Magdalena PLÖCHL: Die Freiwilligen sind so das Rückgrat einer lebendigen Demokratie, weil Menschen, die sich einbringen, die mitgestalten, sich vielleicht auch einmal irgendwo aufregen, wenn etwas nicht passt, und da aktiv werden und auch gesellschaftliche Prozesse mitgestalten.
Michael KARGEL: Das sind Einblicke, die kann man nicht mit Geld bezahlen. Das bereichert mich auch und es erweitert auch meine Perspektive und meinen Horizont, die Probleme, Sorgen aber auch vielleicht die Wünsche und Hoffnungen der heutigen Jugend ein bisschen besser verstehen zu können.
Jingle: Rund ums Parlament. Der Podcast des österreichischen Parlaments.
Tatjana LUKÁŠ: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von "Rund ums Parlament", dem Podcast des österreichischen Parlaments. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Schön, dass ihr wieder mit dabei seid. Die Sphären der Gesellschaft und ihre Bedeutung für die Demokratie – mit diesem Thema beschäftigen wir uns weiter hier in "Rund ums Parlament". Die österreichische Demokratie hat ihre Ausprägung in einem Sozialstaat gefunden. Das heißt, dass sie auf sozialen Ausgleich und soziale Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger setzt. Die Themenpalette im Bereich Soziales ist dabei breit aufgestellt: Von Seniorinnen und Senioren, Menschen mit Behinderungen, über Pflege- und Sozialhilfe bis hin zur Sozialversicherung. Ein ganz, ganz wichtiger sozialer Sektor in Österreich ist die Freiwilligenarbeit, die in viele der genannten Themen hineinspielt. Deshalb soll es heute um die Menschen gehen, die freiwillig für andere da sind, die sich engagieren. Und das sind in Österreich eigentlich eine ganze Menge. Laut dem Sozialministerium engagiert sich rund die Hälfte der Bevölkerung ab 15 Jahren freiwillig. Wie sehen diese Freiwilligen ihren Platz in der Gesellschaft und was hat ihr Engagement mit unserer Demokratie zu tun? Dieser Frage möchten wir in dieser Episode nachgehen und dafür habe ich mir zwei Gäste eingeladen. Zum einen ist das Magdalena Plöchl. Hallo, herzlich willkommen.
PLÖCHL: Hallo, schön, dass ich heute dabei sein darf.
LUKÁŠ: Auf der ein bisschen lauten Mariahilfer Straße in der Hauptstadt. Hier wird gebaut und gerollert und in die Schule und in die Arbeit gegangen. Da haben wir uns lebendigen Platz ausgesucht!
PLÖCHL: Ja, wunderbar, passend zum Thema, würde ich sagen.
LUKÁŠ: Genau, genau. Sie sind ja Projektleiterin von freiwillig-engagiert, der Servicestelle für freiwilliges Engagement in Österreich.
PLÖCHL: Ganz genau.
LUKÁŠ: Danke fürs Kommen. Und zum anderen ist da Michael Kargel. Er ist einer von 3,7 Millionen Freiwilligen in Österreich, stellvertretend für Ihre Kolleginnen und Kollegen. Danke, dass Sie zu uns gekommen sind.
KARGEL: Ich freue mich, dass ich da sein darf. Dankeschön.
LUKÁŠ: Sehr fein. Wir machen heute einen Spaziergang von der Mariahilfer Straße ins Museumsquartier, biegen aber noch mal kurz auf die Stiftgasse ab, damit wir ein bisschen länger gehen können. Wollen wir losspazieren und ein bisschen über Freiwilligenarbeit sprechen?
KARGEL: Sehr gerne.
PLÖCHL: Ja, gern.
LUKÁŠ: Das ist ja nämlich wirklich ein extrem großes Thema in diesem Land. Ich kenne ganz viele Menschen in Stadt und Land, weil wie man hört, ich bin ja eigentlich ursprünglich Tirolerin, die bei allen möglichen Vereinen sich aktiv freiwillig engagieren. Liebe Frau Plöchl, jetzt wo wir anfangen zu spazieren, wären Sie so freundlich und würden uns die Umgebung ein bisschen beschreiben, wo wir uns bewegen?
PLÖCHL: Ja, wir sind da mitten auf der Mariahilfer Straße. Es ist einiges los. Die Leute spazieren da gemütlich durch den Vormittag. Es ist ein bisschen kalt heute, also es sind alle noch gut warm angezogen. Geschäfte links und rechts und auch ein sehr lebendiges Umfeld, was mir sehr gefällt, weil das einfach zum freiwilligen Engagement wunderbar passt heute, zu unserem Thema.
LUKÁŠ: Wir haben uns ja getroffen beim Kaufhaus Gerngross. Und Herr Kargel, Sie verwenden das ja auch immer wieder als Treffpunkt für Ihr freiwilliges Engagement. Könnten Sie uns ganz kurz mal erklären, was machen Sie denn eigentlich genau und wen treffen Sie denn vorm Kaufhaus Gerngross?
KARGEL: Also ich bin bei einem Mentoring-Programm, das sich mit Kindern, Jugendlichen und auch Eltern beschäftigt, die eine zusätzliche Begleitperson haben wollen. In dem Fall habe ich einen 14-jährigen Jugendlichen und mit dem treffe ich mich dann da in regelmäßigen Abständen, durchschnittlich so ein bis alle zwei Wochen ungefähr. Das hat einen Grund, weil seine Schule da ist und es nicht weit bis da her ist und so ein zentraler Treffpunkt, von wo man aus gut starten kann und diverse Sachen unternehmen kann.
LUKÁŠ: Organisiert wird das Ganze von Younus, Younus schreibt man das. Wir verlinken das natürlich in unserer Episodenbeschreibung, die Organisation. Und wie kommt man da jetzt dazu? Weil erstens, wie kommt der Jugendliche, da haben sich die Eltern angemeldet, dass der Sohn betreut wird? Und wie kommen Sie eigentlich dazu, sich zu denken, alle zwei Wochen würde ich gerne mit einem 14-Jährigen was unternehmen? How come?
