Ulrike LUNACEK: Gewählt werden jetzt bei der heurigen Wahl 720 Abgeordnete aus den mittlerweile nurmehr 27 Mitgliedsstaaten.
Paul SCHMIDT: In Österreich können im Prinzip ab 16 alle wählen. Alle, die österreichische Staatsbürger oder EU-Staatsbürger sind.
LUNACEK: Ganz viel können Bürgerinnen und Bürger da mitentscheiden, nämlich welche Fraktionen gestärkt werden und welche weniger stark bleiben. Und dieses Mal ist die Wahl, finde ich, besonders spannend.
SCHMIDT: 22 Prozent der Befragten in Österreich sagen, dass die EU-Mitgliedschaft eine schlechte Sache ist. Aber letztlich, wenn man die Gretchenfrage stellt, wollt ihr jetzt dabeibleiben, oder wollt ihr austreten, dann haben wir eine sehr stabile Zwei-Drittel-Mehrheit. Die sagt, natürlich wollen wir dabeibleiben, auch wenn wir vieles sehr kritisch sehen.
Jingle: Rund ums Parlament. Der Podcast des österreichischen Parlaments.
Tatjana LUKÁŠ: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von "Rund ums Parlament", dem Podcast des österreichischen Parlaments. Mein Name ist Tatjana Lukáš, und ich freue mich ganz besonders, dass ihr wieder mit dabei seid. Denn heute steigen wir in ein neues Thema ein und zwar in die Europawahl. Im Juni 2024 wird das Europaparlament neu gewählt, und wir sprechen mit einigen sehr interessanten Gästen darüber, was das EU-Parlament überhaupt tut, über die Besonderheiten, die besonderen Aspekte der Wahl 2024 und sicherlich auch darüber, vor welchen Herausforderungen die EU insgesamt in diesen Zeiten steht. In dieser ersten Folge wollen wir über das Europäische Parlament sprechen. Dazu habe ich mir zwei sehr interessante Gäste eingeladen. Das ist einerseits Ulrike Lunacek. Herzlich willkommen.
LUNACEK: Hallo, danke für die Einladung.
LUKÁŠ: Sie war 2009 bis 2017 als Politikerin der Grünen Mitglied des Europäischen Parlaments und in den letzten drei Jahren ihrer Zeit dort sogar Vizepräsidentin. Außerdem bei mir ist Paul Schmidt.
SCHMIDT: Hallo, schönen guten Tag.
LUKÁŠ: Schönen guten Tag! Er ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik. Schön, dass Sie da sind. Vielleicht würde einer von Ihnen beiden uns kurz beschreiben für unsere Hörerinnen und Hörer, wo wir hier stehen, wo wir hier sind? Ich glaube fast, dass der Herr Schmidt prädestiniert für diese Antwort ist.
SCHMIDT: Aha.
LUKÁŠ: Aha! Wo sind wir denn, Herr Schmidt?
SCHMIDT: Okay, darf ich schon loslegen?
LUKÁŠ: Sicher!
SCHMIDT: Wir sind in der Mitte von der Rotenturmstraße, im ersten Wiener Gemeindebezirk. Weil hier gibt es ein Erlebnis Europa Lokal, eine Ausstellung des Europäischen Parlaments, mitten in Wien, im Zentrum Wiens. Wo man hineingehen kann, sieben Tage die Woche, fast rund um die Uhr. Nicht ganz. Wo man das Europäische Parlament hautnah erleben kann, wo man es digital erleben kann, wo man ein Rollenspiel machen kann, wo es ein 3D-360°-Kino gibt und wo es ganz viele Informationen gibt für alle Altersklassen. Und gerade jetzt vor dem 9. Juni, vor den Wahlen zum Europäischen Parlament, wichtiger denn je.
LUKÁŠ: Frau Lunacek, waren Sie schon mal in diesem Haus oder ist es für Sie auch Premiere?
LUNACEK: Ich gestehe, dass ich in dem noch nicht war, aber sehr oft in den letzten Jahrzehnten in der Wipplingerstraße, im Haus, wo sowohl Parlaments- und Kommissionsvertretung untergebracht sind. Aber ich erinnere mich sehr gut, dass wir, als ich Vizepräsidentin des EP war, sehr wohl darüber gesprochen haben, wie wichtig es wäre, in den einzelnen Mitgliedsstaaten mehr als nur die Vertretungsbüros mit Veranstaltungsräumen zu machen. So etwas, das es in Brüssel auch schon gibt und eben in einigen Mitgliedsstaaten, wo Europa und das Europaparlament vor allem wirklich erlebt werden kann. Wo man mitmachen kann, sich was aussuchen, schauen wer aus dem eigenen Land ist, et cetera.
LUKÁŠ: Es ist sehr gut, dass es diese interaktive Dauerausstellung jetzt gibt, sieben Tage die Woche geöffnet. Sind wir beeindruckt! Dann schauen wir miteinander rein und erleben Europa.
LUNACEK: Gern.
SCHMIDT: Alles klar. Gerne.
LUKÁŠ: Im Vorgespräch haben wir erfahren, dass Sie beide sich ganz gut kennen. Während wir uns zur ersten Station bewegen: Würden Sie uns da vielleicht diese Beziehungsebene kurz darlegen?
LUNACEK: Na ja, die hat auch mit Europa zu tun, denn ich weiß nicht, ob wir uns sonst so oft begegnet wären. Ich habe 2009 das erste Mal kandidiert und du hast damals gerade in der ÖGfE angefangen. Das wird um diese Zeit gewesen sein. Genau weiß ich es nicht. Wir haben uns schon so oft getroffen, bei so vielen Veranstaltungen, dass ich den Zeitpunkt nicht mehr genau weiß. Das sind ungefähr, bald einmal 20 Jahre.
SCHMIDT: Ja, das stimmt. Ich kenne dich schon länger, weil du natürlich schon viel länger viel prominenter und öffentlich bekannter bist als ich das je werden könnte. Ich kann mich erinnern, ich habe vor meiner Tätigkeit bei der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, die im Herbst 2009 begonnen hat, in der Österreichischen Nationalbank im internationalen Bereich gearbeitet. Ich war einmal bei einer Sitzung dabei im Außenministerium. Es muss gewesen sein Anfang der 2000er Jahre, wo du wahrscheinlich Nationalratsabgeordnete warst und wo das Thema war "Financing for Development", also Entwicklungshilfe. Das war eine kleine Runde von Expertinnen, Experten. Da war Ulrike Lunacek, die ganz viel wusste zu dem Thema. Sie kam aus dem Nationalrat und hat quasi zwischen der Politik und den Experten hier eine Brückenfunktion gehabt. Und da habe ich dich das erste Mal hautnah erlebt. Ich war ab 2006 für die Nationalbank in Brüssel bei der ständigen Vertretung Österreichs bei der Europäischen Union, wo wir ein kleines Büro als Nationalbank haben. Und ab 2009 in der Gesellschaft für Europapolitik und seitdem jedes Mal intensiver und intensiver und viele gemeinsame Projekte gemacht, Kooperationen gemacht, und ich freue mich, dich zu sehen.
LUNACEK: Ja, eben, ich auch, und es stimmt. Ich war ja von 1999 bis 2009 im Nationalrat auch für Entwicklungspolitik zuständig. Ich komme aus entwicklungspolitischen NGOs über Jahrzehnte schon und ich erinnere mich an diese Veranstaltungen im Außenministerium.
SCHMIDT: Manchmal ist ja die europäische Integration auch so etwas wie ein entwicklungspolitisches Projekt. Je nachdem, wie man es definiert.
LUNACEK: Genau. Ab 2006 war ich dann drei Jahre lang Vorsitzende der Europäischen Grünen Partei und da auch oft in Brüssel. Da werden wir uns wahrscheinlich auch einmal getroffen haben. Na gut, so ist das!
