dem dann eine Sanktion fixiert wird. Wenn das passiert, dann wird es schnell teuer.
LUKÁŠ: Jetzt nehmen wir an, das dauert bis 2036, hin und her geht es und bis dahin hat das Bundesland diesen Ausbau geschafft, aber es ist sechs Jahre verspätet. Was ist dann?
FISCHLER: Nichts.
WEBER: Dann ist es trotzdem sechs Jahre verspätet. Beim Klimaschutz gibt es dann noch andere Mechanismen, die greifen könnten. Aber ja, nix und Herr Fischler hat das schon sehr schön aufgegliedert. Ich behelfe mir immer damit, dass ich sage, das eine ist die Republik Österreich, die in der Europäischen Union als einheitlicher Staat auftritt, als Mitgliedsstaat und das andere sind eben Bund und Länder. Jetzt werden meistens die Organe des Bundes, zum Beispiel die Bundesregierung, die Bundesminister, Bundesministerinnen für die Republik Österreich tätig. Aber gegenüber der EU wird es nicht aufgeteilt in Bund und Länder. Das müssen sich Bund und Länder schon untereinander ausmachen. Dass es nicht immer einfach ist, dazu braucht man gar kein Gedankenexperiment, der Fall, den sie geschildert haben, der ist ja eigentlich sogar Realität. Es gibt ein Bundesgesetz, mit dem versucht wird, die Raumordnungsvorgaben für Windkraftanlagen, ich sag jetzt mal, sehr untechnisch, auszuhebeln. Und ob das kompetenzkonform ist, also ob das mit der Kompetenzverteilung in Einklang steht, das wird letzten Endes der Verfassungsgerichtshof entscheiden. Aber das resultiert genau daraus, dass es unionsrechtliche Vorgaben gibt und die müssen irgendwie umgesetzt werden und der Bund versucht das Seinige, um das zu tun. Letzten Endes, wenn das nicht verfassungskonform ist, müsste eben die Verfassung geändert werden. Der Bundesstaat macht es dann nicht unbedingt einfacher.
FISCHLER: Und dann müssen Sie noch etwas bedenken, nämlich dieses Verfahren, von dem ich gesprochen habe, der Klage, vor dem EuGH, das ist in den Verträgen eine Kannbestimmung. Die Europäische Union ist nicht verpflichtet, in jedem Fall zum EuGH zu gehen. Es ist auch so, dass zurzeit einige Hundert Verfahren anhängig sind, beim EuGH diesbezüglich. Aber wie gesagt, die können oft fünf Jahre und noch länger dauern.
WEBER: Interessant ist in dem Zusammenhang vielleicht, auch wenn die Nichtumsetzung oder die Verletzung von Unionsrecht auf die Länder zurückzuführen ist, muss das letzten Endes doch der Bund vor dem Europäischen Gerichtshof verteidigen. Selbst wenn die Bundesregierung oder einzelne Bundesminister, Bundesministerinnen da vielleicht auch ganz andere politische Ansichten zum Unionsrecht haben.
LUKÁŠ: Jetzt haben wir über die Länder gesprochen, und wir haben ein bisschen aus der Perspektive der EU gesprochen. Was kann die EU tun? Aber was können denn dann die Länder tun, wenn die EU etwas verordnet, was ihnen gar nicht passt? Was haben die da für eine Handhabe? Was ist verfassungsmäßig möglich?
FISCHLER: Es sind einige Möglichkeiten vorhanden. Eine Möglichkeit ist, dass die föderal organisierten Mitgliedsstaaten ein Zweikammersystem haben, das heißt, wir haben den Nationalrat und den Bundesrat. In diesem Fall, in Bezug auf das mögliche Verfahren, von dem wir vorhin gesprochen haben, also das Subsidiaritätsverletzungsverfahren, kann jede der beiden Kammern, also auch die Länderkammer, eine entsprechende Eingabe machen. Das ist eine Möglichkeit. Eine zweite Möglichkeit ist, dass die Regionen gemeinsam eine Sache an die europäischen Institutionen herantragen. Das geschieht in der Regel über den sogenannten Ausschuss der Regionen. Es gibt zwei im Verfassungsrang stehende Ausschüsse. Der eine ist der Wirtschafts- und Sozialausschuss und der andere ist der Ausschuss der Regionen. Der hat zwar nicht eine sehr markante Rechtsposition, also er kann nicht sehr viel durchsetzen aber er kann Dinge zur Sprache bringen. Er kann auch Resolutionen verfassen, die dann an die entsprechenden europäischen Institutionen weitergereicht werden. Das ist eine Möglichkeit. Aber die Regel ist genau das, was wir immer wieder erleben, nämlich dass die Länder, sprich in dem Fall die österreichischen Länder, zum Staat gehen, zur Bundesregierung und sagen, liebe Bundesregierung, liebe Umweltminister im Umweltministerrat, bitte vertreten sie die und die Position. Es kommt dann manchmal auch zu Spannungen. Haben wir gerade kürzlich erlebt, wo die Frau Klimaminister sich der Stimme enthalten hat, als es um das sogenannte Renaturierungsgesetz ging und zwar deswegen, weil es hier einen enormen Druck von den Ländern gehabt hat, die völlig dagegen waren, dass der Bund den Vorschlag zustimmt. Ein zentrales Problem, mit dem wir zurzeit weltweit konfrontiert sind, ist der Rückgang der Biodiversität. Um in Europa die Biodiversität wieder zu fördern und den Rückgang zu bremsen, hat man dieses Renaturierungsgesetz in die Wege geleitet. Die Idee dabei ist, dass man, vereinfacht gesagt, 30 Prozent der Flächen wieder der Natur zurückgibt.