KARGEL: Ich habe es, muss ich sagen, im Radio gehört. Da habe ich im Radio eine Sendung gehört, wo es zur Adventszeit darum gegangen ist, wir stellen an jedem Tag im Dezember eine Organisation vor. Und da waren dann unterschiedliche Organisationen, wo es darum gegangen ist, zum Beispiel Pensionisten zu betreuen, karikative Sachen im Tierschutz, was auch immer. Dadurch, dass ich Lehrer bin, habe ich mir gedacht, eigentlich klingt das interessant. Ich nehme mal da vielleicht eine Zielgruppe, mit der ich sonst auch zu tun habe, nämlich Jugendliche. Und dann war ich bei einer Messe, die gibt es ja immer einmal im Jahr im Rathaus. Freiwilligenmesse.
PLÖCHL: Genau, die Wiener Freiwilligenmesse, das ist immer ein ganzes Wochenende. Ich glaube, im November findet es immer statt.
KARGEL: Im Spätherbst, ja. Oktober, November ist es dann immer. Und dann habe ich mir gedacht, von dem Stand habe ich schon mal was gehört. Das interessiert mich jetzt.
LUKÁŠ: Aha, also mehrere Touchpoints, so wie es die Profis sagen würden. Okay, okay.
KARGEL: Und habe mir dann gedacht, mit denen rede ich jetzt. Ich weiß nicht, das klingt jetzt sehr, sehr interessant. Und wir sind dann sehr nett ins Gespräch gekommen. Es wurden dann meine Daten aufgenommen. Und dann bin ich eingeladen worden zu so einem Infoabend. Da hab mir das angehört und hab mir gedacht, ja, ich glaub, das ist jetzt was für mich. Ich war da sehr nett betreut, muss ich sagen. Es hat dann ungefähr zwei Monate gedauert, bis ich dann das erste Kennenlernen mit meinem Mentee hatte in der Organisation, also im Verein. Ja, und so ist es zustande gekommen, dieses erste Kennenlernen.
LUKÁŠ: Okay und dieser Mentee, ist der auch freiwillig dort?
PLÖCHL: Der Mentee, der hat sich das ausgesucht, da dabei zu sein. Das ist nichts, wo es ein verpflichtendes Programm gibt oder so, das würde nicht funktionieren, denke ich mir. Aber das kannst du sicher besser erzählen, wann man sich mit wem treffen müsste, der da gezwungenermaßen…
LUKÁŠ: Vielleicht geht es um irgendeine Betreuungsunterstützung oder so, ja?
PLÖCHL: Aber es geht mehr um Freizeitaktivitäten bei euch, oder?
KARGEL: Bei uns geht es um Freizeitaktivitäten. Das ist ein Jugendlicher, der ein bisschen Schwierigkeiten hat aufgrund seiner Herkunft. Er ist auch in der Klasse ein bisschen mit Mobbing konfrontiert. Er weiß mit seinen überschüssigen Energien vielleicht nichts anzufangen, geht vielleicht auch manchmal ein bisschen aggressiv um, aber oft auch mit sich selbst und so weiter. Und ich denke mir, was gibt es Besseres als da jemanden ein Stückchen seines Lebens zu begleiten.
LUKÁŠ: Ja, und das ist ja so befriedigend für einen selber, wenn man Mentor ist und man sieht, da kann man irgendwie Leidenschaften wecken oder neue Interessen anstupsen oder da kommt was zurück, das ist ja wunderschön.
KARGEL: Er ist nämlich einer, der eher ein bisschen in sich gekehrt ist und eigentlich gar nichts unternimmt zu Hause, beziehungsweise nur zu Hause sitzt und eigentlich nur Computer spielt. Und ich versuche, es gelingt nicht immer, aber ich versuche, ihm ein bisschen auch was von Wien zu zeigen, Aktivitäten zu machen, die er vielleicht sonst nie machen würde.
LUKÁŠ: Okay, es werden ja sicher unter unseren Hörerinnen und Hörern jetzt nicht nur Menschen sein, die Freiwilligenarbeit machen wollen, sondern auch welche, die 14-Jährige zu Hause haben. Welche Aktivität ist denn besonders gut ankommen? Einfach nur so als Mentorentipp.
KARGEL: Also ich glaube, das ist individuell. Ich glaube, dass da jeder 14-Jährige ja nicht gleich ist und jeder unterschiedlich.
LUKÁŠ: Aber bei diesem?
KARGEL: Also bei diesem war es dann so, dass wir zum Beispiel im Sommer, es war ein sehr, sehr heißer Tag, und wir sind auf die Donauinsel gefahren und waren dort Tretboot fahren. Und das war wirklich ein nettes Erlebnis. Er ist nicht sportlich, überhaupt nicht. Und er hat dann zwar gejammert nach zwei Stunden, es tut ihm alles weh vom Tretboot fahren.
LUKÁŠ: Zwei Stunden treten ist ja auch arg!
KARGEL: Er wollte nämlich gleich ein Elektroboot fahren und da hab ich gesagt, nein, Elektroboot geht jetzt gar nicht.
LUKÁŠ: Das ist viel zu teuer. Wir treten selbst.
KARGEL: Genau. Aber solche Erlebnisse. Oder wir waren Minigolf spielen. Wir machen es dann natürlich immer auch abhängig, wie das Wetter ist und welche Jahreszeit gerade ist. Wir gehen auch manchmal, was er eher bevorzugt, einfach nur Pizza essen und reden. Das ist für ihn nämlich ganz, ganz wichtig, einfach zu reden, und zwar mit einer außenstehenden Person, die nichts mit dem Schulkontext zu tun hat und nicht jetzt auch vom familiären Kreis. Ich glaube, gerade in der Pubertät ist es, glaube ich, auch wichtig, jemanden zu haben und zu wissen, da kann ich alles sagen, was ich will.
