Ines KERLE: Also ich glaube, dass eine der großen Hoffnungen war eben diese Teilhabe und Mitsprache, aber andererseits auch ganz stark Transparenz. Transparenz der Prozesse und Verfügbarkeit dieser Informationen.
Thomas LOHNINGER: Menschen erwarten sich heute von ihrer Demokratie viel mehr Einsichtsrechte, dass man ihnen Dinge erklärt, dass auch ein Gesetzgebungsverfahren transparent abläuft, dass ich Einsicht nehmen kann. Da ist natürlich die Digitalisierung ein enorm mächtiges Werkzeug.
Jingle: Rund ums Parlament. Der Podcast des österreichischen Parlaments
Tatjana LUKÁŠ: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von "Rund ums Parlament", dem Podcast des österreichischen Parlaments. Mein Name ist Tatjana Lukáš und ich freue mich sehr, dass ihr wieder dabei seid, denn mit dieser Folge stürzen wir uns in ein neues Thema. Und zwar wird es darum gehen, was die Digitalisierung mit der Demokratie macht, wie sie sie verändert, ganz allgemein, aber auch speziell hier in Österreich. Und damit begrüße ich auch ganz herzlich meine beiden Gäste heute. Herzlich willkommen, Frau Ines Kerle.
KERLE: Danke für die Einladung.
LUKÁŠ: Gerne. Danke, dass Sie gekommen sind bzw. wir bei Ihnen sein dürfen. Sie sind ja in der Parlamentsdirektion tätig und hier die stellvertretende Leiterin des Dienstes IKT und Innovation und Infrastruktur. Jetzt klären wir gleich auf, was IKT eigentlich bedeutet, nämlich das steht für Informations- und Kommunikationstechnologie. Das heißt, die Digitalisierung im Parlament fällt in Ihren Bereich.
KERLE: Ja, so kann man es sagen. Wobei man dieses Thema ja immer quer über die ganze Organisation sehen kann. Das ist ja nie ein gesamtes IKT-Thema, sondern das ist eigentlich oft ein Veränderungsprozess und Organisationsentwicklungsthema für die gesamte Organisation.
LUKÁŠ: Herzlich willkommen auf jeden Fall und danke, dass wir heute bei Ihnen in dem Raum, den wir vielleicht später für unsere Hörerinnen und Hörer noch kurz beschreiben, wo wir da eigentlich sitzen, zu Gast sein dürfen. Und außerdem da ist Herr Thomas Lohninger. Schönen guten Tag.
LOHNINGER: Hallo, freut mich hier zu sein.
LUKÁŠ: Dankeschön. Sie sind Geschäftsführer von epicenter.works. Das ist ein Verein, der sich einsetzt für politische Beteiligung, eine Gesellschaft mit gerechter Teilhabe und der Stärkung der Demokratie im digitalen Zeitalter. So steht es jedenfalls auf Ihrer Website. Sie werden uns sicher noch einiges darüber erzählen. Kommen wir kurz zu diesem Ort, an dem wir gerade sitzen. Wir hören vielleicht, es hallt ein bisschen. Es ist ein hoher Raum. Wo sind wir denn genau? Vielleicht, Frau Kerle, würden Sie uns da einführen?
KERLE: Das ist unsere Bumblebee-Base, ein Innovationshub für unser derzeit großes Programm zur digitalen Transformation des Parlaments. Und das ist eigentlich ein Workshop-Raum, wo agiles Arbeiten stattfindet. Hier sind auch die Workshops unserer Projekte, hier finden die Reviews statt, hier wird kreiert und viel diskutiert. Man muss dazu sagen, dass das eine ganz neue Dynamik für die Parlamentsdirektion ist. Wir sind ja eigentlich eher gewohnt, zu arbeiten, dass man zuerst einmal lang Konzepte macht und dann über den Zaun wirft an die IKT. Und das ist aber jetzt ein gemeinsames Arbeiten und sehr intensives Arbeiten mit den Fachabteilungen der Parlamentsdirektion und der IKT-Abteilung.
LUKÁŠ: Ja, das ist natürlich eine Umstellung im Arbeitsprozess, so viele Meinungen einzuholen und zu berücksichtigen und wieder zurückzuspielen. Diese agilen Prozesse, das ist ganz anders, oder?
KERLE: Ja, aber man hat dadurch besser die Möglichkeit, auf die Kundenanforderungen einzugehen, weil die Fachabteilungen ja ganz nah dran sind, man in kleinen Schritten sich fortbewegt. Dadurch hat man leicht auch die Möglichkeit, Sachen zu korrigieren. Oft, wenn man früher ein Konzept gemacht hat, kommt man erst dann nachher bei der Umsetzung drauf, das geht vielleicht doch nicht, vielleicht wäre es anders besser. Und so, mit diesem agilen Prozess, kann man auch letztendlich Geld sparen, weil man sich eben in kleinen Schritten einer gemeinsamen Produktvision nähert.
