Jingle: Rund ums Parlament. Der Podcast des österreichischen Parlaments.
Tatjana LUKÁŠ: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von "Rund ums Parlament”, dem Podcast des österreichischen Parlaments. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Schön, dass ihr wieder dabei seid. Die internationalen Beziehungen des österreichischen Parlaments – dieses Thema beschäftigt uns auch in dieser Folge. Und dazu schauen wir uns heute einmal genauer an, was das Parlament auf diplomatischer Ebene so tut. Landläufig verbinden wir Diplomatie mit Botschafter:innen oder Gipfeltreffen von Ministern und Regierungschefs. Dabei reden aber auch nationale Parlamente und ihre Abgeordneten miteinander, um internationale Herausforderungen zu lösen. Und das an vielen verschiedenen Orten und zu vielen Gelegenheiten. Wie immer habe ich heute illustre Gäste bei mir, mit denen ich dieses weite Feld besprechen kann. Ich begrüße zuerst Herrn Lukas Mussi, schönen guten Tag!
Lukas MUSSI: Hallo.
LUKÁŠ: Sie sind stellvertretender Leiter der Abteilung Internationale Angelegenheiten in der Parlamentsdirektion und vertreten heute Abteilungsleiterin Petra Rund, die leider kurzfristig verhindert ist. Gute Besserung an dieser Stelle. Herr Mussi, vielen Dank, dass Sie dafür heute in dieser Folge ihren Platz einnehmen. Sie sind unter anderem verantwortlich für die Betreuung der internationalen Beziehungen und Aufgaben des Parlaments. Schön, dass Sie bei uns im Podcast sind. Neben mir steht außerdem Herr Helfried Carl. Schönen guten Tag.
Helfried CARL: Guten Tag.
LUKÁŠ: Herr Carl, ich glaube, ich behaupte nicht zu viel, wenn ich sage, Sie sind ein waschechter Diplomat. Stimmt das?
CARL: Das kann man so sagen, zumindest war ich es bis vor Kurzem.
LUKÁŠ: Denn Sie sind ehemaliger Botschafter Österreichs in der Slowakei, waren außenpolitischer Berater und Büroleiter der verstorbenen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und Sie waren Teil der ständigen Vertretung in Österreich bei der OSZE und der UNO in New York und haben das Innovation in Politics Institute mitbegründet.
CARL: Genau, das mache ich jetzt. Das Innovation in Politics Institute, dort bin ich jetzt einer der Paten.
LUKÁŠ: Und das ist in Wien beheimatet?
CARL: Das ist in Wien beheimatet.
LUKÁŠ: Vielen Dank, dass auch Sie Zeit gefunden haben, heute zu uns zu kommen.
CARL: Dankeschön.
LUKÁŠ: Um unsere Hörerinnen und Hörer kurz einzuführen, wo wir sind, weil wir wechseln ja immer den Ort und suchen uns gute Orte für unsere Gespräche: Wir sind heute im Weltmuseum in Wien, ein sehr empfehlenswertes, sehr schönes Museum, und zwar in der Schausammlung. Hier, in jedem dieser 14 Räume, geht es um die Begegnung von Menschen und ihren Kulturen. Also um die Geschichte von Neugier und Erkenntnis, aber auch um all die Missverständnisse und schrecklichen Fehler, die dabei gemacht worden sind. Der Raum, in dem wir hier jetzt gerade sind, der steht unter dem Titel "Im Schatten des Kolonialismus”. Ein dunkles Thema auf vielen europäischen Staaten. Jetzt muss ich meine erste Frage stellen, Herr Mussi, Herr Carl: Ist das ein guter Ort, um über Diplomatie zu sprechen?
CARL: Ja, ich meine, das Weltmuseum ist ein guter Ort und der Kolonialismus, an dem kiefeln viele Teile der Welt immer noch. Geschichte spielt eine wichtige Rolle in den internationalen Beziehungen. Daher würde ich sagen, ja, es ist ein sehr guter Ort, und ich bin der Petra Rund, die diese Idee hatte, sehr dankbar dafür.
LUKÁŠ: Kolonialismus ist ja an sich gescheiterte Diplomatie oder ohne Diplomatie in die Verhandlungen reingegangen.