SCHMIDT: So ist das.
LUKÁŠ: Sehr gut! Bevor wir bei den Restaurantempfehlungen für Brüssel landen, führe ich zurück an den Ort, an dem wir gerade sind. Wir sind jetzt in der Erlebnis Europa Ausstellung und ich zitiere jetzt kurz aus der Beschreibung: "Diese Ausstellung soll erfahrbar machen, wie die Europäische Union funktioniert, welchen Einfluss sie auf unseren Alltag hat und wie die Bürgerinnen und Bürger selbst etwas bewirken können." Es ist schon gefallen – es gibt diese Ausstellungen nicht nur in Wien, sondern in mehreren europäischen Städten. Noch nicht in allen, aber geplant ist es, soweit ich das verstanden habe. Stellen wir mal ein bisschen eine provokante Frage: Braucht es so eine Ausstellung überhaupt?
LUNACEK: Ja, sicher. Das ist ja auch spannend, dass Leute dann kommen, die sich anschauen wollen, etwas ein bisschen näher kennenzulernen. Denn es stimmt sehr wohl, was wir leider alle bedauern, die wir hier sind oder zu Europa arbeiten, dass gerade auch in Österreich die Zustimmung zur Europäischen Union nicht sehr hoch ist. Dass viele Leute gerade auch sehr wenig darüber wissen, wie das Europaparlament, aber auch die Zusammenarbeit mit den anderen Institutionen, also vor allem Rat, die Vertreterinnen und Vertreter der Mitgliedsländer und auch Kommission, funktionieren. Und insofern ja, ist es notwendig und gut.
SCHMIDT: Es ist ein Ort der Begegnung und es ist ein Ort, wo man hautnah leben kann, wo man sich in die Rolle eines Abgeordneten hineinversetzen kann oder auch eines Kommissars. Wo man das ganze Gesetzgebungsprozedere nachempfinden kann und wo man ein Gefühl dafür entwickelt, was da draußen eigentlich gemacht wird und was das mit einem selbst zu tun hat. Das kann man machen, wenn man da draußen flanieren und spazieren geht, und geht einfach rein. Die Ausstellung ist offen für alle, sieben Tage die Woche und ist eine riesengroße, wunderschöne Möglichkeit, das ein bisschen näher kennenzulernen. Wo wir wissen, dass eigentlich europäische Institutionen als weit weg empfunden werden, weil sie eben dort draußen, in Brüssel und in Straßburg sind. Gerade beim Europäischen Parlament, bei der einzig direkt gewählten Institution Europas und dem zweitgrößten Parlament der Welt ist es ganz besonders wichtig, diese Brücke zu schlagen. Deswegen ist es eine hervorragende Idee, dass es diese Ausstellungen gibt auf permanenter Basis.
LUKÁŠ: Dann schlage ich mal vor, dass wir die erste Station oder die für uns erste Station hier mal ausprobieren. Und zwar heißt die Station "Mitglieder des Parlaments und der Kommission". Das kann man hier nach Geschlecht, nach Alter, nach Staat, den sie repräsentieren, auswählen. Frau Lunacek, vielleicht wollen Sie ganz kurz mal die Alters-Buttons betätigen und schauen, wen von der jüngsten Generation sie vielleicht noch kennen. Wollen wir ein Spiel spielen? Starten. Wir drücken mal auf den Knopf.
LUNACEK: Die ist immer noch Abgeordnete. [...]
LUKÁŠ: Erste Frauen wurden identifiziert auf dem Bildschirm.
LUNACEK: Nehmen wir 18 bis 29? Nein, das geht sich nicht aus. Ach so. Da ist eine. Ich kenne sie nicht mehr. Kennst du sie?
SCHMIDT: Ja, ich kenne sie, das ist die Kira Marie Peter-Hansen. Und zwar ist das eine der jüngsten Abgeordneten aus dem Europäischen Parlament. Die war, wie sie 2019 ins Parlament gekommen ist, wenn ich mich jetzt nicht irre, 20 oder 21 Jahre alt. Und wir haben vor zwei Jahren ein Buch veröffentlicht, das hat geheißen "30 Ideen für Europa. Wie die junge Generation die europäische Integration sieht" [gemeint ist: "Unter 30! Junge Visionen für Europa"; die Red.]. Es war uns ganz wichtig, das nach der Coronazeit zu machen. Da haben 30 unter 30-Jährige geschrieben. Die Kira Marie hat das Vorwort geschrieben, eine beeindruckende Frau aus Dänemark von den dänischen Grünen.
LUKÁŠ: 21 ist doch sportlich.
LUNACEK: Ja!
SCHMIDT: '98 geboren, das heißt, sie ist jetzt schon um einiges älter, aber 2019 war sie dann nach Adam Riese ein bisschen älter.
LUNACEK: 21, oder? '98 bis 2019, da war sie 21.
SCHMIDT: 21, stimmt.
LUKÁŠ: Na bitte. Dann versuche ich auch mal mein Glück und schaue, wer ist über 80 Jahre alt? Denn auch diese Generation hat viel mitzureden. Aha, ein einziger Mensch!
LUNACEK: Der frühere polnische Ministerpräsident.
LUKÁŠ: Sagt man zu ihm Jerzy?
LUNACEK: Jerzy.
SCHMIDT: Parlamentspräsident war er auch.
LUNACEK: Parlamentspräsident war er auch, genau. Jerzy Buzek. Den habe ich in guter Erinnerung, weil er nämlich einer ist, der, obwohl er von einer konservativen Partei ist und auch sehr, glaube ich, religiös ist – der war einer, der gerade auch Anliegen von der LGBTI-Community unterstützt hat damals.
LUKÁŠ: Wirklich?
LUNACEK: Das war erfreulich.
SCHMIDT: Da hat er einen Blick über den Tellerrand.
LUNACEK: Genau.
SCHMIDT: Da sieht man, wie man seine nationalen Kleider und seine parteipolitischen Kleider eigentlich abstreift, wenn man da nach Europa kommt und dann seinen Horizont erweitert.
LUNACEK: Genau, zumindest auch den Horizont erweitert. Ich weiß nicht, wie er vorher in Polen dazu agiert hat, aber das war zumindest sehr erfreulich.
LUKÁŠ: Auch für seine Generation eine überraschend offene Einstellung, muss man sagen. Das ist jetzt gar nicht nur vom Herkunftsland. Jetzt wo wir beim EU-Parlament sind, nehmen wir die Kurve zur Europawahl, weil das wirklich wichtig ist und darauf auch unser Schwerpunkt dieser und der nächsten Folgen beruht. Wir wollen unseren Hörerinnen und Hörern ja immer so ein bisschen neue Welten aufmachen. Viele wissen ja gar nicht, wie so eine Europawahl überhaupt funktioniert. Insofern wäre es toll, kurz zu definieren: Wer darf denn überhaupt wählen? Wie alt muss ich sein? Wer wird überhaupt gewählt? Und eine der wichtigsten Fragen ist, wie wähle ich? Können wir diese Fragen vielleicht kurz und knackig durchgehen, damit sie jeder gut versteht? Und bevor wir anfangen möchte ich noch für die Hörer und Hörerinnen sagen: Alles, was wir hier besprechen, auch die Adresse von diesem wunderbaren Haus et cetera, findet ihr in unseren Shownotes, also im Beipackzettel, der mit jedem Podcast mitgeliefert wird. So, also, Europawahl. Wie läuft es ab, wer darf, wie muss man, und wer wird überhaupt gewählt?
