News in einfacher Sprache 11.11.2024, 14:33

Bericht zeigt Veränderung in der Gesetzgebung unter ÖVP und Grüne

Bisher gingen die meisten Gesetzesbeschlüsse auf Regierungsvorlagen zurück

In der 27. Gesetzgebungs‑Periode (GP) war das zum ersten Mal anders: Die Zahl der Initiativen von Abgeordneten hat die Regierungsvorlagen überholt.

Bedeutet das, dass der National­rat gestärkt wurde?

Ein aktueller Bericht des Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienstes (RLW) der Parlamentsdirektion beschäftigt sich mit dieser Frage. Zu einem solchen Bericht sagt man auch Fachdossier.

Die Analyse der Entwicklungen seit 2020

Diese Trendumkehr hat auch noch weitere Veränderungen mit sich gebracht: eine Verkürzung der Beratungszeit, fehlende Informationen und weniger Möglichkeiten zur Prüfung von Gesetzen.

COVID-19-Pandemie bereitete den Weg für Initiativanträge als Mittel zum Ziel

Jedes beschlossene Gesetz hat seinen Anfang in einem Antrag, einer Regierungsvorlage oder einem Volksbegehren. Anträge können von Nationalratsabgeordneten, vom Bundesrat oder einem Drittel seiner Mitglieder eingebracht werden. Regierungsvorlagen werden von der Bundesregierung eingebracht.

In der 27. Gesetzgebungsperiode, mit einer Regierung aus ÖVP und Grünen, gab es mehr selbstständige Anträge von Abgeordneten: 53 % aller Gesetzesbeschlüsse basierten auf Initiativanträgen, nur 38 % auf Regierungsvorlagen.

Diese Trendumkehr hat wohl mit der COVID-19-Pandemie zu tun. Ab März 2020 mussten viele bestehende Gesetze angepasst werden. Gesetzliche Grundlagen für den Umgang mit der Pandemie und ihren Folgen waren notwendig – und zwar möglichst schnell. Als Mittel zur Umsetzung wurden selbstständige Anträge eingesetzt. Sie konnten unmittelbar eingebracht werden – also ohne Umweg über einen Ministerialentwurf und ein Begutachtungsverfahren.

In der Tagungsperiode 2019/2020 wurden 54 % der Gesetze auf Basis von selbstständigen Anträgen beschlossen. Doch auch 2023/24, also nach der Pandemie, waren solche Beschlüsse mit 51 % in der Mehrheit.

Großteil der erfolgreichen Initiativanträge wurde von Abgeordneten der Regierungsparteien eingebracht

Die erfolgreichen Anträge wurden zum großen Teil von Abgeordneten der Regierungsparteien eingebracht. In der jüngsten Tagungsperiode 2023/24 kamen von den 99 erfolgreichen selbstständigen Anträgen 93 von Abgeordneten der ÖVP und der Grünen.

Nur 38 % der Beschlüsse in der 27. GP hatten ihren Ursprung in Regierungsvorlagen. Für Regierungsvorlagen sind höhere Anforderungen gesetzlich vorgesehen. Zum Beispiel müssen finanzielle Auswirkungen einer Maßnahme im Rahmen der sogenannten "Wirkungsorientierung" geprüft werden. Geprüft werden müssen auch wirtschafts-, umwelt- und konsumentenschutzpolitische sowie soziale Auswirkungen und die Auswirkungen auf die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern.

In manchen Fällen genügt eine vereinfachte Abschätzung, eine sogenannte wirkungsorientierte Folgenabschätzung, kurz WFA.

Folgen der Veränderung

Wenn es keine Regierungsvorlage gibt, fehlen auch die WFA und die Information zu den Verwaltungskosten.

Für die Abgeordneten bedeutet das: Die Informationsgrundlage ist beschränkt.

Selbstständige Anträge sollen deshalb zumindest einen Bedeckungsvorschlag enthalten.

Das heißt: Es sollte klar sein, wie mit den Kosten umgegangen wird, die durch die Umsetzung des Gesetzes entstehen können. Wenn er fehlt, gibt es aber keine Sanktionen.

Hinzu kommt: Wenn es eine WFA gab, muss das Gesetz innerhalb von 5 Jahren evaluiert, also seine Auswirkungen überprüft werden. Hintergrund ist die Qualitätssicherung von Gesetzen.

Im Fachdossier wird betont: Auch die rechts- und sozialwissenschaftliche Forschung hat sich in den letzten Jahren häufiger mit Entwicklungen beschäftigt, die auch in der 27. Gesetzgebungs-Periode für Österreich typisch geworden sind. Die Forschung weist auf das Risiko hin, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Gesetzgebung sinken könnte.

Im internationalen Vergleich zeigt sich: Gesetze, die sehr rasch ohne Beratungen und ohne breite Diskussion beschlossen worden sind, müssen oft geändert werden.

Das hat Folgen: Es kann hohe Anpassungskosten für Unternehmer:innen und Privatpersonen geben. Ein weiterer Punkt ist die Zunahme von Bestechung und Bestechlichkeit, die durch diese Art des Gesetzgebungsverfahrens gefördert werden.