CARL: Zum großen Teil waren das keine Verhandlungen, sondern Landnahme. Die Auflösung des Kolonialismus war mit viel Diplomatie verbunden, denn die Entkolonialisierung der Welt hat unter der Ägide der UNO nach 1945, eigentlich ab den 50er-Jahren, begonnen. Es gibt immer noch ein Unterkomitee der Generalversammlung der Vereinten Nationen, wo ich sogar mal österreichischer Vertreter war, das sich mit der Entkolonialisierung beschäftigt. Weil es gibt immer noch Gebiete, die nicht entkolonialisiert wurden.
LUKÁŠ: Dürfte ich Sie für unser weiteres Gespräch einladen, mit uns durchs Weltmuseum zu spazieren, da wir eigentlich ein Podcast für Spaziergänger und Spaziergängerinnen sind? Bevor wir im Speziellen zur parlamentarischen Diplomatie kommen: Ich habe es ja vorhin schon gesagt, die Diplomatie, die begegnet uns ja meistens in den Medien, und zwar wenn wir von Gipfeltreffen hören oder wenn ein Botschafter ins Außenministerium einbestellt wird. Herr Carl, nun waren Sie Botschafter der Republik Österreich in der Slowakei. Wie würden Sie die Kernaufgaben eines Diplomaten beschreiben?
CARL: Es ist so eine Frage, die man oft nur sehr schwer beantworten kann, wenn man erklärt, was macht man eigentlich als Beruf. Ich habe die Frage natürlich zum Beispiel von meiner Mutter öfter gestellt bekommen. Was machst du so? Und ich versuche es immer dahingehend zu erklären, dass ich finde, man ist als Botschafter so etwas wie ein Übersetzer und ein Interpret gleichzeitig. Man muss diese Situation des Landes, in dem man ist, übersetzen und man muss interpretieren und übersetzen die Interessen des Landes, das man vertritt. Das ist auf ganz vielen verschiedenen Ebenen und zu allen Gelegenheiten so. Und das Allerwichtigste, und das finde ich das Schöne am Beruf des Diplomaten, ist, es ist mit lebenslangem Lernen verbunden. Ich habe in der Slowakei immer das Gefühl gehabt, ich bin den ganzen Tag eigentlich da in einem Proseminar, weil ich von Anfang bis Ende des Tages neu lernen musste. Das Wissen habe ich nicht immer gebraucht. Aber es ist so, dass man es dann abrufen können muss, wenn es soweit ist, wenn es zu krisenhaften Entwicklungen kommt. Oder auch, wenn man versuchen kann, die Beziehungen positiv zu verändern, dann sollte man auf das zurückgreifen können.
LUKÁŠ: Jetzt an dieser Stelle möchte ich geheimes Wissen auspacken und sagen: Herr Mussi ist ja der Sohn eines Botschafters. Und wie würden Sie als Sohn eines Botschafters, der das eigentlich aus einer Kinderperspektive heraus erlebt hat, den Beruf des Botschafters beschreiben?
MUSSI: Also, ich kann mich da nur dem Helfried anschließen. Ich fand das eine sehr gute Bezeichnung als Übersetzer und Vermittler. Ich glaube, man ist natürlich Repräsentant des Landes, aber Übersetzer ist ein sehr guter Begriff.
LUKÁŠ: Vielen Dank. Für wen oder was arbeitet ein Diplomat, in wessen Dienst steht er? Diese Frage haben wir eigentlich beantwortet, aber nehmen Sie uns doch vielleicht ein bisschen mit in die Welt der Diplomatie. Welche waren ihre drei eindrücklichsten Missionen oder Aufgaben auf dem vielzitierten diplomatischen Parkett?