LUNACEK: Gewählt werden jetzt bei der heurigen Wahl 720 Abgeordnete aus den mittlerweile nur mehr 27 Mitgliedsstaaten. Österreich wird bei dieser Wahl 20 haben, weil es einen neuen Verteilerschlüssel gibt. Bisher haben wir 19. Es gibt einen neuen Verteilerschlüssel, wo nach Bevölkerungsgröße ein bisschen angepasst wurde. Das heißt, Österreich wird eine oder einen Abgeordneten mehr haben. Und in Österreich darf man ab 16 Jahren wählen. Das ist leider nicht in allen Mitgliedsstaaten der Fall. Das war bei einer Wahlrechtsreform, die das Europaparlament 2022 vorgeschlagen hat, drinnen gewesen, aber das ging leider nicht durch.
SCHMIDT: In Österreich geht es seit 2007. Interessant zu der Wahlaltersenkung auf 16 ist, dass dem österreichischen Vorbild einige Länder jetzt folgen. Die Deutschen machen das zum ersten Mal, allerdings ausschließlich bei der Europawahl, nicht bei den Bundestagswahlen. Die sind sehr daran interessiert und wollen sich informieren, was es eigentlich braucht, um das erfolgreich umzusetzen, diese Wahlaltersenkung, weil das ist ja kein Selbstläufer. Die Belgier machen es, die Zyprioten, die Malteser und die Griechen, glaube ich, ab 17. Die anderen nach wie vor ab 18. Aber in Österreich können im Prinzip ab 16 alle wählen. Alle, die österreichische Staatsbürger oder EU-Staatsbürger sind, Drittstaatsangehörige nicht. Das ist eine demokratiepolitische Frage, die noch nicht ganz geklärt ist. Weil wenn man hier seinen Hauptwohnsitz hat, dann ist die Frage, habe ich das Wahlrecht in Verbindung mit der Staatsbürgerschaft oder mit dem Hauptwohnsitz? Und dann ist die Frage, wie viel EU-Bürgerinnen und -Bürger wählen bei den EU-Wahlen, wenn sie außerhalb ihres Stammlandes? Das ist nicht wahnsinnig viel. Das sind so 8 bis 9 Prozent in der Regel.
LUKÁŠ: Die, die nicht in der EU leben, sind 8 bis 9 Prozent?
SCHMIDT: Nein, nein.
LUNACEK: Nicht im Heimatland oder im Land, in dem sie die Staatsbürgerschaft haben.
SCHMIDT: Sie wählen eher noch gemäß der Staatsbürgerschaft in ihrem Heimatland als in ihrem Sitzland, im Wohnsitzland in Österreich.
LUKÁŠ: Und wie kann man denn jetzt überhaupt wählen? Vielleicht liegt es ja auch am Wie. Vielleicht schlüsseln wir das kurz so auf.
LUNACEK: In Österreich gibt es die Briefwahl, die gibt es aber auch nicht in allen Mitgliedsstaaten. Auch das ist etwas, was damals nach '22 vom Parlament vorgeschlagen wurde, aber die Mitgliedsstaaten das leider nicht akzeptiert haben, das hätte das Parlament dazu gebraucht.
LUKÁŠ: Man ist 16 Jahre alt, man ist in Österreich, und dann tut man was, damit man an einer Briefwahl teilnehmen kann? Was für vorbereitende Schritte muss ich setzen, damit ich wählen kann?
SCHMIDT: Man kriegt normalerweise eine Post, da kommt ein Schreiben.
LUKÁŠ: Alle wahlberechtigten Menschen bekommen das nach Hause geschickt.
SCHMIDT: Und da stehen die Optionen drinnen, wie man sich an der Wahl beteiligen kann. Da ist auf der einen Seite die Briefwahl und auf der anderen Seite die Möglichkeit, ins Wahllokal zu gehen am Sonntag, am 9. Juni. Auch wenn die Sonne scheint, sind die Wahllokale trotzdem offen. Da kann man dann mit einem Ausweis einfach wählen.
LUNACEK: Man kann in das Wahllokal gehen, das auf dieser Einladung draufsteht. Man kann aber auch sonst irgendwo wählen gehen. Das ist egal wo, in Österreich!
LUKÁŠ: Und wie viele Parteien stehen da dann drauf auf diesem Wahlzettel? Ich würde gerne den Weg wirklich so unbedarft wie möglich durchgehen. Ich gehe dort hin und dann habe ich einen Wahlzettel. Und wie viele Parteien stehen da zur Wahl?
SCHMIDT: Ja, das wissen wir noch nicht.
LUNACEK: Das wissen wir noch nicht.
SCHMIDT: Es hängt davon ab, wie viele Parteien tatsächlich berechtigt sind, auf dem Wahlzettel zu stehen. Da gibt es unterschiedliche Voraussetzungen. Von Unterschriftenlisten bis zur Unterstützung von drei Abgeordneten aus dem Nationalrat oder aus dem EU-Parlament. Ganz unterschiedliche Voraussetzungen. In der Regel sind es zumindest einmal jene Parteien, die im österreichischen Parlament vertreten sind. Davon kann man ausgehen. Und dann noch die eine oder andere zusätzliche Partei, die diese Hürden nimmt und diese Kriterien erfüllt, die wird auch noch draufstehen.
LUKÁŠ: Na super, jetzt wissen wir also, wie man wählt. Nun ist die Frage, was kann jeder Einzelne durch seine Stimmabgabe dann aber eigentlich mitbestimmen?
LUNACEK: Ganz viel können Bürgerinnen und Bürger da mitentscheiden, nämlich welche Fraktionen gestärkt werden und welche weniger stark bleiben. Und dieses Mal ist die Wahl, finde ich, besonders spannend, weil es nämlich das erste Mal seit der ersten Direktwahl des Europaparlaments 1979 sein kann, dass eine Mehrheit, die bisher bestanden hat aus Mitte, liberal linken, sozialengagierten Parteien, dass die jetzt kippen wird in eine Mehrheit von rechten, Rechtsaußenparteien, plus Konservativen und Teile der Europäischen Volkspartei. Und das ist schon, wenn es um die ganzen Demokratiefragen, Rechtsstaatlichkeit in Europa geht, um Frauenrechte, Minderheitenrechte, ist das schon eine ziemlich wichtige Wahl. Weil das betrifft ja dann auch jede und jeden Einzelnen von uns, weil ich sage immer, wir sind dieses gemeinsame Europa und nicht irgendwer da in Brüssel. Und deswegen ist diese Wahl, finde ich, heuer besonders wichtig.
SCHMIDT: Und was dazukommt ist, wir wählen ein Europäisches Parlament, das bei jedem Gesetz, das aus Europa kommt, mitentscheidet. Und Gesetze, europäische Gesetze sind nicht irgendetwas Abstraktes, die wir eigentlich nie spüren, sondern wir wissen es oft nicht, wo sie zu finden sind. Aber sie bestimmen eigentlich unseren Alltag. Egal, ob beim Konsumentenschutz, beim Arbeitsrecht, beim Kampf gegen den Klimawandel. Es gibt so viele Bereiche, wo Europa entscheidet, wie unser Alltag, wie der Rahmen unseres Alltags aussieht. Wird unsere Lebensqualität besser, in welche Richtung entwickeln wir uns? Und bei jeder dieser Entscheidungen ist das Europäische Parlament mit dabei. Bei jeder dieser Entscheidungen sind die 20 EU-Abgeordnete aus Österreich mit dabei, und wenn sie gute Argumente haben und innovative und konstruktive Politik machen, dann können sie auch weit über ihre eigene Stimme mit ihrer Fraktion in Europa etwas bewegen. Das kann man mit seiner Stimme stärken oder schwächen. Und wenn man nicht hingeht, dann stimmen andere für einen bei dieser Wahl ab.
