Nationalrat verabschiedet sich mit mehr als 30 Gesetzesbeschlüssen aus der Hofburg
Mehr als 30 Gesetzesbeschlüsse hat der Nationalrat zum Ende des Jahres 2022 gefasst. Unter anderem haben die Abgeordneten die Abschöpfung übermäßiger Gewinne von Energiekonzernen beschlossen und den Weg für weitere Teile der Pflegereform geebnet. Künftig werden alle Beschäftigten im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege ab dem 43. Lebensjahr eine sechste Urlaubswoche erhalten. Außerdem sind ein jährlicher Bonus von 1.500 € für pflegende Angehörige mit niedrigem Einkommen und einheitliche Zeitguthaben für Nachtdienste in Pflegeheimen vorgesehen.
In Reaktion auf die Energiekrise haben sich ÖVP, SPÖ und Grüne darüber hinaus kurzfristig auf staatliche Zuschüsse in Millionenhöhe zur Abfederung der stark gestiegenen Kosten für Netzverlustenergie verständigt. Zudem soll ein neues Stromverbrauchsreduktionsgesetz dazu beitragen, den Stromverbrauch in Spitzenzeiten zu deckeln. Die von Privathaushalten zu zahlende Ökostrom-Pauschale wird auch 2023 ausgesetzt. Durch ergänzende Bestimmungen im Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz wird überdies sichergestellt, dass Haushalte weiterhin mit Strom versorgt werden, wenn ein Anbieter den Markt verlässt und der Kunde bzw. die Kundin zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung noch keinen Vertrag mit einem neuen Lieferanten abgeschlossen hat.
Eine Novelle zum E-Control-Gesetz scheiterte hingegen an der notwendigen Zweidrittelmehrheit und wurde an den Wirtschaftsausschuss zurückverwiesen. Konkret geht es dabei um neue Informations-, Einsichts- und Entsendungsrechte für den Finanzminister bei der E-Control.
Höhere Grundvergütung für Grundwehrdiener und Zivildiener
Um den Wehrdienst bzw. den Wehrersatzdienst attraktiver zu machen, wird unter anderem die Grundvergütung für Rekruten und Zivildiener erhöht. Auch Polizeischüler:innen und Richteramtsanwärter:innen werden ab 2023 mehr Geld bekommen. Zudem sieht eine umfangreiche Dienstrechts-Novelle zahlreiche weitere Verbesserungen für den öffentlichen Dienst wie höhere Einstiegsgehälter für Vertragsbedienstete und eine Gleichstellung von Teilzeitbeschäftigten mit Vollzeitbeschäftigten bei der Vergütung von Überstunden vor. Auch der Gehaltsabschluss 2023 für den öffentlichen Dienst wurde von den Abgeordneten genehmigt: Durchschnittlich werden die Gehälter von Beamt:innen und Vertragsbediensteten demnach um 7,32 % steigen.
Auch in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurden wieder zahlreiche Beschlüsse gefasst. Das betrifft etwa die Beschaffung von COVID-19-Impfstoffen, die Bereithaltung eines Notvorrats an Schutzmasken und anderen medizinischen Materialien sowie die Abgabe kostenloser Antigentests durch Apotheken. Zudem wurde die Sonderbetreuungszeit bis zum Ende des Schuljahres 2022/23 verlängert. Auch der Einsatz von Videotechnologie bei Zivilprozessen und Verwaltungsverfahren bleibt weiterhin möglich.
Reform des Maßnahmenvollzugs
Aus dem Justizbereich standen außerdem erste Reformschritte im Maßnahmenvollzug für geistig abnorme Rechtsbrecher zur Diskussion. Überdies haben die Abgeordneten grünes Licht für eine Anhebung der pauschalen Reiseaufwandsentschädigung für Sportler:innen, einen neuen Aufsichtsrahmen für Wertpapierfirmen, ein erweitertes Beitragssystem für die AMA-Marketingbeiträge sowie ein Schulrechtspaket gegeben. Dieses bringt unter anderem zusätzliche Leistungsmessungen in Schulen ohne Notengebung und einen neuen Hochschullehrgang für Elementarpädagog:innen.
