Tatjana LUKÁŠ: Meine liebe Hörerinnen und Hörer, bevor wir mit dieser Folge starten, hier ein kleiner Hinweis. Während der Aufnahme waren wir offenbar so gefesselt von den Weiten des Weltalls, dass uns leider ein kleiner Fehler unterlaufen ist. Die European Interparliamentary Space Conference, von der in dieser Folge häufig die Rede sein wird, heißt eben genauso: European Interparliamentary Space Conference und nicht European Interplanetary Space Conference. Also wenn ihr in der kommenden halben Stunde von der Interplanetary Space Conference hört, denkt daran. Es ist nicht die Interplanetarische, sondern die Interparlamentarische Weltraumkonferenz gemeint. Jetzt aber viel Spaß mit dieser Folge von "Rund ums Parlament”.
Jingle: „Rund ums Parlament”. Der Podcast des österreichischen Parlaments.
LUKÁŠ: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von „Rund ums Parlament”, dem Podcast des österreichischen Parlaments. Mein Name ist Tatjana Lukáš, schön, dass ihr wieder mit dabei seid. In den vergangenen Folgen haben wir uns die Beziehungen zwischen Gemeinden, Bundesländern und dem Bund angeschaut. Und das österreichische Parlament spielt dabei eine sehr wichtige Rolle. Welche? Da müsst ihr in die letzten Folgen unseres Podcasts reinhören. Jetzt aber wollen wir uns einem neuen Thema zuwenden. Dabei geht es nicht um die inneren Verhältnisse Österreichs, sondern um diejenigen, die das Land nach außen hat. Es geht also um internationale Beziehungen. Um die internationalen Beziehungen, wohlgemerkt, des Parlaments. Nicht von Regierung oder Ministerien. Und die sind vielfältiger, als man im Allgemeinen so denkt. Wo wir jetzt also unseren Blick von innen nach außen richten, habe ich mir gedacht, machen wir keine halben Sachen und schauen gleich einmal ganz weit hinaus, nämlich in den Weltraum. Und darum geht es heute, genauer gesagt um die Weltraumdiplomatie. Ja, die gibt's, und wenn man der Website des European Space Policy Institute glauben darf, dann ist Wien sogar die Welthauptstadt der Weltraumdiplomatie. Glücklicherweise habe ich heute den Direktor dieses Instituts zu Gast, um ihn zu fragen, warum das eigentlich so ist. Hermann Ludwig Moeller, ich begrüße Sie ganz herzlich in diesem Podcast.
Hermann Ludwig MOELLER: Ja, vielen Dank. Zunächst mal: Wien ist tatsächlich ein Hub der Diplomatie insgesamt, aber auch für die Raumfahrt. Wir haben in Wien mehr als 100 permanente Vertretungen. Und mehr als 60 davon beschäftigen sich mit dem Thema Raumfahrt. Das ist zunehmend, und Sie haben heute sehr viele neue Nationen, die sich in der Raumfahrt engagieren. Man trifft sich in Wien, um im Rahmen der UN zusammen zu diskutieren, aber auch bei uns im Institut auf europäischer Ebene dazu einen Beitrag zu leisten.
LUKÁŠ: Ich finde wahnsinnig spannend, wofür Wien alles die Hauptstadt ist. Für viele Dinge. Als Spionage-Hauptstadt hat uns ja Berlin inzwischen den ersten Rang abgenommen. Sie sind nicht mein einziger Gast heute. Außerdem bei mir ist Frau Therese Niss. Sie sind Nationalratsabgeordneten der ÖVP und leiten die österreichische Delegation zur European Interplanetary Space Conference. Was das ist, werden wir auch gleich noch besprechen. Herzlich willkommen im Podcast!
Therese NISS: Danke sehr.
