Pascal GÜNSBERG: Wir haben gerade eben gesagt, dass die Welt in einem extremen Umbruch, in einem extremen Wandel ist. Da wird es junge Menschen brauchen. Und darum würde ich mir einfach von unserem gesamten System wünschen, dass wir diesen Wandel mitgehen und junge Menschen einfach noch gezielter ansprechen und uns da anpassen.
Caroline HAMMOUTENE: Eine Sache, die mir voll wichtig ist: dieses Ohnmachtsgefühl und diese Hoffnungslosigkeit, habe ich das Gefühl, wird immer stärker bei den Menschen. Eigentlich haben wir extrem viel Macht. Wir können unsere Gesellschaft und unsere Zukunft mitgestalten. Ich habe das Gefühl, dass das nicht so greifbar ist.
Jingle: Rund ums Parlament. Der Podcast des österreichischen Parlaments.
Tatjana LUKÁŠ: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von "Rund ums Parlament", dem Podcast des österreichischen Parlaments. Mein Name ist Tatjana Lukáš und ich freue mich sehr, dass ihr heute wieder mit dabei seid. Kennt ihr den Ausspruch, es gibt nichts Gutes, außer man tut es? Der ist vom Autor Erich Kästner. Und was dieser Mann so einfach in einen Satz gebracht hat, das gilt ganz besonders für die Bewahrung unserer Demokratie. In den letzten Folgen von "Rund ums Parlament" haben wir ja über den Vertrauensverlust in die Demokratie und die Bedrohung der Demokratie gesprochen. Und heute wollen wir darauf schauen, wie man unsere demokratische Grundordnung ganz praktisch schützen kann. Also was wir alle dafür tun können, damit Demokratie weiterlebt und aufrecht bleibt. Dazu habe ich mir zwei Menschen eingeladen, die genau das mit ihrer täglichen Arbeit tun. Zum einen Caroline Hammoutene.
HAMMOUTENE: Hallo.
LUKÁŠ: Hallo. Sie arbeiten für die parteiübergreifende Initiative "Demokratie21".
HAMMOUTENE: Genau.
LUKÁŠ: Und sind Projektmanagerin beim Projekt "Faktor D". Ich schätze mal, das heißt Faktor Demokratie?
HAMMOUTENE: Ganz genau.
LUKÁŠ: Sehr gut. Herzlich willkommen im Podcast. Danke fürs Kommen.
HAMMOUTENE: Danke für die Einladung.
LUKÁŠ: Und ebenfalls neben mir steht Pascal Günsberg.
GÜNSBERG: Hallo.
LUKÁŠ: Hallo. Sie arbeiten für die parteiunabhängige Plattform "PolEdu". Auch da wollen wir sofort wissen, was sich hinter dieser Abkürzung versteckt.
GÜNSBERG: Steht für Politics and Education.
LUKÁŠ: Politik und Bildung.
GÜNSBERG: Genau.
LUKÁŠ: Herzlich willkommen.
GÜNSBERG: Danke für die Einladung.
LUKÁŠ: Vielen Dank, dass Sie beide sich heute eingefunden haben zu einem Spaziergang. Wir stehen jetzt hier auf der Rampe vor dem Parlamentsgebäude, also dort, wo man den besten Blick hat, und zwar auf den Volksgarten. Frau Hammoutene, damit sich unsere Hörerinnen und Hörer das besser vorstellen können, wie es hier aussieht, die vielleicht noch gar nie in Wien waren – können Sie kurz die Aussicht beschreiben?
HAMMOUTENE: Sehr gerne. Gleich vor uns ist ein riesiger, schöner Brunnen, der ganz viel Wasser speit. Und davor eine Kulisse von Grün, also ganz viele Bäume und Menschen und Autos und Straßenbahnen, ein sehr lebendiger Platz.
LUKÁŠ: Herrlich. Dann würde ich sagen, da drüben ist ja der wunderbare Volksgarten zu sehen, der schon kurz erwähnt wurde, in dem gerade alle Rosen blühen und überhaupt alles, was es gibt, blüht. Wollen wir da rüber spazieren und vielleicht ein bisschen über Demokratie und das Volk sprechen?
HAMMOUTENE: Sehr gerne.
GÜNSBERG: Gerne.
LUKÁŠ: Wunderbar, dann gehen wir mal die Rampe runter. Weiß eigentlich jemand von Ihnen beiden, wann der Volksgarten eröffnet wurde und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde?
GÜNSBERG: Ich habe nicht gewusst, dass wir so geschichtlich gefragt werden.
LUKÁŠ: Das ist alles hier ein Test.
GÜNSBERG: Da sind wir nicht vorbereitet!
LUKÁŠ: Na gut, ich sage es euch.
HAMMOUTENE: Bitte.
LUKÁŠ: 1823 wurde der ursprüngliche Privatgarten der Erzherzöge – Erzherzöge sind Kaiserabkömmlinge, die eigentlich keinen Beruf haben, sondern einfach nur das gute Leben genießen, sagen wir mal so – für die Öffentlichkeit geöffnet. Es hatte nämlich die ehemalige Hofgartenverwaltung den Kaiser Franz I. darauf hingewiesen, dass es vielleicht keine schlechte Idee wäre, diesen Park dem Volk zugänglich zu machen. Die freuen sich. Dem hat er dann zugestimmt und 1823 durfte dann plötzlich jeder in diesen Garten und bis heute ist es so geblieben.
HAMMOUTENE: Großzügig.
LUKÁŠ: Ja, so soll es für immer sein, muss man sagen, mit dem schönen Rosengarten. Na gut, dann gehen wir zur Demokratie. Frau Hammoutene, Herr Günsberg, Sie sind beide dazu gekommen, sich für die Demokratie einzusetzen und täglich dafür zu arbeiten. Ich beginne mit Ihnen, Herr Günsberg, wie kam es dazu? Ist es Ihnen schon in die Wiege gelegt worden oder gab es einen Erweckungsmoment?