Mit einer Novelle zum Ärztegesetz wird in Reaktion auf ein VfGH-Urteil die Bewilligung ärztlicher Ausbildungsstätten neu geregelt. Zudem werden grenzüberschreitende Notarzt-Einsätze erleichtert und die Sonderfachbeschränkungen für die Durchführung von Impfungen aufgehoben. Damit ist es etwa in Hinkunft Kinderärzt:innen gestattet, auch die Eltern mitzuimpfen. Eine ASVG-Novelle stellt sicher, dass auch für privat zu bezahlende Medikamente wie hormonelle Verhütungsmittel ein E-Rezept ausgestellt werden kann. Einen neuen Anlauf hat der Nationalrat außerdem für die Einrichtung eines "Fachzahnarztes für Kieferorthopädie" unternommen, nachdem der ursprüngliche Gesetzesbeschluss am Einspruch dreier Bundesländer gescheitert war.
Neues Filmstandortgesetz
Weitere Beschlüsse betrafen eine Ausweitung der Filmförderung zur Stärkung des Filmstandorts Österreich, die Einrichtung einer neuen Fachstelle zur Wahrnehmung von Verbraucherinteressen in Normungsfragen und die Gewährung von Einmalzahlungen an Bezieher:innen von Opferrenten, die bisher noch keinen Teuerungsausgleich erhalten haben. Überdies wurden befristete Bestimmungen im Investitionskontrollgesetz verlängert, die Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld angehoben und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz in Zusammenhang mit der bevorstehenden Neubewertung der Einheitswerte land- und forstwirtschaftlicher Betriebe novelliert. Auch über mehrere Regierungsberichte wie den Gleichbehandlungsbericht und den Sportbericht, den ÖBB-Rahmenplan sowie über außenpolitische Fragen hat der Nationalrat beraten.
Dem Budgetausschuss und dem Wirtschaftsausschuss wurde zur Vorberatung mehrerer Gesetzesinitiativen - vorwiegend aus dem Energiebereich - eine Frist bis 8. bzw. 30. Jänner gesetzt.
In Form von Entschließungen verurteilten die Abgeordneten unter anderem den Einsatz von Hunger und Mangel als Kriegswaffe in der Ukraine durch Russland sowie das brutale Vorgehen gegen Demonstrant:innen im Iran. Zudem sind dem Nationalrat die Ausarbeitung eines Unterstützungsmodells für benachteiligte Kinder und Jugendliche in Zusammenhang mit Schulveranstaltungen, die automatische Implementierung vorhandener Fotos bei Beantragung eines Behindertenpasses, die langfristige Finanzierung von Verbraucherschutzorganisationen wie dem VKI, ein Importverbot von Hai-Produkten, die Erhebung der Menstruationsgesundheit in Österreich, der globale Schutz ethnischer, kultureller und religiöser Minderheiten und ein Friedensabkommen zwischen Armenien und Aserbaidschan ein Anliegen. Kritisch werden Neubaupläne für sogenannte Small Modular Reactors – also kleine Atomkraftwerke – in Tschechien bewertet.
Opposition fordert Neuwahlen
Die Opposition forderte unter anderem Neuwahlen, konnte sich mit zwei entsprechenden Initiativen jedoch nicht durchsetzen. Auch ein von der FPÖ eingebrachter Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung sowie ein Antrag der NEOS, Gesetzesvorhaben aus dem Zuständigkeitsbereich von Energie- und Umweltministerin Leonore Gewessler von der Tagesordnung abzusetzen, fanden keine Mehrheit. Hintergrund für diese Forderung war die Abwesenheit der Ministerin an allen drei Plenartagen, bedingt durch einen EU-Sonderministerrat in Brüssel sowie ihre Teilnahme an der internationalen Biodiversitäts-Konferenz in Montreal. Die Oppositionsparteien warfen Gewessler mangelnden Respekt gegenüber dem Parlament vor, zumal sie laut NEOS heuer für mehr als die Hälfte der Plenarsitzungen entschuldigt war. Eine erste Debatte gab es auch über einen FPÖ-Antrag, der auf die Schaffung einer Abwahlmöglichkeit von Nationalratspräsident:innen abzielt.