LUKÁŠ: Das Gegenteil von Trickle-Down quasi. Von unten nach oben die Informationen schicken, ist immer eine gute Idee. Sie sind ja dabei stellvertretende Projektleiterin. Sie haben gesagt, das ist ein Hub, aber Sie haben auch schon kurz von Bumblebee gesprochen. Wir kommen da noch drauf, was Bumblebee ist. Aber es klingt so ein bisschen nach Bienenstock in dem surrt. Also viele Menschen sind hier unterwegs und Sie als stellvertretende Projektleiterin versuchen Ordnung in das alles zu bringen.
KERLE: Wir steuern dieses Programm. Es sind insgesamt fünf Umsetzungsprojekte derzeit am Laufen, aber auch viele Projekte, die die IKT-Infrastruktur betreffen, Organisationsentwicklungsthemen, Kommunikation betreffen. Da läuft sehr viel parallel und gleichzeitig, aber ein Prinzip dieser agilen Arbeitsweise ist ja, dass man sehr viele Möglichkeiten den Product Ownern gibt und den eigentlichen Scrum-Teams. Dass man eigentlich nur Grenzen über Budgets setzt und über große Ziele, aber sonst sehr viel Freiraum lasst in der Entwicklung. Und vielleicht noch, weil Sie haben gesagt Bienen, es sind Hummeln.
LUKÁŠ: Ja, ich weiß, aber der Bienenstock ist im Deutschen ein besseres Bild.
KERLE: Ja, das stimmt. Aber hier ist ja auch unsere Bumblebee-Vision: wir wollen mit Bumblebee Innovation zum Fliegen bringen. Und wir haben das Bild der Hummel deshalb genommen, weil die Hummel ist ja, wenn man sie so anschaut, ein bisschen behäbig und hat so kleine Flügel und da denkt man sich, das Ding fliegt nie. Und wie wir dieses große Programm gestartet haben, ist natürlich auch ein bisschen Skepsis da gewesen. Kann so etwas funktionieren? Das ist schon sehr groß dimensioniert. Und da haben wir gesagt, das ist eigentlich, die Hummel ist eine schöne Metapher, weil wir sind überzeugt, das wird fliegen.
LUKÁŠ: Bevor ich jetzt zum Herrn Lohninger überleite und zu dessen Aufgabenbereich, möchte ich gerne eine kurze Anekdote erzählen, die mir gestern untergekommen ist. Weil es gibt ja das Wort "Debugging" oder "Debugs" beim Computer. Und tatsächlich war das eine Motte, die sich in Harvard in den 60er Jahren in einem Computer verfangen hat, die mussten sie rausholen, "the bug", und seitdem heißt es "debugging". Ist das nicht lustig? Computerbug war wirklich ein echter Bug. Genau, insofern die Bumblebees und die Bugs. Herr Lohninger, Sie arbeiten ja bei epicenter.works. Was ist denn das für ein Verein? Was tun Sie? Wir haben die Vision vorher schon ein bisschen angesprochen.
LOHNINGER: Genau. Unser Verein, uns gibt es seit 14 Jahren. Wir haben uns ursprünglich mal gegründet als Arbeitskreis Vorratsdaten um ein Überwachungsgesetz, genannt Vorratsdatenspeicherung, abzuschaffen. Dankenswerterweise hat das Parlament gerade zum richtigen Zeitpunkt online die Möglichkeit eingeführt, dass man Bürgerinnen-Initiativen unterstützen kann. Davon haben wir gleich Gebrauch gemacht und sind die größte Bürgerinneninitiative bis zum damaligen Zeitpunkt gewesen. Und das Parlament hat leider nicht unserem Begehr entsprochen, aber dann der Europäische Gerichtshof und der Verfassungsgerichtshof. Also wir haben es geschafft, dass wir dieses Überwachungsgesetz, die Vorratsdatenspeicherung, wegjagen. Das ist lang her. Schon zehn Jahre. Seitdem haben wir uns mit der Digitalisierung mitentwickelt. Also wir arbeiten heute immer noch an allem, was Datenschutz und Grundrechte betrifft. Sie finden auch juristische Stellungnahmen von uns bei fast allen Gesetzen, die irgendwie nur Grundrechte und Digitales betreffen und das sind heute sehr viele geworden. Das ist auch mehr als Datenschutz geworden. Stichwort Informationsfreiheitsgesetz. Da durften wir auch als Experten im Verfassungsausschuss Auskunft geben für die Abgeordneten. Und wir sind auch bei Themen wie Netzneutralität oder auch in der Corona-Pandemie ganz stark, wo es zum Beispiel auch um die Digitalisierung dieser Notsituation ging. Stichwort Contact Tracing, Stichwort diese QR-Codes zum Nachweisen, ob man geimpft oder getestet ist. Bei all dem haben wir mitgeholfen. Also wir sind spendenfinanziert, lösungsorientiert und unabhängig von allen politischen Interessen. Und deswegen arbeiten wir ganz viel mit und auf dem Parlament. Und sind da auch wirklich ohne Anschau, welche Partei gerade was macht, daran bemüht, dass einfach die Grundrechte und Interessen der Bevölkerung hochgehalten werden. Und im Zuge dessen sind wir schon mit SPÖ und NEOS zum Verfassungsgerichtshof gegangen, aber auch mit Grünen und FPÖ. Also wir verstehen uns da wirklich, wie wenn man zum Arzt geht. Wir wollen die neutrale Stimme für Grundrechte sein. Gerade wenn es technisch wird, braucht es auch Aufklärung.