GÜNSBERG: Meistens hängt es mit dem Elternhaus schon zusammen. Also ich würde jetzt gerne eine romantische Geschichte erzählen, wie ich mich da abgekapselt habe von einem total unpolitischen Elternhaus, aber so war es nicht. Natürlich spielt das mit rein, dass man schon als Kind oft Nachrichten sieht, dass die quasi nebenbei laufen, wenn die Eltern politisch interessiert sind. Auch die Schule hat einen großen Stellenwert, der Unterricht, die Lehrerinnen und Lehrer. Und bei mir war es dann eigentlich die Volksbefragung 2013. Das war die einzige Volksbefragung in der Geschichte Österreichs. Da haben wir darüber abgestimmt, ob junge Männer zum Bundesheer verpflichtend müssen oder das freiwillig gemacht werden soll. Und ich war damals 16, das heißt erstmals wahlberechtigt. Ich hatte natürlich einen starken persönlichen Bezug zu dieser Bundesheerpflichtfrage und habe, man kann es sich vorstellen, für die Freiwilligkeit abgestimmt. Bekanntlich bin ich zwei Jahre später verpflichtend dorthin marschiert. Das war mit dem Ausgang nicht ganz glücklich, vor allem, weil es die älteren Menschen entschieden haben. Die jungen Menschen waren hauptsächlich für die Freiwilligkeit und die älteren Menschen für die Pflicht. Und das hat mich irgendwie mobilisiert, dass ich mir gedacht habe, ich will nicht, dass ältere Menschen über etwas entscheiden, was mich betrifft. Und das hat mich dann politisch gemacht.
LUKÁŠ: Okay. Das ist ein guter Grund. Darf ich noch ganz kurz fragen, wo Sie zur Schule gegangen sind?
GÜNSBERG: Ich bin in ein Gymnasium am Wiener Stadtrand gegangen.
LUKÁŠ: Ah ja. Und Sie, liebe Frau Hammoutene, wie war das bei Ihnen? Wie sind Sie politisch aktiv geworden?
HAMMOUTENE: Also grundsätzlich würde ich sagen, so ähnlich wie Herr Günsberg. Ich habe auch immer wieder Nachrichten mitbekommen. Meine Mutter hat mich dann, als ich wählen durfte, mit zur Wahl genommen. Aber ich habe mich da noch immer nicht irgendwie als politisiert wahrgenommen oder als Demokratin wahrgenommen. Und es gab mehrere Momente in meiner Laufbahn, die einen Samen gesät haben und dann dazu geführt haben, dass ich jetzt eine absolute Demokratin bin, meistens. Das eine war, dass ich mal mit einer Freundin geredet habe, zu einem Zeitpunkt wo ich nicht mehr wusste, was ich wirklich weiter studieren soll. Ich habe Finanz- und Versicherungsmathematik studiert. Die meinte: Was wäre denn, wenn du etwas tun würdest, was für andere auch gut ist? Nicht etwas, was nur für dich gut ist. Ich habe das in dem Moment ehrlich nicht verstanden, aber irgendwie wusste ich, dass das etwas Schlaues ist, was sie da gesagt hat und habe dem vertraut. Und mit der Zeit hat sich dann entwickelt, dass ich es schon verstanden habe. Dazu kam, ich habe vor einiger Zeit einen Verein gegründet mit Freundinnen, wo es darum ging, Wissenschaft und Gesellschaft näher zueinander zu bringen. Und da war das große Schlagwort Partizipation. Und dann war ich hooked. Dann bin ich auf die Suche gegangen, was bedeutet Partizipation, wohin führt das? Und dann bin ich bei der Demokratie gelandet.
LUKÁŠ: Wir haben in den letzten Folgen, wo Sie beide nicht dabei waren, sehr viel darüber gesprochen, dass die Demokratie sich ja sogar ein bisschen auf einem absteigenden Ast befindet, dass die Demokratiewerte runtergehen, wenn es Studien gibt etc., auch in Österreich. Würde mir einer von Ihnen beiden vielleicht einen Erklärungsversuch geben, warum das so ist?
GÜNSBERG: Ja, ich versuche es mal zuerst.
HAMMOUTENE: Ich ergänze dann einfach, wenn es was gibt.
GÜNSBERG: Ich glaube, da gibt es vielfältige Gründe. Auf der einen Seite vielleicht einfach auch die, die regieren. Wenn man weltweit schaut, wer das ist oder vielleicht auch wieder wird, dann gibt es da gewisse Tendenzen. Ich glaube auch, dass unsere Gesellschaft sich total verändert. Social Media spreche ich da vor allem an oder auch künstliche Intelligenz und was alles dazu gehört. Das ist alles eine großartige Chance für die Demokratie, aber es ist natürlich schon auch ein Belastungstest oder einfach eine Veränderung. Und vor allem dahingehend würde ich das verorten, dass wir vor einer Herausforderung stehen. Es muss ja nicht gleich ein Abwärtstrend sein, aber es verändert sich auf jeden Fall vieles.
LUKÁŠ: Gibt es da was zu ergänzen, Frau Hammoutene?
HAMMOUTENE: Ich kann das auf jeden Fall auch bestätigen. Wir setzen uns auch viel mit dem Thema Polarisierung auseinander und da nimmt man schon wahr, dass der Diskurs sich verändert hat, wegen oder dank oder trotz Social Media. Welche Rolle KI dabei spielt, ist auch voll die spannende Frage. Und eine Sache, die mir voll wichtig ist: dieses Ohnmachtsgefühl und diese Hoffnungslosigkeit, habe ich das Gefühl, wird immer stärker bei den Menschen. Und eigentlich haben wir extrem viel Macht. Wir können unsere Gesellschaft und unsere Zukunft mitgestalten. Und ich habe das Gefühl, dass das nicht so greifbar ist für viele Menschen. Für mich war es die längste Zeit nicht greifbar. Und jetzt bin ich "in your face".