LUNACEK: Vielleicht noch etwas auch zum Funktionieren des Parlaments selbst. Ich habe ja den Vergleich zwischen nationalem Parlament, also Nationalrat, und dem Europaparlament. Das Spannende am Europaparlament im Vergleich zu den meisten nationalen Parlamenten ist, dass dort immer um Mehrheiten verhandelt werden muss. Weil es auch keine europäische Regierung gegenüber gibt, die dann die Mehrheit im Parlament hat, meistens. Sondern da können auch Abgeordnete kleinerer Fraktionen ganz eine wichtige Rolle spielen, wenn diese Gesetze verhandelt werden. Du musst immer schauen, dass du Mehrheiten bekommst und das fraktionsübergreifend. Das heißt, du lernst auch wirklich über die Fraktionen hinweg mit denen zusammenzuarbeiten, die zu diesen Themen auch aktiv sind. Dann auch zu schauen, wie kriegst du die dazu, dass sie wirklich mitmachen und dass hier eine gute Mehrheit zusammenkommt? Die dann auch gegenüber dem Rat hält und wo dann auch in den Mitgliedsstaaten diese Gesetze, wie wir schon gesagt haben, was den Klimaschutz betrifft, was auch das Verhältnis zu Drittstaaten betrifft, alles Mögliche, wie das dann umgesetzt wird.
LUKÁŠ: Ich freue mich, dass wir auf dieses Thema eingehen, was die EU tut und dass wir das oft gar nicht so mitbekommen beziehungsweise dann das national übersetzt werden muss und dann schon wieder eine Ebene zu weit weg ist, um das greifbar zu kriegen. Könnten Sie beide vielleicht tatsächlich an einem beispielhaften Gesetz, das umgesetzt wurde, nochmal klar darlegen, was die EU tut und welche Auswirkungen diese Entscheidungen auf uns alle haben? Gerne jeder eins, vielleicht knackig und kurz, wenn möglich.
LUNACEK: Ich kann gerne eines hernehmen, das erst vor Kurzem beschlossen wurde, das leider ein bisschen verwässert wurde. Aber das Gesetz heißt Renaturierungsgesetz. Da geht es darum, dass Flüsse rückgebaut werden müssen, nämlich rückgebaut, dass sie wieder überschwemmen können. Da geht es auch darum, dass Moore, die ganz große CO2-Speicher sind, dass die wieder in ihre natürliche Struktur versetzt werden. Das ist Teil des European Green Deal, der wirklich dazu beitragen soll, dass ganz Europa – und damit auch Österreich – wirklich Klima fitter wird. Das ist in Zeiten von Überschwemmungen, die wir auch in Österreich ständig erleben, ein ganz zentraler Punkt, der jetzt auch Österreich stärker als bisher umsetzen muss.
SCHMIDT: Ich nehme ein älteres Beispiel, das wahrscheinlich alles andere als selbstverständlich ist, aber vielen schon sehr selbstverständlich vorkommt. Ich war letzte Woche in Montenegro und bin nach 24 Stunden wieder nach Wien zurückgekommen und habe eine Handy-Rechnung gehabt von 125€, obwohl ich gar nicht telefoniert habe. Wenn Sie jetzt an die Europäische Union denken und die Roaming-Gesetzgebung, wo festgehalten wurde, dass es egal ist, ob ich in meinem Heimatland telefoniere oder irgendwo innerhalb der Europäischen Union unterwegs bin, dass das eine nicht mehr kosten darf als das andere, dann ist das eine Sache, die natürlich auch europäisch geregelt wurde und die uns allen zugutekommt. Vielleicht ist es etwas, was vielen selbstverständlich vorkommt, aber es ist es nicht.
LUKÁŠ: Gutes Beispiel, das betrifft wirklich viele und ist sehr nah an der Realität.
SCHMIDT: Ich habe gelesen, dass es in Österreich über zehn Millionen Handys gibt bei acht Millionen Einwohnern. Das heißt, da kommen nicht nur die acht Millionen, sondern die zehn Millionen zum Zug.
LUNACEK: In den Genuss. Vor allem gibt es viele davon, die ihr Handy möglicherweise nicht von einem österreichischen Unternehmen haben.
LUKÁŠ: Bevor wir zu unseren drei persönlichen Fragen an Sie selbst kommen, die jeder Interviewgast in diesem Podcast gestellt bekommt, können wir noch ganz kurz über die Reform des Wahlrechts sprechen. Denn 2022 hat das Europäische Parlament ja einen Gesetzesvorschlag für eine Reform des Wahlrechts auf den Weg gebracht. Dieser ist aber aufgrund mangelnder Zustimmung der Mitgliedsstaaten nicht zustande gekommen. Kurze Nachfrage, was hätte denn diese Reform beinhaltet?
LUNACEK: Die hätte vor allem beinhaltet, dass jede Partei – jede europäische Partei, weil die Parteien sind auch in europäischen Parteien organisiert – dass die eine oder einen Spitzenkandidaten aufstellen. Und die Person der Partei, die die meisten Stimmen bekommt, wäre dann auch an die Spitze der Kommission vom Parlament gewählt worden. Das haben einige Parteien schon vorher praktiziert. Meine Fraktion hatte schon seit vielen Jahren immer europäische Spitzenkandidaten, auch einige andere. Nur das wäre dann verankert gewesen. Es hätte auch bedeutet, dass es eine europäische Liste gibt, also dass alle Bürgerinnen und Bürger, die wahlberechtigt sind, zwei Stimmen abgeben. Eine im Heimatland und eine für die gesamteuropäische Liste. Das wäre tatsächlich ein großer Fortschritt gewesen, um hier das gemeinsame Europäische in den Vordergrund zu stellen. Und nicht, was ja in Wahlkämpfen leider ganz oft passiert, dass dann nationale Themen in den Vordergrund rücken und nicht das, was wir für dieses gemeinsame Europa brauchen.
LUKÁŠ: Danke für diese Erklärung und ab zu den drei Fragen. Ich beginne mit dem Herrn Schmidt.
SCHMIDT: Ja, ich bin ganz Ohr.
LUKÁŠ: Frühling oder Herbst, bitte?
SCHMIDT: Sommer.
LUKÁŠ: Nein, das gibt es nicht als Auswahl. Diese Eigenart der vielen Interviewpartner:innen, immer die Antwort zu nehmen, die nicht da ist.
SCHMIDT: Ich bin zwar kein Politiker, aber ich kann auch Antworten geben auf Fragen, die nicht gestellt wurden.
LUKÁŠ: Gratuliere.
SCHMIDT: Danke!
LUKÁŠ: Also was war jetzt die Antwort? Frühling oder Herbst?
SCHMIDT: Frühling.
LUKÁŠ: Frühling, sehr gut. Und Kompromiss oder beste Lösung?
SCHMIDT: Kompromiss.
LUKÁŠ: Wo fängt für Sie Demokratie an?
SCHMIDT: Zu Hause.
LUKÁŠ: In der Familie
SCHMIDT: In der Familie, genau.
LUKÁŠ: Sehr gut.
SCHMIDT: Zu Hause ist für mich dort, wo meine Familie ist.
LUKÁŠ: Ja, das ist eine schöne und gute Sache. Liebe Frau Lunacek, Frühling oder Herbst?
LUNACEK: Frühling.
LUKÁŠ: Kompromiss oder beste Lösung?
LUNACEK: Kompromiss ist die beste Lösung.
SCHMIDT: Du hast jetzt auch Zeit gehabt, zu überlegen.
LUKÁŠ: Das ist aber auch eine strittige Behauptung.
LUNACEK: Wenn man was erreichen will.
SCHMIDT: Wenn man die beste Lösung nicht umsetzen kann, weil die Leute nicht mitgehen, dann war sie das nur kurz.
LUKÁŠ: Und wo fängt für Sie Demokratie an?
LUNACEK: In der Familie und in der Schule.
LUKÁŠ: Vielen Dank. Dann würde ich sagen, gehen wir ins Untergeschoss zu dem 360°-Kinosaal und schauen mal, was uns da für eine Sound-Kulisse erwartet. Herr Schmidt, können Sie uns auf dem Weg vielleicht kurz erzählen, was die Österreichische Gesellschaft für Europapolitik eigentlich macht?