LUKÁŠ: Ja, das ist teilweise wirklich sehr schwierig zu durchblicken für Bürgerinnen und Bürger, die anderen Jobs nachgehen. Da sind wir jetzt also eigentlich schon mittendrin im Thema Stärkung der Demokratie im digitalen Zeitalter. Denn das ist ja auch eine Art von Stärkung. Denn mit den Anfängen des Internets hat sich ja von Anfang an eine Hoffnung verbunden auf eine Demokratisierung der Kommunikation. Wir erinnern uns, da war große Aufbruchsstimmung und alle werden eine Stimme haben und die Welt wird sich total positiv verändern. Also weg von der Massenkommunikation hin zu einer dialogischen Kommunikation. Das ist zwar passiert vielleicht mit anderen Ausformungen, als man sich das damals erwartet hat. Aber damit verbunden war wiederum und ist die Hoffnung auf mehr Mitsprache, Transparenz und Teilhabe an demokratischen Prozessen, denn wir sind ja immer noch in der Werdung, wir sind ja trotzdem in einer Frühphase der ganzen Digitalisierung, das ist ja nicht fertig. Fertig ist es nie, aber wir sind immer noch am Wachsen und Ausformulieren. Jetzt eine Frage an Sie beide, also Frau Kerle, Herr Lohninger: Können Sie uns diese Hoffnung etwas genauer erklären, vielleicht in einem kurzen Abriss oder in zwei bis drei Sätzen, was diese Hoffnung damals war und was man sich ganz zu Anfang von der Digitalisierung der Demokratie erwartet hat? Vielleicht beginnen wir mit Frau Kerle und dann Sie, Herr Lohninger.
KERLE: Also ich glaube, dass eine der großen Hoffnungen war eben diese Teilhabe und Mitsprache, aber andererseits auch ganz stark Transparenz. Transparenz der Prozesse und Verfügbarkeit dieser Informationen. Und auch dieses Wort, was dann immer herumgegeistert ist, Liquid Democracy, dass man direkten Input der Bürgerinnen hat und die Politikerinnen direkt darauf reagieren, das war ja sehr stark diskutiert am Anfang. Und in Richtung Transparenz würde ich sagen, hat die Parlamentsdirektion mit der Parlamentswebsite schon einiges bewerkstelligt. Weil, wenn ich nur da kurz in die Vergangenheit gehen darf: wir haben schon 1996 die erste Website gehabt und haben das parlamentarische Verfahren – damals musste alles noch in der Staatsdruckerei gedruckt werden, dann eingescannt werden, dann mit OCR-Erkennung gelesen werden, also sehr umständlich, sehr zeitverzögert natürlich, aber es war da – und wir hatten damals schon das vorparlamentarische Verfahren, nämlich die Stellungnahmemöglichkeit der verschiedenen Interessensvertretungen auf unserer Website. Das war nämlich nirgendwo sonst gesammelt abrufbar. Und das haben wir natürlich durch die Zeit weiterentwickelt. Es hat sich auch eine große Geschwindigkeit durch die Digitalisierung ergeben. Jetzt sind Ausschussberichte schon am Tag nach dem Ausschuss online. Bürgerinnen erhalten Informationen auf unserer Website eigentlich zeitgleich mit den Abgeordneten. Also da ist schon ein großer Sprung passiert und da haben wir auch die Möglichkeiten des Internets durchaus genützt.
LUKÁŠ: Und das waren auch die Erwartungen, weil wir vorher bei den Erwartungen waren, glauben Sie, an das Parlament, die das Parlament dann beantwortet hat mit eben dieser Website und diesen Initiativen?