LUKÁŠ: Ich finde, das ist ein sehr schöner erster Blick in die Freiwilligenarbeit gewesen. Vielen Dank. Liebe Frau Plöchl, jetzt mit Younus haben wir eigentlich ein sehr gutes Beispiel für Freiwilligenarbeit gehört und präsentiert gekriegt. Und als Servicestelle vernetzt freiwillig-engagiert ja den gesamten Freiwilligen-Sektor in Österreich. Welche Bandbreite an Tätigkeitsfeldern gibt es denn da jetzt für Menschen, die nicht mit Teenagern abhängen wollen?
PLÖCHL: Da haben wir, glaube ich, für jeden was zu bieten, kann ich ganz ehrlich sagen. Wir haben den breiten Bereich, der ist ja wirklich unglaublich vielfältig, in so 19 Engagement-Bereiche eingeteilt, kann man sagen. Das findet man alles auch bei uns auf der Website, wo man sich so ein wenig informieren kann. Was bedeutet das, wenn ich mich jetzt zum Beispiel für Menschen mit Beeinträchtigungen engagieren möchte oder wenn ich für Diversität und Vielfalt mich einbringen möchte und da was verändern möchte oder auch ganz klassisch mit älteren Menschen in einem Seniorenheim auf Besuch gehen? Dann, ganz wichtig auch bei uns in Österreich, der Katastrophenschutz und das Rettungswesen natürlich, Sportbereich, Kultur, also wie man sieht, ganz eine breite Vielfalt an unterschiedlichsten Möglichkeiten.
LUKÁŠ: Im Sportbereich ist man dann eher so beim Trainieren von Kindermannschaften dabei, oder?
PLÖCHL: Zum Beispiel, genau, ja. Obwohl, man hat als erstes vielleicht den Fußball im Kopf, weil das in Österreich natürlich eine große Rolle spielt, aber es gibt auch ganz viele Sportarten, wo auch überhaupt die ganze Vereinsarbeit oder auch alles, was drumherum ist, auch durch Freiwillige abgedeckt wird natürlich.
LUKÁŠ: Also können wir zusammenfassen, es betrifft eigentlich ganz viele Bereiche der Gesellschaft, was die Freiwilligenarbeit bietet.
PLÖCHL: Ja. Also wenn man einmal sagt, eine Woche engagiert sich niemand freiwillig in Österreich – ich glaube, da wäre es ziemlich fad und langweilig und auch ganz wichtige Dinge, die da abgehen würden.
LUKÁŠ: Ja, zum Beispiel? Sagen wir mal ein paar wichtige Dinge für die Menschen, damit es ihnen bewusst wird.
PLÖCHL: Ja, genau. Von der Rettung haben wir schon gesprochen. Das ist das Plakativste natürlich. Wenn eine Woche lang keine Rettung fährt, wäre das, glaube ich, gar nicht so gut für unsere Gesellschaft. Aber auch darüber hinaus natürlich auch ganz viel an Freizeitaktivitäten. Sei es jetzt eben eine Patenschaft für einen Jugendlichen oder auch Besuche für Menschen mit Beeinträchtigungen, Frühstück für wohnungslose Menschen. Also ganz viele Dinge, die sonst einfach abgehen würden und wo das Leben weit nicht so bunt wäre.
LUKÁŠ: So, wir sind inzwischen im MuseumsQuartier angekommen, über die Streetart-Stiege gehen wir gerade beim mumok rein in den Hof, wo wieder geschraubt wird. Ja, naja, ich meine, der Frühling naht wirklich. Und wir müssen ja alles aufbauen, damit wir dann alle eine herrliche Zeit haben […]. Alle in froher Erwartung. Aber bitte an die Hörerinnen und Hörer, verzeiht diese ganzen Aufbaugeräusche. So ist es halt heute in Wien. Und schaut, wie viele Bäume da stehen.
PLÖCHL: Wow!
LUKÁŠ: Wie toll ist das bei den Enzis, diese ganzen Bauminseln!
KARGEL: Da kriegt man schon richtig Frühlingsgefühle. Wenn es ein bisschen wärmer wäre, könnte man sich schon hinlegen, oder?
LUKÁŠ: Ja, naja könnte man probieren. Man braucht eine kleine Pause, wenn man schon zehn Minuten spaziert ist. Ja, gehen wir mal da rüber, dann gehen wir ein bisschen weg und gehen in den nächsten Hof durch die Bauminseln. Herrlich. Gut, sprechen wir nochmal ganz kurz über die Vernetzungsarbeit, liebe Frau Plöchl. Und zwar, es gibt diese Website, wir haben sie schon erwähnt. Ich bin eine Freiwillige und spüre es und denke mir, mein Leben soll noch reicher werden, vor allem emotional. Ich möchte mich gerne engagieren. Dann gehe ich auf die Website und was tut ihr dann genau?
PLÖCHL: Genau, also bei uns auf der Website machen wir sichtbar, was es alles im Freiwilligen-Bereich gibt. Und wenn man sagt, man möchte zuerst mal so ein bisschen erkunden, welche Bereiche gibt es überhaupt, was könnte mir liegen, was finde ich spannend, dann geht man am besten auf die Seite "Jetzt engagieren" unter freiwillig-engagiert.at. Weil da haben wir alle unsere, ich habe schon gesagt, 19 Engagement-Bereiche ein bisschen beschrieben, was es heißt, wenn man sich für den Bereich Flucht und Integration zum Beispiel engagiert. Welche Beispiele es da gibt, was man beachten kann und sollte beim Engagement, um so ein bisschen ein Gefühl dafür zu kriegen. Und dann haben wir auch ganz viele der österreichischen Freiwilligenorganisationen sichtbar gemacht. Das heißt, die haben bei uns jeder wiederum eine eigene Seite, wo man dann schauen kann, was gibt es denn in meiner Region, welche Möglichkeiten.
LUKÁŠ: Aha, also die sind nach Bundesländern geordnet.
PLÖCHL: Nach Bundesländern geordnet, genau. Das heißt, man muss nicht in Wien wohnen, sondern überall anders passiert auch ganz viel Engagement.
