News 10.09.2025, 11:41

Was steckt hinter hartnäckigen Mythen über die EU?

Mythen sind nicht nur harmlose Missverständnisse, sondern prägen das Bild der Europäischen Union oft stark. Patrick Lobis, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, und Sophie Velberg, Leiterin der Verbindungsstelle der Parlamentsdirektion in Brüssel, beleuchten, wie solche Mythen entstehen, warum sie wirksam sind und wie ihnen begegnet werden kann.

Velberg begegnet in ihrer täglichen Arbeit neben langjährigen Mythen wie der "Gurkenkrümmung" auch der von vielen empfundenen "Regelungswut der EU". Diese Narrative seien von großer Relevanz, da sie das Bild der EU prägen und Vertrauen oder Misstrauen in die europäische Zusammenarbeit beeinflussen können, erklärt die Verbindungsbeamtin. Lobis wird wiederum oft mit der Vorstellung vieler Menschen konfrontiert, dass in Brüssel "über die Köpfe" der Bürgerinnen und Bürger hinweg entschieden wird. Diese Vorstellung treffe ganz und gar nicht zu, sagt Lobis, zumal keine einzige Rechtsnorm auf EU-Ebene zustande komme, ohne dass die Mitgliedstaaten entscheiden und die direkt gewählten EU-Abgeordneten involviert seien.

Wie Mythen entstehen: Von fehlenden Informationen bis zu gezielter Desinformation

Aus Sicht von Velberg sind Mythen häufig vereinfachte Erzählungen, die komplexe Politik vermeintlich greifbarer machen. "Dies geschieht manchmal zugespitzt, manchmal verzerrt und oft basierend auf verkürzten Informationen, die man durch Medien erhält oder weil man sich nicht ausreichend Zeit nimmt, tiefer in Sachverhalte einzudringen."

Mythen können aus Sicht von Lobis aufgrund fehlender Informationen entstehen. Andererseits gebe es aber auch den Bereich der gezielt gestreuten und gesetzten Desinformationen. Solche Falschinformationen würden willentlich verbreitet, um zu destabilisieren und ein Gefühl der Unsicherheit und des Misstrauens zu säen.

Die Rolle von Zivilgesellschaft und Bildung im Kampf gegen EU-Mythen

Die Europäische Union begegnet diesen Mythen durch eine umfassende Informationsarbeit, Aufklärungskampagnen und den Versuch, Transparenz zu schaffen. Es wird aktiv auf Mythen reagiert, um ein verzerrtes Bild mit Fakten klarzustellen. Dies geschieht über klassische Medien, aber auch online und in Social Media, wo gezielt in Communities gegangen wird, um Mythen direkt anzusprechen und mit Fakten zu widerlegen, sagt Lobis. Eine bedeutende Rolle schreibt er dabei der Zivilgesellschaft zu. Unabhängige Dritte spielen ihm zufolge eine zentrale Rolle, indem sie den konstruktiven öffentlichen Diskurs fördern und genau prüfen, was Fakt und was Fiktion ist.

Defizitverfahren: Regeln, die Österreich selbst mitgestaltet hat

Auch die Wahrnehmung, dass "Brüssel über uns bestimmt", ist ein Narrativ, das sich in Österreich und anderen Mitgliedstaaten hartnäckig hält. Das EU-Defizitverfahren, bei dem sich manche Menschen in Österreich "besachwaltet" fühlen, ist ein Beispiel dafür, wie eng Emotion und Politik hier zusammenhängen. Es geht mit dem Mythos einher, dass die EU alles zentral steuert.

Die beiden EU-Experten betonen dabei, dass nicht die EU von oben herab diktiere, sondern die Mitgliedstaaten diese Regeln gemeinsam beschlossen haben. Österreich sei selbst maßgeblich daran beteiligt gewesen, diese Regeln zu etablieren, so Lobis. Denn ein übermäßiges Defizit von über 3 % sei langfristig schädlich für die nationale Wirtschaft und die gesamte Gemeinschaft.

Velberg erklärt, dass ein Defizitverfahren verstärkte Berichtspflichten für ein Land bedeutet, aber nicht, dass es unter Sachwalterschaft gestellt wird.