KERLE: Genau. Und auch dann zusätzlich nicht nur, was die Geschwindigkeit und Transparenz des Gesetzgebungsverfahrens betrifft, sondern wir haben auch immer laufend mit jedem Relaunch diese Informationsangebote, aktuelle Informationen, verstärkt ausgeweitet, da mehr Ressourcen hineingesteckt, um auch die Prozesse zu erklären. Dann kam der Sprung vor über zehn Jahren zu Social Media, wo wir zuerst auf Facebook waren, dann auf Twitter. Das wurde jetzt sukzessive weiterentwickelt. Nämlich auch, um da mehr Breitenwirkung zu haben und mehr mit diesen äquidistanten Informationen, die wir verbreiten, an die Bürgerinnen und Bürger zu gelangen.
LUKÁŠ: Das macht die Parlamentsredaktion tatsächlich sehr gut, muss man sagen, macht gute Arbeit. Was für Erwartungen haben denn Sie damals wahrgenommen, als es um die Digitalisierung der Demokratie gegangen ist?
LOHNINGER: Also ich glaube, dass wir, gerade wenn wir von den 90ern, frühen 2000er bis heute uns die Frage nach den Erwartungen anschauen, dann haben wir schon wirklich einen drastischen Shift hier gesehen. Menschen erwarten sich heute von ihrer Demokratie viel mehr Einsichtsrechte. Es ist nicht mehr so, dass die da oben irgendwas entscheiden, sondern Menschen haben, glaube ich zu Recht, die Erwartung, dass man ihnen Dinge erklärt, dass auch ein Gesetzgebungsverfahren transparent abläuft, dass ich Einsicht nehmen kann. Das sind nicht mehr irgendwelche Leute, an die ich die Verantwortung abschiebe, sondern ganz oft haben wir heute, und das ist natürlich gut für die Demokratie, diese Erwartungshaltung, sich auch selber einzubringen. Ich glaube, dass das auch ganz essenziell ist, um unsere Demokratie zu stärken. Da ist natürlich die Digitalisierung ein enorm mächtiges Werkzeug, weil es öffnet, weil es viel mehr Menschen in die Lage versetzt, überhaupt so zu schauen. Früher musste man irgendwie auf die Besuchertribüne, um einer Plenardebatte beizuwohnen. Heute kann man das schon aus dem Internet heraus tun. Ich würde mir das zum Beispiel auch für Ausschüsse und vor allem Untersuchungsausschüsse wünschen. Ist etwas, das politisch heiß diskutiert wird. Scheinbar gibt es jetzt eh immer mehr Bewegung dahin. Wir sind übrigens dazu auch zum Verfassungsgerichtshof gegangen, um sozusagen das einzuklagen, weil aus unserer Sicht ist es ein Recht der Bürgerinnen und Bürger, dass man wirklich auch zuschauen kann, wenn Auskunftspersonen einvernommen werden. Das ist ja eine demokratische Kontrolle des Staates, ein Untersuchungsausschuss. Ich glaube auch, dass da die Bevölkerung zuschauen können muss. Und ein anderes wichtiges Thema, wo Erwartung glaube ich sehr klar formuliert ist, da gibt es auch eine Bürgerinneninitiative dazu, ist die Frage der Abstimmung. Im Moment ist es so, dass wir eigentlich nicht so leicht nachvollziehen können, wie hat welcher Mandatar, welche Mandatarin abgestimmt. Das Projekt Addendum hat da teilweise mal ausgeholfen mit einem Fotografen, der einfach ein Foto macht, wenn die Abgeordneten aufstehen. Im neu umgebauten Parlament gibt es nun die technischen Möglichkeiten, dass man wirklich in der Sekunde nach der Abstimmung sehen kann, wer hat wie abgestimmt. Im Europaparlament ist das seit über einem Jahrzehnt gang und gäbe. Das würde ich mir auch wünschen. Einfach weil es Verantwortung schafft und Politik muss der Bevölkerung verantwortlich sein. Und was die Webseite betrifft, ja, da hat sich viel getan. Ich finde auch, das ist eines der zentralen Anlaufpunkte, gerade in einer Zeit, wo viele Leute in Verschwörungstheorien abgleiten, wo diese gesicherte Information der Sauerstoff ist unserer Demokratie. Wenn wir keine gemeinsame Faktenlage mehr haben – und das ist leider auch etwas, das mit der Digitalisierung gekommen ist –, dann brauchen wir Institutionen. Da ist der Journalismus natürlich die größte Säule, aber ich glaube auch, das Parlament hat hier eine ganz eine wichtige Aufgabe, dass man einfach dorthin gehen kann und die offizielle Sicht der Dinge über den Prozess zumindest bekommt. Wie man zu dem Gesetz steht, das ist wiederum Aufgabe der Parteien, aber dass man zum Beispiel da ein bisschen was tun kann dafür, dass es sichtbarer wird. Im Moment ist es halt, das ist dann die Novelle zur Abänderung des Gesetzes von dem Datum mit dem, anstatt den Begriff zu verwenden, den auch die Ministerin in der Pressekonferenz verwendet hat. Wenn man sich informieren will dazu, dann ist es ganz wichtig, glaube ich, dass man da ein bisschen mehr Zugänglichkeit schafft, auch für breitere Bevölkerungsteile. Es ist auch bei uns im Team, und wir haben ein neunköpfiges Team, die den ganzen Tag eigentlich mit der Parlamentswebseite arbeiten, und hin und wieder brauchen wir auch Google, damit wir was finden. Also ganz oft ist es eine Frage der Auffindbarkeit und der Darstellung.