LUKÁŠ: Ich glaube, diese Beispiele haben für unsere Hörerinnen und Hörer deutlich gemacht, das Zusammenspiel mit der EU macht den politischen Prozess noch mal komplexer, als er ohnehin schon zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ist. Trotzdem nehmen wir das in Kauf. Frau Weber, welche Vorteile machen das wett aus Ihrer Sicht?
WEBER: Ja, das ist eine gute Frage. Ich denke, es ist wichtig zu betonen, dass Komplexität und langsame Prozesse nicht prinzipiell was Schlechtes sind. Um zu guten Ergebnissen zu kommen, muss man einfach manchmal viele Stimmen hören und viele verschiedene Perspektiven berücksichtigen. Die Länder in einem Bundesstaat können da ganz spezifische Perspektiven einbringen. Es gibt im Übrigen auch Forschung dazu, dass solche komplexen föderalen Strukturen es schwieriger machen, Systeme zu verändern. Zum Beispiel die Veränderung hin zu einem mehr autoritären System, also, dass Föderalismus, Komplexität, langsame Prozesse durchaus auch gewaltenteilend wirken können, und das gilt sicherlich auch für Bundesstaaten innerhalb der Europäischen Union. Natürlich in Krisensituationen, das Beispiel Renaturierungsgesetz wurde auch gebracht, ist es oft so, dass man sich wünscht, es würde ein bisschen schneller gehen und es würde ein bisschen weniger Stellen und Personen ihre mehr oder weniger gut begründeten Meinungen einbringen. Aber insgesamt ist es für die Demokratie förderlich, wenn möglichst viele und möglichst unterschiedliche Perspektiven gehört werden und eben auch regionale Einheiten wie die Länder.
LUKÁŠ: Vielen Dank an meine beiden Gesprächspartner:innen fürs Dasein, fürs Herkommen, fürs herzhafte Mitdiskutieren und Erklären. Wie immer habe ich viel gelernt. Ich geh klüger aus dieser Folge raus, als ich reingegangen bin. Haben Sie voneinander profitiert in dem, was Sie gehört haben oder war Ihnen das alles sehr bekannt?
FISCHLER: Nachdem ich mich seit 1989, also mehr als die letzten 30 Jahre, schon mit diesen Fragen beschäftige, ist mir natürlich vieles von dem bekannt. Noch dazu habe ich ja die Möglichkeit gehabt, zum Teil am Entstehen von Europäischen Gesetzen unmittelbar mitzuwirken. Allerdings zu meiner Zeit, als ich in Brüssel war, hat es die Lissabon Verträge noch gar nicht gegeben, die waren damals noch gar nicht in Kraft.
FISCHLER: Damals hat es sogar für die Agra Gesetzgebung ein eigenes Gesetzgebungsverfahren gegeben, das anders funktioniert als das Verfahren, das wir heute besprochen haben.
LUKÁŠ: Interessant.
WEBER: Ja, seit 1989 beschäftige ich mich noch nicht mit der EU. Da war ich gerade damit beschäftigt, geboren zu werden. Aber es war auf jeden Fall für mich interessant zu hören, dass sozusagen meine theoretische Beschäftigung mit dem Thema nicht ganz weit entfernt ist von dem, was man aus praktischer Perspektive dazu zu sagen hat. Also insofern habe ich sicher was mitgenommen.
LUKÁŠ: Sehr schön, vielleicht wird danach noch diskutiert über die Konstruktion sui generis. Man weiß es nicht. Wir verabschieden uns jetzt auf jeden Fall. Nochmal vielen Dank fürs Dabeisein und noch einen schönen Tag.
FISCHLER: Dankeschön.
WEBER: Dankeschön.
LUKÁŠ: Bei euch, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, bedanke ich mich dafür, dass Ihr wieder mit dabei wart. Ich hoffe, wir hören uns auch das nächste Mal wieder. Dann wagen wir uns nämlich in die unbekannte Welt der Weltraumdiplomatie. Richtig gehört, Weltraumdiplomatie, die gibt es und ob es sich dabei um eine Friedensmission zu den Marsmenschen oder Klingonen handelt oder es doch eher um irdische Dinge geht, das werde ich dann mit meinen Gästen besprechen. Ich bin auf jeden Fall schon sehr gespannt. Ein tolles Thema! Und wenn Euch diese Folge gefallen hat, dann empfiehlt sie gerne weiter und abonniert am besten auch gleich unseren Podcast. Dann verpasst Ihr garantiert keine einzige Folge mehr. Abonnieren könnt Ihr uns überall, wo es Podcast gibt, also auf Spotify, Apple, Podcasts, Google Podcasts, Deezer oder Amazon Music. Jede Menge Informationen und Angebote rund um das Österreichische Parlament und zu unserer Demokratie findet Ihr auf unserer Website www.parlament.gv.at und den Social-Media-Kanälen des Parlaments. Falls Ihr Fragen, Kritik oder Anregungen zum Podcast habt, dann schreibt uns gerne eine E-Mail an podcast@parlament.gv.at. Ich freue mich schon sehr auf die nächste Folge mit Euch. In diesem Sinne sage ich vielen Dank fürs Zuhören. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Wir hören uns.
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