LUKÁŠ: Wunderbar! Wie immer, für unsere Hörerinnen und Hörer sagen wir noch ganz kurz, wo wir sind. Wir sind am passenden Ort für unser Gespräch, für unseren Spaziergang, und zwar heute in der Urania in Wien. Ein wunderschönes, imposantes Haus direkt an der Mündung des Wienflusses in den Donaukanal. Seit 1910 wird es als Volksbildungshaus genutzt und heute ist es eine Volkshochschule, wo auch immer noch die Wiener Vorlesungen stattfinden, wer da mal Interesse hat vorbeizuschauen. Das ist immer ganz toll. Und das Besondere: die Urania besitzt eine Sternenwarte und da werden wir heute rauf spazieren. Wollen wir vielleicht gleich gemeinsam uns zum Lift begeben und auf dem Weg unser Gespräch starten? Bevor wir wirklich in medias res gehen, würde ich Ihnen gerne noch jeweils drei Fragen stellen für unsere Hörerinnen und Hörer, damit sie Sie ein bisschen besser kennenlernen. Ich würde mit Frau Niss anfangen: Frühling oder Herbst?
NISS: Herbst, das ist so schön bunt.
LUKÁŠ: Wie Ihr wunderschönes Kleid, das müssen wir auch kurz beschreiben, so wie die Urania. Ein wunderschöner Schnitt, bunt, trotzdem classy mit einer roten Masche. Ich muss sagen, ein guter Geschmack! Die liebe Frau Niss hat sich für uns schick gemacht, das schätzen wir.
NISS: Genauso ist es.
LUKÁŠ: Kompromiss oder beste Lösung?
NISS: Beste Lösung, definitiv.
LUKÁŠ: Und wo beginnt für Sie Demokratie?
NISS: Ehrlich gesagt zuhause. Ich glaube, schon den Kindern muss man lernen, was Demokratie ist, dass sie Mitspracherechte haben. Wenn sie das in die Wiege gelegt bekommen, dann ist das einmal ein guter Start.
LUKÁŠ: Und weil wir uns ja heute mit dem Weltraum beschäftigen, noch eine Frage, die improvisiert ist: Star Wars oder Star Trek?
NISS: Ich habe ehrlich gesagt beides nicht gesehen.
LUKÁŠ: Ist das kein Pflichtprogramm in Ihrer Funktion?
NISS: Das weiß ich nicht. Vielleicht schau ich es mir jetzt an.
LUKÁŠ: Ja, wunderbar, dann ist der liebe Herr Moeller dran. Frühling oder Herbst?
MOELLER: Frühling, Aufbruch.
LUKÁŠ: Sehr gut. Kompromiss oder beste Lösung?
MOELLER: Da teilen wir die gleiche Ansicht, in jedem Fall die beste Lösung.
LUKÁŠ: Sehr gut, und wo beginnt für Sie Demokratie?
MOELLER: Auch da: Ich glaube, die Frau Niss hat das ein bisschen vorweggenommen, das ist wirklich um uns herum. Das ist zuhause, das sind die Kinder. Es sind auch die Mitarbeiter, wenn ich von meinem Team spreche. Engagement, Buy-In, teilen, zusammen zu Lösungen zu kommen. Ich glaube, das ist ein Grundelement, wie man zu wirklich nachhaltigen Lösungen auch kommt. Und nicht zu kurzfristigen oder zu, zu viel Kompromiss. Sondern wirklich Überzeugungsarbeit leisten, um zum besten Ergebnis zu kommen.
LUKÁŠ: Plakatkampagnen, wenn man den Hund haben möchte zum Beispiel. Star Wars oder Star Trek?
MOELLER: Star Trek.
LUKÁŠ: Ja. Warum?
MOELLER: Vielleicht eine Frage der Zeit und des Alters. Vielleicht heute, wenn Sie die Frage an jemanden jüngeren stellen, dann würden ganz andere Antworten kommen. Aber die Inspiration dieser ganzen Serien – es gibt ja heute andere Filme in den Kinos prominent –, da gibt es viele Berührungspunkte, auch Identifikationspunkte mit der Jugend, die sich das auch gerne anschauen. Übrigens oft von China finanziert.
LUKÁŠ: Ja, darf aber dort nur gezeigt werden, wenn chinesische Hauptdarsteller und Hauptdarstellerinnen vorkommen.
MOELLER: Auch [...] ist Hauptdarsteller in chinesischen Filmen.
LUKÁŠ: Ja, es wird seine Gründe haben, seine Millionen-Gründe. Dann würde ich sagen, gehen wir rein ins Thema. Frau Niss, Weltraumdiplomatie. Was ist das eigentlich? Wir kennen ja noch keine außerirdischen Wesen, mit denen wir verhandeln können. Warum also Diplomatie im Weltraum?