LUKÁŠ: Also, wenn ich kurz inhaltlich abschweifen darf. Wir stellen ja all unseren Gästen immer drei Fragen. Ich würde beginnen mit dem Herrn Lohninger diesmal. So ist es. Mal der, mal die. Die erste Frage lautet, Frühling oder Herbst? Ich bitte um eine kurze, spontane Antwort.
LOHNINGER: Mit Klimawandel macht es fast keinen Unterschied mehr, aber trotzdem Frühling.
LUKÁŠ: Doch. Heute draußen Wind, es macht einen Unterschied, ob Frühling oder Herbst ist, nach wie vor. Die nächste Frage lautet: Kompromiss oder beste Lösung?
LOHNINGER: Beste Lösung, auch wenn es schwer ist.
LUKÁŠ: Und wo fängt für Sie Demokratie an?
LOHNINGER: Da, wo Menschen zusammenkommen, sich gegenseitig zuhören und gemeinsam eine Lösung finden.
LUKÁŠ: Danke schön. Frau Kerle, jetzt ist es an Ihnen, die Fragen zu beantworten: Frühling oder Herbst?
KERLE: Klar, Frühling.
LUKÁŠ: Kompromiss oder beste Lösung?
KERLE: Also ich habe im Laufe der Zeit auch lernen müssen, dass manchmal auch ein Kompromiss die beste Lösung ist.
LUKÁŠ: Und wo fängt für Sie persönlich Demokratie an?
KERLE: Eigentlich im Miteinander, im Privaten oder im Beruflichen, und da geht es immer auch um gegenseitige Wertschätzung und Toleranz des anderen.
LUKÁŠ: Vielen Dank! Jetzt waren wir ja bei den Hoffnungen, bei den Wünschen, bei den Erwartungen. Teilweise haben wir auch besprochen, wie sehr sich diese erfüllt haben, beziehungsweise wie sehr versucht wurde, diese zu erfüllen von Ihrer Seite. Jenseits von diesen Hoffnungen und Wünschen finden ja tatsächlich greifbare Veränderungen statt. Und auch das österreichische Parlament, wie Sie bereits ein bisschen erklärt haben, hat ja einiges in puncto Digitalisierung getan. Und jetzt kommen wir nicht nur auf dieses Bumblebee-Projekt, von dem wir ja vorher schon kurz gehört haben. Es ist auch einiges geschehen, was eben zu mehr Transparenz und zu größeren Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger geführt hat. Die Website, wie Sie angesprochen haben, aber eben auch diese Open-Government-Data. Sie haben ja das Open-Data-Projekt initiiert und, das ist sehr interessant, Sie hatten dafür einige Widerstände zu überwinden. So eine Heldenreise interessiert uns natürlich immer. Gegen welche Kräfte mussten Sie angehen, um das durchzubringen? Erzählen Sie uns vielleicht kurz, gerne auch anekdotisch, was da los war.
KERLE: Naja, es gab da natürlich Befürchtungen, dass wenn wir unsere Daten da auch offiziell Dritten zur Verfügung stellen, dass da Missbrauch damit passiert. Und es gab natürlich auch bei anderen Punkten Urheberrechtsfragen zu klären, zum Beispiel gerade was die Anfragen betrifft, die parlamentarischen Anfragen. Und wir haben aber da sehr gute Unterstützung von der Gemeinde Wien gehabt, die damals schon Vorreiter auf diesem Gebiet waren und das hat uns dann ein bisschen mehr Sicherheit gegeben, dass das doch nicht so schlecht ist. Und auch die Erkenntnis, dass jeder, jede die Daten sowieso irgendwie absaugen kann, ob wir wollen oder nicht und da ist es doch gescheiter, wir stellen eine saubere Schnittstelle zur Verfügung und können damit dann garantieren, dass die Daten auch aktuell sind. Und das war dann ein bisschen auch der Knackpunkt, wo man gesagt hat, ja, wir probieren das einmal. Und es ist total schön, dass das jetzt auch immer von Kolleginnen und Kollegen weiterentwickelt wird und dass wir jetzt auch einen eigenen Open-Data-Beauftragten haben. Also man sieht, da wird schon mehr Augenmerk seitens der Parlamentsdirektion draufgelegt.
