News 19.07.2024, 12:08

Steiermark, Kärnten und Oberösterreich: Die "Swing States" von Österreich?

Sie sind knapp, wechselhaft und deshalb heiß umkämpft: die "Swing States" bei den US-Wahlen. Die demokratische und die republikanische Partei liegen in klassischen "Swing States" oft Kopf an Kopf, das Pendel schwingt einmal für die eine, dann wieder für die andere Partei aus. Nicht nur der Präsident, sondern auch die beiden Kammern des US-Kongresses werden nach dem Mehrheitsprinzip gewählt: Wer mehr Stimmen hat, bekommt den Sitz. Es liegt auf der Hand, dass auf Staaten mit wechselhaftem Wahlverhalten ein besonderes Augenmerk liegt. Aber wie ist das in Österreich?

Ob es so etwas wie "Swing States" auch in Österreich gebe, sei natürlich eine Frage der Definition, sagt Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle. Man könne sich über die Frage annähern, welche Bundesländer wichtig für das Wahlergebnis sind. Denn abhängig von der Anzahl an Wahlberechtigten und knappen oder oft wechselnden Ergebnissen ist es sehr wohl bedeutsam, ob man ein Bundesland "drehen" kann. Für die Politologin sind hier die Steiermark, Kärnten und Oberösterreich besonders interessant.

Steiermark: Knappe Ergebnisse

Ein "klassischer Swing State auch nach US-amerikanischer Definition" ist laut Stainer-Hämmerle die Steiermark. Denn hier liegen die Parteien oft sehr knapp beieinander. Bei der Nationalratswahl 2006 etwa ist die ÖVP auf 37,5 % und die SPÖ auf 37,2 % gekommen. Auch bei der Wahl 2008 lagen nur knapp 3 % zwischen der SPÖ (29,3 %) und der ÖVP (26,2 %). In der Wahl darauf entschied die FPÖ das knappe Rennen mit 24,05 % für sich, während die SPÖ 23,8 % in der Steiermark erreichte.

Kärnten: Viele Wechsel

Definiert man das österreichische Äquivalent eines "Swing States" als Bundesland, in dem die stärkste Partei oft wechselt, stößt man auf Kärnten. Alleine bei den letzten drei Nationalratswahlen holte jeweils eine andere Partei den ersten Platz im Bundesland. 2013 lag die SPÖ an Platz eins (32,4 %), 2017 die FPÖ (31,8 %) und 2019 die ÖVP (34,9 %). "Hier gab es kein knappes Rennen, sondern sehr starke Schwankungen", sagt Stainer-Hämmerle. Die ÖVP habe sich etwa von 15,2 % im Jahr 2013 binnen zwei Wahlgängen auf fast 35 % im Jahr 2019 "hochgearbeitet".

Oberösterreich: Abweichungen zwischen Bund und Land

Im Unterschied zu Kärnten wird in Oberösterreich bei Nationalratswahlen relativ konstant gewählt. 2006, 2008 und 2013 lag die SPÖ an der ersten Stelle, 2017 und 2019 die ÖVP. Allerdings wich die Nummer eins hier öfters von den Machtverhältnissen auf Landesebene ab. Bei Landtagswahlen sei in diesem Zeitraum durchgängig die ÖVP auf Platz eins gelegen, erklärt Stainer-Hämmerle.

Besonderes Augenmerk auf "Swing States" im Wahlkampf

Im Wahlkampf werden die "Swing States" in den USA zu "Battleground States". Hier wird also besonders hart um Stimmen gekämpft. Schließlich wollen Vertreter:innen beider Parteien das offene Rennen für sich entscheiden.

Auch in Österreich haben Bundesländer und Regionen mit wechselndem Wahlverhalten eine Bedeutung im Wahlkampf, insbesondere, was den Einsatz von Ressourcen betrifft, erläutert Kathrin Stainer-Hämmerle. "Man muss sich überlegen, wo es sinnvoll ist, viele Plakate aufzuhängen, Veranstaltungen zu organisieren oder Hausbesuche zu machen. Da schaut man sich schon an, wo man noch Potenzial hat", sagt die Politologin.

Und obwohl in Österreich nach dem Verhältniswahlrecht gewählt wird, machen regionale Schwankungen laut Stainer-Hämmerle auch für die Kandidat:innen selbst einen großen Unterschied. Denn im ersten Ermittlungsverfahren geht es um Direktmandate. Die Kandidat:innen rittern um ein Mandat in der Region. Das könne man durchaus mit dem Mehrheitswahlsystem der USA vergleichen, nur dass es in Österreich nicht für jeden Sitz im Nationalrat einen eigenen Wahlkreis gibt.

Sichere Siege?

Gibt es nun Bundesländer, in denen bestimmte Parteien fix mit einem Sieg rechnen können? Wenig bis keine Schwankungen findet man, wenn man sich die stimmenstärkste Partei bei Nationalratswahlen in Wien, Tirol und Vorarlberg ansieht. In Wien liegt die SPÖ konstant auf Platz eins, in Tirol und Vorarlberg die ÖVP. Auch in Niederösterreich und Salzburg dominiert über viele Wahlen hinweg die Volkspartei.

Dennoch: Der Nummer eins könne sich keine Partei in keinem Bundesland mehr sicher sein, sagt die Expertin. "Das gibt es nicht mehr, dass jemand ein Leben lang über alle Ebenen immer eine Partei wählt", so Stainer-Hämmerle zur schwindenden Stammwählerschaft.