LUKÁŠ: Und jetzt die Frage aller Fragen, warum engagieren sich Menschen überhaupt freiwillig?
PLÖCHL: Das ist gar nicht so einfach zu beantworten tatsächlich, weil das ist so vielfältig wie der Engagement-Bereich selbst einfach auch. Also es gibt Menschen, die sagen, ich möchte einfach was Gutes tun, ich möchte die Gesellschaft mitgestalten, wo man wieder so ein bisschen auch beim Thema Demokratie wäre, natürlich. Auch Leute, die sagen, ich hab einfach Spaß an der Tätigkeit, ich spiele selbst gerne Volleyball und möchte das jetzt einfach im Rahmen meines freiwilligen Engagements machen zum Beispiel. Oder auch Menschen, die sagen, es ist einfach eine tolle Möglichkeit, auch was dazuzulernen. Weil wenn ich mich engagiere, ein Sommerfest für meine Organisation organisiere zum Beispiel, dann kann man ja da ganz viel Erfahrungen sammeln und sich was mitnehmen auch für die anderen Lebensbereiche. Und weil wir jetzt gerade noch so schön im MuseumsQuartier sind, möchte ich noch kurz was anderes erzählen.
LUKÁŠ: Gerne.
PLÖCHL: Das passt vielleicht auch gut zum Thema. Wir haben ja auch in Österreich einen Staatspreis für freiwilliges Engagement. Ich weiß nicht, ob das so bekannt ist.
LUKÁŠ: Oh, wirklich?
PLÖCHL: Und dieser Staatspreis wird jährlich verliehen vom Sozialministerium und dem Bundeskanzleramt. Und vor zwei Jahren ist das da im MuseumsQuartier über die Bühne gegangen und da hat die Verleihung stattgefunden. Es war ein fantastischer Abend, einfach im Sinne der Wertschätzung und Anerkennung auch für die Freiwilligen.
LUKÁŠ: Ja und dass die sich auch untereinander vernetzen und austauschen können und ihre Geschichten erzählen.
PLÖCHL: Und Vernetzung war ja eigentlich das Stichwort. Also da schauen wir auch, durch das, dass wir sichtbar machen, was es alles gibt im Freiwilligen-Bereich und auch diese Expertise zeigen, kommt auch ganz viel dann zusammen, dass jemand jetzt zum Beispiel im Burgenland wohnt und sagt, ach, da gibt es doch einen tollen Workshop, das mittels Webinar aus Vorarlberg organisiert wird, da nehme ich doch teil und kann da auch lernen, wie ich zum Beispiel KI in der Vereinsarbeit inkludieren kann.
LUKÁŠ: Möchten Sie noch gerne was ergänzen, lieber Herr Kargel, über diese Motivation zur Freiwilligenarbeit, warum man das eigentlich macht?
KARGEL: Also ich kann jetzt wieder nur für mich sprechen. Ich denke mal, es ist vielleicht auch ein bisschen bei mir gewesen, dankbar zurückzuschauen und etwas auch zurückgeben zu wollen und zu sagen, ich hatte eine schöne Kindheit und eigentlich auch Jugend zurückblickend. Ich möchte jemand anderen auch ein Stück begleiten und versuchen, zumindest etappenweise oder was es in meiner Position möglich ist, auch schöne Erlebnisse zu bieten.
LUKÁŠ: Bevor wir jetzt zu unserem nächsten Themenkomplex wechseln, denn irgendwann werden wir auch an dem Thema Demokratie kratzen, stellen wir unseren Gästen und Gästinnen immer drei Fragen, persönliche Fragen, die mit dem Thema an sich nichts zu tun haben. Ich würde mit der Frau Plöchl starten und die erste Frage lautet: Frühling oder Herbst?
PLÖCHL: Frühling.
LUKÁŠ: Und die zweite Frage ist: Kompromiss oder beste Lösung?
PLÖCHL: Das ist eine sehr schwierige Frage, ich würde zu Kompromiss tendieren. Meiner Meinung nach kann aber das manchmal die beste Lösung sein.
LUKÁŠ: Und wo fängt für Sie Demokratie an?
PLÖCHL: Das passt perfekt zu unserem Thema, weil für mich ist das freiwillige Engagement das demokratischste Mittel eigentlich überhaupt. Weil in dem Moment, wo ich meine Freizeit für andere einsetze, wo ich die Gesellschaft mitgestalte durch mein Tun und mich einbringe für etwas, was mir wichtig ist, gestalte ich unsere Gesellschaft. Und das ist in meinem Verständnis Demokratie, wenn wir gemeinsam unsere Gesellschaft gestalten.
LUKÁŠ: Danke. Herr Kargel, nun an Sie genau die gleichen Fragen. Wir sind gespannt!
KARGEL: Das sind auch ähnliche Antworten!
LUKÁŠ: Ist das so? Na gut, dann schauen wir: Frühling oder Herbst?
KARGEL: Es ist der Frühling. Ich denke mal, es ist die Zeit des Aufbruchs. Es sprießt alles, es wächst alles. Ich denke mal, was gibt es Schöneres, als so einen Neustart zu machen ins neue Jahr oder ins Leben oder wie auch immer. Und ich finde, zum Mentoring passt das auch gut. So etwas Neues beginnen und wachsen lassen.
LUKÁŠ: Und Kompromiss oder beste Lösung?
KARGEL: Auch da schließe ich mich meiner Vorrednerin an. Ja, ich habe mich entschieden, doch den Kompromiss zu wählen. Deswegen, weil ich mir denke, auch wenn ich vielleicht von mir selber etwas ein Stück zurückstecken muss, aber langfristig ist es vielleicht dann doch für mehrere beteiligte Personen die beste Lösung.
LUKÁŠ: Ja. Und wo fängt für Sie Demokratie an?