CARL: Als erstes fällt mir da immer meine Zeit in Bosnien ein. Da war ich stellvertretender Büroleiter von Wolfgang Petritsch, als er Hoher Repräsentant in Bosnien war für die Umsetzung des Friedensabkommens. Für drei Jahre war ich dort, das war vier Jahre nach dem Krieg. Der Hohe Repräsentant dort war mit unglaublichen Vollmachten ausgestattet, konnte Politiker absetzen, die sich der Umsetzung des Friedensabkommens widersetzt haben, konnte Gesetze erlassen, konnte Gesetze aufheben. Da habe ich ihn mitberaten, bei diesen Entscheidungen. Das war für einen jungen Mann, wie ich es damals war, doch eine sehr große und interessante Aufgabe. Das hat mich sehr beeindruckt. Gleichzeitig gibt es auch andere Dinge, die mir sehr im Gedächtnis geblieben sind. Nachdem Barbara Prammer verstorben war, war mein erster Posten als Botschafter in der Slowakei. Als Berater der Nationalratspräsidentin steht man immer in der zweiten Reihe. Sie vertritt das Parlament. Wenn sie vertreten wird, dann wird sie nicht durch ihre Berater vertreten, sondern dann wird sie durch den Zweiten Nationalratspräsidenten vertreten oder durch jemand anderen. In den Jahren, in denen ich bei ihr war, in den acht Jahren, habe ich sie nicht vertreten. Und in der Slowakei stand ich dann plötzlich in der ersten Reihe und da übergibt man dann sein Beglaubigungsschreiben. Das ist ein wunderbares Staatsballett, das da passiert, mit den Hymnen et cetera. Da muss ich sagen, das ist mir sehr nahe gegangen. Das hat mich sehr berührt. Ich habe natürlich auch viel an sie gedacht, aber es hat mich auch sehr berührt, dass ich da jetzt in der ersten Reihe stehe.
LUKÁŠ: Gesehen zu werden.
CARL: Gesehen zu werden. Genauso ist es.
LUKÁŠ: Was vielleicht unsere Hörerinnen und Hörer interessieren könnte: Sprechen Sie Slowakisch beziehungsweise wie groß ist die Hürde, wenn man die Landessprache möglicherweise nicht spricht als Botschafter oder Botschafterin im betreffenden Land?
CARL: Also für mich war es meine erste slawische Sprache. In Bosnien konnte ich es nicht lernen, weil das war eine englischsprachige Organisation dort. In der Slowakei habe ich sehr viel Zeit aufgewendet. Ich habe es nie gut gesprochen, weil es eine der kompliziertesten slawischen Sprachen ist. Aber ich habe es gut verstanden am Schluss und war sehr froh, weil es ist so etwas wie das Esperanto der slawischen Sprachen. Ich verstehe jetzt vieles andere und ich bin sehr froh, dass ich es gelernt habe. Ich habe meine Kollegen, die das nicht gemacht haben, nicht wirklich verstanden. Wie der Lukas vorher gesagt hat, man repräsentiert auch, und das heißt, dass man öfter zwei, drei Stunden irgendwo sitzt und sich Reden auf Slowakisch anhören darf. Das ist dann doch etwas spannender, wenn man irgendwas davon versteht.
LUKÁŠ: Verstehen darf. Sonst muss man sich in der Phantasie immer sehr viel dazu denken, worum es denn gerade im Detail geht.
CARL: In drei Stunden braucht man dann viel Phantasie.
LUKÁŠ: Herr Mussi, im Vergleich dazu die parlamentarische Diplomatie. Wo findet die statt, und ist die ähnlich unterhaltsam?
MUSSI: Parlamentarische Diplomatie findet zunächst auf bilateraler Ebene im Rahmen des Präsidenten oder der Präsidentin des Nationalrats statt, die oder der laut Verfassung das Parlament nach außen vertritt, und unterhält eben enge Kontakte zu seinen Counterparts weltweit. Dann findet sie statt auf Ebene der Ausschüsse, insbesondere außenpolitischer Ausschuss. Und vermehrt im Rahmen der bilateralen parlamentarischen Gruppen, so nennen wir sie, das sind die parlamentarischen Freundschaftsgruppen. Das hat in den letzten Jahren sehr zugenommen. Wenn wir schon hier sind im Weltmuseum, da war erst vor zwei Wochen eine Delegation der albanisch-österreichischen parlamentarischen Freundschaftsgruppe hier in Wien und auch hier im Weltmuseum. Weil oben in der Rüstungskammer ist das Skanderbeg Helm und Schwert, das albanische Nationalheiligtum. Das war ein Programmpunkt, da war der Besuch hier in der Rüstungskammer.
LUKÁŠ: Warum steht das albanische Nationalheiligtum in Wien?
MUSSI: Das ist eine gute Frage.
LUKÁŠ: Wieder zurück zum Kolonialismus-Raum.