LUKÁŠ: Und Sie waren ja auch für den Relaunch der Parlamentswebsite 2010 verantwortlich, richtig?
KERLE: Ja, 2003, 2004, 2010. Und auch damals haben wir, was ich zuerst schon erwähnt habe, immer mehr Augenmerk gelegt auf Informationen anreichern, der Fülle an Gesetzesmaterialien, die wir haben, mit Informationen, um es verständlicher zu machen für die Bürgerinnen und Bürger. Also das war immer unser Bestreben und da sind wir immer ein Stückchen weitergegangen. Also manchmal braucht halt eine Verwaltung ein bisschen länger, bis man auch zulässt zum Beispiel, das war 2010 noch nicht ganz so möglich, dass man verstärkt Videos zum Einsatz bringt. Das ist jetzt State of the Art und ganz klar.
Aber so sieht man halt, dass wir immer uns bemüht haben, den Gesetzgebungsprozess transparenter zu gestalten. Und wir haben zum Beispiel 2010 auch eingeführt diese Übersicht, wo ich gleich sehe auf der Seite, wo der Gesetzgebungsprozess dargestellt ist, in welchem Stadium befindet sich ein Verfahren. Weil früher war das eine elends lange Liste und jemand, der sich überhaupt nicht ausgekannt hat, hat wahrscheinlich gar nicht gewusst, was passiert da jetzt gerade. Und das haben wir auch grafisch damals schon, und das wurde jetzt noch optimiert, ganz klar dargestellt, dass es jetzt auch vielleicht für Leute, die nicht so in der Tiefe drinnen sind, die einfach nachschauen können und sehen, aha, das ist jetzt gerade im Ausschuss oder das kommt erst im Plenum.
LUKÁŠ: Ja, da hat ja der Datenjournalismus sehr viel daran gearbeitet, alles verständlicher und für Leserinnen und Leser verständlicher aufzubereiten. Da hat es ja viel Entwicklung gegeben und eine neue Sprache wurde etabliert.
KERLE: Ja, und was ich dann noch erwähnen möchte: Wir haben auch 2007, weil das hängt auch zusammen mit einer Forderung nach Demokratisierung, ist ja das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt worden. Und auf das haben wir auch reagiert, weil einerseits wurde damals die Demokratie-Werkstatt ins Leben gerufen und auch die Demokratie-Webstadt, dieses Kinderangebot, also Angebot für Kinder und Jugendliche. Wobei wir von Anfang an uns gedacht haben, das richtet sich nicht primär an die Jugendlichen, sondern an die Lehrenden, damit die gute Informationen haben, vielleicht auch ein bisschen Informationen, die ein bisschen mit einem anderen, mit einem moderneren Zugang in so manchen Schulbüchern herangehen und die im Unterricht einsetzen können. Also das war auch eine sehr wichtige Initiative, diese Zielgruppe der jungen Wählerinnen auch zu bedienen.
LUKÁŠ: Bevor ich jetzt dann wieder zum Herrn Lohninger überleite, würde ich noch gerne aktuelle Projekte fragen. Es gibt ja eine Art Parlaments-App, wenn ich das schon vorgreifen dürfte. Könnten Sie uns ganz kurz sagen, was da geplant ist, was da für uns alle gerade gebaut wird?
KERLE: Ja, das ist auch schon in den Stores abrufbar. Also wir haben jetzt ein bisschen eine Phase des Soft-Launches und nach dem 20. Oktober wird es dann freigeschalten. Da ist in einem ersten Fokus der Schwerpunkt primär auf der Sitzungstätigkeit der Mandatare. Ich kann, und das ist wirklich ein finde ich sehr gutes neues Feature, bei einer Sitzung Abgeordnete anpinnen und kriege dann eine Benachrichtigung, wenn dieser Mandatar das Wort ergreift in der Sitzung. Das heißt, ich brauche nicht die ganze Zeit am Bildschirm hängen, sondern ich kann sagen, die und die Reden interessieren mich und dann kriege ich einen Alarm, wenn der Mandatar, die Mandatarin gerade spricht.
Also das ist eines der ganz neuen Features, die wir haben. Sonst gibt es halt wie gewohnt Informationen zum Sitzungsbetrieb und in einer weiteren Folge wird die App auch ausgeweitet werden um allgemeine Informationen für Bürgerinnen und Bürger.
LUKÁŠ: Das heißt, es ist quasi eine Social-Media-Logik eingebettet. Man kann ihnen folgen.
KERLE: Genau. Und damit, sind wir überzeugt, bringen wir Bürgerinnen und Bürger schon wieder ein bisschen näher ans parlamentarische Geschehen. Weil dann kann ich sagen, ich habe zwar jetzt nicht den ganzen Tag Zeit, ich habe auch nicht Zeit, ins Parlament zu kommen, aber ich werde alarmiert, wenn die und die Debatte startet und dann kann ich live folgen.