KARGEL: Es fängt schon ganz zeitig an. Im Idealfall in der Familie und geht dann eigentlich weiter das ganze Leben. Wenn ich an die Schule denke, ein demokratischer Prozess ist schon mal die Klassensprecherwahl. Also ich denke mal, man muss es vorleben und die Kinder auch teilhaben lassen. Nur dann gelingt, glaube ich, auch langfristig eine Zukunft, wo die Demokratie hoffentlich lang erhalten bleibt.
LUKÁŠ: Dankeschön. Dann würde ich zurückgehen zum Thema und die Frau Plöchl fragen, wie wichtig eigentlich Freiwillige für unsere Gesellschaft sind, unseren Sozialstaat und unsere Demokratie. Eine kleine Frage für zwischendurch.
PLÖCHL: Eine kleine Frage, die man so beim Spazierengehen gut besprechen kann, oder? Wie lange haben wir Zeit, das ist die Frage.
LUKÁŠ: Stunden, wir sind hier beim Podcast.
PLÖCHL: Sehr gut. Also die Kurzfassung ist in Wahrheit, die Freiwilligen sind so das Rückgrat einer lebendigen Demokratie, weil Menschen, die sich einbringen, die mitgestalten, sich vielleicht auch einmal irgendwo aufregen, wenn etwas nicht passt, und da aktiv werden und auch gesellschaftliche Prozesse mitgestalten, die braucht es in Wahrheit, um eine funktionierende Demokratie zu haben. Wenn man sich vorstellt, das Gegenteil wäre, jedem ist egal, wie es anderen geht, keiner bringt sich ein, jeder versteckt sie vielleicht in der eigenen Wohnung, dann kann Demokratie nicht stattfinden. Und was auch sehr schön ist am freiwilligen Engagement in Bezug auf die Demokratie, dass es ja auch ein Mittel oder eine Möglichkeit ist, wie sich Menschen für die Gesellschaft einbringen können, die kein Wahlrecht haben. Gibt es ja auch nicht zu wenige in Österreich. Und es kann sich aber, da lehne ich mich jetzt vielleicht ein bisschen aus dem Fenster, aber in Wahrheit kann sich jeder Mensch engagieren. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, es kann ich von zu Hause aus machen, es kann ich digital machen. Vor kurzem habe ich mit einem Tiroler Freiwilligen gesprochen, ein recht engagierter, älterer Mann er ist über 70, der organisiert Lernunterstützung für Kinder im Raum Innsbruck. Und er hat gesagt, solange ich noch, ich kann jetzt den Tiroler Akzent nicht so gut nachmachen, aber solange ich noch psychisch gesund bin, so lange kann ich es machen, weil das kann ich sogar im Liegen noch tun, hat er gesagt. Das ist einfach so ein schönes Zeichen, dass wirklich jeder da durch das Engagement die Möglichkeit nützen kann, sich einzubringen. Und wir haben auch über den Sozialstaat gesprochen. Unser Standpunkt ist da ganz klar, also das freiwillige Engagement kann im Sozialstaat immer nur eine Ergänzung sein und kann niemals ein Ersatz für soziale Dienstleistungen oder so weiter sein. Es kann aber einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass das Leben vieler Menschen einfach lebenswerter, bunter, vielfältiger wird und auch Menschen zusammenkommen, die sich sonst nicht treffen würden, wenn sie nicht durch ihr Engagement in irgendeiner Form eine Verbindung zueinander bekommen hätten.
LUKÁŠ: Jetzt stelle ich eine Frage, die sich mir aufdrängt in diesem ganzen Zusammenhang. Und zwar, da wird ganz viel geschaffen, aber ohne die direkte Gegenleistung von Geld. Was hat denn das für eine Bedeutung?
PLÖCHL: Manche haben immer das Gefühl, warum machen die denn das, obwohl sie keine Bezahlung kriegen? Allerdings kriegen wir ganz oft das Feedback von Freiwilligen, dass gerade das das Schöne ist, weil man da sehr ungezwungen das machen kann, wo man selber einen Sinn drinnen sieht, wo man selber Wirkung erzeugen kann und genau das vorantreiben kann, was einem wichtig ist. Und da braucht es auch kein Geld dafür, weil die Anerkennung im Freiwilligen-Bereich einfach auf einer anderen Ebene stattfindet. Wenn jemand sagt, danke, dass du heute da bist, danke, dass wir was gemeinsam machen, ist das total wertvoll. Oder auch andere Anerkennungsmöglichkeiten. Manche Freiwillige freuen sich, wenn dann der Bürgermeister eine Ehrennadel austeilt zum Beispiel, auch das gibt es. Oder eine kleine Karte zum Geburtstag oder mal eine Einladung für eine Veranstaltung. Und das ist für die Menschen oft viel wesentlicher oder auch Teil einer Gemeinschaft sein zum Beispiel. Und da bin ich in einem Verein eingebunden, in einer Sozialorganisation mit dabei. Das wiegt oft viel, viel mehr als das Geld und das könnte man oft gar nicht bezahlen, um das aufzuwiegen, diese Effekte.
LUKÁŠ: Herr Kargel, Welche Erfahrungen haben denn Sie als Mentor gesammelt, die Sie so wahrscheinlich nicht gemacht hätten?
KARGEL: Erstens einmal einen Einblick in eine Familie zu bekommen, den Einblick individuell in das Leben eines 14-Jährigen zu bekommen. Aber auch zu schauen, was gibt es da für Probleme, was gibt es für Sehnsüchte, was gibt es für Wünsche? Wie tickt jemand, der in Wien gerade 14 ist? Und ich denke mal, das sind Einblicke, die kann man nicht mit Geld bezahlen. Und das bereichert mich auch und es erweitert auch meine Perspektive und meinen Horizont, die Probleme, Sorgen, aber auch vielleicht die Wünsche und Hoffnungen der heutigen Jugend ein bisschen besser verstehen zu können.
LUKÁŠ: Gibt es für Sie ein Erlebnis, das Sie vielleicht mit uns teilen möchten, das besonders hervorgestochen hat?
