News 07.07.2025, 12:59

80 70 30: Hilda Rothe rettet die Parlamentsbibliothek

Aufgrund der fehlenden Fenster hatte die Bibliothek im Sommer 1945 immer wieder ungebetenen Besuch. Sowjetische Soldaten suchten nach Papier und rissen, wie Rothe sich beklagte, ganze Bündel von Seiten aus den Büchern. Vermutlich verwendeten sie das Papier für ihre selbstgedrehten Zigaretten.

Päckchen des sowjetischen Rauchtabaks "Machorka", gefunden bei Renovierungsarbeiten im Palais Epstein.

Die Bibliothekarin bewacht den Bücherschatz des Parlaments

Die Gebäudeverwaltung des Parlaments wies im Sommer 1945 der Bibliothekarin ein Zimmer in der Parlamentsbibliothek als Wohnung zu. Damit wurde Hilda Rothe (1893–1967), die bereits seit 1920 in der Parlamentsbibliothek arbeitete, zur Hüterin einer Fachbibliothek mit einem einzigartigen Bestand an Büchern und Dokumenten. Dass dieser zu diesem Zeitpunkt noch immer vor Ort war, ist vor allem Rothe zu verdanken. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme war die Bibliothek der "Administrativen Bibliothek" des ehemaligen Bundeskanzleramts untergeordnet worden und hätte mit dieser in der "Verwaltungsbibliothek in Wien" aufgehen sollen. Mit hartnäckigen Eingaben verhinderte Rothe bis 1945, dass Bücher oder wertvolle historische Dokumente anderen Einrichtungen "überlassen" wurden.

Schwierige Arbeitsbedingungen

Der Kampf um die Eigenständigkeit der Bibliothek war aber 1945 noch nicht vorbei. Noch nach Kriegsende ließ der Leiter der "Administrativen Bibliothek" Bücher abtransportieren. Rothe intervenierte erfolgreich für ihre Rückgabe. Unter schwierigsten Bedingungen sorgte sie dann dafür, dass die Bibliothek im Dezember 1945 wieder den Mandatar:innen des Hohen Hauses zur Verfügung stand. Die Fenster ihrer Arbeitsräume waren bis in den Winter hinein ohne Glas. Es gab auch keine Heizung und nur mangelhafte Beleuchtung.

Das einzige bekannte Porträt von Hilda Rothe (1893-1967) in der Parlamentsbibliothek.

Teilweise Anerkennung der Leistungen

Trotz ihrer Leistungen wurde Hilda Rothe nie offiziell die Leitung der Bibliothek übertragen. Für die erbrachten persönlichen Opfer und ihren "unerschrockenen Einsatz" für die Parlamentsbibliothek erhielt "Frau Oberstaatsbibliothekar i. R. Dr. phil. Hilda Rothe" 1956, nach ihrer Pensionierung, das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.