LUKÁŠ: Finde ich sehr spannend. Herr Lohninger, ich würde Sie bitten, dass Sie mit uns noch einen Blick in die Zukunft werfen. Welche wichtigen Entwicklungen sehen denn Sie im Zusammenhang von Demokratie und Digitalisierung auf uns zukommen? Wie zum Beispiel finden Sie jetzt diese Parlaments-App für Bürger? Macht die Sinn? Wie beurteilen Sie das? Und gern dann vielleicht auf Ihre eigenen Gedanken überleiten.
LOHNINGER: Also ich glaube, dass diese Bestrebungen, das Ganze zugänglicher zu machen, wirklich essentiell sind. Also es geht um Übersichtlichkeit, und zwar zielgruppengerecht. Ich glaube, da ist auch immer noch was zu tun, um die Leute einfach abzuholen. Im Moment ist man immer noch so ein bisschen erschlagen, wenn man auf die Parlamentswebseite geht. Und ich glaube, da haben wir einfach noch eine Übersetzungsleistung zu erbringen, weil am Ende muss es unser Ziel sein, dass sich möglichst viele Menschen interessieren, einbringen in die Demokratie. Demokratie ist nicht gesund, wenn wir nur alle vier, fünf Jahre wählen gehen. Ich glaube schon, dass wir da die Menschen mit den Themen, die sie interessieren, auch mehr ins Boot holen müssen. Und zum Beispiel diese Push-Notification in der App für einzelne Abgeordnete würde ich mir auch für die Themen wünschen, weil niemand interessiert sich für alles, was im Parlament passiert. Aber jeder Mensch hat dieses eine Anliegen, was einem wirklich wichtig ist, wo man auch eine Meinung hat. Und da am Ball zu bleiben, das hilft, dass mehr Köpfe drauf schauen, und da bin ich auch immer der Meinung, die Lösung wird besser, je mehr Menschen den Prozess begleiten und sich auch einbringen. Und Stichwort einbringen in den Prozess, für uns ist ja wirklich das täglich Brot die parlamentarische Begutachtung. Also wenn in einem Begutachtungsverfahren Stellungnahmen geschrieben werden, ist das für uns immer die Messlatte, ob wir es schaffen, mit Sachargumenten hier vielleicht auch die Politik zu überzeugen. Das passiert nicht immer, aber oft genug, um weiter daran zu glauben, dass das auch wirklich einen großen Unterschied machen kann. Und da glaube ich auch, dass wir ein bisschen mutiger sein müssen, dass wir vielleicht auch darstellen von den eingebrachten Stellungnahmen, wie viele waren jetzt dafür oder dagegen. Das ist ganz oft etwas, das wir machen in der Einordnung. Jetzt zum Beispiel nehmen wir das Gesetz zum Bundestrojaner, waren nur sechs Prozent dafür und 94 Prozent waren dagegen. Von Richtervereinigung abwärts, also wirklich sehr viele Stimmen. Dass man das auch irgendwie darstellt und verständlich macht, wo jetzt die Argumente sind und welche Institution sich wie verhält zu so einem Gesetz. Das hilft auch Menschen, sich zu verorten bei einem Thema und die politische Debatte zu versachlichen. Ich glaube, das würde uns guttun. Und dann noch zwei Punkte, wo ich wirklich in die Zukunft schaue. Das eine ist offene Daten, ganz klar. Ich verstehe, dass das ein Kampf David gegen Goliath ist, aber der ist so wichtig. Da müssen wir es schaffen, dass wir wirklich alles, was im Parlamentsbetrieb passiert, und vielleicht auch an den Stellen, wo es noch analog ist, digitalisieren und öffnen. Und das sage ich als Datenschützer. Also mir ist einfach wichtig, es geht bei Datenschutz um personenbezogene Daten. Im Parlament geht es um öffentliche Daten und die sollen öffentlich sein. Das erlaubt nämlich auch geteilte Kontrolle und dass Innovation auch außerhalb des Hauses passieren kann. Da gab es mal das tolle Projekt offenesparlament.at. Die haben es leider nicht geschafft, ihr Ziel zu erreichen, wirklich den kompletten Datenbestand des Parlaments zu öffnen. Aber ich verweise da auf Deutschland, da gibt es den Bundestagszusammenfasser.de. Es ist ein super spannendes Projekt, wo man dem deutschen Parlamentsbetrieb sehr gut folgen kann. Die verwenden auch relativ viel künstliche Intelligenz mit all den Fallstricken. Aber es ist ein toller Weg, wie man schaffen kann, dass dann auch eine sehr lange Parlamentsdebatte vielleicht zusammengefasst auf ein paar Absätze, mir auch, wenn ich nur Kurzzeit habe, einen Einblick gibt, wie denn jetzt die Politik ein gewisses Gesetz diskutiert.