KARGEL: Also ich habe es ja am Anfang schon ein bisschen erwähnt, dass auch manchmal Aggression ein bisschen eine Rolle bei meinem Mentee auch spielt. In einem der vielen Gespräche, die wir geführt haben, habe ich ihm so ein paar Strategien mitgegeben oder erzählt, wo ich mir vorstellen kann, dass man kurzfristig die Aggression ein bisschen in den Griff bekommt. Und bei einem der nächsten Treffen hat er mir dann erzählt, es hat wieder Streit mit jemandem aus der Klasse mit ihm gegeben und er hat dann versucht, wirklich aus dieser Konfliktsituation herauszugehen. Er ist auf die Toilette gegangen, hat seinen Aggressionsball genommen und hat wirklich das so oft gepumpt, bis es ihm kurzfristig dann besser gegangen ist. Und auch die Idee, sich so eine Glaswand vorzustellen, dass das ihn als Person gar nicht betrifft. Natürlich, das ist jetzt eine Situation, die nicht immer abrufbar ist. Aber für ihn, glaube ich, war es ein Erfolgserlebnis, einmal zu sehen, ich muss nicht immer zurückschlagen, um einer Situation zu entgehen.
PLÖCHL: Das war für dich wahrscheinlich auch extrem schön, oder? Dass du gemerkt hast, er hat das angehört.
KARGEL: Das war für mich auch schön. Ich weiß ganz genau, so realistisch bin ich, dass ich weiß, das ist auch keine Lösung, die für immer gilt. Aber dass er das in einem Gespräch so gefiltert hat, dass er mitgekriegt hat, okay, ich versuche das jetzt anzuwenden und es funktioniert auch.
LUKÁŠ: Das ist natürlich toll. Ich wollte eh fragen, aber jetzt haben Sie die Frage schon ein bisschen mitbeantwortet, was Ihnen wichtig ist, das Sie diesen Jugendlichen mitgeben. Geht es auch um Werte?
KARGEL: Natürlich. Natürlich geht es um Werte. Gerade in einer Zeit, denke ich mal, wo Soziale Medien immer mehr eine Rolle spielen, wo es um Schönheit, Geld und Macht geht, denke ich mir, ist es mir zumindest wichtig, auch mitzuteilen, dass es nicht Schönheit, nicht Geld und auch nicht Macht braucht, um erfolgreich zu sein bzw. ein erfülltes Leben zu haben. Sondern dass es vielmehr um Fleiß und Menschlichkeit geht, egal woher man kommt und was man hat oder nicht hat.
LUKÁŠ: Frau Plöchl, Ihrer Meinung nach, jetzt haben Sie jeden Tag den ganzen Tag mit Ehrenamt zu tun. Ihrer Meinung nach, wird das neben dieser Staatspreis-Sause, die offensichtlich herrlich war, genug gewürdigt?
PLÖCHL: Ja, gute Frage. Ich würde sagen, man kann nie genug Wertschätzung und Anerkennung für freiwilliges Engagement bieten, weil es einfach total was Wertvolles für uns in der Gesellschaft ist, wenn Menschen sich freiwillig engagieren. Und es gibt so Anerkennungsfeiern, aber viel wesentlicher ist die Anerkennung zwischendurch und das Zeigen, es ist toll, was du machst, es ist toll, dass du dich engagierst. Es sind ja auch da wiederum die Menschen so unterschiedlich wie der Freiwilligen-Bereich. Es gibt ja Leute, die eben total eine Freude damit haben, wenn jemand sie ehrt. Es gibt aber auch die Menschen, die das unangenehm finden und die sich wiederum viel mehr durch das Engagement selbst dann die Wertschätzung holen und dadurch, dass sie sehen, dass sie wirksam sind zum Beispiel, sich total anerkannt fühlen in ihrem Tun. Aber meiner Meinung nach könnte man immer mehr Anerkennung auch bieten als aktuell noch gegeben wird.
LUKÁŠ: Was würden Sie sich denn jetzt konkret von der Politik bzw. von der Gesellschaft in Bezug auf die Anerkennung von Freiwilligenarbeit bzw. überhaupt für das Feld von Freiwilligenarbeit wünschen?
PLÖCHL: Das ist eine sehr schöne Frage und ich freue mich, dass wir darüber reden können. Weil was für uns ja auch wichtig ist, ist, dass freiwilliges Engagement auch Hauptamt braucht. Die nachhaltigste Engagement-Förderung ist in Wahrheit, wenn man Strukturen schafft, auch mit finanziellen Ressourcen ausgestattete Strukturen, die das Engagement koordinieren, die für Freiwillige da sind, wenn sie mal was brauchen, die an Freiwilligen-Gewinnung zum Beispiel denken, aber auch dann in der Bindung, in der Begleitung, in der Anerkennung eine wesentliche Rolle spielen. Und da braucht es einfach auch hauptamtliche Strukturen. Und das wäre natürlich fantastisch, wenn die noch mehr ausgebaut werden würden und da einfach auch mehr finanzielle Ressourcen dafür zur Verfügung stehen würden, um diese Strukturen gut zu gestalten und aufzubauen.
LUKÁŠ: Herr Kargel, jetzt hat ja die Frau Plöchl sehr schön gesagt, was sie sich für die Freiwilligenarbeit von der Politik bzw. der Gesellschaft wünschen würde. Hätten Sie auch einen Wunsch, den Sie hier in dieser Folge deponieren möchten?
KARGEL: Wünsche gibt es immer viele. Ob sie erfüllt werden, ist was anderes. Aber zuerst muss ich eigentlich sagen, dass ich ja nur stellvertretend für so viele andere stehe jetzt hier und Österreich, glaube ich, ein Land ist, das sehr leicht immer grantelt und sich über etwas aufregt. Aber ich glaube, dass wir trotzdem ein Land sind, wo auch so viel Freiwilligenarbeit passiert und wo es so viele Menschen gibt, die sich ehrenamtlich engagieren und dass ich da sehr stolz sein darf, in diesem Land auch leben zu dürfen und zu können. Das finde ich ganz, ganz toll, das muss ich dazu sagen.