SCHMIDT: Ich kann Ihnen sagen, was wir gerade machen. Wir sind total im Europawahlkampf-Intensivstress. Wir machen ganz viel in Schulen, organisieren ganz viele Lehrerseminare, haben einen speziellen Fokus auf Berufsschulen. Wir haben aktuelle Umfragedaten zur Stimmung und zur Wahlbereitschaft in Österreich, mit denen wir versuchen, die Debatte ein bisschen anzutreiben. Wir schreiben Artikel, wir publizieren Analysen. Wir versuchen einfach, mehr Informationen unter die Leute zu bringen, damit mehr über Europa gesprochen wird.
LUKÁŠ: Wie viele Leute sind da dabei bei der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik? Wie stark ist das Team?
SCHMIDT: Wir sind zu acht, aber arbeiten sehr viel mit Kooperationspartnern.
LUKÁŠ: Dann nehmen wir mal Platz in dem Kinosaal. Der ist ganz hübsch. Frau Lunacek, würden Sie vielleicht kurz den Raum für uns beschreiben?
LUNACEK: Ja, es ist ein runder Raum, so wie auch das Plenum des Europaparlaments. Fast auf der ganzen Seite rundherum sieht man alle Abgeordneten sitzen. Das ist gerade bei einer Abstimmung, da sind auch immer fast alle oder so gut wie alle, derzeit 705, nach der nächsten Wahl 720 Abgeordnete im Raum. In der Mitte, dort, wo wir uns hinsetzen, sehen wir das Präsidium. Da ist in der Mitte Roberta Metsola, die derzeitige Präsidentin. Da sitzen auch immer bei den Abstimmungen sie oder eine oder einer der 14 Vizepräsident:innen. Ich saß dort auch sehr oft oben und musste bei den Abstimmungen dann schauen, wie viele stimmen jetzt wirklich ab? Aber dazu hat man auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Parlaments, die neben der Frau Präsidentin sitzen.
LUKÁŠ: Ja, dann bitte ich Sie, Platz zu nehmen. Denn wir dürfen ganz kurz der Vorführung, dem Film, der hier regelmäßig abgespielt wird, lauschen. Film ab.
Voiceover: Die Erde. Von Weitem erscheint sie einem ruhig und friedlich. Schon im Jahr 2050 werden hier zehn Milliarden Menschen leben. Und teilen wir nicht alle die gleiche Hoffnung? Auf eine sichere Zukunft und auf Wohlstand? Für uns, für unsere Kinder. Frieden, Demokratie, Wohlstand und eine saubere Umwelt dürfen wir ebenso wenig für selbstverständlich halten wie Gesundheit und Freiheit. Wir und die kommenden Generationen stehen vor großen Herausforderungen: Klimawandel und der Schutz unseres natürlichen Lebensraums, knappe Ressourcen und Zugang zu nachhaltigen Energiequellen, Einwanderung und Integration, globale Krisen, die die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität gefährden, und Kriege, die die Weltordnung ins Wanken bringen. In unserer globalisierten Welt hängt alles mit allem zusammen. Und in einer Welt, die sich ständig und immer schneller verändert, können wir die Herausforderung nicht alleine bewältigen. Dafür brauchen wir starke und zuverlässige Bündnisse.
LUKÁŠ: Wow, jetzt wissen wir wenigstens – ob der Beginn jeder Sitzung so abläuft?
LUNACEK: Nicht so pathetisch, da geht es um sehr viel mehr Details.
LUKÁŠ: Ja, aber immerhin. Die Herausforderungen werden gut aufgezeigt. Frau Lunacek, Sie waren ja einige Jahre Abgeordnete in Brüssel und Straßburg. Und Sie waren drei Jahre lang sogar Vizepräsidentin des Europäischen Parlament, wie wir vorher bereits erwähnt haben. Wie ist Österreich denn im Europäischen Parlament repräsentiert? Wollen wir das ganze mal wieder ein bisschen mehr ins Detail bringen von den großen Problemen zu den Akteuren vor Ort.
LUNACEK: Österreich hat derzeit 19 Abgeordnete. Die sind verteilt auf die fünf Fraktionen, in denen österreichische Abgeordnete sitzen. Es sind fünf von der Deutschen Volkspartei, es sind fünf von den Sozialdemokraten, drei von den Freiheitlichen, drei von den Grünen und eine von den NEOs. Und die sitzen in den Fraktionen. Die Fraktionen sind aufgeteilt, wenn man sich es in diesem Raum hier ansieht, auch, wie es im politischen Parteiendiskurs ist: Rechts sind die ganz Rechten, dann kommen die sogenannten europäischen Konservativen und Reformer, dann kommt die Europäische Volkspartei, dann die Liberalen, dann sitzen die Grünen ziemlich in der Mitte, dann kommen die Sozialdemokraten und auf der linken Seite die Linke, also die Europäischen Linken.
LUKÁŠ: Interessant, dass das tatsächlich im Saal so aufgeteilt ist mit links und rechts.
LUNACEK: Je nachdem. Wenn man drinnen sitzt, schaut das natürlich anders aus. Wenn man davorsteht, ist es so.
LUKÁŠ: Interessant. Herr Schmidt, an welchen Stellen im Parlament und den anderen europäischen Institutionen sitzen dann momentan noch weitere österreichische Vertreterinnen und Vertreter?
SCHMIDT: Wir haben die 19 EU-Abgeordneten im Europäischen Parlament. Es gibt einen EU-Kommissar aus Österreich. Es gibt natürlich Beamte, europäische Beamte mit einer österreichischen Staatsbürgerschaft. Aber die österreichische Staatsbürgerschaft, wenn man dort eintritt und dort arbeitet, gibt man eigentlich an der Garderobe ab, weil man einfach eine europäische Verantwortung übernimmt,
LUKÁŠ: Im übertragenen Sinne.
SCHMIDT: Genau, der Reisepass bleibt einem. Und es gibt natürlich noch andere europäische Institutionen, die einfach seltener in der Öffentlichkeit sind. Vom Europäischen Gerichtshof bis zur Europäischen Zentralbank bis zum Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, wo es gerade einen Österreicher gibt, der dort Präsident ist, Oliver Röpke. Es gibt einige europäische Österreicherinnen und Österreicher vor Ort in den unterschiedlichsten Ländern, in den unterschiedlichsten Funktionen, die alle europäische Verantwortung tragen.
SCHMIDT: Jetzt haben Sie ja vorhergesagt, dass man quasi das Österreichersein abgibt, wenn man dort arbeitet. Das heißt, diese Menschen pflegen intensive Beziehungen zu Europa, die sie in ihrem Arbeitsleben ausleben. Die Beziehung der Österreicherinnen und Österreicher ist hier oft weniger passioniert -
SCHMIDT: Enthusiastisch!
LUKÁŠ: - zur Europäischen Union. Wenn wir da kurz das Eurobarometer zitieren: Das ist eine regelmäßige Meinungsumfrage in den Ländern der EU. Im Eurobarometer vom Dezember 2023 kam zum Vorschein, dass die Österreichischen Bürger und Bürgerinnen im Vergleich zu allen anderen Europäerinnen der EU am skeptischsten gegenüberstehen. Wie schätzen Sie dieses Ergebnis ein? Wo kommt das her? Kann man das verändern durch Initiativen in Schulen? Was ist da los?
SCHMIDT: Also vielleicht zwei, drei Punkte zu dem Ergebnis selber: 22 Prozent der Befragten in Österreich sagen, dass die EU-Mitgliedschaft eine schlechte Sache ist.
LUKÁŠ: 22 Prozent?
SCHMIDT: 22 Prozent ja.
LUKÁŠ: Also fast ein Viertel.