LUKÁŠ: Es kann auch einen Wandel geben!
GÜNSBERG: Ich würde einen Punkt noch ergänzen. Es ist auch die Themenlage. Ich meine, wir hatten eine Pandemie, das haben wir alle noch nie erlebt davor. Wir haben einen Krieg in Europa, das haben auch eigentlich fast alle von uns noch nicht wirklich erlebt. Das spielt auch mit rein, dass die Themen, weil du sagst Polarisierung, sicherlich auch dazu beitragen.
LUKÁŠ: Herr Günsberg, "PolEdu", diese Plattform, für die Sie arbeiten, ist ja eine Plattform für politische Bildung, zivilgesellschaftlichen Diskurs und für das Ausbrechen aus Meinungsblasen. Und diese Angebote richten sich vor allem an junge Menschen. Man mag jetzt mal hier kurz erwähnen, Sie beide sind jung, die da neben mir spazieren.
GÜNSBERG: Danke.
LUKÁŠ: Und jetzt frage ich mich, denn es entscheiden ja, wie bei dieser kleinen Wahlanekdote, sehr viele alte Menschen über das Schicksal auch dieses Landes. Warum braucht insbesondere die Jugend dann einen Diskursraum?
GÜNSBERG: Dass viele Wählerinnen und Wähler alt sind, um es so direkt zu sagen, ist unserer Demografie geschuldet. Also es wird noch weiter zunehmen, das können wir eh nicht ändern. Aber ich finde, man wirft der Jugend oft zu Unrecht vor, politikverdrossen zu sein. Das sehe ich eigentlich überhaupt nicht so. Vielleicht sind manche von ihnen Politiker-verdrossen und es ist nicht die klassische Politik. Das, was in unserer innenpolitischen Blase oft diskutiert wird, was auch in den Medien oft diskutiert wird, das sind vielleicht nicht die Themen, die junge Menschen interessieren. Aber ich glaube, dass die Jugend eigentlich total interessiert ist an dem, was eigentlich Politik ist, nämlich wie wir miteinander leben wollen, wie unsere Zukunft aussehen soll, wie wir die großen Herausforderungen anpacken. Und letztlich ist das ja auch die Zukunft, junge Menschen sind unsere Zukunft. Wir haben gerade eben gesagt, dass die Welt in so einem extremen Umbruch, in einem extremen Wandel ist. Da wird es junge Menschen brauchen und darum würde ich mir einfach von unserem gesamten System, das beginnt bei Medien und geht hin zu Politikerinnen und Politikern, wünschen, dass wir diesen Wandel mitgehen und junge Menschen noch gezielter ansprechen und uns da anpassen in puncto Kommunikation et cetera.
LUKÁŠ: Aus eurer Erfahrung, was hat sich jetzt am meisten bewährt? Spricht man eher die an, die sowieso schon politisiert sind oder spricht man die an, die schon ein bisschen demokratiefern unterwegs sind?
HAMMOUTENE: Wir haben uns ein bisschen damit auseinandergesetzt im Zuge der Auseinandersetzung mit Polarisierung. Es gibt da ein Konzept, bei dem sehr empfohlen wird, die stille Mitte zu fokussieren. Also Menschen, die sich gerade nicht angesprochen fühlen, deren Probleme nicht abgeholt werden und die sich deswegen aus dem Diskurs eher zurückziehen. Aus dem Wahlgeschehen zum Beispiel zurückziehen, aus der Politik zurückziehen und immer mehr einfach nur schauen, dass sie ihr eigenes Leben auf die Reihe kriegen und dann eben nicht mehr so ein Interesse an Politik haben. Und wenn man versucht, die irgendwie zu erreichen, statt zum Beispiel die polarisierten Ränder, dann kann man die Demokratie ein bisschen mehr wieder beleben. Das ist die Theorie dahinter. Es ist eigentlich ein Mediationskonzept.
LUKÁŠ: Und Sie arbeiten ja bei dem Projekt "Faktor D". Wird dort anhand dieser Leitlinie gearbeitet?
HAMMOUTENE: Jetzt speziell schon, wir arbeiten mit Missionen. Ich sage vielleicht kurz, was wir machen.
LUKÁŠ: Sehr gerne.
HAMMOUTENE: "Faktor D" ist ein Netzwerk, das versucht, Menschen, die sich für Demokratie einsetzen, zusammenzubringen, aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Also ein länderübergreifendes Projekt. Und das Ziel ist, kollektive Strategien zu entwickeln und gemeinsam stark zu sein und Demokratie weiterzuentwickeln oder zu stärken. Das machen wir mit mehreren Angeboten und eins davon sind Missionen. Wir widmen uns immer wieder Themen und machen die breit auf. Wir machen auch in diesem Rahmen Innovationsprozesse, wo wir die Expertinnen zu dem Thema zusammenbringen, also die Akteurinnen im deutschsprachigen Raum, die zu unserem Netzwerk zählen. Dort lassen wir sie zu diesem Thema Projekte entwickeln. Wir kümmern uns jetzt – surprise, surprise, das kommt nämlich ganz frisch jetzt die Tage raus – um das Thema KI und Depolarisierung. Und hier, natürlich, trägt dann dieses Konzept voll. Wir wollen uns damit auseinandersetzen, wie man Feindbilder abbauen kann, was es braucht, um einen konstruktiven Online-Debattenraum zu führen und wie man Nachrichtenmüdigkeit bekämpfen kann. Das sind jetzt unsere Themen im nächsten Jahr. Dazu haben wir Online-Veranstaltungen, wo wir Perspektiven aus den drei Ländern bringen, aus verschiedenen Sektoren, das kann Politik sein, das kann Wirtschaft sein, das kann Zivilgesellschaft sein und wir bieten eben da diesen Raum für Austausch und Wissenstransfer.