NISS: Wir brauchen gar nicht die Außerirdischen dazu. Wir haben auf der Erde genug zu tun, wir bekriegen uns leider immer wieder. Aber wir müssen uns überlegen, woher das ganze Thema Weltraumtechnologie auch herkommt. Das ist ein Ergebnis des Kalten Krieges. Die Technologie, die verwendet wird im Weltraum, ist natürlich auch ein Produkt des Rüstungswettkampfs. Mit Sputnik 1, dem ersten Satelliten im All, hat es begonnen, dass man ein Komitee gegründet hat zur friedlichen Nutzung des Weltraums. Und das war der Ursprung der Weltraumdiplomatie, damit beschäftigen wir uns. Wie kann der Weltraum friedlich genutzt werden? Es gab dann den ersten Weltraumvertrag et cetera, und ich glaube, das ganze Thema ist auch extrem wichtig. Was aber entscheidend ist, ist die Rolle Europas. Wir müssen uns wirklich überlegen, welche Rolle wollen wir einnehmen. Bis jetzt war es sehr viel Kooperation. Man merkt es ja auch an der ISS, der Weltraumstation, die ja auch ein internationales Bündnis ist. Aber wir merken immer mehr, jetzt kommt China, die USA, Russland, momentan natürlich etwas ausgebremst. Aber Europa fehlt, gerade im Thema der bemannten Raumfahrt, und da müssen wir Gas geben.
LUKÁŠ: Liebe Frau Niss, nun geht es in unserer Podcastfolge um die internationalen Beziehungen des österreichischen Parlaments. Das österreichische Parlament hat 2023 den Vorsitz in der Europäischen Interplanetarischen Weltraumkonferenz. Das ist eine Konferenz nationaler Parlamente, und Sie sind die Leiterin der österreichischen Delegation. Könnten Sie uns erklären, was ist diese Weltraumkonferenz? EISC wird sie abgekürzt. Vielleicht ein bisschen einen Einblick, was da passiert?
NISS: Die Europäische Internationale Space Conference, also European International Space Conference, dafür steht EISC, gibt es seit 1999. Der Sinn und Zweck der EISC ist eigentlich eine Zusammenkunft nationaler Parlamente und da werden Themen der Weltraumpolitik diskutiert, da werden Analysen gemacht. Auch gibt es jährlich eine Konferenz, dieses Jahr ist sie Anfang nächster Woche, am 25. September in Wien, im neu renovierten Parlament. Im Frühling gibt es jedes Mal einen Workshop, wo Themen diskutiert werden. Und hier diskutieren die nationalen Parlamente oder die Delegationen nationaler Parlamente mit Experten zur europäischen Weltraumpolitik. Es werden auch immer Stellungnahmen, Resolutionen abgegeben, die dann auch beispielsweise an die ESA gehen. Es ist eigentlich auch ein Beratungsorgan der ESA. Es dürfen teilnehmen einerseits Staaten der Europäischen Union, aber auch Staaten, die Mitglied der ESA sind, beispielsweise Norwegen. Es ist sehr wichtig, dass wir auf der Ebene der nationalen Parlamente, die im Endeffekt die Volksvertretung sind, hier auch diskutieren.
LUKÁŠ: Also kann die EISC keine bindenden Beschlüsse fassen?
NISS: Wenn sie jetzt bindende Beschlüsse in Form von Gesetzen meinen, nein. Aber, wie gesagt, wir haben jährlich eine Resolution. Die geht einerseits an die ESA, können natürlich auch die nationalen Parlamente haben. Und es wird diese EISC auch seitens der ESA gehört. Aber im Endeffekt das Organ der ESA selbst ist der Rat. Da gibt es auch dieses Jahr einen Space Summit. In diesem Sinn, nein, Gesetze können wir nicht schließen.
LUKÁŠ: Und noch eine Nachfrage: Warum unterhalten sich hier eigentlich Parlamente und nicht Regierungen oder Ministerien?
NISS: Das ist eben das, was ich sagte. Wir sind die Volksvertretung, und ich glaube, auch die Weltraumpolitik betrifft die Menschen auf der Erde, das haben wir vorher besprochen. Insofern ist es wesentlich, dass sich hier auch die nationalen Parlamente einbringen, ihre Meinungen, das, was die Leute bewegt, dann in Form von Resolutionen an die ESA weiterspielen.