LUKÁŠ: Da kann KI natürlich schon helfen, wenn noch ein menschliches Auge inhaltlich drüber schaut, ist das natürlich schon eine tolle Abkürzung, um die Bevölkerung besser zu informieren.
KERLE: Gut, da möchte ich jetzt kurz darauf antworten. Die Parlamentskorrespondenz der Parlamentsdirektion, die fasst aber die Sitzungen jedes Mal zusammen. Das sind natürlich manuelle Arbeiten, das ist sehr aufwendig. Aber wir versuchen dann auch immer in den sozialen Medien kurz die Beschlüsse darzustellen, um ein bisschen einen Überblick zu geben. Also da passiert sehr viel, aber momentan noch manuell.
LUKÁŠ: Danke schön. Dann hätte ich eine letzte Frage, bevor unser Gespräch, das glaube ich sehr viel länger und sehr viel detaillierter auch noch passieren könnte, vielleicht gibt es ja eine Fortsetzung jetzt im Schwerpunkt, hätte ich noch eine letzte Frage an Sie beide, und zwar: Wie können das Parlament und überhaupt die öffentliche Verwaltung dafür sorgen, dass die Demokratie gestärkt wird? Ich meine, wir haben jetzt schon einiges gehört, aber gibt es vielleicht noch eine Idee, die vielleicht noch mehr in der Zukunft liegt, die Sie gerne einbringen wollen zum Ende hin? Frau Kerle?
KERLE: Ich würde eigentlich nur sagen, das, was wir eh schon erwähnt haben, Transparenz, gesicherte Informationen. Und so die Möglichkeit zu schaffen, dass sich Bürgerinnen und Bürger einbringen und aktiv folgen können und auch die Stabilität der parlamentarischen Verfahren, die wir ja auch durch IKT-Technik sichern. Und das ist ja auch ein ganz wichtiges Element unseres Programms, dass wir diese Verfahren aus technischer Sicht zukunftsfit machen.
LUKÁŠ: Danke. Herr Lohninger, haben Sie noch einen kurzen Input?
LOHNINGER: Ich glaube, dass die Zukunft ganz klar liegt in einem offenen Parlament, liegt wirklich in der Verbreitung von den Informationen, die wir da schon haben, weil in Wirklichkeit ist Demokratie auch etwas, worauf wir stolz sein müssen, was auch wirklich für die Bevölkerung da sein soll. Und ich stoße mich als Datenschützer natürlich an den vielen Kameras und Schleusen im neu gebauten Parlament. Aber ich glaube, dass wir in der virtuellen Welt genau diese Schleusen abbauen sollten, dass wir einfach wirklich sagen, es braucht eine Öffnung und da ist in den letzten Jahren in Österreich sehr viel Gutes passiert. Wir sind aber noch nicht am Ziel und deswegen ist es umso wichtiger, dass sich noch mehr Menschen jetzt hier einbringen.
LUKÁŠ: Vielen Dank, dass Sie so interessant und gut verständlich geantwortet haben, auf das alle an diesem Thema teilnehmen können. Denn es gibt ja oft eine sprachliche Hürde, wenn es um so komplexe Zusammenhänge geht. Also vielen Dank fürs Kommen und für die guten Erklärungen. Danke.
KERLE: Gerne.
LOHNINGER: Gerne, vielen Dank.
LUKÁŠ: Und das war es auch schon wieder mit "Rund ums Parlament". Ich hoffe, euch hat diese Folge gefallen. Wenn ja, dann, ihr wisst, gebt uns eine Bewertung, das würde uns sehr freuen. Und abonniert uns, wenn ihr das noch nicht getan habt. Dann verpasst ihr auch nicht die nächste Folge zum Thema Demokratie und Digitalisierung. Bis dahin hört euch gerne durch die früheren Folgen von "Rund ums Parlament", zum Beispiel die Folge "Open Government Data: ein Datenschatz für den öffentlichen Diskurs". Da erfahrt ihr noch mehr über eines der großen Digitalisierungsprojekte des österreichischen Parlaments. Falls ihr Fragen, Kritik oder Anregungen zum Podcast habt, dann schreibt uns sehr gerne eine E-Mail an podcast@parlament.gv.at und schaut auch gerne mal auf unserer Website und den Social-Media-Kanälen des österreichischen Parlaments vorbei. Also, ich freue mich schon auf die nächste Folge mit euch. In diesem Sinne sage ich, wie immer, vielen Dank fürs Zuhören. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Wir hören uns.
Jingle: Rund ums Parlament. Der Podcast des österreichischen Parlaments.