LUKÁŠ: Das klingt ja, als würde es sehr viele gute Ideen geben, aber trotzdem werden diese antidemokratischen Kräfte stärker, denn die haben auch ein paar gute Ideen. Also gute Ideen vielleicht nicht, aber sie haben Ideen.
HAMMOUTENE: Sie sind stark.
LUKÁŠ: Sie sind stark im Ideen gebären und schnell in der Umsetzung. Wie kann man dem begegnen? Einfach weiter tun oder gewisse Einzelkämpfer zusammenbringen? Herr Günsberg, was sagen Sie da dazu?
GÜNSBERG: Da gibt es nicht die eine Patentlösung, sonst hätten wir die ja alle schon umgesetzt und würden nicht darüber reden, dass es Gegenströmungen gibt. Aber erstens, total cooles Projekt, total wichtig. Ich finde auch wichtig, grenzüberschreitend zu denken. Österreich, Deutschland, Schweiz und egal mit wem man da spricht, das sind eh ganz ähnliche Herausforderungen wie die, die wir hier in Österreich haben. Darauf wird es hinauslaufen: Kooperationen, zusammenhelfen, die demokratischen Kräfte dürfen nicht alle ihr eigenes Süppchen kochen, sondern müssen zusammenarbeiten und geduldig bleiben. Meine Güte, das wird sich nicht so schnell ändern, dass wir ein paar Kräfte haben, sei es auf der politischen Ebene oder gesellschaftlich, die gegen Demokratie arbeiten oder gegen unsere Gesellschaft oder die Dinge anders sehen. Die werden wir nicht losbekommen, aber die Antwort muss sein, dass man da zusammenarbeitet, stark kooperiert, geduldig bleibt und einfach für die Demokratie arbeitet und vor allem auch über Parteigrenzen hinweg. Weil was Sie in der Anmoderation gesagt haben, dass wir da heute zwei überparteiliche Organisationen haben, das finde ich schon wichtig zu betonen. Keine Partei für sich alleine wird da die Probleme, die wir im Bereich Demokratie haben, lösen. Über die Parteigrenzen hinweg zu schauen und auch mal über Parteigrenzen hinweg anzuerkennen, wenn jemand eine gute Idee hat, das halte ich für ganz wichtig.
LUKÁŠ: Ich würde Ihnen jetzt gerne auch die Möglichkeit geben, so wie vorher dem "Projekt D", dass Sie Ihr Projekt nochmal genau vorstellen, vorstellen, was dort getan wird. Es geht um Meinungsblasen aufbrechen etc., wie stellen Sie das an?
GÜNSBERG: Genau. "PolEdu" versucht, politische Bildung in Österreich zu stärken. Wir sprechen grundsätzlich die breite Zivilgesellschaft an, aber ganz besonders junge Menschen und versuchen, junge Menschen stärker in den politischen Diskurs zu integrieren. Das machen wir vor allem mit Veranstaltungen, das heißt, wir versuchen, junge Menschen und Politikerinnen und Politiker in einen Raum, an einen Tisch zu holen, über Themen zu diskutieren. Wir machen recht viel im Bereich Social Media, auf Instagram, auf TikTok und recht viel mit Schulen, also Unterrichtsmaterialien, Erklärvideos, Workshops. Und so versuchen wir, politische Bildung zu stärken. Weil Sie vorher gefragt haben, soll man vor allem die ansprechen, die vielleicht nicht so interessiert sind oder die, die es eh sind: Ich glaube, sowohl als auch. Die Herausforderung ist, dass der Anteil jener, die kein Wahlrecht haben in Österreich, weil sie keine österreichische Staatsbürgerschaft haben, wächst. Und natürlich sind das tendenziell auch die, die dann vielleicht nicht politisch interessiert sind und sich davon ein bisschen distanzieren. Aber gerade das halte ich für ganz wichtig, die gezielt anzusprechen. Und das ist notwendig, weil von selber, automatisch, wird es nicht passieren, dass sie sich unserem politischen System annähern.
LUKÁŠ: Und wie ist das? Ihr macht Veranstaltungen. Kommen zu den Veranstaltungen dann auch Menschen, die sich nicht für Politik und Demokratie interessieren oder erreicht man andere Menschen auch damit oder wirklich wieder nur die Eingeschworenen?
GÜNSBERG: Natürlich kommen tendenziell, wenn man jetzt nichts gezielt unternimmt, die, die es eh interessiert. Wir alle legen viel Wert auf unsere Freizeit und wer geht dann schon in seiner Freizeit zwei, drei Stunden wohin, was einen überhaupt nicht interessiert. Aber umso mehr muss man diese Zielgruppe einfach direkter ansprechen. Im schulischen Kontext fällt es recht einfach, dass man eben die Schultypen, die Schulformen anspricht, wo man jene vermutet, die vielleicht bildungsferner sind, die vielleicht kein Wahlrecht haben, keine Staatsbürgerschaft haben, die dem politischen System ferner sind. Und so kommt man dann schon in einen Diskurs. Es ist ein Step-by-Step-Prozess. Wir sind wieder beim Thema Meinungsblasen aufbrechen. Wir neigen alle dazu, dass wir uns eher in unserem eigenen Umfeld bewegen, in unserer ähnlichen Denkweise, in unserem ähnlichen Süppchen, das wir kochen. Und da auszubrechen, halte ich für einen ganz wichtigen Hebel in dem, was wir da gerade besprechen.