LUKÁŠ: Vielleicht begeben wir uns weiter in den Veranstaltungssaal. Wenn man über die EISC nachforscht, dann stößt man ja sehr schnell auf vier andere Buchstaben: ESPI. Diese Abkürzung steht für European Space Policy Institute in Wien, und dieses Institut, heißt es, unterstützt die Weltraumkonferenz. Herr Moeller, Sie sind Direktor dieses Instituts. Können Sie uns kurz erklären, was im European Space Policy Institute eigentlich so passiert?
MOELLER: Zunächst mal, wir sind eine Denkfabrik im weitesten Sinne. Unsere Hauptleistung besteht darin, Empfehlungen auszusprechen zu Raumfahrtpolitik. Wir sind ein Bindeglied zwischen Politik, Wirtschaft, Akademie und Medien. Wir bilden Brücken vor allen Dingen in die Politik hinein. Die Hauptzielgruppe sind Parlamente, sind Regierungen, sind Raumfahrtagenturen. ESA ist ein Gründungsmitglied zusammen mit Österreich, ein Grund, weshalb wir in Wien sind.
LUKÁŠ: Lieber Herr Moeller, ich habe gehört, es gibt ein zwanzigjähriges Jubiläum. Wollen Sie vielleicht ganz kurz darüber erzählen?
MOELLER: Absolut. Wir sind sehr stolz, dass wir 20 Jahre Geschichte in uns tragen. Wir werden dazu am 25. September im Parlament eine entsprechende politische Veranstaltung haben. Die Frau Ministerin wird da sein. Wir werden hochrangige Vertreter im Parlament, im Plenarsaal dazu begrüßen. Und wir werden das als Anlass nehmen, auch in die Zukunft zu schauen, und wir werden eine Vision vorstellen für Europa. Wir nennen das ESPI2040, das schaut in die Zukunft. Da geht es um Sustainability, da geht es um Nachhaltigkeit, es geht um Sicherheit und Verteidigung. Es geht auch um die Inspiration, die Wissenschaft und die bemannte Raumfahrt. Es geht um die Basis des Ganzen, das heißt die Industrie, die jungen Talente, die Akademie, die wir brauchen als, als Building Blocks. Das wird sicher ein Ausblick sein in die Zukunft, und wir hoffen, damit ein breiteres Publikum zu erreichen in der Politik, in der Industrie. Und darüber hinaus vor allen Dingen in den Bereichen, in denen wir glauben, die Raumfahrt wird eine große Zukunft haben.
LUKÁŠ: Gibt es bei Ihnen eigentlich auch Kommunikation mit den normalen Menschen, oder ist das alles eigentlich nur Kommunikation hin zu Stakeholdern?
MOELLER: Sehr gute Frage! Die Raumfahrt ist bis heute, denke ich, ein Bereich, der relativ oft mit sich beschäftigt ist. Aber in einem Zeitpunkt ist, wo es wirklich nach außen hin nicht nur wirksam ist und spricht, sondern tatsächlich wirkt, in dem, was es an Wert bringen kann. Der erste Schritt ist natürlich, das in die Politik zu tragen, daneben auch Medien. Medien sind ganz wichtig. Meinungsbildung ist wichtig. Wir haben ein Beratungsorgan im ESPI. Und wir haben gerade ein neues Mitglied dieses Beratungsorgans, das kommt aus dem Medienbereich, um eben auch da besser zu verstehen: Wie können wir das verständlich für den Bürger in der Straße vermitteln? Das ist ganz entscheidend.
LUKÁŠ: Und Sie haben mir verraten, dass Sie auch hier in der Urania schon Konferenzen durchgeführt haben beziehungsweise durchführen werden. Was steht da im Plan?
MOELLER: Ja, wir hatten hier letztes Jahr im Oktober unsere jährlich Autumn-Konferenz, Herbstkonferenz. Das war zum Thema wirtschaftliche Aspekte der Raumfahrt. Da hatten wir zum Beispiel Risikokapitalfirmen hier, die über die privaten Investments in die Raumfahrt sprachen. Dieses Jahr werden wir hier sein in wenigen Wochen. Da geht es um was wir so schön Governance nennen. Wie arbeitet man zusammen in Europa und weltweit in der Raumfahrt? Da ist das Augenmerk auch internationale Partner hierher zu bekommen. Wir haben Teilnahme von Japan, Südkorea, NASA. Das heißt, das ist ein Forum in dem Falle für europäische Debatte, aber auf internationaler Ebene.