PLÖCHL: Ich würde gerne kurz, wenn es passt, aufmerksam machen, dass da neben uns gerade freiwilliges Engagement stattfindet. Eine kleine Kundgebung, Demonstration, wo für persönliche Assistenz für alle sich eingesetzt wird. Ich finde, das ist so ein schönes Zeichen, wie in Österreich einfach eine Demokratie stattfindet. Dass Menschen, denen etwas wichtig ist, sich zusammenschließen, gemeinsam auf die Straße gehen. Das ist ja auch mit Aufwand verbunden und ich bin mir ziemlich sicher, da wird niemand bezahlt dafür, heute da zu sein. Sondern die investieren ihre Zeit, haben Möbel mitgenommen, Tische, Sessel, Plakate, um da einfach ihr Thema unterzubringen und Demokratie mitzugestalten mit dem, was ihnen wichtig ist. Und das finde ich voll schön als Beispiel, dass wir da heute vorbeigehen.
LUKÁŠ: Ganz viele Rollstuhlfahrerinnen sind da. Österreich-Fahne. Auch eine patriotische Veranstaltung. Ist klar adressiert, wer hier was ändern soll. Ja, das stimmt. Ist ein schönes Beispiel eigentlich für ein demokratisches Aufzeigen von Freiwilligen.
KARGEL: Und dass es möglich auch ist. In jedem Land ist es nicht möglich, dass ich sage, ich stelle mich auf die Straße und zeige auf, was vielleicht nicht so gut rennt. Auch das muss man sagen.
PLÖCHL: Und das ist eine Form der Demokratie, genauso wie es auch demokratisch ist, wenn jemand in ein Lerncafé zum Beispiel zum Lernen mit Kindern geht. Das ist auch ein demokratisches Mittel, weil man da für Chancengleichheit arbeitet zum Beispiel.
LUKÁŠ: Ich würde vorschlagen für unsere letzten zwei Fragen gehen wir über die Stiege runter Richtung Top Kino, denn alle Gymnasiastinnen und Gymnasiasten sind nun in der Schule.
KARGEL: Oder im Kino oder wo auch immer.
LUKÁŠ: Bagger können dort nicht fahren. Und dann nutzen wir die Gunst der Stunde. Frau Plöchl, ich habe ja eingangs die Erhebung des Sozialministeriums erwähnt. Und wer die Erhebung in Gänze lesen möchte, die verlinken wir natürlich in unseren Shownotes, also in unserer Folgenbeschreibung. Und in der Erhebung werden zwischen formeller und informeller Freiwilligenarbeit unterschieden. Jetzt sagt das einem Normalsterblichen halt gar nichts. Was ist denn da der Unterschied?
PLÖCHL: Ja, das ist ganz leicht erklärt. Also das formelle Engagement, da gibt es gewisse Strukturen, Rahmenbedingungen rundherum im Rahmen von einer Organisation. Das kann jetzt sein bei größeren Trägern wie Caritas, Volkshilfe, Diakonie, Werk Rotes Kreuz, die man eh so kennt. Oder auch in kleineren Organisationen wie der Mentoring-Einrichtung Younus zum Beispiel, wo einfach jemand da ist, der diese Strukturen bietet. Auch im Rahmen eines Vereins, auch das ist formelles Engagement, weil es diese Vereinsstruktur gibt. Das informelle Engagement ist das, was so in der Nachbarschaft, so nebenher im Alltag stattfindet. Das heißt, wenn ich meiner Nachbarin hin und wieder mal einen schweren Einkauf mitnehme, wenn ich Blumen gieße für wen anderen, weil die oder der gerade im Urlaub ist, immer außerhalb des eigenen Haushalts und außerhalb der Familie, das muss man schon ein bisschen trennen, aber so Nachbarschaftshilfe ist ein klassisches Beispiel für das informelle Engagement. Und all diese Dinge sind eben auch im Freiwilligenbericht, das ist diese Studie, von der wir gesprochen haben, sind da gut dargestellt und mit anderen interessanten Zahlen, Daten, Fakten rund ums Freiwilligenengagement in Österreich.
LUKÁŠ: Und jetzt ist es aber so, dass wenn man sich mehrere Berichte hintereinander anschaut, dann kann man sehen, dass die formelle, also die offiziell gemachte Freiwilligenarbeit in Organisationen und Vereinen sinkt in den letzten Jahren. Das freiwillige Engagement wird aber nicht weniger, weil die informelle Säule dafür steigt. Wodurch wird das bedingt? Was hat das ausgelöst? Was kann man da gesellschaftlich ablesen?
PLÖCHL: Ich glaube, das hat mit gesellschaftlichen Entwicklungen zu tun, weil sich Freiwillige weniger als früher vielleicht noch in starren Rahmenbedingungen eingliedern wollen und da mehr so ungezwungenere ´, flexiblere Engagement-Möglichkeiten schätzen. Die Studie nimmt auch noch die Zeit mit, wo zum Beispiel in der Pandemie viel Nachbarschaftshilfe geleistet worden ist. Auch das bildet sich natürlich ab. Ich finde das überhaupt nicht schlimm, sondern ich finde es total schön, weil insgesamt, also im Vergleich der letzten 20 Jahre, ist das Engagement, glaube ich, der Bevölkerung nur mehr um fünf Prozent gestiegen. Das heißt, fast die Hälfte aller Österreicher:innen engagiert sich. Es ist meiner Meinung nach jetzt nicht so relevant, ob das jetzt im informellen oder im formellen Bereich ist. Hauptsache die Leute setzen sich für andere ein und gestalten dadurch ihr eigenes Leben mit, das Leben anderer und unserer Gesellschaft im Gesamten.
LUKÁŠ: Okay, dann kann man sagen, also die Freiwilligenarbeit bleibt eh das Gleiche, aber für Sie in der Vernetzung macht es das schwieriger, oder? Wenn die Leute es eher so untereinander regeln.