LUKÁŠ: Wollen wir uns vielleicht kurz hinsetzen? Denn wir kommen jetzt zu einer kleinen persönlichen Rubrik, die alle unsere Interviewgäste beantworten dürfen, wenn sie wollen. Frau Hammoutene, die drei Fragen:
HAMMOUTENE: Bitte, ich bin bereit.
LUKÁŠ: Frühling oder Herbst?
HAMMOUTENE: Frühling.
LUKÁŠ: Frühling?
HAMMOUTENE: Ja, am liebsten das ganze Jahr Frühling. Bisschen Winter, bisschen Sommer, bisschen Herbst.
LUKÁŠ: Okay. Viel, viel Frühling. Kompromiss oder beste Lösung?
HAMMOUTENE: Ich habe ja schon ein bisschen in andere Podcasts reingehört und ich fand da auch schon Antworten sehr gut. Diese Fragen werden ja immer wieder gestellt. Die beste Lösung, wie ist das möglich? Was ist die beste Lösung? Und dann habe ich weitergedacht und dachte, eigentlich ist es ja oft selbst der Kompromiss. Also ich würde sagen, beides. Beste Lösung und Kompromiss überschneiden sich sehr stark teilweise. Oder Consent, wenn man nicht Kompromiss verwenden möchte.
LUKÁŠ: Haben wir noch nie gehabt. Jetzt, Herr Günsberg, schnell nachdenken.
HAMMOUTENE: Entschuldige, ich habe zuerst geantwortet.
LUKÁŠ: Es ist noch eine Frage Zeit. Letzte Frage an diese Seite. Wo fängt für Sie Demokratie an?
HAMMOUTENE: Ich denke, in der Beziehung zu ihr. Also sobald ich mich selbst mit Demokratie in Beziehung sehe, erkenne ich, dass ich ein Teil von ihr bin und dass ich auch Gestaltungsmacht habe. Das ist voll wichtig, dass wir anerkennen, dass wir in einer Demokratie leben, Teil dieses Systems sind und auch dafür verantwortlich sind, das aufrechtzuerhalten.
LUKÁŠ: Vielen Dank.
HAMMOUTENE: Gerne.
LUKÁŠ: Herr Günsberg, beginnen wir mal mit der leichten Frage. Frühling oder Herbst?
GÜNSBERG: So leicht finde ich sie nicht.
LUKÁŠ: Ach so, okay. Challenges from the start.
GÜNSBERG: Ich muss mich jetzt auch als Spielverderber präsentieren und eindeutig Herbst antworten, auch wenn ich da wahrscheinlich in der Minderheit bin und es passt auch nicht ganz zu unserem Setting hier. Aber eindeutig.
LUKÁŠ: Es ist Sommer, das eine wie das andere grenzt an, da passt alles.
GÜNSBERG: Ja. Also Herbst, allein schon wegen meiner Pollenallergie im Frühling.
LUKÁŠ: Ach so, das ist ein oft genannter Grund, um den Frühling abzulehnen. Das muss man wirklich sagen, kommt öfter. Kompromiss oder beste Lösung?
GÜNSBERG: Ich hatte jetzt nur eine Minute Zeit, mir ist nichts Besseres eingefallen. Ich sehe es ähnlich. Das eine kann ja auch das andere sein. Kompromiss ist oft die beste Lösung. Ich würde, wenn ich mich für eins entscheiden muss, zum Kompromiss tendieren, weil ich glaube, nachhaltig ist wahrscheinlich nicht die beste Lösung, wenn sich nicht alle abgeholt fühlen, die da irgendwas beitragen müssen.
LUKÁŠ: Und wo fängt für Sie Demokratie an?
GÜNSBERG: Nachdem ich auch Lehrer bin, sehe ich das aus einer relativ systemischen Perspektive und würde sagen, im Kindergarten oder in der Volksschule spätestens. Das antworte ich auch deshalb, weil oft geglaubt wird, politische Bildung ist ein Ding für Gymnasien, für AHS, für die Gutgebildeten, vielleicht dann irgendwie doch noch für die Mittelschule. Aber in Wahrheit beginnt sie nicht da oder dort, sondern viel früher, spätestens in der Volksschule, wenn nicht sogar schon im Kindergarten.
LUKÁŠ: Aber da durch die Initiativen oder durch ein Mindset von Problemlösen?
GÜNSBERG: Zum einen lerntechnisch, vieles – was ist Politik, wie funktioniert Politik – muss dort auch schon vermittelt werden. Natürlich auf einem anderen Level als dann vielleicht im Matura-Bereich. Und zum Zweiten im Zusammenleben. Basisdemokratisch, wie soll der Alltag im Kindergarten, wie soll es in der Volksschule zugehen, wie soll es aussehen, was machen wir dort? Und das ist auch schon Demokratie.
LUKÁŠ: Das Plenum. Eltern kennen es, das Kinderplenum, wenn die Kinder entscheiden, was im nächsten Monat passieren soll. Sehr basisdemokratisch. Wunderbar, dann kommen wir zurück. Frau Hammoutene, wir haben ja gerade vorher über diese Meinungssilos gesprochen, also über diese Meinungsblasen, diese abgetrennten. Wie der "Faktor D" die so ein bisschen aufbricht, haben wir auch schon angesprochen. Was macht denn der "Faktor D" sonst noch?