CARL: Es gibt einen ganzen Roman von Herrn Menasse zu dieser Frage, der sich mit der EU-Erweiterung und dem Skanderbeghelm beschäftigt. Und ich war sogar dabei, als der Helm auch einmal schon nach Albanien verliehen wurde für ein Jahr, anlässlich 100 Jahre der Staatsgründung Albaniens.
LUKÁŠ: Für alle unsere Hörerinnen und Hörer, wir geben den Roman von Herrn Menasse gerne in die Shownotes, dann kann man hier nachlesen.
CARL: Ja, ich müsste nochmal nachdenken. Ich habe ihn im Sommer gelesen. Er ist sehr lustig. Ich kann ihn empfehlen. Und er beschäftigt sich eigentlich mit der EU-Erweiterung. Ich glaube, er heißt "Die Erweiterung”.
MUSSI: Ja. Das war jetzt auf bilateraler Ebene, aber auch auf multilateraler Ebene tut sich sehr viel. Da gibt es die ganzen interparlamentarischen Versammlungen. Bilateral ist von einem Staat zum anderen. Multilateral ist Österreich mit vielen verschiedenen Akteuren oder Staaten. In dem Bereich gibt es eben internationale Organisationen, wie die OSZE mit Sitz in Wien, übrigens im selben Gebäude, in der Hofburg. Nur ein paar Meter weiter treffen die Diplomaten sich wöchentlich. Oder die UNO oder der Europarat. Und diese internationalen Organisationen haben so etwas wie eigene Parlamente. Das heißt von den Mitgliedsländern, von den Parlamenten, treffen sich die Parlamentarier und gründen sowas wie ein Parlament, also eine parlamentarische Versammlung.
LUKÁŠ: Und was tun sie dann dort? Worüber wird dort beraten?
MUSSI: In den interparlamentarischen Versammlungen wird beraten über globale Themen. Wenn ich zum Beispiel die parlamentarische Versammlung der OSZE nehme – weil wir ja hier in der Hofburg sind, und die OSZE-Regierungsseite in der Nähe ist –, die hat drei Ausschüsse. Diese drei Ausschüsse beschließen Resolutionen. Die OSZE-Versammlung hat des Weiteren Sonderbeauftragte, zum Beispiel gab es jetzt wegen der Krise in der Ukraine einen Sonderbeauftragten für den parlamentarischen Dialog mit der Ukraine. Das war ein österreichischer Abgeordneter, Lopatka. Die OSZE-Versammlung hat auch einen Ausschuss zur Bekämpfung des Terrorismus. Der Vorsitzende ist auch der Abgeordnete Lopatka. Was die OSZE-Versammlung gemeinsam mit der parlamentarischen Versammlung des Europarats auch macht, was sichtbar ist, sind die Durchführungen von Wahlbeobachtungen, wo österreichische Parlamentarier sehr aktiv sind.
LUKÁŠ: Dass die Wahlen in anderen Ländern standesgemäß und rechtlich abgesichert ablaufen können.
MUSSI: Genau. Die werden dann beobachtet, und das dient der Demokratieförderung in den verschiedenen Ländern.
LUKÁŠ: Jetzt ist ja eine wichtige Frage, die sich da immer stellt: Wenn Abgeordnete dort für Österreich sprechen, sprechen sie dort für Österreich oder sprechen sie auch mit der Stimme ihrer Partei? Vielleicht möchten Sie, Herr Carl.
CARL: Wenn es auf Ebene der Abgeordneten ist, dann kann man meistens sagen, dass diese Frage letztlich zweitrangig ist. Weil es geht dann nicht um den Austausch der offiziellen Positionen, sondern es geht wirklich um den Versuch, besser die Positionen des anderen zu verstehen. Und da ist es manchmal auch nötig, die Position einer Partei zu verstehen und zu verstehen, was das Spektrum im österreichischen Parlament ist. Daher würde ich sagen, außer wenn man konkret beauftragt ist vom Nationalratspräsidenten, spricht man üblicherweise eher für seinen Ausschuss, das kann sein. Oder für die Fraktion. Ich glaube, so kann man das am besten erklären, oder?
MUSSI: Genau. In den interparlamentarischen Versammlungen gibt es natürlich eine österreichische Delegation. Bei kritischen Themen wird in der Delegation versucht, einen gemeinsamen Standpunkt zu finden. Aber letztendlich ist jeder Parlamentarier, Parlamentarierin. Sie kann abstimmen, wie sie möchte. Ob das jetzt die Parteilinie ist oder nicht, das ist auch ihnen überlassen.
