Eines gleich vorweg. Für die Abschaffung der Neutralität sprach sich beim Symposium niemand aus: Weder die geladenen Expertinnen und Experten noch die Vertreterinnen und Vertreter der Politik. Die Neutralität müsse aber weiterentwickelt und an die aktuelle Situation angepasst werden, so der weit verbreitete Tenor.
Symposium: Neutralität als Ikone oder Auslaufmodell?
Schwieriger Spagat
Dass die Politik dabei einen "schwierigen Spagat" zu bewältigen hat, darauf wies der Völkerrechtsexperte Peter Hipold hin. Werde doch von der einen Seite mehr Neutralität und von anderen – vor allem vor dem Hintergrund der Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union und der damit einhergehenden Solidaritätsverpflichtung – weniger Neutralität gefordert. Es brauche jedenfalls eine ehrliche Diskussion über die Weiterentwicklung der Neutralität, mahnte er.
Unterschiedliche Meinungen von Expertenseite gab es darüber, inwieweit die Teilnahme Österreichs am Luftverteidigungssystem Sky Shield mit der Neutralität vereinbar ist. Während etwa Hipold Zweifel daran äußerte, dass es sich bei Sky Shield tatsächlich nur um eine Einkaufsplattform handle, hob Joachim Adler vom Schweizer Department für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport hervor, dass das Vertragswerk nichts enthalte, was mit der Neutralität unvereinbar wäre. Internationale Kooperationen seien für die Verteidigungsfähigkeit wichtig, das gelte auch für ein neutrales Land wie die Schweiz, bekräftigte er. Neutralität sei kein Selbstzweck, sondern ein sicherheitspolitisches Instrument. Je starrer die Neutralitätspolitik sei, desto schwieriger sei es, auf aktuelle Herausforderungen zu reagieren, zumal es heutzutage hybride Bedrohungen gebe.
Bei einer Podiumsdiskussion diskutierten Abgeordnete aller Parlamentsfraktionen ihre Standpunkte zur Neutralität.
Riniker: Neutralität muss laufend weiterentwickelt werden
Auch die Schweizer Nationalratspräsidentin Maja Riniker und General a.D. Robert Brieger sprachen sich für eine zeitgemäße Interpretation bzw. Weiterentwicklung der Neutralität aus. Die Neutralität müsse laufend weiterentwickelt werden, um ihre Strahlkraft zu behalten, sagte Riniker. Zudem sei es wichtig, dass die Neutralität glaubwürdig und militärisch abgesichert sei und für andere Staaten einen erkennbaren Mehrwert schaffe.
Ähnlich argumentierten auch SPÖ, ÖVP, NEOS und Grüne in einer Podiumsdiskussion. Ihrer Meinung nach ist die Neutralität kein Hindernis, um an der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU teilzunehmen. Neutralität "im strengsten Sinn" würde Isolation bedeuten, hielt etwa Grünen-Abgeordneter David Stögmüller fest. Unzufrieden mit der aktuellen Entwicklung äußerte sich hingegen FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst: Sie warf der Regierung vor, die Neutralität "Stück für Stück abzutragen", obwohl diese völkerrechtlich verbindlich sei.
Nationalratspräsident Walter Rosenkranz begrüßt die Schweizer Nationalratspräsidentin Maja Riniker im Parlament.
Rosenkranz: Neutralität war für Österreich Meilenstein
Eingeleitet worden war das Symposium von Nationalratspräsident Walter Rosenkranz. Er hob in seiner Eröffnungsrede hervor, dass die Neutralität ein großer Meilenstein für Österreich gewesen sei und noch immer "etwas ganz Besonderes" darstelle. Österreich sei aufgrund seiner Neutralität viele Jahre Ort internationaler Verhandlungen gewesen, erinnerte Rosenkranz und betonte, er höre vielerorts den Wunsch, dass Österreich diesen Status wieder erreichen solle.
Weitere Informationen
- Transkript zur Veranstaltung „70 Jahre Neutralitätsgesetz“
- Parlamentskorrespondenz zu den Eröffnungsworten von Nationalratspräsident Rosenkranz und Nationalratspräsidentin Riniker
- Parlamentskorrespondenz zu den Expertenreferaten und zur Podiumsdiskussion
- Mitschnitt der Veranstaltung in der Mediathek
-
Fotoalbum zur Veranstaltung
- Nachschau zur Veranstaltung