HAMMOUTENE: Wir brechen vielleicht weniger Meinungssilos auf als diese Einzelarbeit. Die demokratische organisierte Zivilgesellschaft ist oft recht zersplittert. Als ich in die Szene reingekommen bin, habe ich gemerkt, es gibt fünf Organisationen, die heißen ähnlich, bestehen aus dreieinhalb Menschen, die ehrenamtlich richtig coole Arbeit machen, aber nicht wirklich in die Wirkung kommen. Deswegen widmen wir uns dieser Vernetzung dessen und deswegen auch – das als Einführung in die Antwort, was wir noch machen – wir drehen uns tatsächlich ständig darum, dass wir sagen, wir wollen die Leute zusammenbringen. Wir wollen, dass Wissenstransfer passiert, wir wollen, dass die Leute gemeinsam in die Wirkung kommen. Und dafür haben wir diverse Angebote. Uns gibt es ja auch erst seit einem Jahr oder einem Jahr und ein paar Monaten. Und jetzt im September machen wir unser erstes Festival. Auf das freuen wir uns schon ganz besonders. Es ist auch eine coole Herausforderung, sowas zu organisieren. Das Festival heißt "Mitmacht" und es geht darum, dass wir gemeinsam Macht teilen und das Festival ist auch von allen mitgestaltet, die dabei sein werden. Also es ist eine ziemlich coole Sache.
LUKÁŠ: Schön, weiß man schon, wo das sein wird?
HAMMOUTENE: In Ingolstadt.
LUKÁŠ: In Ingolstadt?
HAMMOUTENE: Genau. Das ist quasi, nicht ganz, die geografische Mitte der drei Hauptstädte, also Bern, Berlin und Wien. Und wir haben es sogar von Wien am kürzesten hin.
LUKÁŠ: Aber das war nicht der Grund, warum es in Ingolstadt ist.
HAMMOUTENE: Ich durfte gar nicht mitsprechen.
LUKÁŠ: Ich glaube dir nicht.
HAMMOUTENE: Es ist ähnlich weit, aber trotzdem. Für Österreicher:innen liegt es recht gut.
LUKÁŠ: Fein, das klingt toll. Sehr gut und spannend. Also auf nach Ingolstadt. Werden Sie nach Ingolstadt fahren, Herr Günsberg?
HAMMOUTENE: Herzliche Einladung auf jeden Fall!
GÜNSBERG: Ja, das war jetzt eine flammende Rede. Ich habe die Einladung tatsächlich schon bekommen und mich gefragt, warum Ingolstadt, aber jetzt ist es mir klarer.
LUKÁŠ: Für die Österreicher.
GÜNSBERG: Doch, find ich gut.
LUKÁŠ: Herr Günsberg, gab es bei Ihnen in Ihrer Wirkungsgeschichte, seit Sie sich für Demokratie einsetzen, einmal eine Veranstaltung, wo Sie das Gefühl hatten, das hat jetzt richtig Impact gehabt? Jetzt haben wir wirklich was bewegt. Gibt es ein Format, das besser funktioniert als andere Formate?
GÜNSBERG: Ja, klar. Wenn ich jetzt nach fünf Jahren hier sitzen würde und sagen würde, ich hatte noch nie das Gefühl, dass das irgendeine Wirkung hat, wäre es auch traurig und nicht optimal.
LUKÁŠ: Aber ich kämpfe weiter.
GÜNSBERG: Die Geduld hätte ich gern, aber da hätte ich wahrscheinlich schon aufgegeben. Nein, gibt es, Gott sei Dank, oft oder fast immer. Weil Sie gefragt haben, ob es das eine Format gibt, das besser geht und das andere schlechter: da finde ich total interessant, gerade im Social-Media-Bereich gibt es das oft – wenn wir denken, das ist voll cool, voll gut, zieht das gar nicht so unglaublich und dann machen wir sowas schnell nebenbei als Lückenfüller und auf einmal zieht das total, was die Resonanz und Reichweite anbelangt. Also das ist oft schwer planbar und kalkulierbar, was eh ganz gut ist. Aber, gerade wenn ich jetzt an die Corona-Pandemie zurückdenke, sind es schon eher die persönlichen Begegnungen und Events. Alles, was wir in der Pandemie digital gemacht haben oder jetzt noch immer digital machen, ist auch nett und hat auch Impact. Aber persönlich tut sich schon noch mal mehr. Und wenn ich eins hervorheben müsste, dann fällt mir eigentlich am ehesten eine Diskussion mit der leider gerade verstorbenen Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein ein. 120 Jugendliche und die Bundeskanzlerin vorne, die, weil sie vielleicht auch von keiner Partei und keinem Wahlkampf kommt, sehr offen alle Fragen beantwortet – das war schon sehr cool und daran denke ich gerne zurück.
LUKÁŠ: Und hat es bei euch auch eine Veranstaltung gegeben oder ein Veranstaltungsformat, das besonders gut funktioniert hat?
HAMMOUTENE: Auf jeden Fall, ich würde ja sagen, ein Prozess. Wir haben nämlich partizipative Geldvergabe geübt. Und das heißt, wir haben diesen Innovationsprozess gemacht. Am Ende dieses Innovationsprozesses gibt es 100.000 Euro. Und die Menschen, die in diesem Innovationsprozess sind überlegen sich Projekte, Lösungen für Probleme, denen wir heute begegnen. Am Ende dürfen Sie selbst entscheiden, welche Projekte Gelder bekommen.
LUKÁŠ: Also Marlene Engelhorn?
