News in einfacher Sprache 15.05.2025, 09:17

Der Staatsvertrag und sein langer Weg durchs Parlament

Unterschrift im Mai 1955

Durch den Staatsvertrag sollte Österreich ein freies und unabhängiges Land werden. Leopold Figl hat den Vertrag am 15. Mai 1955 unterschrieben. Er war damals Außenminister. Das war ein sehr wichtiger Moment für Österreich.

Aber der Staatsvertrag ist an diesem Tag noch nicht in Kraft getreten. Denn zuerst mussten ihn das Parlament und die 4 Besatzungs-Mächte genehmigen.

Die Besatzungs-Mächte waren die USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion. Sie haben Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg besetzt und kontrolliert. Man nennt sie auch Alliierte.

15. Mai 1955: Der Staatsvertrag wird unterschrieben. Das war ein wichtiger Moment in der Geschichte. Davor hat es jahrelange Verhandlungen gegeben.

Genehmigung im Juni 1955

Der Staatsvertrag ist im Juni 1955 genehmigt worden. Bis dorthin war es ein langer Weg: Das Parlament hat sich fast 9 Jahre lang damit beschäftigt. Das waren 3 Gesetzgebungs-Perioden.

Mit einer geheimen Nationalrats-Sitzung hat alles begonnen. Bis heute war das die einzige geheime Sitzung des österreichischen Nationalrats.

1946: Geheime National­rats-Sitzung im Oktober

Ablauf der Sitzung:

  • Die Sitzung beginnt am 29. Oktober am Vormittag.
  • Um 15:35 Uhr müssen die Besucher:innen gehen, denn die Regierung will einen Bericht geheim besprechen.
  • Die geheime Sitzung beginnt um 15:45 Uhr. Dort sprechen mehrere Minister und Leopold Figl von der ÖVP. Er war damals Bundeskanzler.
  • Um 17:45 Uhr wird die Sitzung unterbrochen.
  • Am nächsten Tag, am 30. Oktober, geht die Sitzung um 14:05 Uhr weiter.
  • Die Sitzung endet um 17:15 Uhr.

Entschließung mit Zielen für die Regierung

ÖVP, SPÖ und KPÖ stellen am 30. Oktober einen Antrag. Darin steht, was die Regierung umsetzen soll, zum Beispiel:

  • Österreich soll eine gute Beziehung zu allen Alliierten haben.
  • Gleichzeitig soll Österreich vollkommen unabhängig und frei werden.

Insgesamt stehen 11 Ziele im Antrag. Die Abgeordneten nehmen ihn einstimmig an. Das ist die erste Entschließung des Parlaments für ein freies Österreich.

Es ist die erste Entschließung für ein freies Österreich. Der Nationalrat hat sie am 30. Oktober einstimmig angenommen.

1947: Die erste Enttäuschung

Jänner 1947:

Im Jänner 1947 treffen sich Sonder-Beauftragte der Alliierten in London. Sie sollen einen Vertrag mit Österreich vorbereiten.

Am 15. Jänner berichtet Bundeskanzler Figl im Nationalrat vom Treffen. Er ist zuversichtlich und sagt: Das Jahr 1947 beginnt gut. Hoffentlich können wir heuer wirklich frei werden.

März 1947:

Im März 1947 treffen sich die Außenminister der Alliierten in Moskau. Dort gibt es aber keine Einigung. Die Gründe dafür sind:

  • Jugoslawien will Teile von Österreich haben.
  • Es gibt Probleme dabei, das "deutsche Eigentum" aufzuteilen. Mit "deutschem Eigentum" sind die Besitztümer des ehemaligen Deutschen Reichs gemeint.

Mai 1947:

Bundeskanzler Figl berichtet im Nationalrat. Er sagt: Ganz Österreich ist von der Konferenz in Moskau enttäuscht.

Leopold Figl hat dem Parlament regelmäßig berichtet, wie es mit den Verhandlungen zum Staatsvertrag aussieht.

1949: Das Parlament erfährt von Fortschritten

Februar bis Mai 1949:

Von Februar bis Mai 1949 gibt es mehrere Treffen in London. Dort kommen die Außenminister-Stellvertreter von den Alliierten zusammen. Davor gab es fast 1 Jahr lang kein Treffen.

Bei den Verhandlungen geht wenig weiter. Deshalb macht das österreichische Parlament Druck: Am 11. Mai 1949 gibt es eine einstimmige Entschließung im Nationalrat. Er fordert, dass der Staatsvertrag endlich abgeschlossen wird.

Juni 1949:

Bei einem Treffen in Paris gibt es Fortschritte in den Verhandlungen.

Bundeskanzler Figl berichtet dem Nationalrat am 22. Juni: Die Alliierten haben in Paris die Grundlage für den Staatsvertrag geschaffen. Bis zum 1. September soll es einen vollständigen Entwurf geben.