PLÖCHL: Es macht es anders, weil wir als Servicestelle wollen ja einfach Unterstützung bieten für jede Form des Engagements. Das heißt, wir werden auf unserer Website auch genauso Wissensangebote haben oder sind da auch genauso für die informellen Rahmenbedingungen da, wo wir dann schauen, was gibt es an Versicherungsmöglichkeiten an rechtlichen Rahmenbedingungen, auf was muss man aufpassen, in der Nachbarschaftshilfe zum Beispiel. Und es wird sich einfach das Angebot ein bisschen ändern, aber es wird uns genauso brauchen. Und wir freuen uns eben auch, auf dieser Gruppe Unterstützung leisten zu können.
LUKÁŠ: Kann man da eigentlich auch Social Media gut nutzen?
PLÖCHL: Ja, definitiv sind wir auf den Plattformen, die es so gibt, überall aktiv.
LUKÁŠ: Das ist natürlich gut, um so Communities miteinzubeziehen oder eigene Communities zu finden vielleicht.
PLÖCHL: Wir machen auch auf Social Media immer unser Projekt der Woche sichtbar, wo wir auch ganz verschiedenste Angebote aus dem Freiwilligen-Bereich sichtbar machen. Auch da kann man sich natürlich immer durchschmökern und schauen, was gibt es denn alles so an tollen Sachen.
LUKÁŠ: Genau. Bevor wir jetzt von Ihnen dann noch die Informationen kriegen, wo man sich überall hinwenden kann und wie man quasi sich selbst freiwillig engagieren kann, stelle ich dem Herrn Kargel noch die Abschlussfrage: Wollen Sie für uns nochmal zusammenfassen, warum macht es Sinn, sich freiwillig zu engagieren?
KARGEL: Ich glaube, es macht immer Sinn, sich freiwillig zu engagieren. Es sind so, so viele positive Aspekte da drinnen und man bekommt so viel auch wieder zurück. Und ich kann wirklich nur appellieren, es gibt ja so eine Bandbreite und Palette an Tätigkeiten. Ich glaube, da findet sich jeder irgendwo wieder. Und wer wirklich ein bisschen Freizeit hat oder ein bisschen Herz und Offenheit mitbringt, ist da sicher sehr gut beraten und kriegt auch, wie gesagt, sehr, sehr viel wieder zurück.
LUKÁŠ: Und wenn Sie jetzt nicht bei Younus wären, welche Organisation oder welche Gruppe von Menschen wäre noch möglich für Sie, dass Sie sich vorstellen könnten, ah, da könnte ich mich auch engagieren?
KARGEL: Ich muss jetzt widersprechen, es wäre keine Gruppe an Menschen, ich mache es gern, aber ich würde mich auch für den Tierschutz organisieren.
LUKÁŠ: Für den Tierschutz?
KARGEL: Ja, schon. Das wäre auch noch so ein großer Bereich, der mich interessieren würde. Es müssen nicht immer Menschen sein. Wie gesagt, es gibt so eine große Palette an Tätigkeiten, wo man sich engagieren kann, dass da sicher jeder was findet.
LUKÁŠ: Danke, Herr Kargel. Ich wäre ja gern Lesepatin und darum…
PLÖCHL: Auch da gibt es Angebote natürlich.
LUKÁŠ: Ich weiß, aber wo finde ich die, Frau Plöchl? Was muss ich tun, um mich zu informieren?
PLÖCHL: Genau, also natürlich hat nicht jeder den totalen Überblick, was in der Nachbarschaft, in der Umgebung stattfindet. Da können wir eben auf unserer Plattform freiwillig-engagiert.at erste Orientierung bieten. Oder auch dann an regionale Freiwilligenzentren weitervermitteln, weil es gibt in vielen Bundesländern Freiwilligenzentren, die wiederum im Bundesland dann die Freiwilligenlandschaft perfekt kennen und die dann wissen, wo es eben zum Beispiel eine Lesepatenschaftmöglichkeit gibt und so weiter. Und auch da schauen wir erstens, das sichtbar zu machen, aber auch persönlich dann zu beraten und weiter zu schicken, um dann bei der geeigneten Organisation gut andocken zu können.
LUKÁŠ: Danke Ihnen beiden für diesen Spaziergang und für ein bisschen durch die Stadt laufen.
KARGEL: Ich danke auch. Es war eine große Bereicherung und ein sehr, sehr nettes Gespräch.
LUKÁŠ: Danke.
PLÖCHL: Vielen Dank.
LUKÁŠ: Danke für die Infos und die persönlichen Einblicke. Es ist toll, wenn das jemand aus der Erfahrung heraus erzählt. Super, dann danke für das interessante Gespräch und das war es auch schon wieder mit "Rund ums Parlament". Ich hoffe, euch hat diese Folge gefallen und wenn ja, dann empfehlt uns doch gerne einer Person, die diese Folge ebenfalls spannend findet, beziehungsweise sich einfach freiwillig engagieren will in diesem Fall. Und lasst uns auch gerne ein Abo da, dann verpasst ihr garantiert auch die nächste Folge nicht. Außerdem findet ihr dort über 70 Episoden inzwischen mit spannenden Gesprächen von "Rund ums Parlament". Nächstes Mal geht es dann um Religion und Kirche in der Demokratie. Sind wir schon sehr gespannt, was wir da erfahren. Wird es vielleicht auch ein bisschen um Freiwilligenarbeit gehen, richtig, in diesem Kontext? Falls ihr Fragen, Kritik oder Anregungen zum Podcast habt, dann schreibt uns gerne eine E-Mail an podcast@parlament.gv.at und schaut auch gerne mal auf unserer Website oder den Social-Media-Kanälen des österreichischen Parlaments vorbei. Also, ich freue mich schon auf die nächste Folge mit euch. In diesem Sinne sage ich vielen Dank fürs Zuhören. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Wir hören uns.
Jingle: Rund ums Parlament. Der Podcast des österreichischen Parlaments.