LUKÁŠ: Wenn wir nun weitergehen auf die wunderbare Dachterrasse mit Ausblick auf den Donaukanal und den ersten Bezirk, würde ich Ihnen gerne beide die Fragen stellen: Wir leben ja in recht herausfordernden Zeiten. Gut, wann waren die Zeiten nicht herausfordernd? Aber sie sind es immer noch. Was kann die Weltraumpolitik an Lösungen beitragen, um irdische Probleme besser zu bewältigen? Gerne Herr Moeller, Sie können gerne starten.
MOELLER: Ich gebe Ihnen gerne ein Beispiel. Auf dem Weg hierher auf dem Rad sah ich auf einer Litfasssäule groß geschrieben: Klimaneutralität, wir schaffen das. Und natürlich ist der Klimawandel neben der Sicherheitspolitik ein beherrschendes Thema, auch in der Raumfahrt. In dem konkreten Fall kann ich Ihnen zwei Beispiele nennen, was die Raumfahrt heute schon tut und zunehmend tun wird. Wenn Sie heute mit dem Flieger über den Atlantik fliegen, dann muss die Fluglinie die richtige Route finden. Dazu brauchen Sie Wettervorhersagen. Wenn Sie das Flugzeug richtig leiten, dann sparen Sie nicht nur Zeit, sondern auch Treibstoff. Sie reduzieren den CO2-Ausstoß, und das ist eine aktive Contribution, also Hilfe der Raumfahrt, um dieses Flugzeug besser zu leiten. Das betrifft Tausende von Flugzeugen jeden Tag. Das ist ein konkretes Beispiel, ein anderes Beispiel auch im Energiebereich. Heute gibt es viele andere Energiequellen, die in den Energiemix kommen in der Energie-Transition, in dem Energiewandel zu erneuerbaren Energien. Das bedeutet, dass die Netze, die das Europa weit verteilen, die bei Ihnen zu Hause in der Steckdose dann den Strom liefern, die müssen ausbalanciert werden. Dazu braucht man Millimeter genaue Abstimmung, was in Europa wo an Energie produziert und verteilt wird. Dazu brauchen Sie Satellitennetze, um das flächendeckend, europaweit oder auch weltweit besser zu verwalten.
LUKÁŠ: Frau Niss, haben Sie auch ein Beispiel in petto?
NISS: Ja, ich glaube, wir brauchen nur denken zum Beispiel an den Krieg in der Ukraine. Ohne Satellitentechnik würde der nicht so ablaufen, wie er momentan abläuft, auch die Ukraine. Wir wissen ja, dass sie durch Starlink sehr gut kommunizieren können miteinander. Das ganze Thema Kommunikation, das ganze Thema Galileo, GPS, also auf amerikanischer Seite, das sind alles Themen, die aus dem Weltraum kommen. Aber nicht nur das, sondern wir haben auch Technologien, die verwendet werden in der Weltraumfahrt, die Spillovers dann auf die Erde haben. Man denke nur mal daran, woher die Babynahrung kommt. Die kommt im Endeffekt von der Weltraumnahrung. Feuerfeste Anzüge sind ein Produkt im Endeffekt von Weltraumanzügen. Die Kühlung von LNG. All das ist eigentlich eine Technologie, die auf Forschung und somit Technologie aus dem Weltraum fußt. Das ist uns im Endeffekt nicht bewusst. Und ich glaube, es ist aber unsere Aufgabe, auch den Leuten zu erklären, was eigentlich Weltraumtechnologieforschung bewirkt. Momentan wird geforscht daran, in der Schwerelosigkeit Organe herzustellen, weil das in der Schwerelosigkeit eben einfacher funktioniert, hier Gewebe zu produzieren, und das dann im Endeffekt auch zu Organen. Da kommen noch so wahnsinnig viele spannende Themen auf uns zu. Das wird noch eine spannende Zeit.
