News in einfacher Sprache 09.01.2023, 16:30

Ein Blick zurück: Die Zeit im Ausweichquartier

Am 22. Dezember 2022 fand die letzte Tagung des Parlaments im Ausweichquartier in der Wiener Hofburg statt. Wir werfen nun einen Blick zurück auf die Zeit im Ausweichquartier.

Misstrauensantrag gegen Bundesregierung

Zum 1. Mal in der Geschichte der Zweiten Republik hat der Nationalrat einen Misstrauensantrag gegen eine gesamte Bundesregierung angenommen. Die Zweite Republik ist die nach dem 2. Weltkrieg im April 1945 wiederhergestellte Republik.

So kam es dazu: Im Mai 2019 wurde das Ibiza-Video bekannt. In diesem Video zeigte Heinz-Christian Strache von der FPÖ, der 2019 Vizekanzler war, Bereitschaft zur Korruption. In der Nationalratssitzung am 27. Mai 2019 brachte die SPÖ den Misstrauensantrag ein. Die FPÖ und die Partei JETZT unterstützten den Antrag.

Somit hatte Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Auftrag, die Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz zu entlassen.

Dann gab es gleich eine weitere Premiere im Parlament: Die erste weibliche Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein gab am 12. Juni 2019 zu ihrem Amtsantritt eine Regierungserklärung im Nationalrat ab. Auch das fand im Plenarsaal in der Hofburg statt.

Corona-Pandemie

Ab März 2020 sorgte die Corona-Pandemie für viele außergewöhnliche Ereignisse: Am Sonntag, den 15. März 2020, gab es zum 1. Mal in der Geschichte der Zweiten Republik Sitzungen von Nationalrat und Bundesrat am selben Wochenende. An diesem Wochenende fanden insgesamt 4 Plenarsitzungen statt. In diesen Plenarsitzungen wurde ein erstes umfassendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Ausbreitung des Corona-Virus beschlossen.

In den folgenden Monaten gab es dann einige einzigartige Ereignisse im Ausweichquartier in der Hofburg:

Der Nationalrat tagte zum Beispiel in reduzierter Zusammensetzung. Die Abgeordneten saßen weiter entfernt voneinander. Manche verfolgten die Debatten von der Galerie und aus anderen Räumlichkeiten. Alle Abstimmungen fanden jeweils am Ende der Sitzung statt, damit sich die Abgeordneten nur möglichst kurz gemeinsam im Plenarsaal aufhalten mussten. Zwischen den Sitzplätzen wurden dann auch Plexiglas-Trennwände angebracht.

Rekorde

Es gab während der Zeit in der Hofburg einige parlamentarische Rekorde. Auch daran ist die Corona-Pandemie schuld.

  • Im Jahr 2020 gab es 68 Plenarsitzungen des Nationalrats. Das waren die bisher meisten Sitzungen in einem Kalenderjahr.
  • 2021 wurden 223 Gesetzesbeschlüsse gefasst. Das waren die meisten Gesetzesbeschlüsse in einem Kalenderjahr.
  • 2021 gab es auch die bisher meisten Sondersitzungen des Bundesrats in einem Kalenderjahr. Die Mitglieder des Bundesrats kamen 5 Mal zu einer Sondersitzung zusammen.

Zahlen zu den 5 Jahren im Ausweichquartier

Insgesamt gab es in den 5 Jahren im Ausweichquartier 287 Plenarsitzungen des Nationalrats und 78 Sitzungen des Bundesrats.

  • Die Sitzungen des Nationalrats dauerten insgesamt 1.480 Stunden und 35 Minuten.
  • Die Sitzungen des Bundesrats dauerten insgesamt 650 Stunden und 43 Minuten.
  • Die Ausschüsse des Nationalrats kamen zu insgesamt 1.225 Sitzungen zusammen.
  • Die Ausschüsse des Bundesrats hatten 599 Sitzungen.

Die Abgeordneten des Nationalrats brachten während der 5 Jahre im Ausweichquartier 983 Gesetzesanträge und 3.167 Entschließungsanträge ein.

Von den Mitgliedern des Bundesrats kamen 21 selbstständige Anträge und 103 Entschließungsanträge.

Insgesamt wurden 842 Gesetze beschlossen. Darunter waren 6 Bundesfinanzgesetze, mit denen das Budget für den Bund festgelegt wird. Im Jahr 2020 wurden gleich 2 Budgets in einem Jahr beschlossen. Das gab es davor zuletzt im Jahr 2000 und insgesamt erst 4 Mal in der Zweiten Republik.

Während der Zeit im Ausweichquartier gab es 5 Untersuchungsausschüsse. Diese kamen zu insgesamt 179 Sitzungen zusammen. Diese Sitzungen dauerten insgesamt ungefähr 1.367 Stunden.

Die Abgeordneten im Nationalrat stellten 43 Dringliche Anfragen und 27 Dringliche Anträge in Plenarsitzungen. Im Bundesrat gab es 36 Dringliche Anfragen.

Im Nationalrat fanden außerdem 55 Kurze Debatten statt. Im Bundesrat gab es 3 Kurze Debatten. Eine kurze Debatte ist eine Diskussion im Plenum, die zeitlich beschränkt ist. Sie kann von 5 Abgeordneten verlangt werden zur Beantwortung einer Anfrage, zu einem Fristsetzungsantrag oder zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Im Nationalrat gab es 17.873 schriftliche Anfragen an Regierungsmitglieder und andere Organe. Im Bundesrat waren es 812. Auch hier gab es einen Rekord: 2021 gab es 4.467 schriftliche Anfragen an Regierungsmitglieder im Nationalrat. Das waren mehr als je zuvor.

Ab Mitte Jänner: Neuer Arbeitsplatz für viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier

Während der 5 Jahre im Ausweichquartier gab es 2 Nationalratswahlen. Es gab auch zahlreiche Landtagswahlen. Somit gab es auch viele neue Nationalratsabgeordnete und neue Mitglieder des Bundesrats. Wenn der parlamentarische Betrieb im sanierten Parlamentsgebäude Mitte Jänner 2023 startet, wird das Haus für viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier ein ganz neuer Arbeitsplatz sein.

Nur 75 der 183 Nationalratsabgeordneten und nur 13 der 61 Bundesratsmitglieder haben schon vor der Sanierung im Gebäude an der Wiener Ringstraße gearbeitet: Für mehr als die Hälfte der Abgeordneten im Nationalrat und mehr als drei Viertel der Mitglieder des Bundesrats gibt es dann eine persönliche Premiere.