LUKÁŠ: In dem Überblick, den sie uns vorhin gegeben haben, Herr Mussi, wo das Parlament überall in welchen Ausschüssen et cetera aktiv ist, hat man den Eindruck gewonnen, als hätte die parlamentarische Diplomatie in den vergangenen Jahren zugenommen. Stimmt das?
MUSSI: Ich würde sagen, ja. Auch angesichts der vielen globalen Herausforderungen und Krisen hat sie sehr zugenommen.
LUKÁŠ: Für unser nächstes Thema gehen wir aus diesem wunderschönen Japan-Raum, der uns architektonische Wunderwerke, die, glaube ich, ein paar tausend Jahre alt sind, zeigt, schöne Kimonos, in den nächsten Raum. Ich lese Singapur, wir bleiben in Asien. Bevor wir wirklich weitermachen mit unserem Thema: Wir stellen unseren Gästen immer drei Fragen, um sie ein bisschen besser kennenzulernen. Das sind ganz allgemeine Fragen, keine Angst. Herr Mussi, ich würde mit Ihnen beginnen. Frühling oder Herbst?
MUSSI: Frühling, obwohl ich eine Pollenallergie habe, aber Frühling.
LUKÁŠ: Alles ist besser als vor dem Winter.
MUSSI: Genau.
LUKÁŠ: Verstehe. Kompromiss oder beste Lösung?
MUSSI: Kompromiss.
LUKÁŠ: Und wo fängt für Sie Demokratie an?
MUSSI: Eigentlich bei sich selber. Dann geht es weiter, angefangen von der Wahl eines Klassensprechers, Klassensprecherin bis zu Wahlen auf Bezirksebene, bis zu Parlaments-, Nationalratswahlen.
LUKÁŠ: Vielen Dank, dann ist der Herr Carl dran. Frühling oder Herbst?
CARL: Genau dieselbe Antwort wie der Lukas Mussi: Trotz Allergie auch der Frühling.
LUKÁŠ: Verstehe. Kompromisse oder beste Lösung?
CARL: Ja, da finde ich die beste Lösung als Kompromiss muss das Ziel des Diplomaten sein.
LUKÁŠ: Hohe Ziele. Und wo fängt für Sie Demokratie an?
CARL: Beim Prinzip: eine Person, eine Stimme.
LUKÁŠ: Ein schöner Spruch, den nehmen wir uns mit, den merken wir uns.
MUSSI: Apropos Wahlbeobachtungen: eine Person, zehn Stimmen.
LUKÁŠ: Herr Mussi, die Abteilung Internationale Angelegenheiten der österreichischen Parlamentsdirektion organisiert ja auch vieles rund um die besprochenen internationalen Tätigkeiten des Parlaments. Was genau tun Sie und Ihre Kolleginnen eigentlich?
MUSSI: Wir betreuen inhaltlich und organisieren auch teilweise diese internationalen Treffen, Kontakte. Angefangen von Reden schreiben, Gesprächsleitfäden schreiben für den Präsident des Nationalrats oder Präsidentin des Bundesrats, Hintergrundinformationen zusammenstellen und liefern bis zur Betreuung vor Ort. Sprich, bei diesen ganzen Konferenzen ist immer eine Kollegin oder Kollege der Abteilung vor Ort und betreut die Delegation, ist in den Ausschüssen, arbeitet auch an Resolutionen und so weiter.
LUKÁŠ: Also vom Eventmanagement bis zur Begleitung in der Assistenz alles.
MUSSI: Bis zu vor Ort ein Taxi bestellen, wenn das sein muss.
LUKÁŠ: Die Assistenz. Wenn wir jetzt mal auf die aktuelle Weltlage blicken, welche Vorgänge, Projekte, Initiativen in der parlamentarischen Diplomatie sind, zum Beispiel aus Ihrer Sicht, Herr Carl, aktuell am spannendsten beziehungsweise am wichtigsten?