LUKÁŠ: Das ist ja ein ganz interessanter Link eigentlich zu unserem nächsten Themenkomplex, nämlich die Interferenz Wirtschaft und Weltraumtechnologie. Während wir jetzt zur Sternenwarte raufgehen, würde ich gerne ein paar Fragen stellen, denn das beschäftigt die Menschen da draußen schon sehr. Was ist mit unserem Himmel? Dürfen Satelliten Werbebotschaften irgendwann in den Himmel schreiben? Sie wissen es. Es gibt da viele Fragen. Wird der Mond bevölkert sein und ist dann irgendwann ein reines Abbaugebiet und wird nie mehr dunkel und hell sein? Vielleicht können wir da ein bisschen drüber sprechen. Dass in der Raumfahrt großes Potenzial steckt, das haben nicht nur Nationalstaaten bemerkt, sondern eben auch die Wirtschaft. Da ist immer wieder von New Space die Rede, einer Kommerzialisierung des Weltalls. Wie beurteilen Sie die Aussichten für die Weltraumwirtschaft?
NISS: Extrem positiv, wenn man es so nennen will. Ich meine, wir haben momentan eine Weltraumwirtschaft zwischen 350 und 450 Milliarden Dollar. Das soll bis zum Jahr 2040 auf 1 Billion anwachsen. Also, da sieht man schon mal, was hier sozusagen an Potenzial liegt. Aber wie es der Herr Moeller vorher auch schon gesagt hat, gerade in diesen so wesentlichen Themen der Renewable Energies. Die Technologien, die es geben wird, um erneuerbare Energie zu produzieren, die aus dem Weltraum kommen natürlich mit dem gesamten Sonnenlicht et cetera, die können wir uns, glaube ich, noch gar nicht vorstellen. Da ist ein irrsinniges Potenzial. Das ist auch unsere Aufgabe, hier natürlich auch mit privaten Unternehmen viel stärker noch zu arbeiten. Das kann nicht alles der Staat machen. Es muss Hebelwirkungen geben, aber im Endeffekt ist es dann natürlich eine Aufgabe der Unternehmen.
LUKÁŠ: Wir sind jetzt in der Sternenwarte angekommen. Herr Moeller, würden Sie kurz beschreiben, wie es hier ausschaut?
MOELLER: Eine wunderschöne Kuppel, geöffnet in einen blauen Wiener Himmel, mit einem Teleskop ausgerichtet auf... Das kann ich Ihnen jetzt leider nicht sagen, aber sehr inspirierend.
LUKÁŠ: Wir sprechen natürlich lieber über die friedliche Nutzung in diesem herrlichen Rahmen von Weltraumtechnologie. Aber in Zeiten, in denen Krieg auch auf europäischen Boden geführt wird, liegt ja die Frage nach der militärischen Nutzung nahe. Wie hoch ist das Engagement der Staaten hier?
MOELLER: Grundsätzlich weltweit kann man sagen, dass die Hälfte der öffentlichen Förderung in der Raumfahrt, etwas weniger als die Hälfte, aus dem Militärbereich stammt. Ein Anteil, der wächst. Ein Anteil, der natürlich im Wesentlichen von den USA geprägt ist, ein Anteil, der in Europa stark unterbesetzt ist. Um nicht zu sagen wesentlich zu niedrig ist. Und ich glaube, wenn man in der Raumfahrt wirklich den Nutzen für Sicherheit und Verteidigung stärken möchte, dann stellt sich die Frage, wie man diese Mittel , die dann auch eventuell aus anderen Haushalten kommen, bereitstellt. Viele dieser Mittel letzten Endes betreffen Sicherheitsfragen oder die Benutzung dieser Mittel für das, was sie letzten Endes als Nutzen bringen, das sind Bereiche, die die normale Bevölkerung betreffen. Wir haben zum Beispiel den Fall des Staudamms in der Ukraine, der gesprengt wurde und zu erheblichen Überflutungen geführt hat und Tausende von Menschen betraf. Das ist ein typisches Beispiel dafür, das können Sie mit Erdbeobachtungsdaten zum Beispiel überwachen. Sie können schauen, wo die Überflutung stattfindet, Sie können auch eingreifen. Der Katastrophenschutz kann helfen. Da sind wir in einem Bereich, wo die Trennung zwischen was ist eine militärische Aktion und was ist der Einfluss auf die Normalbevölkerung, auf die Zivilbevölkerung, das ist nicht wirklich trennbar. Das nennt man teilweise Dual-Use. Das sind eben zwei Dinge in einem, und das sollten wir auch realisieren und uns zu Nutzen bringen.