SCHMIDT: Fast ein Viertel. Das ist ein Wert, der hat sich über die letzten Jahre nicht geändert, aber die Stimmung in den anderen europäischen Ländern ist besser geworden. Jetzt möchte ich die 22 Prozent gar nicht beschönigen, aber demgegenüber stehen 45 Prozent, die sagen, es ist eine gute Sache, die EU-Mitgliedschaft. Und dann gibt's dazwischen einen großen Teil der gesellschaftlichen Mitte, die sagen die EU-Mitgliedschaft ist weder gut noch schlecht, die mit dieser Frage nichts anfangen können, die indifferent sind, die eine neutrale Position haben oder keine Meinung dazu haben. Und bei dieser passiveren Mitte der Gesellschaft sind wir im EU-Vergleich auch relativ stark. Das nur ein bisschen zur Beschreibung und zur Einordnung. Die 22 Prozent waren vor rund zehn Jahren schon bei wesentlich höheren Werten. Wenn man sich den Jahresvergleich, den Zeitvergleich ansieht, dann sieht man, dass wir schon in Situationen waren, wo bis zu 30 Prozent oder mehr gedacht haben, dass die EU-Mitgliedschaft eine schlechte Sache ist. Das ist natürlich gar nicht beschönigend, sondern jetzt nur mal beschreibend. Die öffentliche Meinung, das EU-Meinungsbild, die EU-Stimmung in Österreich hat viele unterschiedliche Einflussfaktoren. Aber ein wesentlicher Einflussfaktor ist, dass sie ein Spiegelbild des politischen Diskurses ist. Das heißt, wenn gerade jene, die ganz laut gegen die europäische Integration wettern und die Europäische Union als Sündenbock sehen, besonders Gehör finden, dann wirkt sich das auf das EU-Stimmungsbild in Österreich aus. Wenn jene, die eigentlich dem positiv gegenüberstehen sagen, ich möchte lieber gar nichts dazu sagen, weil das ist so kompliziert und ist so weit weg, da möchte ich lieber gar nicht kommunizieren, dann überlasse ich natürlich denen, die am lautesten schreien auch irgendwo die Bühne. Dann darf ich mich nicht wundern, dass die Stimmung so ist, wie sie ist. Die Stimmung ist alles andere als gut. Man kritisiert gern, man ist gern skeptisch. Aber letztlich, wenn man die Gretchenfrage stellt, wollt ihr jetzt dabeibleiben oder wollt ihr austreten, dann haben wir eine sehr stabile Zwei-Drittel-Mehrheit, die sagt, natürlich wollen wir dabeibleiben, auch wenn wir vieles sehr kritisch sehen.
LUKÁŠ: Liebe Frau Lunacek, ich glaube ja tatsächlich, dass auch in anderen Ländern der Diskurs teilweise sehr laut gegen die EU geführt wird. Wir bekommen das ja mit über die Nachrichten. Aber wenden wir uns kurz der Mitte zu, die ein bisschen unentschieden ist oder wo es keine vorbehaltlose Zustimmung zur EU gibt. Warum, schätzen Sie, ist das so?
LUNACEK: Ich würde auch gerne noch einmal anschließen an das, was der Herr Schmidt gesagt hat. Zu denen, die sehr laut gegen dieses gemeinsame Europa schreien, das ist leider in Österreich schon sehr lange der Fall. Aber es ist zumindest gut zu hören, dass es schon mal schlimmer war. Es geht vor allem darum, wie Sie schon gemeint haben, diese Mitte zu erreichen. Weil bei den anderen ist es schwierig, die einen sind sowieso schon dafür und die, die dagegen sind, da ist es noch schwieriger. Aber diese Mitte, da habe ich ein paar wirklich sehr positive Erlebnisse gehabt. Ich habe immer dafür plädiert, und auch der Othmar Karas, jetziger Erster Vizepräsident des Europaparlaments hat das auch immer propagiert, das war sogar in manchen österreichischen Regierungsprogrammen drin, dass wirklich alle Jugendlichen, also sagen wir 14- bis 18-Jährige, einmal nach Brüssel fahren und das Europaparlament und die europäischen Strukturen kennenlernen. Das ist leider immer noch nicht der Fall. Es kann jede und jeder Abgeordnete jährlich, ich glaube, es sind ungefähr 120 Menschen einladen. Da wird dann ein Teil der Reise und der Jugendherberge oder Ähnliches bezahlt und sich das alles ansehen. Das sollte sehr viel mehr sein. Ich habe ein tolles Beispiel, das erzähle ich immer gerne. Es waren Jugendliche einer HTL, ich glaube aus Salzburg waren die, auch bei mir. Die treffen dann auch mehrere Abgeordnete oder die, von denen sie eingeladen wurden. Das waren ungefähr 20 Burschen. Ich glaube, es waren eine oder zwei junge Frauen dabei. Die waren eher so, hat mir der Lehrer erzählt, nach dem Motto, wir fahren nach Brüssel, um Bier zu trinken.
LUKÁŠ: Ja, sicher.
LUNACEK: Übertrieben gesagt. Und nachher, nach diesen Gesprächen, dieses auch vielsprachige Parlament, diese unterschiedlichen Menschen auch kennenzulernen und wie es funktioniert, schreibt mir der Lehrer: "Wissen Sie, ungefähr 60 Prozent von denen haben gefunden, wie toll das ist und dass sie sich jetzt mehr dafür interessieren." Vielleicht waren es sogar 70 Prozent. Ich weiß nicht mehr genau. Aber die Erfahrung, das selbst zu sehen und mitzuerleben, das prägt einfach. Ich finde immer noch, dass das etwas wäre, was wirklich sein muss. Für die, die das noch nicht hatten, auch für die Älteren. Aber gerade für die Jungen wäre das ganz wichtig. Wo sie, wenn sie sich die Kopfhörer aufsetzen, in 24 Sprachen mithören können. Das wird nicht alle Sprachen abdecken. Es gibt die Westbalkan Länder nicht oder auch Türkisch nicht, aber 24 andere Sprachen. Wo gibt es das? Das gibt es in Europa nirgendwo sonst.
LUKÁŠ: Und auch so eine internationale Erfahrung, wo man normalerweise vielleicht auf dem Land lebt und die größte Erfahrung ist, dass man mal in die Hauptstadt fährt.
LUNACEK: So wie Wien-Wochen, sollte es so etwas wie Brüssel-Wochen geben.
LUKÁŠ: Oder statt Skikurs.
LUNACEK: Wenn es keinen Schnee mehr gibt, wird es sowieso nicht anders gehen. Oder zusätzlich!
SCHMIDT: Oder zusätzlich zum Skikurs oder zur Sportwoche.
LUNACEK: Darf ich vielleicht noch etwas hinzufügen? Als Europaabgeordnete hieß es immer, wir sehen euch so wenig, ihr seid so wenig da in Österreich. Das ist schon ein reales Problem. Du musst ungefähr zwei Wochen im Monat in Brüssel sein, also unter der Woche, weil da die ganzen Sitzungen stattfinden. Vier Tage pro Monat in Straßburg, müssen wir auch immer noch hinfahren. Und dann hast du eine Woche, wo du im Heimatland sein kannst oder sonst irgendwo, wo du zu Konferenzen, Sitzungen oder sonst was eingeladen bist oder hinfahren musst. Das heißt, die reale Zeit im Vergleich zu Nationalrats- oder Bundesratsabgeordneten, zu Landtagsabgeordneten oder zu Bürgermeistern und Gemeinderätinnen, die sind fast die ganze Zeit in Österreich. Hin und wieder fahren sie vielleicht auch ins Ausland oder anders wohin in der EU. Aber das heißt, das ist real schwierig. Wir haben auch durchgesetzt im Europaparlament, dass die Zeit, an denen wir keine Sitzungen haben, dass die Tage ein bisschen mehr geworden sind. Das ist, finde ich, real ein Problem, weil das kannst du auch nicht mit Online-Konferenzen. Da kann man schon auch was tun dazu, aber das ist zu wenig. Dieses physische, auch miteinander diskutieren, das ist real. Das ist eine Schwierigkeit, das kann man nicht ändern. Aber das zu verstehen geht auch nur, wenn man mal dort war und das gesehen hat.