CARL: Ich glaube, dass wir alle aus den Medien die drängendsten Probleme kennen und die drängendsten Krisen. Ob das jetzt die langfristigen Krisen sind, wie Klimawandel oder die kurz- bis mittelfristigen. Beim Nah-Ost-Konflikt kann man das eigentlich auch schon eher als langfristig bezeichnen. Alles, was jetzt im Moment ausgebrochen ist, oder auch in der Ukraine – all das erfordert diplomatische Anstrengungen, und zwar ganz dringende. Weil Diplomatie auch heißt, dass wir versuchen, Lösungen zu finden, die auch bindend sind für alle. Und nicht nur uns auf Twitter einer Meinung befleißigen, sondern tatsächlich auch etwas vereinbaren miteinander. Das muss auf ganz vielen verschiedenen Ebenen passieren, und da gehört die diplomatische Tätigkeit von Parlamenten und Abgeordneten genauso dazu wie eben die vorher erwähnte offizielle staatliche Diplomatie.
LUKÁŠ: Jetzt haben wir ja ganz viele junge Hörerinnen und Hörer. Und für die frage ich noch mal nach: Was passiert eigentlich zum Thema Klimawandel auf diplomatischer Ebene? Denn das bekommt man gar nicht wirklich mit.
CARL: Auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Der Klimawandel ist sogar ein Thema im UNO-Sicherheitsrat schon gewesen. Es gibt Resolutionen der Generalversammlung dazu. Es gibt vor allen Dingen natürlich auch die großen Klimaverhandlungen, die jährlich stattfinden immer irgendwo auf der Welt mit einer ganz großen Klimakonferenz, wo man versucht, möglichst verbindliche Ziele zu vereinbaren. Das gehört zum Allerschwierigsten überhaupt. Ich war noch nicht bei so einer Konferenz, aber ich stelle mir das sehr komplex vor alle Staaten der Welt auf ein verpflichtendes Ziel festzulegen, was teilweise auch mit schmerzhaften Transformationen verbunden ist. Aber das passiert mithilfe von Diplomaten, auch wenn da oft die Umweltminister dann Diplomatie machen zum Beispiel oder die Wirtschaftsminister.
MUSSI: Zum Beispiel Klimawandel: Ich meine grundsätzlich, die parlamentarische Diplomatie ist ja ergänzend zur Regierungsdiplomatie. Parlamentarische Diplomatie ist viel informeller. Also Parlamentarier, die sind ja nicht gebunden an einen Beschluss der Regierung, die können informeller im Hintergrund, deswegen ist das oft nicht sichtbar, viel erwirken oder versuchen viel zu erwirken. Sei das auf Konferenzen, aber auch in bilateralen Treffen, in Besuchen. Beispiel Ukrainekrieg: Die parlamentarische Freundschaftsgruppe Österreich-Ukraine war bisher viermal in der Ukraine, um ein Zeichen zu setzen.
CARL: Ein Beispiel, das mir eingefallen ist, als ich mir ein bisschen Gedanken gemacht habe über diese Frage, ist die Streumunitionskonvention. Streumunition ist eine ganz schlimme Art von Munition. Wenn die verwendet wird, dann ist das nicht eine Bombe, sondern es sind zehn, 20 Bomben in einer Bombe sozusagen, und nicht alle von denen explodieren. Das heißt, es ist eine Munition, die auch dann bleibt, wie eine Miene im Boden. Also das ist wirklich für Zivilisten eine der schädlichsten Formen von Munition, die es gibt. Diese Munition wurde in einer Konvention, an der Österreich als Staat sehr stark beteiligt war, mitgeschrieben hat daran, verboten. Diese Konvention ist vor etwa acht Jahren in Kraft getreten. Ich kann mich noch gut erinnern, dass wir das als österreichisches Parlament unterstützt haben, die Nationalratspräsidentin Prammer, indem eine Konferenz einberufen wurde vom österreichischen Parlament parallel zu einer UNO-Konferenz, wo das auch noch mal verhandelt wurde hier in Wien. Dann haben wir dort die Abgeordneten aus allen Ländern eingeladen, die auch an dieser Konferenz teilgenommen haben. Viele Staaten verzichten nicht sehr gerne auf Waffen. Einige haben das aber dann aufgrund des Drucks der Abgeordneten getan, die bei der Abgeordnetenkonferenz waren. Das ist für mich ein Beispiel, dass man teilweise auch so eine innenpolitische Logik verwenden kann, um zum Beispiel Abrüstung voranzutreiben. Ich bin mir sicher, dass das im Bereich Klima auch solche Mechanismen sind, die funktionieren können.