HAMMOUTENE: Ja, nur nicht mit unserem Geld, aber quasi. Und eben für eigene Projekte. Das war nämlich so ein bisschen der Clou oder der Hack. Man wünscht sich dann natürlich, dass die Leute, wir haben das ja von außen beobachtet, frei von eigenem Treiben oder Verlangen oder Bedürfnissen einfach demokratisch entscheiden. Und dann hat sich aber herausgestellt, dass es zum Beispiel voll verschiedene Situationen gab. Also die einen waren überhaupt nicht angewiesen auf ein Projekt oder irgendwas und die andere, da ist der Job davon abgehangen, dass sie jetzt ein paar Gelder kriegt. Und natürlich sieht sie sich dann anders in dieser Geldvergaberunde. Oder es haben sich dann Dynamiken gebildet, wo eine Person geschaut hat, dass sie viele Menschen um sich schart, damit mehr Gelder in dieses Projekt gehen. Das war einfach voll spannend zu beobachten, an welchen Schrauben man drehen kann, weil wir machen diese Prozesse ja immer wieder. An welchen Schrauben man drehen kann, um diesen Geldvergabeprozess zu optimieren.
LUKÁŠ: Auch sehr spannend für die Menschen selbst, denn sobald sie aus dieser Situation wieder rauskommen, müssen sie reflektieren, wie sie entschieden, warum sie entschieden und wie sie politisch agiert haben.
HAMMOUTENE: Es war auch besonders spannend. Man muss diesen Prozess auch vorher üben, man kann nicht die Leute da einfach reinwerfen und das haben wir am Anfang gar nicht getan. Also wir hatten es schon auf dem Schirm, aber wir hatten die Zeit nicht. Und dann haben wir so ein Testverfahren gemacht, wo die Leute fremde Projekte bewertet haben, also nicht ihre eigenen. Und da war natürlich gar kein emotionaler Bezug dazu. Und dann in der tatsächlichen Geldvergaberunde ist es so emotional geworden. Also wenn ich jemandem Geld gebe oder nicht, das ist doch ein hochpolitisches, emotionales Ding, oder? Und das war einfach wahnsinnig spannend zu beobachten und jetzt weiter mitzudenken und so. Ich liebe es, dass wir das jetzt noch ein paar Mal üben dürfen und dann schauen können, wo die Stellschrauben sind, damit das ein guter Prozess ist einfach.
LUKÁŠ: Sehr spannend. Würden Sie das mit Ihren Schülern und Schülerinnen vielleicht auch spielen, so als Lehrer?
GÜNSBERG: Ja, klar, wieso nicht? Planspiele generell, die finde ich immer ganz gut. Ein Klassiker ist zum Beispiel die Europäische Zentralbank, das nachzuspielen, die Leitzinsveränderungen. Das geht in eine ähnliche Richtung, würde ich sagen und ich glaube alles, was partizipativ ist, ist gut, da lernt man viel und wenn es um Geld geht, dann sowieso.
LUKÁŠ: Sehr gut. Wir nähern uns schon langsam dem Ende unseres Gesprächs, was ich fast ein bisschen schade finde, weil ich finde das ganz spannend und inspirierend, was Sie da so zu erzählen haben. Liebe Frau Hammoutene, der "Faktor D", das ist ja ein Projekt von "Demokratie21", eine österreichische Organisation, recht gut bekannt, muss man sagen. Und dazu kommen aber auch noch die "Initiative Offene Gesellschaft" aus Deutschland und der "Campus für Demokratie" aus der Schweiz. Also dieser "Faktor D" ist ein Zusammenschluss, ein Dreiländer-Zusammenschluss, wenn man so will. Die Frage, die sich dem anschließt: Müssen wir die Stärkung demokratischer Kräfte überhaupt mehr als grenzübergreifende Aufgabe verstehen? Und wenn ja, warum?
HAMMOUTENE: Also ich denke es hat viele Vorteile, wenn wir das tun. Was ich zum Beispiel gelernt habe, schon allein als Projektmanagerin dieses Projekts von österreichischer Seite – nicht, dass ich das nicht vorher schon selbst wusste, aber es wird immer sichtbarer –, wie unterschiedlich Demokratien eigentlich sein können. Also selbst in unseren drei Ländern, Deutschland, Österreich, Schweiz, wo vermeintlich die Kultur eine ähnliche ist, gibt es systemisch große Unterschiede, aber auch im Kleinen, kulturell. Eine lustige Anekdote, die ich immer wieder sage, ist, dass ich längste Zeit dachte, mein Kollege aus der Schweiz kann kein Deutsch, weil er nie das scharfe S verwendet hat. Er schreibt immer mit Doppel-S oder Fuß mit Doppel-S. Und dann stellt sich heraus, die Schweizer machen das einfach nicht. Die schreiben nicht mehr mit scharfem S. Ich dachte, er kann kein Deutsch. Und dann stellt sich heraus, sie sind viel progressiver, oder? Lassen einfach den unnötigen Buchstaben weg.
LUKÁŠ: Da kann man drüber streiten, ob das ein unnötiger Buchstabe ist, dieses Fass machen wir hier nicht auf!
HAMMOUTENE: Cut!
LUKÁŠ: Scharfes S, cut!
HAMMOUTENE: Wo ist die Parlamentsdirektion?
LUKÁŠ: Nein, also dieses Fass machen wir hier nicht auf mit dem scharfen S, aber ja, Demokratien werden überall sehr unterschiedlich gelebt und ausgelegt.
HAMMOUTENE: Die zivilgesellschaftlichen Organisationen sind auch unterschiedlich finanziert in den drei Ländern. In Deutschland viel mehr zum Beispiel. Und dann gibt es dementsprechend da coole Vorzeigeprojekte. Also wir können auch extrem viel von den Deutschen lernen. Oder in der Schweiz schaut Demokratie überhaupt anders aus. Also mit der direkten Demokratie haben die natürlich auch ganz andere Erfahrungen und ein ganz anderes Selbstverständnis. Auch von dem kann man dann was lernen. Und so lernen wir alle voneinander und man merkt einfach, dass der Blumenstrauß bunter wird.