SCHMIDT: Das Problem ist, dass wir das Klonen jetzt noch nicht wirklich auf den Boden gebracht haben. Aber man kann natürlich die EU-Kommunikation nicht nur ausschließlich den 19, in Zukunft 20 EU-Abgeordneten aus Österreich umhängen. Da hat natürlich die Bundesregierung, da haben die Landesregierungen, da haben die Bürgermeister und die Gemeinderäte auch eine europäische Verantwortung in diesem ganzen Prozess. Weil es werden ja Gesetze beschlossen und es wird in Europa kein einziges Gesetz beschlossen, wo nicht die österreichische Bundesregierung mit am Tisch sitzt.
LUNACEK: Und das Parlament.
SCHMIDT: Und das Parlament, gemeinsam. Die Bundesregierung hat eine starke europapolitische Rolle und Verantwortung zu tragen. Dann werden Entscheidungen getroffen, dann gibt es europäische Regeln, europäische Gesetze und die müssen umgesetzt werden und angewendet werden. Die müssen auf allen politischen Ebenen angewendet werden und daher diese europapolitische Verantwortung der unterschiedlichsten Ebenen, die natürlich dann wieder auch zurückmelden können und sagen können, das funktioniert, das funktioniert nicht. Ich hätte gerne eine europäische Initiative in diesem oder jenem Bereich, ich habe eine Studie dazu oder gute Ideen und gute Argumente dazu. Das ist ein Wechselspiel der unterschiedlichen politischen Ebene. Das ist nicht irgendwo eine abgehobene europäische Ebene, die irgendwas entscheidet, was mit uns nichts zu tun hat. Sondern da sind alle gefordert, hier zusammenzuarbeiten. Das ist mir wichtig. Das zweite, was ich sagen möchte: Ich kann das nur sehr unterstützen, was die Ulrike Lunacek gesagt hat zu den Jugendlichen als Zielgruppe und den Schülerinnen- und Schülerreisen. Da hat die aktuelle Bundesregierung in ihrem Regierungsprogramm im Europakapitel eine Zielbestimmung drinnen, dass alle 16- bis 20-Jährigen einmal in ihrer Jugend nach Brüssel oder Straßburg fahren sollen und die werden auch finanziell unterstützt aus dem österreichischen Haushalt und von der Europäischen Kommission beziehungsweise vom Europäischen Parlament. Das steigt natürlich, da ist die Nachfrage sehr groß. Viele fahren dann mit dem Nachzug, dann nehmen sie gleich den Green Deal auch als Thema mit. Wenn die Bahn dann nicht so fährt, wie sie eigentlich fahren sollte, ist die Werbung eher suboptimal. Aber die Intention ist da und das ist eigentlich gut.
LUNACEK: Irgendwann kommt man auch an.
SCHMIDT: Die Zahlen steigen. Wir reden schon von 5 000 bis 10 000 Jugendlichen, die im Jahr fahren. Das ist natürlich nicht die Masse, die man sich vorstellen würde an Jugendlichen, aber es ist eine Zielbestimmung. Der Weg ist das Ziel.
LUNACEK: Und die sind auch Multiplikatorinnen und Multiplikatoren dann logischerweise.
LUKÁŠ: Sowohl über das, was sie erzählen, als auch über Social-Media-Accounts, wo die Storys übergehen von diesen ganzen EU-Geschichten.
SCHMIDT: Gerade in einem Land, wo man ab 16 wählen kann, ist das besonders wichtig.
LUNACEK: Noch ein Punkt, weil du Gemeinderäte und -rätinnen erwähnt hast. Es gibt die Europagemeinderäte und -rätinnen seit zehn, 15 Jahren in etwa. Das finde ich auch, das wäre etwas, wirklich in jeder Gemeinde sollte es so jemanden geben. Die fahren dann auch öfter nach Straßburg oder nach Brüssel, die kriegen das auch live mit. Das sollte auch noch viel verstärkt werden, dass es da in jeder Gemeinde wirklich zumindest eine oder einen gibt, die das Thema auch in die Gemeinde hineinbringen.
LUKÁŠ: Und das ist dann die einzige Funktion dieser Person, dieses Bindeglied zu Europa zu sein in der Gemeinde? Oder ist das eine zusätzliche Aufgabe, die man übernimmt?
LUKÁŠ: Nein, die arbeiten zu anderen Dingen auch.
SCHMIDT: Unentgeltlich und aus Liebe zu Europa.
LUKÁŠ: Ja, bitte.
SCHMIDT: Was gibt es Schöneres?
LUKÁŠ: Auch diese Menschen gibt es.
SCHMIDT: 1600 mittlerweile, 1600 EU-Gemeinderäte.
LUKÁŠ: Finde ich sehr gut. Was ich kurz vorher fragen wollte, einfach im Interesse der Hörerinnen und Hörer, zu denen wir da ja sprechen. Wenn ich jetzt Schüler bin und ich möchte gerne, dass meine Klasse nach Brüssel fährt, wo schaue ich da nach?
LUNACEK: Schreiben Sie eine oder einem der Abgeordneten, ganz einfach.
LUKÁŠ: Direkt einfach Angeordnete anschreiben? Über?
LUNACEK: Über die Mailadresse, die ist vorname.nachname@ep.europa.eu
LUKÁŠ: Okay, das ist ein sehr guter Hinweis.
SCHMIDT: Oder einfach auf die Website vom Bundeskanzleramt schauen. Da gibt es einen speziellen Reiter für Europa und da sind die Schülerreisen drauf. Da kann man sich anmelden und um Förderungen ansuchen.
LUKÁŠ: Sehr gut, super! Vielleicht wollen die Schüler das ja selbst initiieren und nicht immer nur auf die Lehrpersonen warten, auf dass die Lust dazu haben!
SCHMIDT: Die Lehrer dürfen dann auch mitfahren.
LUKÁŠ: Die Lehrer dürfen dann auch mitfahren, genau. Dann würde ich sagen, vielleicht können wir abschließend noch zwei wichtige Fragen beantworten. Eine wurde schon halb beantwortet, nämlich warum ist es wichtig, zur Wahl zu gehen? Wir haben vorhin schon ein paar Gründe genannt. Vielleicht jetzt abschließend noch ein Appell dazu. Und gleichzeitig würde ich gern Sie beide fragen, was Sie glauben: Was müsste getan werden, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die EU und das EU-Parlament zu stärken? Und das nicht nur in Österreich, sondern gesamteuropäisch. Also, warum wählen und wie kann das Vertrauenslevel angehoben werden?
LUNACEK: Warum wählen? Ganz kurz, weil es um unsere gemeinsame Zukunft geht. In Österreich, in Europa und auch weltweit. Europa ist ein wichtiger Player, auch weltweit, was den Klimaschutz betrifft, was Wirtschaftsbeziehungen betrifft, was auch die Frage von Flüchtlingen und Migration betrifft, was Unterstützung von Entwicklungsländern betrifft, was Menschenrechte betrifft. Das ist zentral. Da spielt Österreich auch eine Rolle, aber im Vergleich zur gesamten Europäischen Union eine kleine. Mit der Europäischen Union haben wir, und wir sind dieses Europa! Das ist mir immer so wichtig zu betonen. Jede und jeder einzelne von uns sind gemeinsam dieses Europa. Deswegen ist es wichtig, bei dieser Wahl mitzumachen, sich genau zu überlegen, wen man wählt, was einem wichtig ist, welche der Abgeordneten, die zur Wahl stehen jemanden auch ansprechen. Aber auch wofür sie stehen und nicht nur, ob sie gut ausschauen. Das ist auch nicht schlecht, aber auch, wofür sie stehen und was sie weiterbringen wollen.