Auf Basis einer Dringlichen Anfrage der NEOS an Arbeitsminister Martin Kocher diskutierten die Abgeordneten über die vorerst gescheiterte Reform der Arbeitslosenunterstützung. Es brauche Maßnahmen, um dem Arbeitskräftemangel und der Langzeitarbeitslosigkeit entgegen zu wirken, mahnte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Für die Aktuelle Stunde hatte die FPÖ das Thema "Wohlstand und Sicherheit für Österreich statt EU-Sanktionen und Masseneinwanderung" gewählt, wobei es in der Debatte auch um das Veto Österreichs gegen einen Schengen-Beitritt Rumäniens ging.
In einer Fragestunde unterstrich Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler das Bestreben der Regierung, das Informationsfreiheitsgesetz noch in dieser Legislaturperiode zu beschließen. Zudem betonte sie, dass die Verhandlungen über eine Verschärfung des Korruptionsstrafrechts bereits "sehr weit fortgeschritten" seien. Familien- und Frauenministerin Susanne Raab hob unter anderem die Entlastungsmaßnahmen der Regierung für Familien hervor.
Als neuer Abgeordneter wurde Christian Oxonitsch (SPÖ) angelobt. Er folgt Nurten Yilmaz nach, die aus Altersgründen ihr Mandat zurückgelegt hat.
Die drei Nationalratssitzungen waren aller Voraussicht nach die letzten im Ausweichquartier des Parlaments in der Hofburg. Ab Mitte Jänner wird der Nationalrat wieder im historischen Parlamentsgebäude tagen. Darauf machte auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka in einer kurzen Ansprache aufmerksam.
Weitere Informationen finden Sie in den Meldungen der Parlamentskorrespondenz:
- 187. Nationalratssitzung
- Gewinnabschöpfung, Stromverbrauchsreduktion, Einkommensteuergesetz
- Dienstrechts-Novelle, Gehaltsabschluss für den öffentlichen Dienst, Neuwahlanträge
- Schulrechtspaket, Österreichischer Austauschdienst
- AMA-Marketingbeiträge
- Sportbericht, Oppositionsanträge
- Aktuelle Stunde
- 189. Nationalratssitzung
- Pflegereform, Abschiedsrede Yilmaz
- Ökostrom-Pauschale, Netzverlustkosten, Sicherstellung der Stromversorgung
- Sonderbetreuungszeit, Langzeit-Kurzarbeitsbonus
- Teuerungsausgleich für Bezieher:innen von Opferrenten, BSVG-Novelle
- Investitionskontrollgesetz, Misstrauensantrag, Debatte über Abwesenheit der Energieministerin
- E-Rezept, Fachzahnarzt für Kieferorthopädie)
- Fachstelle Normungsbeteiligung, VKI
- ÖBB-Rahmenplan, Hai-Produkte, Atomreaktoren
- Fragestunde mit Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler
- Dringliche Anfrage zur Arbeitsmarktreform
- 191. Nationalratssitzung
- Wehrrechtsänderungsgesetz, Zivildienst
- Maßnahmenvollzug
- Filmförderung
- Kinderbetreuungsgeld, erhöhte Familienbeihilfe
- Entschließung zum Holodomor in der Ukraine und zu den Frauenprotesten im Iran
- Weitere außenpolitische Themen
- Fragestunde
- Gleichbehandlungsbericht, Gewaltschutz, Menstruationsgesundheit
- Petitionen, Abwahlmöglichkeit für NR-Präsident:innen, Fristsetzungen, Ansprache Sobotka