Doch keine Einigung:

Doch die USA und die Sowjetunion verzögern die Verhandlungen. Denn es gibt einen großen Konflikt zwischen der westlichen Welt und der östlichen Welt. Das führt dazu, dass Österreich noch lange auf den Staatsvertrag warten muss.

1953: Ein neuer Verhandlungs-Plan

März 1953:

Erst 1953 sieht es wieder besser aus. Josef Stalin stirbt im März. Er war der Führer der Sowjetunion. Dadurch wird die Besatzung etwas lockerer.

April 1953:

Ab April gibt es eine neue Regierung in Österreich. Bundeskanzler ist Julius Raab von der ÖVP.

Die Regierung ist offener als die vorige und zeigt der Welt deutlich: Österreich könnte ein neutraler Staat werden.

September 1953:

Es gibt also einen neuen Plan, wie man bei den Verhandlungen vorgehen will. Am 23. September 1953 genehmigt der Haupt-Ausschuss des Nationalrats den Plan.

November 1953:

Leopold Figl wird Außenminister.

1954: Die Verhandlungen scheitern wieder

Jänner und Februar 1954:

Eine Außenminister-Konferenz findet in Berlin statt. Österreich hat große Hoffnungen. Zum ersten Mal ist Österreich gleichberechtigt bei den Verhandlungen dabei.

Aber es gibt wieder eine Enttäuschung. Am 24. Februar berichtet Außenminister Figl im Nationalrat:

  • Die Verhandlungen sind gescheitert.
  • Die Sowjetunion hat überraschend gefordert: Die Alliierten sollen so lange in Österreich bleiben, bis es einen Friedensvertrag mit Deutschland gibt. Das wollte Österreich nicht akzeptieren.

1955: Ein wichtiges Jahr in der Geschichte

April 1955:

In Moskau geht schließlich etwas weiter: Am 15. April entsteht das Moskauer Memorandum. Das ist eine offizielle Erklärung. Vertreter aus der Sowjetunion und Österreich haben sie unterschrieben.

Im Memorandum steht: Die Sowjetunion will den Staatsvertrag unterschreiben. Die Voraussetzung ist: Österreich muss erklären, dass es immer neutral bleiben wird, so wie die Schweiz.

Mai 1955:

Es gibt eine Konferenz in Wien. Daran nehmen Botschafter der Alliierten und von Österreich teil.

Außenminister Figl sagt am 12. Mai im Nationalrat: Er hofft und glaubt, dass Österreich bald den Staatsvertrag unterschreibt. Das wird ein wichtiges Datum in der Geschichte. Denn das sichert Österreich die Freiheit und die Unabhängigkeit.

Alle klatschen begeistert.

Am 15. Mai unterschreibt Österreich dann den Vertrag.

Der Staatsvertrag ist unterschrieben. Die Außenminister kommen auf den Balkon des Schloss Belvedere in Wien.

Juni 1955:

Der Staatsvertrag tritt aber erst in Kraft, als ihn das Parlament annimmt. Das läuft so ab:

  • Am 1. Juni bespricht der Haupt-Ausschuss die Vorlage der Regierung. Er empfiehlt dem Nationalrat einstimmig, den Staatsvertrag zu genehmigen. Außerdem gibt es eine einstimmige Entschließung: Die Regierung soll ein Gesetz zur Neutralität ausarbeiten.
  • Am 7. Juni genehmigt der Nationalrat den Staatsvertrag einstimmig. Außerdem gibt es eine Erklärung der Neutralität. Sie gehört nicht zum Staatsvertrag, aber sie hängt damit eng zusammen. Der Nationalrat nimmt sie auch einstimmig an.
  • Am 8. Juni genehmigt der Bundesrat den Staatsvertrag. Am 8. Juni genehmigt der Bundesrat den Staatsvertrag.

Im Juni 1955 beschließen der Nationalrat und der Bundesrat einstimmig, dass sie den Staatsvertrag genehmigen.

Juli 1955:

Auch die Alliierten nehmen den Staatsvertrag an. Er tritt mit 27. Juli 1955 in Kraft. Damit ist Österreich rechtlich unabhängig.

Oktober 1955:

Die Alliierten müssen Österreich innerhalb von 90 Tagen verlassen. Sie haben bis 25. Oktober Zeit.

Am 26. Oktober 1955 setzt der Nationalrat die Entschließung vom Juni um: Er beschließt das Gesetz über Österreichs Neutralität.

Jubiläums-Jahr: Parlament feiert 3 historische Ereignisse

Sie waren sehr wichtig für die Demokratie:

  • Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende gegangen.
  • Österreich hat den Staatsvertrag unterschrieben.
  • Österreich ist der EU beigetreten.

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