MUSSI: Genau! An das Beispiel habe ich auch gedacht.
LUKÁŠ: Also kann man statuieren, die parlamentarische Diplomatie ist eine notwendige und gute Ergänzung zur Regierungsdiplomatie.
MUSSI: Finde ich schon, ja.
CARL: Ich würde das absolut unterstützen. Ich weiß nicht, ob Sie darauf später noch zu sprechen kommen wollen, aber ich weiß natürlich, dass das auch immer kritisiert wird. Dass das nicht ganz einfach ist für die Abgeordneten. Wenn sie eine Reise nach Japan machen, dann wird ihnen sofort vorgeworfen, dass sie irgendwie da ihren Urlaub verbringen wollen und dort Sushi essen. Es bringt ihnen bei den Wählern, und dessen muss man sich klar sein, sehr wenig, wenn sie das tun. Es ist eigentlich eher ein Zeichen großer Verpflichtung gegenüber dem österreichischen Staatsganzen, wenn sie das tun. Die Kritik müssen sie einstecken. Das macht sie verwundbar bis zu einem gewissen Grad, obwohl es so eine wichtige Tätigkeit ist.
MUSSI: Da bin ich voll bei dir. Um auf das Beispiel Wahlbeobachtungen zurückzukommen: Wahlen finden meistens an Sonntagen statt. Die Parlamentarierinnen, die die Wahlen für Österreich beobachten, sind dann mindestens drei, vier Tage, also übers Wochenende, nicht in ihrem Wahlkreis, nicht zu Hause und bekommen aber nichts extra gezahlt dafür, zum Unterschied von den Wahlbeobachterinnen von der Regierungsseite. Es ist wirklich ein undankbarer Job, aber ein wichtiger Job.
LUKÁŠ: Umso besser, dass wir hier in diesem Podcast mal kurz aufgeklärt haben, warum diese Damen und Herren diese Reisen unternehmen, und dass das vielleicht kein verschwendetes Geld ist, sondern sehr wohl sinnhaft in späteren Beschlüssen zum Beispiel sein kann. Vielen Dank, dass Sie beide da waren und mir so gut Auskunft gegeben haben in möglichst einfachen Worten. Wir haben es versucht. Adieu, und ich wünsche noch einen schönen Tag!
CARL: Danke für die Einladung.
MUSSI: Merci.
LUKÁŠ: Und das war es auch schon wieder mit dieser Folge. Ich hoffe, es hat euch gefallen, und ich würde mich unheimlich freuen, wenn ihr nächstes Mal wieder mit dabei wärt. Dann werde ich nämlich mit meinem Gast Reinhold Lopatka, von dem wir heute schon einiges gehört haben, tief in die Welt von OSZE, also der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit Europas, den Europarat, Interparlamentarische Union, eintauchen. Herr Lopatka ist Vizepräsident der parlamentarischen Versammlung der OSZE, Sonderbeauftragter für den parlamentarischen Dialog für die Ukraine und Vizepräsident der parlamentarischen Versammlung des Europarats. Da ist also eines garantiert: viele interessante Einblicke in die Praxis der parlamentarischen Diplomatie. Wenn Euch diese Folge gefallen hat, was wir sehr erhoffen, dann empfehlt sie gerne weiter oder abonniert am besten gleich diesen Podcast, dann verpasst ihr garantiert keine Folge mehr. Abonnieren könnt ihr uns überall, wo es Podcasts gibt. Ob auf Spotify, Apple Podcasts, Google Podcasts, Deezer oder Amazon Music. Jede Menge Informationen und Angebote rund um das österreichische Parlament und zu unserer Demokratie findet ihr auf unserer Website www.parlament.gv.at und den Social-Media-Kanälen des Parlaments. Falls ihr Fragen, Kritik oder Anregungen zum Podcast habt, dann schreibt uns gerne eine E-Mail an podcast@parlament.gv.at. All diese Website-Hinweise und Adressen findet ihr natürlich auch in unseren Shownotes. Ich freue mich schon auf die nächste Folge mit euch. In diesem Sinne sage ich vielen Dank fürs Zuhören. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Wir hören uns.
Jingle: Rund ums Parlament. Der Podcast des österreichischen Parlaments.