LUKÁŠ: Danke.
LUNACEK: Und was war die zweite Frage?
LUKÁŠ: Die zweite Frage war, was getan werden kann, um das Vertrauen zu stärken.
LUNACEK: Einige Punkte haben wir schon erwähnt, aber zum Beispiel wirklich auch in einer nächsten österreichischen Legislaturperiode, die es geben wird, dann durchzusetzen und auch von den Ländern und von den Gemeinden zu unterstützen, dass die Jugendlichen, jede und jeder eine Brüssel-Woche hat. Und das auch in Vereinen, in sonstigen Organisationen zu machen. Nach dem Motto: Schauen wir uns in Wien diese Europa-erleben-Show an, aber fahren wir auch mal nach Brüssel, nehmen wir den Nachzug und fahren wir nach Brüssel und schauen wir uns das an ein paar Tage. Und dann gehen wir auch ein Bier trinken, die sind sehr gut dort, das wissen sowieso alle. Aber auch das Europaparlament und auch Kommission und Rat kennenzulernen, das ist für mich wirklich ein wichtiger Punkt. Der zweite ist, dass auch die Bundesregierung, alle Politiker, Politikerinnen auf welchen Ebenen auch immer, auch von der Wirtschaft her, auch Kultur, also alle gesellschaftspolitischen Bereiche, dieses, "Wir sind Europa" stärken müssen. Nur immer jammern, sorry, damit kommen wir nicht weiter. Eine Sicht zu haben, dass es Kompromisse braucht, dass es Lösungen gibt, das dauert manchmal ein bisschen lang, weil man wirklich zwischen Parlament und Rat verhandeln muss. Aber es kommen auch aus meiner Sicht, und ich bin von einer kleineren Fraktion oder Partei, es kommen eine große Mehrheit von guten Dingen heraus. Das ist für die gemeinsame Zukunft in diesem Europa wichtig.
SCHMIDT: Ich glaube, man sollte wählen gehen, weil die wirklich großen Fragen an nationalen Grenzen nicht Halt machen und eine europäische Antwort oder eine internationale Antwort brauchen. Und weil wir unsere Vertreterinnen und unsere Vertreter im Europäischen Parlament wählen und weil in Europa kein Gesetz beschlossen wird, das nicht im Europäischen Parlament mitverhandelt wird. Wenn dann ein Gesetz beschlossen wird und wenn dann die Kommission und der Rat mit dem EU-Budget versuchen, bestimmte Projekte und Programme zu finanzieren, dann schaut das Europäische Parlament darauf, dass mit dem Budget ordentlich umgegangen wird. Die Kontrollfunktion des EU-Parlaments ist auch ganz wichtig. Und wenn man nicht wählen geht, dann wählen andere für einen und die Demokratie wird damit geschwächt. Ich glaube, dann kann man das nicht mehr wirklich kritisieren, dann ist man selber schuld. Also besser, man nutzt dieses Recht und diese Möglichkeit und informiert sich, wählt. Wenn man dann ein Anliegen hat, meldet man sich bei den EU-Abgeordneten aus dem Land und sagt ihnen eins, zwei, drei, vier, fünf und baut diese Beziehung auf. Im Regelfall kriegt man dann auch eine Antwort. Wie kann man jetzt das Vertrauen verbessern? Ich glaube, das Vertrauen wird besser. Auf der einen Seite unterstütze ich das, was Ulrike Lunacek gesagt hat, aber auf der anderen Seite wird es auch dann besser, wenn die Medien ihre Rolle wirklich objektiv wahrnehmen und ausreichend faktenbasiert über europäische Entwicklungen informieren, diese analysieren und diese Information auch bereitstellen. Das ist ganz entscheidend. Und dann ist die Frage, okay, wer wird über diese Medien erreicht? Welche Zielgruppe wird erreicht? Klassische Medien, das ist eher etwas für die ältere Generation. Ich war unlängst in einer Schule in Amstetten und habe gefragt, woher sie ihre Informationen bekommen. Das sind die Social-Media, das ist Instagram. Aber es gibt natürlich auch dann diesen crossmedialen Effekt, dass zum Beispiel die ORF-Nachrichtensendung dann über Instagram mit Schlagzeilen sehr wohl die junge Zielgruppe erreicht. Je mehr hier transportiert wird, desto mehr Information ist auch da. Es ist nicht immer nur eine Bringschuld, es ist natürlich auch eine Holschuld. Es gibt ganz viele Websites. Die Bevölkerung ist hier schon auch gefordert, sich selber zu informieren, sich selber ein Bild zu machen. Objektiv gesehen wird sich dann auch das Vertrauen verbessern. In diesem Zusammenspiel zwischen Demos, also zwischen Bevölkerung, den Medien und der Politik, wenn es hier mehr europäische Verantwortung gibt, dann wird es auch ein stärkeres europapolitisches Bewusstsein geben und dann werden auch die Vertrauenswerte wieder stärker und besser werden.
LUKÁŠ: Hoffen wir, dass das in diesem Superwahljahr – ein globales Superwahljahr steht uns ja bevor, es ist ja nicht nur Europawahl. Es wird ja weltweit sehr viel gewählt. Ich glaube, 4 Milliarden Menschen bewegen sich an Wahlurnen. Ein entscheidendes Jahr.
SCHMIDT: Nicht alle in Europa.
LUKÁŠ: Nicht alle in Europa, nein.
SCHMIDT: Aber je mehr sich in Europa beteiligen, desto besser.
LUKÁŠ: Ja, es ist ein wichtiger Teil der Welt, der viel mitbestimmt und wir alle können mitbestimmen, indem wir wählen gehen. Vielen Dank, dass Sie so ausführlich und leidenschaftlich tatsächlich dieses Europa-Thema hier bei uns im Podcast behandelt haben. Danke.
SCHMIDT: Danke für die Einladung.
LUNACEK: Dankeschön.
LUKÁŠ: Und das war es auch schon wieder mit unserem Podcast "Rund ums Parlament". Ich hoffe, ihr habt uns heute gerne zugehört. Wenn ja, dann gebt uns doch eine Bewertung. Das freut uns nämlich sehr und hilft uns auch, dass andere Leute uns finden. Abonniert uns auch, falls ihr das noch nicht getan habt. Dann verpasst ihr auf jeden Fall keine der nächsten Folgen, die sich ebenfalls rund um das Thema Europawahl bewegen werden. In den nächsten Folgen spreche ich mit meinen Gästen darüber, welchen Einfluss die aktuellen Debatten auf die Europawahl haben und ob wir nicht manchmal bei der Stimmabgabe für das Europäische Parlament ein bisschen zu national denken. Bis dahin hört gerne mal in die früheren Folgen von "Rund ums Parlament" zum Thema EU rein. Dort erfahrt ihr mehr darüber, ob die EU ein Bundesstaat ist oder wie sich Österreich und die EU gegenseitig beeinflussen. Und wer in Wien ist, geht natürlich ins Erlebnis Europa. Die Website, so wie alle anderen Infos zu den Folgen verlinken wir euch natürlich in den Shownotes. Falls ihr Fragen, Kritik oder Anregungen zu unserem Podcast habt, dann schreibt uns gerne eine E-Mail an podcast@parlament.gv.at und schaut gerne auch mal auf der Website und den Social-Media-Kanälen des österreichischen Parlaments vorbei. Also, ihr wisst es, ich freue mich schon auf die nächste Folge mit euch. In diesem Sinne sage ich vielen Dank fürs Zuhören. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Wir hören uns.
Jingle: "Rund ums Parlament". Der Podcast des österreichischen Parlaments.