LUKÁŠ: Ein bunterer Blumenstrauß, den wünschen wir uns und wir sitzen hier quasi in einem riesigen bunten Blumenstrauß, hier im wunderschönen Volksgarten neben dem Brunnen, wo die Kinder spielen. Zum Abschluss noch eine Frage an Sie beide. Ich würde mit Ihnen, Herr Günsberg, beginnen. Was macht Ihnen in Bezug auf Demokratie Hoffnung?
GÜNSBERG: Sowas zum Beispiel. Wenn wir uns da in den Volksgarten setzen und darüber sprechen und wenn man uns zuhört, würde ich ja meinen, ist die Perspektive sehr positiv und gibt es nicht viel Sorge zu haben. Natürlich ist die Realität ein bisschen herausfordernder, aber ich würde sagen, persönliche Gespräche. Ich bin ehrlich gesagt zu Hause, alleine sitzend, noch selten hochoptimistisch geworden, sondern wenn man rausgeht und mit Leuten darüber spricht, anpackt und sieht, was für Initiativen es gibt und wer alles anpackt – das macht Hoffnung. Natürlich neigt man, gerade als Österreicher, gerade als Wiener oder Wienerin, dazu, vielleicht ein bisschen schwarz zu malen, pessimistisch zu sein, zu sudern etc. Aber ich glaube, wir können schon noch optimistisch sein.
LUKÁŠ: Und Sie, Frau Hammoutene, was macht Ihnen Hoffnung in Bezug auf Demokratie?
HAMMOUTENE: Ich habe eine ähnliche Antwort. Ich habe ja das Privileg, dass ich so tolle Organisationen miteinander vernetzen darf und die Leute kennenlernen darf. Ein Teil meines Jobs ist das Community Management, also im Prinzip auf einen Kaffee zu gehen mit coolen Leuten.
GÜNSBERG: Das ist ein hoher Kaffee-Konsum dann schon.
HAMMOUTENE: Aber den brauche ich auch. Das hilft.
GÜNSBERG: Richtig gut, ein richtiger Job.
HAMMOUTENE: Es ist nicht 100% der Zeit. Jedenfalls ist es einfach so hoffnungsbringend, diese ganzen tollen Initiativen kennenzulernen, die positiven Gespräche zu führen. Und ich würde mir einfach wünschen, dass mehr Leute das transferieren, dieses Gefühl. Wenn ich mir die Leute anschaue, mit denen ich zusammenarbeite, brauche ich mir eigentlich keine Sorgen machen. Natürlich, in der Realität schaut es dann anders aus, aber das ist ein sehr gutes Gefühl, mit dem man auf der Welt sein darf dann.
LUKÁŠ: Vielen Dank für diesen positiven Abschluss und das schöne Gespräch. Und wenn sich jemand engagieren möchte, der jetzt vielleicht diesen Podcast hört, dann geben wir natürlich alle Informationen dazu in die Show Notes. Aber kann man sich auch über Social Media zum Beispiel irgendwie melden und sagen, ich mache mit bei der freiwilligen Arbeit? Ich bin inspiriert, ich will auch was tun. Gibt es da noch irgendeinen Aufruf von einer Ihrer beiden Seiten, dass man sich einmischen darf?
GÜNSBERG: Ja, von uns aus sehr gern, das werden wir hinbekommen. Einfach über Instagram am einfachsten und wer das nicht hat, dann einfach eine klassische E-Mail, ja, sehr gerne, jederzeit.
HAMMOUTENE: Bei uns auch unbedingt melden und dann könnten wir schauen. Ich versuche, österreichische Organisationen recht gut abzubilden und dann kann man ja schauen, was das Interesse ist. Was ich gelernt habe, ist, dass es meistens interessensspezifisch am meisten Spaß macht, sich einzusetzen und da vernetzen wir natürlich gerne oder strecken die Fühler aus.
LUKÁŠ: Super, vielen Dank. Das hilft auf jeden Fall, wenn sich jemand schon auskennt und einem den Weg ein bisschen weisen kann, wie man in das Ganze einsteigen kann. Danke schön. Dann wünsche ich noch einen schönen Tag und beende diese Folge hiermit offiziell.
GÜNSBERG: Danke für die Einladung.
HAMMOUTENE: Danke sehr. Auch einen schönen Tag!
LUKÁŠ: Danke! Und damit sind wir wieder am Ende von dieser Episode von "Rund ums Parlament". Ich hoffe, es hat euch gefallen. Empfehlt uns doch auch gerne weiter und abonniert uns, falls ihr das noch nicht getan habt. Dann verpasst ihr auf keinen Fall die nächste Folge. Da spreche ich mit Professor Dirk Lange vom Demokratiezentrum in Wien, einer Schülerin und einer Studentin darüber, wie sich junge Menschen in Österreich Demokratie eigentlich konkret vorstellen und welchen Stellenwert Bildung für die Erhaltung der Demokratie hat. Achtung, Spoiler, anscheinend einen immens hohen. Wer hätte das gedacht, dass Bildung da so reinspielt? Bis dahin könnt ihr auf jeden Fall gerne mal in die früheren Folgen von "Rund ums Parlament" reinhören. Zum Beispiel in die Folge über die Transparenz und Demokratie mit Fritz Hausjell, mit dem wir damals im Winter auf dem Parlamentsdach unterwegs waren. Eine tolle Folge. Falls ihr Fragen, Kritik oder Anregungen zum Podcast habt, dann schreibt uns gerne eine E-Mail an podcast@parlament.gv.at und schaut auch gerne mal auf der Website oder den Social-Media-Kanälen des österreichischen Parlaments vorbei. Also, ich freue mich schon auf die nächste Folge mit euch. In diesem Sinne sage ich vielen Dank fürs Zuhören. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Wir hören uns.
Jingle: Rund ums Parlament. Der Podcast des österreichischen Parlaments.