LUKÁŠ: Vielen Dank. Ich hätte noch eine abschließende Frage an die Frau Niss. Jede Präsidentschaft der EISC setzt ihren eigenen Schwerpunkt, und Ihr Schwerpunkt sind Weltraum-gestützte Daten und wie man sie für einen grünen Wandel der Wirtschaft einsetzen kann. Welche Art von Daten sind hier eigentlich gemeint?
NISS: Alle möglichen Daten. Wir haben vorher schon gesprochen über Daten, die verwendet werden für das ganze Thema Galileo, also das europäische GPS, über Wetterbeobachtungsdaten. Aber wir sprechen natürlich über Telekommunikationsdaten. Also im Endeffekt wissen wir ja, dass heutzutage mehr und mehr Daten verwendet werden. Was ganz interessant ist: wir haben in Österreich momentan seitens der ESA eine Pionierarbeit geleistet, und zwar ist das die sogenannte Green Transition Information Factory. Das ist eine Plattform, und ich empfehle jedem, hier wirklich einmal reinzuschauen, wo man interaktiv sehen kann, beispielsweise wie sich der Feinstaub in den Städten entwickelt, welche Dächer schon Solarkanäle drauf haben, wie sich der Feinstaub auf die Gesundheit auswirkt, wo es besondere Belastungen gibt, alles mögliche natürlich von auch Waldnutzung. Da mit diesen Daten im Endeffekt dann auch zu arbeiten, also aus diesen Daten auch eine Wirtschaft zu machen, um Prognosen zu machen, aber natürlich auch, um daraufhin dann auch wirklich Geschäftsmodelle aufzubauen, das ist extrem spannend. Das ist sozusagen die Downstream Economy, wenn man es so nennen will, vom Space. Darauf möchten wir uns spezialisieren. Vor allem auch, weil wir, Österreich, im gesamten Weltraumbereich wirklich ganz tolle Unternehmen haben. Also wir haben tolle Unternehmen, die einerseits tatsächlich auch an den Raketen mitbauen. Wir haben aber auch ganz tolle Unternehmen, die eben in dieser Nutzung von Daten, in dieser Weiterentwicklung von Daten, aktiv sind. Das ist nicht so bekannt, aber da möchte ich einmal die Gelegenheit nutzen, hier auch wirklich die österreichischen Unternehmen hervorzuheben. Teilweise natürlich von Startups gekommen, die hier wirklich zu großen Playern geworden sind.
LUKÁŠ: Wenn man interessiert an diesem Thema ist, wo kann man die nachlesen oder nachschauen, wer da führend ist?
NISS: Da gibt es eine Webseite der Austrian Space Economy, es gibt ja auch eine Vereinigung hier. Es gibt die Österreichische Weltraumstrategie. Auf der Homepage des BMK, das ja ein Teil des Weltraumbereichs ist, gibt es alles Mögliche nachzulesen. Die FFG – jetzt dreht es sich, spannend.
LUKÁŠ: Wir drehen uns.
NISS: Genau, wir drehen uns. Die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft, bei der ist ja auch die ALR, also die Luftraumgesellschaft, angesiedelt. Da gibt es alle Daten, die man sich nur wünschen kann.
LUKÁŠ: Jetzt stelle ich noch eine Frage an Herrn Moeller. Ich hoffe, er kann sie beantworten. Wie kann die Raumfahrt dabei helfen, den Klimawandel zu bekämpfen?
MOELLER: Ich hatte eben zwei Beispiele genannt. Das eine ist in der Mobilität, im Transport oder auch in der Energietransition, um erneuerbare Energien besser zu verwalten. Es gibt ganz viele Bereiche, bei denen natürlich auch die Raumfahrt unterstützend ist. Gerade dieses Jahr wurde ein neues Satellitensystem gestartet, das meteosat. Das kennen Sie aus den Nachrichten, wenn Sie die Wolkenbilder sehen vom Wetterbericht. Das wird heute benutzt, um das Wetter vorherzusagen, natürlich, und es wird immer akkurater. Je akkurater Sie das können, wenn Sie eben Extreme Weather Events, wie man das auf Englisch so gerne sagt, – Hurricanes, nicht nur nicht nur in Florida, sondern eben zunehmend Überflutung in Europa – wenn man das rechtzeitig vorhersehen kann, das ist eine Konsequenz des Klimawandels. Wenn Sie da entsprechende Maßnahmen rechtzeitig treffen oder im Falle des Events auch eben Hilfestellung leisten können aufgrund dieser Daten, das sind Milliarden. Der Mehrwert einer verbesserten Wettervorhersage weltweit wurde geschätzt jährlich auf 160 Milliarden Euro. Das ist der Mehrwert in die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft. Das ist ungefähr fast die Hälfte der ganzen Space Economy. Und es ist nicht die Economy im Space Sektor, sondern es ist das, was die Raumfahrt in die gesamte Economy überführen kann. Das ist ein Multiplikator von sieben. rau Niss sprach eben von einer, einer Trillion, auf Englisch, Dollar oder Euro in 2040. Das werden sieben bis acht Mal so viel sein in den Bereichen wie Landwirtschaft, wie Transport, wie Education, wie Health in Pharmaceutical, wir sprachen von Raumstationen. Das heißt, das ist ein Wirtschaftsfaktor, ein enormer Wirtschaftsfaktor. Und ich wiederhole gerne, neben dem Klimawandel als ein ganz großes Thema der Zeit, Sicherheit und Verteidigung. Das sind die beiden Bereiche, in denen die Raumfahrt heute gefragt ist mehr denn je und helfen kann.
LUKÁŠ: Sehr spannend. Abschließend, was wird von der österreichischen Präsidentschaft in der EISC bleiben?
NISS: Eine Resolution, wenn man es so nennen will, wo wir die Themen, die wir auch besprechen – was können Daten, was wollen wir mit den Daten ermöglichen, wie wollen wir auch die Startup-Wirtschaft in diesem Bereich beflügeln, wie wollen wir junge Talente gewinnen? –, dass wir das festschreiben, auch an die ESA weitergeben. Das ist das Wesentliche. Für uns in Österreich, Europa auch, aber auch Österreich, ist dieser Konnex zwischen Weltraumpolitik, aber eben auch den Unternehmen, die Auswirkungen auf die Wirtschaft, das Entscheidende, und diesen Fokus wollen wir legen, und das soll auch langfristig bleiben. Natürlich mit dem Fokus auf den Klimawandel.
LUKÁŠ: Ganz herzlichen Dank für das Gespräch, lieber Herr Moeller, liebe Frau Niss! Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
NISS: Danke für die Einladung.
MOELLER: Dankeschön.
LUKÁŠ: Das war es auch schon wieder mit dieser Folge. Ich bedanke mich bei euch da draußen fürs Zuhören, und ich hoffe, dass ihr etwas mitnehmen konnten und auch nächstes mal wieder mit dabei seid. Da geht es dann darum, in welchem Zusammenhang das österreichische Parlament mit der EU steht. Auch eine internationale Beziehung und keine unwichtige, die viele unsere Gesetze bestimmt. Sprechen werde ich darüber mit dem Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, Wolfgang Bogensberger, und der Vertreterin des Österreichischen Parlaments bei der EU, Sophie Velberg. Wenn euch diese Folge gefallen hat, dann empfehlt sie wie immer gerne weiter und abonniert am besten auch gleich unseren Podcast. Dann verpasst ihr garantiert keine Folge mehr. Abonnieren könnt ihr uns überall, wo es Podcasts gibt. Ob auf Spotify, Apple Podcasts, Google Podcasts, Deezer oder Amazon Music. Jede Menge Informationen und Angebote rund um das österreichische Parlament und zu unserer Demokratie findet ihr auf unserer Website www.parlament.gv.at und unser Social-Media-Kanälen des Parlaments. Falls ihr Fragen, Kritik oder Anregungen zu unserem Podcast habt, dann schreibt uns gerne eine E Mail an podcast@parlament.gv.at. Also ich freue mich schon wieder auf die nächste Folge mit euch. In diesem Sinne vielen Dank fürs Zuhören. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Wir hören uns.
Jingle: „Rund ums Parlament”. Der Podcast des österreichischen Parlaments.